Beelitzer Nachrichten - November 2014
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26. NOVEMBER <strong>2014</strong>, SEITE 18 NR. 10 / 25. JAHRGANG<br />
BEELITZER NACHRICHTEN<br />
Der <strong>Beelitzer</strong> Kirchturm wackelte, als die Mauer fiel<br />
Das konnte ich nicht begreifen, als am<br />
Donnerstagabend, dem 9. 11. 1989, von<br />
Günter Schabowski verkündet wurde:<br />
„Die Grenze ist auf!.“<br />
Die ganze Familie saß vor dem Fernseher.<br />
Wir glaubten es nicht. - Aber am<br />
nächsten Morgen waren unsere Kinder<br />
weg!<br />
Leute kamen, tränenüberströmt, umarmten<br />
mich. Mein Mann war unterwegs.<br />
Unser Friedhofsgärtner Herr Wendt<br />
kam. Ich begriff: „Herr Wendt, wir müssen<br />
etwas tun! Wir steigen auf den<br />
Kirchturm und läuten die Glocken.“<br />
Wendt: „Das dürfen wir nicht, der Turm<br />
ist baufällig und polizeilich gesperrt.“ -<br />
Schon lange durften die Glocken nicht<br />
Viel hilft nicht viel –<br />
im Gegenteil<br />
Ein Plädoyer für Blühstreifen in der<br />
Landschaft<br />
geläutet werden. Ich: „Wir gehen trotzdem!“<br />
Wir läuteten die Glocken. Aus<br />
dem Fenster sahen wir die Leute<br />
vor dem Rathaus (dort war damals<br />
die Sparkasse) Schlange<br />
stehen, die Treppe runter bis zur<br />
Kirche. Sie wollten Geld tauschen<br />
für den 1. Westberlin-Trip<br />
- Sie jubelten! - Wir auch! - Und<br />
läuteten weiter!<br />
Es war ein großartiger Tag. Jeder<br />
neue Tag brachte Überraschungen.<br />
Ein doppelstöckiger<br />
Bus aus Westberlin fuhr vor. In<br />
der Drogerie Baganz konnte<br />
man Westzeitungen für Ostgeld<br />
kaufen. In der Tageszeitung<br />
stand plötzlich das westliche Fernsehprogramm.<br />
In den Illustrierten „NBI“<br />
und „Für Dich“ standen Dinge,<br />
von denen wir nichts wussten.<br />
Es gab aber auch große Ratlosigkeit.<br />
Was sollte nun werden? Wir<br />
Pfarrersleute wurden plötzlich<br />
um Rat gefragt. Die zeitlichen<br />
Abläufe weiß ich nicht mehr. Es<br />
war eine großartige Zeit und eigentlich,<br />
so hoffte man, schaffen<br />
wir es, in unserem kleinen Land<br />
allein. „Es ist Frühling und wir<br />
sind so frei!“ – das war ein Plakat<br />
der FDP im Frühjahr 1990. Ich<br />
behalte diese Zeit als eine große<br />
Zeit in meinem Herzen.<br />
Barbara Stamnitz<br />
Unsere Kulturlandschaft hat sich in den<br />
letzten Jahrzehnten deutlich verändert.<br />
Die Nutzung unserer Umwelt ist in jeder<br />
Hinsicht intensiver geworden. So ist die<br />
Landschaft mittlerweile fast blütenlos.<br />
Wildkräuter und Wildblumen werden<br />
bekämpft und sind nur noch selten zu<br />
finden. Die Landwirte spritzen und<br />
spritzen - heute Glyphosat (Handelsname<br />
Roundup – Entlaubungsmittel,<br />
was in Vietnamkrieg eingesetzt wurde<br />
und viele Verstümmelungen an Neugeborenen<br />
erzielt hat!!) morgen ein anderes<br />
„Schädlingsbekämpfungs-mittel“.<br />
Warum? Wie beim Menschen durch<br />
Arzneimittel insbesondere Antibiotika<br />
Resistenzen bei Bakterien erzielt werden,<br />
so werden auch die sogenannten<br />
Schädlinge sich an die Mittel anpassen –<br />
was sie nachweislich auch tun. Und die<br />
Gifte sickern langsam aber sicher in<br />
unser Grundwasser. Aber nicht nur die<br />
„Schädlinge“ verändern sich – die Nützlinge<br />
(Bienen, Wildbienen, Schmetterlinge<br />
usw.) leiden und sterben durch<br />
diese Chemikalien.<br />
Aber für unser Leben brauchen wir diese<br />
Nützlinge – die Entwicklung ist jedoch<br />
mit verheerenden Folgen für unsere<br />
