Beelitzer Nachrichten - November 2014
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BEELITZER NACHRICHTEN NR. 10 / 25. JAHRGANG<br />
26. NOVEMBER <strong>2014</strong>, SEITE 17<br />
Aus der Stadt und den Ortsteilen<br />
Erinnern an die Wendejahre ‘89/’90 in Beelitz<br />
– ein eindrucksvoller Abend im Tiedemannsaal<br />
Am 30. Oktober vor 25 Jahren fand in<br />
Beelitz die große öffentliche Einwohn<br />
er ver sa mm lun g im Saa l des<br />
„Schwarzen Adlers“ statt. Der Saal fasste<br />
kaum all die interessierten <strong>Beelitzer</strong>,<br />
die die Gelegenheit nutzten, ihren Ärger<br />
über die örtlichen Verhältnisse los zu<br />
werden. Berechtigterweise kann man<br />
diese Veranstaltung als Beginn der gesellschaftlichen<br />
Umgestaltung in Beelitz<br />
bezeichnen.<br />
Die Medien sind derzeit voll mit den<br />
umwälzenden Ereignissen in der ehemaligen<br />
DDR, vor allem natürlich in den<br />
Großstädten wie Berlin und Leipzig.<br />
Aber auch in den kleinen Orten hatten<br />
sich auf Grund der widersprüchlichen<br />
Zustände – offizielle Jubelarien anlässlich<br />
des 40. Jahrestags der DDR auf der<br />
einen Seite, Versorgungsengpässe,<br />
Wohnungsnot bei gleichzeitig verfallenden<br />
Innenstädten und immer mehr Reglementierungen<br />
für die Menschen auf<br />
der anderen Seite – Zorn und Frustration<br />
bis ins Unerträgliche aufgestaut.<br />
25 Jahre sind seit der Wende vergangen,<br />
25 Jahre in denen viel geschehen ist.<br />
Obwohl sich sicher nicht alle Vorstellungen<br />
verwirklicht haben, wird niemand<br />
abstreiten können, dass Beelitz<br />
sich gut herausgeputzt hat.<br />
25 Jahre Entwicklung in Beelitz unter<br />
den Bedingungen des freiheitlich demokratischen<br />
Rechtsstaats waren Anlass<br />
für Dr. Elke Seidel, Thomas Wardin und<br />
Hartwig Frankenhäuser, die in der Wendezeit<br />
aktiv wurden, eine öffentliche<br />
Veranstaltung zur Erinnerung an die<br />
herausragenden Ereignisse in der Wendezeit<br />
in Beelitz zu organisieren.<br />
In einer ersten Runde berichteten die<br />
Teilnehmer sehr emotional über den<br />
Anlass für ihre politische Aktivität bei<br />
der gesellschaftlichen Umgestaltung.<br />
Jahrelang hatten sie sich mehr oder weniger<br />
mit den bestehenden Verhältnissen<br />
arrangiert. Die sich zuspitzenden Widersprüche<br />
in der DDR-Gesellschaft führten<br />
aber dazu, sich zunehmend<br />
vor allem am<br />
Arbeitsplatz für Offenheit<br />
und eine notwendige<br />
Umgestaltung einzusetzen.<br />
In einer zweiten Runde<br />
berichteten die Teilnehmer<br />
– auch anhand von<br />
Originalnamensschilder des Runden Tisches<br />
zahlreichen Dokumenten aus den persönlichen<br />
Sammlungen - über die herausragenden<br />
Wendeereignisse in Beelitz:<br />
- die Einwohnerversammlung am 30.<br />
Oktober 1989, in der sich der Zorn der<br />
Bürger entladen hatte. Es zeigte sich,<br />
dass die damals Verantwortlichen keine<br />
befriedigenden Antworten auf die<br />
drängenden Probleme hatten. In guter<br />
Erinnerung ist die Unterschriftensammlung<br />
für die Freilassung Vaclav<br />
Havels am Eingang des Saales durch<br />
Herrn Frankenhäuser;<br />
- die von Herrn Seehaus gegründete<br />
