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PORTRÄT<br />
«Ich bin EXIT-Mitglied , weil…»<br />
Karin Gut, 47, Mitglied seit 1988, findet die<br />
Spaltung in religiöse Freitodhilfegegner und<br />
«aufgeklärte» Befürworter unnötig.<br />
... weil ich das freie Denken und den<br />
freien Willen des Menschen hochachte.<br />
Als Krankenschwester bin ich oft<br />
mit dem Warten auf den Tod konfrontiert.<br />
Manchmal bitten mich Patienten,<br />
mit einer Spritze dem Tod<br />
nachzuhelfen. Schade, dass viele<br />
Menschen erst zuletzt über Sterben<br />
und Sterbehilfe nachdenken. Auch<br />
als spirituelle Lehrerin befasse ich<br />
mich mit dem Tod als untrennbarem<br />
Bestandteil des Lebens.<br />
Mit Bedauern stelle ich fest, dass<br />
sich die Diskussion um die Sterbehilfe<br />
oft in zwei – scheinbar unvereinbare<br />
– Lager spaltet: religiöse<br />
Gegner vs. ‹aufgeklärte› Befürworter.<br />
Deutlich zeigt dies der Artikel des<br />
Freitodbegleiters Rolf Kaufmann im<br />
‹Info› 3.11. Eine solche Spaltung ist<br />
meinem Verständnis nach unnötig.<br />
Mein Glaube beruht auf der Überzeugung<br />
eines liebenden Gottes.<br />
Alles, was Gott uns gibt, dient unserer<br />
Weiterentwicklung. Diese aber<br />
bedeutet, dass wir näher zu ihm finden.<br />
So hat uns Gott als wichtige<br />
menschliche Fähigkeiten den freien<br />
Willen und das Denken geschenkt –<br />
und zwar nicht nur das Verstandesdenken,<br />
sondern auch das wichtigere<br />
Herzdenken. Kaufmann stellt das<br />
Denken als eine Errungenschaft der<br />
Aufklärung dar, diese wiederum als<br />
eine der Religion entgegengesetzte<br />
Bewegung. Hätte Gott uns die Möglichkeit<br />
zur Entwicklung des freien<br />
Denkens nicht gegeben, wäre es<br />
niemals zur Aufklärung gekommen.<br />
Das Denken der Aufklärung ist jedoch<br />
ein einseitiges Verstandesdenken.<br />
Damit unser Denken eigenständig<br />
und ganzheitlich wird, steht die<br />
Entwicklung des Herzdenkens noch<br />
aus. Womit der Gegensatz Aufklärung<br />
vs. Religion behoben sein wird.<br />
Es ist Gottes Wille, dass der<br />
Mensch sein Denken entwickelt und<br />
seinen freien Willen nutzt. Und er<br />
lässt es zu, dass der Mensch diese<br />
zum Guten wie zum Bösen verwendet.<br />
Welche Richtung der Mensch<br />
auch wählt, macht er damit Erfahrungen,<br />
welche alle seiner Entwicklung<br />
dienen.<br />
Gott lässt dem Menschen die<br />
Möglichkeit des Freitodes offen. Genauso<br />
wie er es ihm offenlässt, an<br />
Es ist Gottes<br />
Wille, dass der<br />
Mensch sein<br />
Denken entwickelt<br />
und seinen<br />
freien Willen<br />
nutzt.<br />
ihn zu glauben oder nicht. Die Verleugnung<br />
Gottes – also des eigenen<br />
Daseinsgrundes – ist zweifellos die<br />
grössere ‹Sünde› als der Freitod. Der<br />
Freitod trifft nur den materiellen<br />
Körper; die Verleugnung Gottes aber<br />
kommt einem geistigen ‹Massenmord›,<br />
inklusive geistigem Suizid,<br />
gleich (das Geistige ist das Höhere<br />
und schafft erst das Materielle).<br />
Wie jede Tat, jeder Gedanke, hat<br />
auch der Suizid Konsequenzen (Karma).<br />
Das Christentum und der Buddhismus<br />
betonen die einzigartige<br />
Entwicklungschance der Inkarnation<br />
der Seele in einem menschlichen<br />
Körper. Darüber (und vieles mehr,<br />
was Leben, Leiden, Tod betrifft)<br />
kann und soll jeder nachdenken: in<br />
Freiheit und mit offenem Herzen.<br />
Und schliesslich soll er aus der Willensfreiheit<br />
heraus seine Entscheidungen<br />
treffen.<br />
Gott straft den Menschen nicht,<br />
er lässt ihn Erfahrungen machen.<br />
Und diese können für ihn günstig<br />
oder weniger günstig sein, doch alle<br />
sind sie Lehren, die zur Erkenntnis<br />
und zurück zum Licht führen.<br />
Eine Religion, die Suizid verbietet,<br />
ist daher nicht ‹unantastbares<br />
Gottesrecht› (Kaufmann), sondern<br />
ein im Kopf (statt im Herzen) von<br />
Menschen entstandenes Dogma.<br />
Damit ist der Gegensatz Religion<br />
vs. Aufklärung menschgemacht und<br />
wird überflüssig, sobald Religion<br />
in ihrer wahren Bedeutung verstanden<br />
wird. Betonen möchte ich,<br />
dass die Aufklärung und die damit<br />
verbun dene Abwendung von Gott<br />
ein Schritt in der menschlichen Entwicklung<br />
war, nämlich weg von der<br />
‹Massenseele›, hin zum Individuum,<br />
welcher letztlich in der Überwindung<br />
des Egoismus gipfeln wird –<br />
und damit auch in der Überwindung<br />
des einseitigen Geistes der Aufklärung.<br />
Ich kann mir nicht vorstellen,<br />
EXIT jemals um Freitodhilfe zu ersuchen.<br />
Gleichzeitig weiss ich aber,<br />
dass schwere Krankheit ein Ausnahmezustand<br />
ist, der unser Denken<br />
und Fühlen stark verändern kann.<br />
Und ich unterstütze EXIT nicht zuletzt<br />
deshalb, weil sie es Menschen<br />
ermöglicht, ihren freien Willen bis<br />
zuletzt auszuüben.»<br />
Soll auch Ihr Porträt hier stehen?<br />
Interessenten melden sich bei<br />
info@exit.ch.<br />
34 EXIT-INFO 4.2011