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INTERN
Das Tessin hat einen
neuen «Signor EXIT»
Ernesto Streit (59) wird die neue Ansprechperson für die EXIT-Mitglie
der im Tessin. Sein Büro befindet sich in Giubiasco. Der Tessiner
EXIT-Vertreter tritt das Amt am 1. Februar an.
Der neue Leiter von EXIT Tessin
heisst Ernesto Streit. Das Büro befindet
sich in einem Steinhaus im Herzen
von Giubiasco bei Bellinzona.
Streit ist zwar ein Deutschschweizer
Geschlecht, aber der 59-Jährige lebt
schon seit seinem dritten Lebensjahr
im Tessin und ist mit Leib und Seele
Tessiner.
Der hochgeschossene Mann mit
dem ruhigen Blick verbrachte seine
Schulzeit in Giubiasco, wo er auch
eine Lehre als Elektromechaniker bei
den SBB antrat. Danach liess er sich in
Biel zum Elektroingenieur weiterbilden,
da es seine bevorzugte Studienrichtung
Informatik noch nicht gab.
Nach dem Abschluss kehrte er zurück,
erst nach Lugano, und heute
wohnt er wieder in seiner Heimatgemeinde.
Streit ist Informatik-Dozent
an der kantonalen Berufsschule in
Bellinzona. Daneben berät er Interessenten
und EXIT-Mitglieder im
Tessin.
Sein Wunsch: Den Menschen
helfen
Es sind zwei völlig verschiedene
Welten, die Streit zu vereinen
versucht. Hier die Informatik, die
exakte Wissenschaft, das Schwarz-
Weiss-Denken. Dort die Sterbehilfe,
der Mensch im Mittelpunkt mit
seiner Lebensgeschichte und seinen
Emotionen. «Gerade deshalb finde
ich diese Aufgabe spannend», sagt
er, der nach bald 40 Berufsjahren
das Bedürfnis verspürt, sich neu
auszurichten. Menschen in schwierigen
Situationen zu helfen, sei ihm
ein grosses Anliegen.
Das kommt nicht von ungefähr.
Schon länger ist es her, da erlitt
Streits Schwiegervater einen Herzinfarkt.
Als er darauf einen Bypass
eingepflanzt erhielt, wollte der
Mann vor allem eines: selber über
sein Leben und Ableben bestimmen
können. So wurde Streit Vertrauensperson
in der Patientenverfügung
und kam in Kontakt mit EXIT. Dieser
Kontakt hielt bis heute. Als junger
Mann habe er sich kaum mit dem
Tod befasst: «Doch heute identifiziere
ich mich stark mit den Anliegen
von EXIT.» Seit zwei Jahren ist er
Mitglied, die Selbstbestimmung ist
für ihn zentral geworden, nachdem
er miterlebte, wie seine Mutter ins
Altersheim ziehen musste.
Fest verwurzelt
Über 1300 Mitglieder zählt EXIT im
Tessin, nämlich Italienisch sprechende
Schweizer oder Deutschschweizer
sowie Deutsche, die dort wohnen.
Streit ist für sie da, wenn sie
Fragen zur Patientenverfügung, der
Palliativmedizin oder zum Freitod
haben. Auch Freitodbegleiterinnen
gibt es im Tessin bereits mehrere.
Ein Spaziergang durch das mit
alten Steinhäusern geprägte Dorf
zeigt, wie fest er in der Gemeinde
verwurzelt ist. Hier ein frohes «Buongiorno»,
da ein kurzer Schwatz
am Gartenzaun. Streit spricht neben
Schweizer- und Hochdeutsch
auch Französisch sowie natürlich
fliessend Italienisch und Tessiner
Dialekt. Auf einer alten Römerbrücke
bleibt Streit stehen, darunter
sprudelt ein wilder Bach dem Lago
Maggiore entgegen. Während die
Deutschschweiz an diesem Vormittag
im Nebel versinkt, herrscht eitler
Sonnenschein, der Himmel ist wolkenlos.
Kein Wunder, ist in dieser
Region die Lebensfreude gross – und
doch hat auch hier der Tod seine
Präsenz. Die neue EXIT-Anlaufstelle
ist im Büro Streit untergebracht.
Zu seinen Aufgaben zählt auch das
Kommunizieren. Etwa mit den Kantonsbehörden.
Politisch aktiv
Langsam steigt die Sonne über den
Grat und drängt den letzten Schattenzug
an den Talrand. Seine Freizeit
verbringt Streit oft oben auf den Bergen,
alleine oder mit seiner Familie.
Er hat vier Kinder, das jüngste 6, das
älteste 25 Jahre alt. Und in der wenig
verbleibenden Zeit, setzt er sich
als Gemeinderat der Grünen für das
Wohl von Giubiasco ein. Ursprünglich
Deutschschweizer, im Herzen
Tessiner, gelernter Informatiker und
nun auch neuer Mitarbeiter bei EXIT
– Ernesto Streit verkörpert eine vielseitige
Schweiz im Miniaturformat.
JULIAN PERRENOUD
Das EXIT-Büro Tessin wird wieder besetzt: Der perfekt zweisprachige
Ernesto Streit wird ab 1. Februar von Giubiasco aus zuständig sein für die
über 1300 Tessiner EXIT-Mitglieder.
32 EXIT-INFO 4.2011