Bürgerinitiative, der es in kurzer Zeit<br />
gelang, dass der SED-Ortsparteisekretär<br />
sein Büro im <strong>Beelitzer</strong> Rathaus<br />
räumen musste;<br />
- die Gründung einer Gruppe des Neuen<br />
Forums und deren Wirksamwerden in<br />
der Stadt;<br />
- die Gründung und die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft<br />
Ökologie und<br />
Stadtgestaltung, die maßgebliche Defizite<br />
der bisherigen Stadtpolitik aufgriff<br />
und Änderungen veranlasste;<br />
- das Wirken der Bürgerinitiative Trinkwasserschutz,<br />
deren Ziel es war, den<br />
wenig verantwortungsvollen Umgang<br />
mit Chemikalien in der Trinkwasserschutzzone<br />
II durch das ACZ Beelitz<br />
zu beenden. Auch kämpfte die Bürgerinitiative<br />
gegen den Plan, in Beelitz<br />
ein zentrales Giftlager für Pflanzenschutzmittel<br />
zu errichten. Beide Ziele<br />
wurden erreicht, das ACZ (Agrochemisches<br />
Zentrum) gibt es nicht mehr,<br />
das zentrale Giftlager am Kähnsdorfer<br />
Weg wurde nicht gebaut;<br />
- die Arbeit des Runden Tisches, der bis<br />
zur ersten demokratischen Kommunalwahl<br />
am 6. Mai 1990 das Machtvakuum<br />
in Beelitz durch seine sehr intensive<br />
und konstruktive Arbeit ausfüllte;<br />
- das Bemühen einer Arbeitsgruppe<br />
des Runden Tisches, die geheimdienstlichen<br />
Vorgänge des Staates<br />
in den Einrichtungen in Beelitz-<br />
Schönefeld und Elsholz aufzuklären;<br />
- die Vorbereitung der Partnerschaften<br />
zu den Städten Alfter bei Bonn und<br />
Ratingen;<br />
- die nahezu lückenlose Menschenkette<br />
am 1. Advent 1989 quer durch Beelitz<br />
als Bestandteil einer DDR-weiten Aktion<br />
für die demokratische Umgestaltung;<br />
- Der Soldatenaufstand in Beelitz am<br />
1./2. Januar 1990. Dieses herausragende<br />
Wendeereignis strahlte bis weit<br />
über Beelitz hinaus und wird sicher<br />
noch intensiv von Militärhistorikern<br />
untersucht werden. Für Beelitz bemerkenswert<br />
war die beeindruckende Solidarität<br />
der <strong>Beelitzer</strong> mit den gegen<br />
sinnfreien militärischen Drill protestierenden<br />
Soldaten. Die Solidarisierung<br />
führte mit dazu, dass gewaltfrei<br />
die nicht unbilligen Forderungen der<br />
Soldaten von der DDR-Regierung<br />
erfüllt wurden;<br />
- den Abschluss fanden die Wendeereignisse<br />
in Beelitz mit den ersten demokratischen<br />
Kommunalwahlen am 6.<br />
Mai 1990. Die Mitglieder des Runden<br />
Tisches fanden sich fast alle in der<br />
ersten Stadtverordnetenversammlung<br />
wieder – eine Anerkennung für die<br />
geleistete Arbeit am Runden Tisch.<br />
Die Teilnehmer der Veranstaltung schilderten<br />
anschaulich aus ihrem persönlichen<br />
Erleben die Ereignisse der Wendezeit<br />
in Beelitz. Sie werden dafür eintreten,<br />
dass diese Zeit nie vergessen wird.<br />
So vergingen überaus interessante gute<br />
zwei Stunden erlebter Geschichte. Das<br />
Buch „<strong>Beelitzer</strong> Wendejahre 1898/90“<br />
von 2009, in dem alle Ereignisse aufgeführt<br />
sind, ist noch in wenigen Exemplaren<br />
bei Hartwig Frankenhäuser erhältlich.<br />
Dr. Rudolf Seidel<br />
Protagonisten der Wende Thomas Wardin, Dr. Elke<br />
Seidel, Hartwig Frankenhäuser