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FREITODBEGLEITUNG<br />
von Palliative Care<br />
Eine extrem unwahrscheinliche<br />
Idealsituation, geschaffen durch einen<br />
engagierten Arzt? Keineswegs.<br />
Es gibt hierzulande inzwischen eine<br />
wachsende Zahl solcher Angebote.<br />
Leider sind sie vielen Hausärzten<br />
nicht in genügendem Umfang bekannt,<br />
aber es hat eine Entwicklung<br />
in dieser Richtung begonnen. Immer<br />
mehr Patienten wird diese Option<br />
zur Verfügung stehen. In häuslicher<br />
Betreuung, in Spitälern mit spezialisierten<br />
Palliativ-Stationen oder in<br />
noch ins Leben zu rufenden Palliativ-Hospizen<br />
könnten diesen Weg<br />
in Zukunft Menschen in entsprechender<br />
Situation gehen – genauso<br />
selbstbestimmt wie beim Freitod.<br />
Krankenkasse zahlt<br />
noch nicht<br />
Ein nicht unwesentlicher Aspekt ist<br />
dabei der finanzielle. Paradoxerweise<br />
sind Krankenkassen nicht zu einer<br />
angemessenen Finanzierung bereit.<br />
Stattdessen übernehmen sie die<br />
erheblich höheren Kosten für intervenierende,<br />
invasive Behandlungen<br />
im Spital, z. B. für oft nicht mehr<br />
sinnvolle Operationen oder Chemotherapien.<br />
Hier wird ein Umdenken<br />
stattfinden müssen. Studien belegen,<br />
dass die Etablierung einer palliativen<br />
Begleitung bis zum Tod die<br />
Gesundheitskosten gesamtgesellschaftlich<br />
erheblich senken würde.<br />
Dr. Webers Konzept setzt die<br />
Befähigung der Patienten zu einer<br />
selbstbestimmten Entscheidung<br />
durch kompetente Information voraus.<br />
Zum Beispiel sollten sie sich<br />
nicht scheuen, von dem Arzt, der<br />
ihnen weitergehende medizinische<br />
Interventionen vorschlägt, eine<br />
schriftliche Dokumentation über<br />
den zu erwartenden Einfluss dieser<br />
Eingriffe auf Lebensdauer und Lebensqualität<br />
zu verlangen. Damit<br />
stünden Patienten hilfreiche Kriterien<br />
für ihre Wahl zwischen einem oft<br />
aussichtslosen, verzweifelten Kampf<br />
um jeden Preis oder einem palliativ<br />
begleiteten, friedlichen Sterben zur<br />
Verfügung.<br />
Weitere Alternativen<br />
zum Freitod<br />
Um diese Wahlfreiheit ging es im<br />
Seminar auch beim Referat von Dr.<br />
Marion Schafroth, Mitglied im EXIT-<br />
Vorstand, zuständig für den Bereich<br />
Freitodbegleitung. Zunächst präsentierte<br />
sie eine präzise Strukturierung<br />
der verschiedenen menschlichen<br />
und symptomatischen Szenarien<br />
von Menschen mit einem Freitodwunsch<br />
und die Beschreibung der<br />
jeweiligen Alternativen zum Freitod.<br />
Eine tödliche Krankheit oder eine<br />
nicht-tödliche, aber die Lebensqualität<br />
stark limitierende Krankheit oder<br />
Behinderung oder aber auch eine<br />
souveräne Bilanzierung der eigenen<br />
Lebenssituation ohne medizinische<br />
Indikation, können zum Sterbewunsch<br />
führen. Die letzte Gruppe,<br />
z. B. gesunde Ehepartner eines mit<br />
EXIT Verstorbenen, müssen heute<br />
noch – mangels der Möglichkeit einer<br />
juristisch risikolosen Rezeptierung<br />
des Sterbemittels – unter Umständen<br />
Jahre auf eine Begleitung<br />
warten, bis sie in einen Zustand von<br />
Polymorbidität kommen, also eine<br />
ganze Palette von die Lebensqualität<br />
herabsetzenden Symptomen aufweisen.<br />
Eine sozialpsychologische<br />
Indikation liegt in einem juristisch<br />
für einen Arzt zu riskanten Grenzbereich.<br />
Im Zentrum von Dr. Schafroths<br />
Referat standen die Schmerzpatienten.<br />
Sie leiden an physiologisch<br />
nicht erklärbaren, massiven<br />
Schmerzsymptomen, die sich auf<br />
eine unerträgliche Weise chronifizieren.<br />
Dazu gehören unter anderem<br />
Tinnitus, Weichteilrheuma,<br />
Kieferschmerzen, Schleudertrauma,<br />
posttraumatische Belastungsstörungen<br />
und manches andere. Es gibt<br />
zwar oft eine ursprüngliche, physische<br />
Ausgangsursache, die aber abgeheilt<br />
scheint. Trotzdem haben sich<br />
im Schmerzzentrum des Gehirns die<br />
Schmerzen selbständig und resistent<br />
etabliert. Der übliche Dreischritt<br />
«Problem erkennen, behandeln, lösen»<br />
führt hier nicht zum Erfolg.<br />
Eine auf Dauer unerträgliche Situation,<br />
die aber nach aussen oft an<br />
Glaubwürdigkeit krankt. Manchen<br />
dieser Menschen hilft es, wenn ihre<br />
Umgebung und die medizinischen<br />
Betreuer wenigstens die Krankheit<br />
als solche anerkennen und damit die<br />
Patienten ernst nehmen. Eine Suizidbegleitung<br />
ist für manche dieser<br />
Menschen ein Ausweg.<br />
Ergänzt wurde das Seminar durch<br />
ein Gespräch mit dem Vorstand. Dabei<br />
standen politische Fragen, Organisatorisches<br />
und die Vorbereitung<br />
des 30-jährigen Jubiläums im 2012<br />
auf der Traktandenliste. Ein wertvoller<br />
Erfahrungsaustausch innerhalb<br />
des Teams rundete die Weiterbildung<br />
ab.<br />
WALTER FESENBECKH<br />
EXIT-INFO 4.2011 9