Insekten verbunden, deren Nahrungsangebot<br />
somit weitestgehend vernichtet<br />
wird. Folge ist, dass viele Insektenarten<br />
wie z.B. Schmetterlinge, Käfer, Grashüpfer<br />
oder auch Wild- u. Honigbienen<br />
vom Aussterben bedroht sind. Insekten<br />
sind jedoch für einen intakten ökologischen<br />
Kreislauf von enormer Bedeutung.<br />
Insektenbestäubung erhöht nicht<br />
nur enorm den Ertrag der Kulturpflanzen,<br />
sondern ist auch essentiell für die<br />
Erhaltung unserer Wildflora, die wiederum<br />
die Lebensgrundlage vieler anderer<br />
Kleinstlebewesen ist. Diese Kleinstlebewesen<br />
dienen wiederum den Insektenfressern<br />
(z.B. Vögeln) als Nahrung.<br />
Insbesondere gelten die Bienen als eine<br />
der „wichtigsten Tierarten“ auf unserer<br />
Erde, da sie für die Bestäubung sehr<br />
vieler Pflanzenarten (incl. unserer Nutzpflanzen)<br />
verantwortlich sind und von<br />
keiner anderen Tierart ersetzt werden<br />
können. Ohne die Biene wäre die Artenvielfalt<br />
an Pflanzen und Tieren geringer,<br />
unsere Umwelt einfältiger und ärmer<br />
sowie unser Nahrungsangebot deutlich<br />
eingeschränkt.<br />
Durch die negative Entwicklung unserer<br />
Kulturlandschaften haben sich jedoch in<br />
den letzten Jahrzehnten die Lebensbedingungen<br />
der Blüten bestäubenden<br />
Insekten dramatisch verschlechtert.<br />
Deshalb meine Anregung und Bitte:<br />
Lassen wir Vielfalt zu!<br />
Durch das Anlegen von Blühflächen<br />
wird zahlreichen Insekten eine unersetzbare<br />
Nahrungsquelle geboten.<br />
Somit soll der Schutz von Insekten<br />
verbessert und der erschreckenden<br />
Entwicklung des Artensterbens Einhalt<br />
geboten werden.<br />
Bei Blühstreifen handelt es sich um<br />
streifenförmige Einsaat von (einheimischen)<br />
Wildkräutern und -blumen. Naturfachliches<br />
Ziel ist es, durch die Vernetzung<br />
von Blühstreifen in einem verarmten<br />
Landschaftsraum, die Strukturvielfalt<br />
dauerhaft zu erhöhen. Nur so<br />
können Lebensräume und Nahrungsquellen<br />
für Insekten und weitestgehend<br />
für den Menschen geschaffen<br />
werden.<br />
Hier ein<br />
Bei spi el :<br />
B l ume n -<br />
stadt Mössingen,<br />
die<br />
auf vielen<br />
ö f f e n t l i -<br />
chen Flächen<br />
und<br />
Straßenrändern Blühstreifen angelegt<br />
hat und dadurch neben einem hohen<br />
Bekanntheitsgrad auch schon im Jahr<br />
2001 eine Goldmedaille beim Bundeswettbewerb<br />
der Entente Florale gewann<br />
Darüber hinaus haben Blühstreifen eine<br />
wichtige Bedeutung für die Bereicherung<br />
des Landschaftsbildes und bieten<br />
einen herrlichen Anblick. Dazu kommt<br />
eine Kostenersparnis, weil die Pflege<br />
von Blühwiesen langfristig kostengünstiger<br />
ist als von Grünstreifen. Aber nicht<br />
nur die Stadt soll einen Beitrag zum<br />
Naturschutz leisten, auch Landwirte<br />
sollen motiviert werden, Naturschutz<br />
mit in ihre Arbeit zu integrieren. Es<br />
existieren bereits einige Förderprojekte<br />
des Bundes, welche den Landwirten<br />
beispielsweise Fördergelder für die Anlegung<br />
von Blühflächen bzw. Blühstreifen<br />
auf den Seitenrändern oder die naturnahe<br />
Nutzung ihrer Ackerflächen<br />
anbieten. Diese Maßnahmen sollten den<br />
Landwirten, aufgrund der bereits genannten<br />
Gründe, von der Stadt ausdrücklich<br />
empfohlen werden.<br />
Ich danke Dr. Renate Knauf aus Würselen<br />
für inhaltliche Unterstützung und<br />
Überlassen des Bildes.<br />
Dr. Elke Seidel, Umweltmedizinerin<br />
Stadtverordnete Beelitz