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INDIVIDUUM UND MASSENSCHICKSAL – ein Seth-Buch

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japanischen Zen-Meister in Amerika, der bei uns<br />

in der Schweiz Zen-Sesshins anbot. Das Zusammens<strong>ein</strong><br />

mit diesem Meister war <strong>ein</strong> Ereignis.<br />

In s<strong>ein</strong>er Nähe lösten sich Fragen auf und<br />

wichen <strong>ein</strong>er nie gekannten Klarheit und Freude.<br />

Er wies immer wieder darauf hin, dass wir in<br />

unserer eigenen Mitte das Kloster errichten sollen,<br />

dass es k<strong>ein</strong>en andern Ort dafür gebe.<br />

Jeden Tag las ich im Tao-te-king. Sätze wie:<br />

„Braucht man s<strong>ein</strong> Leuchten und kehrt zu s<strong>ein</strong>em<br />

Licht zurück, so verliert man nichts bei des<br />

Leibes Zerstörung. Das heisst: ins Ewige <strong>ein</strong>gehen“<br />

wurden mir Wegbegleiter. Aber auch Sätze<br />

aus der Bibel waren plötzlich wieder da und belebten<br />

all m<strong>ein</strong>e Zellen. So z. B.: „Wer mich liebt<br />

und an mich glaubt, aus dessen Leibe werden<br />

Ströme lebendigen Wassers fliessen.“ Folgendes<br />

Bibelwort jedoch bewirkte die tiefste Heilung<br />

m<strong>ein</strong>es Risses in der Einheit, den ich im 8. Lebensjahr<br />

erfahren hatte: „Fürchte dich nicht, ich<br />

habe dich bei d<strong>ein</strong>em Namen gerufen, du bist<br />

m<strong>ein</strong>!“ Es löste tiefste Glücksgefühle aus - ich<br />

w<strong>ein</strong>te und lachte stundenlang, als es mir zugefallen<br />

war. Kurz darauf wurde ich im Traum aufgefordert,<br />

in die kalte Luft zu hauchen und dann<br />

m<strong>ein</strong>en Namen zu sagen, dann entstehe <strong>ein</strong><br />

Mandala. Voller Scheu mache ich das, da erkenne<br />

ich ganz zart den meditierenden Buddha,<br />

im Yin und Yang sitzend.<br />

Im Jahre 1990 wurde uns <strong>ein</strong> wunderbares<br />

Mädchen geschenkt. Nadine ist hellwach und<br />

nimmt so viel von ihrer Umgebung auf und überrascht<br />

uns immer wieder mit ihrer Intuition, aber<br />

auch mit ihrem köstlichen Humor.<br />

1992 besuchte ich am Zürichsee m<strong>ein</strong> zweites<br />

Zen-Sesshin. Unendlich lange, durchlittene Sitzperioden,<br />

Schmerzen, Mattig- und Müdigkeit -<br />

und doch schien fast unmerklich etwas in mir zu<br />

schmelzen, jedenfalls erschien mir der See, die<br />

aufgehende Sonne, die gelbe Rose zauberhaft<br />

schön. Als ich dem Zen-Meister kurze Zeit darauf<br />

in dieser gewaltigen Stille gegenübersitze,<br />

breche ich in Tränen aus. Sitze um drei Uhr<br />

morgens im Garten, Grillengezirp, Sternenhimmel,<br />

r<strong>ein</strong>e, frische Luft in m<strong>ein</strong>er umfassenden<br />

Atmung. Plötzlich schauen mich die Augen m<strong>ein</strong>es<br />

Mannes an, mit so viel guter Kraft und Liebe,<br />

da weichen sie dem Einen Auge - alles aufnehmend,<br />

alles ausstrahlend.<br />

Beim nächsten Sanzen fragt mich der Zen-<br />

Meister, mit welchem Geist ich meditiere, wenn<br />

doch der vergangene Geist unfassbar sei, der<br />

gegenwärtige Geist unfassbar sei und der zu-<br />

künftige Geist ebenfalls unfassbar sei. Blitzschnell<br />

schoss <strong>ein</strong>e Antwort aus mir heraus -<br />

und da war nur noch dieser lebendige Geist, der<br />

seiende, ewig sich wandelnde Urquell. Unaussprechbare<br />

Freude und Dankbarkeit überwältigten<br />

mich.<br />

Der Alltag ging weiter, das Leben als Partnerin<br />

und Mutter, als Musikerin und Pädagogin mit<br />

s<strong>ein</strong>en Aufs und Abs. Und doch war <strong>ein</strong> anderer<br />

S<strong>ein</strong>sgrund gelegt, der durch alles hindurchleuchtet,<br />

mal stärker, mal schwächer. Die tägliche<br />

Meditation ist mir zur heiligen Pflicht geworden,<br />

verbunden mit dem Spielen auf der Flöte.<br />

Im Herbst 1993 erlebte ich <strong>ein</strong>en unvergesslichen<br />

Traum. Er hat für mich visionären Charakter:<br />

Ich gehe über <strong>ein</strong>en Friedhof und bin sehr<br />

be<strong>ein</strong>druckt von der stillen Stimmung, obwohl<br />

schmachtende, leidende Kreaturen da sind, Kinder,<br />

die an Lepra sterben - ich fühle mich im<br />

Strom des leidvollen Lebens, und doch ist da<br />

diese Stille. Da stehen plötzlich zwei goldene<br />

Engel vor mir. Sie wollen mir etwas zeigen: Sie<br />

haben <strong>ein</strong>e Flöte und beginnen darauf zu spielen,<br />

die Flöte ist rund, erinnert an <strong>ein</strong> Fladenbrot.<br />

Das Fantastische sind die Nachklänge, sie blasen,<br />

halten die Flöte in die Runde <strong>–</strong> und ES<br />

klingt! Sie laden mich zu <strong>ein</strong>er Heilung mit diesen<br />

Flöten <strong>ein</strong>. Wir steigen auf <strong>ein</strong> Dach, ich<br />

blase in diese Flöte und halte den Nachklang<br />

über diese leidenden Menschen, um Heilung zu<br />

bewirken.<br />

Die Erfahrung, dass ES klingt, war umwerfend,<br />

und sie dehnte sich immer mehr im Alltag aus.<br />

Früher hatte ich noch oft Sätze gedacht wie:<br />

„Wenn ich mich doch nur für <strong>ein</strong> Leben im Kloster<br />

entschieden hätte, könnte ich mit viel mehr<br />

Hingabe an Gott leben.“ Und immer mehr zu<br />

merken dass ES <strong>ein</strong>fach da ist, ob ich koche, mit<br />

den Kindern spiele, Flöte unterrichte, mit Nachbarn<br />

plaudere - welche Befreiung! Und immer<br />

wieder geschieht es beim Aufwachen, dass sich<br />

m<strong>ein</strong>e Hände falten und m<strong>ein</strong> ganzer Körper von<br />

<strong>ein</strong>er starken, wunderbaren Kraft durchdrungen<br />

ist <strong>–</strong> ich kann nur stille halten und fast platzen<br />

vor Freude und Friede. Dann wieder der<br />

manchmal allzu hektische Alltag, sodass ich in<br />

m<strong>ein</strong> Tagebuch schreibe, z. B. im Juli 1997:<br />

„Welch <strong>ein</strong> Betrieb! So viele Leute läuten, Telefone<br />

telefonieren und das Wesen, das wesentlich<br />

werden möchte!“ Dann wieder die wundervollen<br />

Erlebnisse, wo innen und aussen auf geheimnisvolle<br />

Weise zusammenschmelzen ...<br />

46 LICHTWELLE / August 2004

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