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Chemie - Fluch oder Segen der Menschheit

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Schüleraufsätze zum Thema „<strong>Chemie</strong> − <strong>Fluch</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>Segen</strong><strong>der</strong> <strong>Menschheit</strong>“von Volker Wiskamp, Fachbereich Chemische Technologie, Fachhochschule DarmstadtIn <strong>der</strong> letzten Zeit hatte ich meine Schülerinnen und Schüler gelegentlich gebeten, Aufsätzeüber verschiedene Themen des <strong>Chemie</strong>unterrichtes zu schreiben, und mich dabei immerwie<strong>der</strong> gefreut, welches Potential an Kreativität dabei freigesetzt wurde [1-3].Deshalb schlüpfte ich auch im Sommer 2000 in <strong>der</strong> vorletzten <strong>Chemie</strong>stunde <strong>der</strong> Klasse 10cdes Lichtenberg-Gymnasiums in Darmstadt, wo ich als Lehrbeauftragter tätig bin, in die Rolledes Deutschlehrers und ließ einen dialektischen Besinnungsaufsatz über den Titel diesesLeserbriefes verfassen. Der Zeitpunkt war bewusst gewählt, um den Jugendlichen, dieunmittelbar vor ihrer mittleren Reife standen, die Gelegenheit zu geben, den <strong>Chemie</strong>-Mittelstufenunterricht kritisch zu reflektieren. Interessante Argumente aus den Texten und <strong>der</strong>Diskussion in <strong>der</strong> letzten Stunde des Schuljahres sind im Folgenden sinngemäßzusammengefasst.Durch die meisten Aufsätze zog sich <strong>der</strong> Gedanke, dass es immer Menschen sind, die mit<strong>Chemie</strong> gut <strong>o<strong>der</strong></strong> schlecht umgehen, und dass man deshalb den Personen danken solle, die die<strong>Chemie</strong> zum Wohle <strong>der</strong> <strong>Menschheit</strong> genutzt, indem sie beispielsweise ein wirkungsvollesMedikament entwickelt haben, und umgekehrt diejenigen tadeln müsse, die die <strong>Chemie</strong>missbrauchten, um z.B. an<strong>der</strong>e Menschen zu töten.Oft wurde Paracelsus zitiert, dass es auf die Dosis ankomme, ob ein Stoff nützlich <strong>o<strong>der</strong></strong>schädlich sei. Beispielsweise sei Chlor in kleinen Mengen in Wasser gelöst ein nützlichesDesinfektionsmittel, in größeren Mengen jedoch ein heimtückisches Gift.Uneingeschränkt wurde akzeptiert, dass die Menschen ohne die <strong>Chemie</strong> ihren jetzigenLebensstandard nicht erreicht hätten, insbeson<strong>der</strong>e nicht so lange leben könnten, wie sie esheute im Durchschnitt tun. Ohne Hygieneartikel wäre das Leben wohl noch so wie imMittelalter.Es wurde aber auch gesehen, dass die positiven Wirkungen <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong> häufig negativeNebenwirkungen haben. Beispielsweise liefere die Verbrennung von Braunkohle Wärme undStrom, aber auch sauren Regen, wenn keine Rauchgasentschwefelung vorgenommen werde.Wie bei einem Medikament würden die Nebeneffekte zähneknischend in Kauf genommen,falls nur die gewünschte Hauptwirkung zuverlässig eintrete.Positiv fanden es fast alle Schülerinnen und Schüler, dass mit Hilfe von chemischem Wissenbestimmte schädliche Nebenwirkungen reduziert werden können. Als Beispiel hierzu wurdemehrfach <strong>der</strong> 3-Wege-Katalysator genannt, <strong>der</strong> u.a. die Primärschadstoffe NO und CO, diebeim Autofahren entstehen, in N 2 und CO 2 umwandle. Letzteres Gas sei nämlich keinAtemgift mehr, son<strong>der</strong>n „nur“ noch ein Klimagift. Aus diesen Aussagen geht hervor, dass diemeisten Jugendlichen dem Schutz <strong>der</strong> eigenen Gesundheit einen höheren Stellenwert gebenals dem ihrer Umwelt.Nur eine Schülerin bezeichnete Erfindungen wie den Autoabgaskatalysator, die durch <strong>Chemie</strong>angerichtete Schäden lediglich minimieren, als einen schlechten <strong>Segen</strong> und kritisierte dieArroganz, mit <strong>der</strong> solche Entwicklungen als Fortschritt gepriesen würden. Dieselbstverständliche Akzeptanz des Autofahrens in unserer Gesellschaft sei ein Anachronismusund genau das Gegenteil von fortschrittlich, weil durch den vom Autoverkehr maßgeblichverursachten Treibhauseffekt schlussendlich die Lebensgrundlage für Mensch und Naturvernichtet werde.


Vom Sand zum Computer-Prozessor − ein Märchen, ganz ohne chemische FormelnEs war einmal ein Siliciumatom, das lebte glücklich und zufrieden mit Milliarden an<strong>der</strong>enSiliciumatomen und doppelt so vielen Sauerstoffatomen an <strong>der</strong> Küste des Meeres. Tagsüberschien ihm die Sonne auf den Pelz, und gelegentlich wurde es von den Wogen des Oceansgestreichelt. Doch eines Tages kam ein dicker, fetter Ölteppich auf die Küste zu, und es warvorbei mit <strong>der</strong> Fröhlichkeit: Alles klebte zu einem schwarzen Schlick zusammen, und esschien Ewigkeiten − fast ein Jahr − zu dauern, bis die Befreiung vom Öl gelang und es wie<strong>der</strong>so schön wie früher war. Kaum war <strong>der</strong> Schreck <strong>der</strong> Ölpest vorüber, wurde das Siliciumatommit seinen Artgenossen und Bindungspartnern auf einen Lastkraftwagen verladen undabtransportiert. Es kam in eine große Fabrik und wurde zusammen mit Kohlenstoff erhitzt.Wie durch ein Wun<strong>der</strong> wurde es von seinen langjährigen Freunden und direkten Nachbarn,den Sauerstoffatomen, die sich als Kohlenstoffoxid auf und davon in die Luft machten,getrennt. Aber den Chemikern reichte die Reinheit des Siliciums noch nicht aus, und sowurde es durch eine sehr heiße Röhre gezogen, bis es schließlich reiner war, als es sich diesjemals erträumt hätte. Was war wohl <strong>der</strong> Grund, warum die Chemiker so etwas mit ihmmachten? Kurz darauf wurde das Silicium zu einem <strong>der</strong> m<strong>o<strong>der</strong></strong>nsten Computer-Prozessorengemacht, und lebte von nun an mit vielen an<strong>der</strong>en genau so reinen Siliciumatomenzusammen. Und wenn es nicht verschrottet wurde, dann rechnet es noch heute.Literatur[1] V. Wiskamp: <strong>Chemie</strong> in <strong>der</strong> Küche − ein Erfahrungsbericht mit Schüleraufsätzen. − c+b, Heft 2/1998.[2] V. Wiskamp: Mittelstufenschüler stellen Grundschülern die <strong>Chemie</strong> vor. −<strong>Chemie</strong> & Schule, 14 (1999), Heft 3, S. 17-19.[3] V. Wiskamp: Die Edelgasregel in Märchenform. − c+b, Heft 1/2000.

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