Mitteilungen und Nachrichten - Deutsche Gesellschaft für ...
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teilen einer politischen Diktatur die in der<br />
Partei, Staatsführung <strong>und</strong> Sicherheitsorganen<br />
uneingeschränkte Macht ausübte,<br />
eine Vielzahl von beklagten Fesseln, die besonders<br />
Mediziner unter DDR-Bedingungen<br />
als ungerecht empfanden, zurecht beseitigt.<br />
Erinnert sei an solche Beispiele wie politische<br />
Unmündigkeit <strong>und</strong> weltanschauliche<br />
Intoleranz, an Furcht vor politischer Überwachung,<br />
an aufgezwungene Unterordnung<br />
in das Kollektiv mit Unterdrückung<br />
von Eigeninteressen, die Privilegierung von<br />
Parteigängern, Reisebeschränkungen <strong>und</strong><br />
Reisekaderproblematik, materielle Mängelwirtschaft<br />
mit Knappheit von Gütern <strong>und</strong><br />
Verbrauchsmaterialien. Sie alle erzeugten<br />
unverkennbar Widerspruch, Demotivierung<br />
im beruflichen Alltag bis hin zum Verdruss<br />
in der privaten Lebenssphäre.<br />
Dennoch konnte, wie das Verkehrswesen der<br />
DDR den grünen Pfeil, so das sozialistische<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen für sich eine Reihe an<br />
Positiva in Anspruch nehmen, die an Bedeutung<br />
ersterem bei weitem in den Schatten<br />
stellten. Für alle Bürger fand die kostenlose<br />
medizinische Behandlung deren ungeteilte<br />
Zustimmung im breiten Bevölkerungskreis.<br />
Auch die Existenz der Polikliniken, Fachambulanzen<br />
<strong>und</strong> poliklinischen Hausarztpraxen<br />
erfreuten sich weitgehender Zustimmung<br />
<strong>und</strong> verbreiteter Inanspruchnahme<br />
durch die Bevölkerung. Das ausgesprochen<br />
gut organisierte Zusammenwirken von stationären<br />
<strong>und</strong> ambulanten Behandlungseinrichtungen<br />
spiegelte nicht nur ein hohes<br />
Maß an Gemeinschaftsbezogenheit wider,<br />
sondern verhalf der knapp bemessenen materiellen<br />
Basis zu Effektivität, dabei gewann<br />
die tägliche Arbeitsgemeinschaft über das<br />
berufliche Zusammenwirken vielmehr auch<br />
als menschliches Begegnungsfeld Bedeutung.<br />
Es schloss gnadenlose Konkurrenz<br />
einerseits <strong>und</strong> Ausuferung eines Verdienststrebens<br />
aus. Eine Ökonomisierung des ärztlichen<br />
Berufes, wie sie heute ausgeprägt die<br />
Wandlung des Patienten zum K<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />
die Krankheit zur Ware hat, war damaliger<br />
DDR-Ärzteschaft fremd. Sicher sind diese<br />
aufgezeigten Vor- <strong>und</strong> Nachteile damaliger<br />
Zeit intensiver diskussionswürdig. Zu beklagen<br />
ist heute, dass unvoreingenommene<br />
Gespräche dazu unterblieben sind <strong>und</strong><br />
durchaus gute Entwicklungen diskussionslos<br />
der Vergessenheit anheim fielen.<br />
Beispiele aus 30 Jahren einer Entwicklung<br />
in der Unfallchirurgie der DDR stellen nachdrücklich<br />
unter Beweis, dass sich die Unfallchirurgen<br />
unter DDR-Verhältnissen zu einer<br />
vergleichbar leistungsfähigen Institution<br />
unter den zentraleuropäischen Staaten entwickelt<br />
haben. Drei Beispiele mögen diese<br />
Aussage unterstreichen.<br />
1. Bezirke der früheren DDR verfügten<br />
ohne Ausnahme über gegliederte Betreuungsstrukturen<br />
stationärer Versorgung von<br />
Verletzten durch eine Differenzierung zwischen<br />
Einrichtungen mit Schwerpunktfunktionen<br />
<strong>und</strong> Krankenhäusern der Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong><br />
Regelversorgung. Zu den Schwerpunktkrankenhäusern<br />
zählten alle Hochschulkliniken<br />
<strong>und</strong> solche von Bezirks- sowie ausgewählten<br />
leistungsfähigen Kreiskrankenhäusern,<br />
denen sowohl fachliche wie organisatorische<br />
Verantwortung für eine qualifizierte<br />
Behandlung Schwerverletzter oblagen. Sie<br />
setzten in vier Jahrzehnten DDR – in gleicher<br />
Weise wie in den westlichen B<strong>und</strong>esländern<br />
– Maßstäbe für eine hochqualifizierte<br />
Behandlung Schwerverletzter, die von der<br />
Überzeugung bestimmt wurden, dass eine<br />
schwerpunktmäßige unfallchirurgische Tätigkeit<br />
eine unabdingbare Voraussetzung<br />
für die medizinische Rehabilitation Verletzter<br />
darstellt. Diese gegliederten Strukturen<br />
mit einer f<strong>und</strong>ierten Auswahl an Schwerpunktkompetenz<br />
zur spezialisierten Verletztenbehandlung<br />
boten ab 1990 so optimale<br />
Voraussetzungen für die Wahrnehmung<br />
qualifizierter Betreuungsaufgaben, dass die<br />
Auswahl von Krankenhäusern für das Verletzungsartenverfahren<br />
praktisch vorprogrammiert<br />
war <strong>und</strong> nur einer kurz zeitigen<br />
reibungslosen Realisierung bedurfte.<br />
2. Die fachliche Kompetenz für spezialisierte<br />
unfallchirurgische Versorgung Verletzter<br />
stützte sich auf den Erwerb der besonderen<br />
unfallchirurgischen Qualifizierung<br />
der „Subspezialisierung Traumatologie“, die<br />
für einen Facharzt für Chirurgie eine dreijährige<br />
Zusatzqualifikation nach einer seit<br />
1973 bewährten Weiterbildungsordnung<br />
erforderlich machte. Zum Zeitpunkt der<br />
deutschen Wiedervereinigung bot nicht nur<br />
ein über knapp zwei Jahrzehnte konzeptionell<br />
bewährtes Spezialisierungsverfahren,<br />
sondern vor allem auch die Vielzahl subspezialisierter<br />
Unfallchirurgen auf ostdeutschem<br />
Territorium die Gewähr, sowohl für<br />
eine vergleichbar gute <strong>und</strong> spezialisierte<br />
unfallchirurgische Patientenversorgung,<br />
zugleich aber auch für die Bewältigung aller<br />
zu erwartenden Aufgabenstellungen<br />
des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens.<br />
Die Weiterbildungsordnungen in Ost<br />
<strong>und</strong> West zeigten inhaltlich völlig vergleichbare<br />
Maßstäbe, sie waren hier wie da durch<br />
die Überzeugung der Verantwortlichen bestimmt,<br />
dass eine qualifizierte ärztliche Tätigkeit<br />
in der Unfallchirurgie unabdingbare<br />
Voraussetzung für die Optimierung der Behandlung<br />
Verletzter darstellte.<br />
3. Einen weiteren Akzent setzte das Wirken<br />
der im Dezember 1968 innerhalb der<br />
Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
DDR gegründeten Arbeitsgemeinschaft für<br />
operative Knochenbruchbehandlung. Ihre<br />
vielfachen Aktivitäten bei der Lösung ihrer<br />
Aufgabenstellungen, wie landesweite Organisation<br />
der operativen Frakturenbehandlung,<br />
umfassende Qualifizierung von Unfallchirurgen<br />
<strong>und</strong> Operationsschwestern in<br />
den Belangen neuer operativer Techniken,<br />
wissenschaftlicher Erfahrungsaustausch,<br />
das Mitwirken an der Regulierung materieller<br />
Ressourcen, die Überwachung einer<br />
kontinuierlichen Dokumentation operativer<br />
Behandlungen von Knochenbrüchen, zeigte<br />
nicht nur die Akzeptanz durch ihre Mitglieder,<br />
sie erlangten zugleich Anerkennung<br />
durch die führenden Kollegen der Schweizer<br />
AO <strong>und</strong> weiterer europäischer Sektionen.<br />
Den mit Unterstützung von Synthes <strong>und</strong><br />
der AO International regelmäßig veranstalteten<br />
AO-Kursen für Ärzte <strong>und</strong> Operationsschwestern<br />
sowie der AO-Symposien während<br />
der DDR-Zeit wurde trotz unübersehbarer<br />
Schwierigkeiten ihrer Durchführung<br />
ein stets vergleichbarer hoher technischer<br />
Standard zu den Veranstaltungen der westlichen<br />
Länder bescheinigt. Der Durchführung<br />
der ostdeutschen AO-Dokumentation<br />
haben ausländische Kollegen ebenso Lob<br />
gezollt, wie der exakten Anwendung der<br />
AO-Technik, die durch besondere Exzellenz<br />
der Arbeit beeindruckt hatten.<br />
Diese nur wenigen Beispiele stehen für eine<br />
Vielzahl positiver Identifikationsmerkmale<br />
für gute Erfahrungen <strong>und</strong> bemerkenswerte<br />
Fähigkeiten der DDR-Unfallchirurgie. Die Ergebnisse<br />
<strong>und</strong> Phänomene von drei bis vier<br />
Jahrzehnten DDR-Zeit in toto schlecht zu<br />
reden entspricht einfach nicht den objektiven<br />
Gegebenheiten. Insofern verdient die<br />
Geschichte der Unfallchirurgie in der DDR<br />
mit ihren Schwächen <strong>und</strong> Stärken, mit nicht<br />
übersehbaren Missklängen aber auch den<br />
nachweislich überwiegenden Errungenschaften<br />
eine faire Analyse.<br />
Dr. K. Welz<br />
Finsterwalder Str. 45a<br />
03048 Cottbus<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 7