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Das Buch als PDF - Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie

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Herausgeber: J. Probst / H. Siebert / H. Zwipp60 JAHREDEUTSCHE GESELLSCHAFTFÜR UNFALLCHIRURGIENACH WIEDERGRÜNDUNG


Herausgeber: J. Probst / H. Siebert / H. Zwipp60 JAHREDEUTSCHE GESELLSCHAFTFÜR UNFALLCHIRURGIENACH WIEDERGRÜNDUNGMeilensteine auf dem Wegvon der Unfallheilkundezur Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>2010


2 3GENEALOGIE<strong>Gesellschaft</strong> <strong>Deutsche</strong>r Naturforscher und Ärzte 1822(Johann Friedrich Dieffenbach und Georg Friedrich Louis Stromeyer)Abtheilung für Unfallheilkunde 1894 – 1900(Carl Thiem)<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie 1872(Bernhard von Langenbeck)<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädische Chirurgie 1901(Albert Hoffa)<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkunde 1922(Hans Liniger)Anschriften der Herausgeber:<strong>Deutsche</strong> orthopädische <strong>Gesellschaft</strong> 1913Professor Dr. med. Jürgen ProbstAlter Mühlhabinger Weg 382418 Murnau am StaffelseeWiedergründung<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkunde 1950(Heinrich Bürkle de la Camp)Professor Dr. med. Hartmut SiebertDiakoniestraße 1074523 Schwäbisch Hall<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> 1991<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädieund Traumatologie 1968Prof. Dr. med. Hans ZwippDirektor der Klinik und Poliklinik für<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädieund Orthopädische Chirurgie 2000Unfall- und WiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum Carl Gustav Carus der TUFetscherstr. 7401307 Dresden<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> 2008Vereinsverband von DGOOC und DGU


4 5INHALTSVERZEICHNIS6 – 78 – 910 – 1314 – 39Vorwort der HerausgeberGeleitwort der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>für ChirurgieGrußwort der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>Von der Unfallheilkundezur Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>Der Verletzte im MittelpunktJ. Probst, H. Siebert, H. ZwippH. BauerF. NiethardJ. Probst, H. Siebert168 – 181182 – 197198 – 207208 – 219GliedmaßenamputationVon der Stelze zumintramedullären KraftträgerChronische Osteitis – Von der Episodezum chronischen InfektgeschehenVon der Heißluftbehandlungzur komplexen FrührehabilitationFort- und Weiterbildungskurse der DGUH. Aschoff, H. GrundeiG. O. Hofmann, A. H. TiemannA. WentzensenW. Mutschler, B. Bouillon40 – 55Die Versorgung des UnfallverletztenVom Einzelkämpferzum interdisziplinären TeamK. Weise, A. Seekamp220 – 227Vom Schutzstiefelzur automatischen UnfallmeldungPrävention von Verletzungenim Wandel der ZeitM. Richter, G. Lob56 – 75Klinische Forschung undVersorgungsforschungVon der retrospektiven Fallserie zuminternationalen TraumaRegister der DGUR. E. Neugebauer, D. Stengel228 – 241Schock- und TraumaforschungVon der Fettembolie zurpathophysiologisch basiertenSchock- und PolytraumabehandlungI. Marzi, H. C. Pape,M. Lehnert, J. A. Sturm76 – 99100 – 111112 – 131Vom Streckverband zur OsteosyntheseEntwicklung der intraoperativenC-Bogen-Anwendung in der <strong>Unfallchirurgie</strong>Osteotomie und ReorientierungH. Zwipp, St. RammeltC. Krettek, F. GebhardH. J. Oestern, A. Gaensslen242 – 251252 – 265Von der Experimentellen Chirurgiezur muskuloskeletalen ForschungVon der Spongiosaplastikzum GentransferL. Claes, G. DudaJ. M. Rueger, S. Flohé132 – 141142 – 149Vom Ersatz des Hüftkopfesbis zum künstlichen MondbeinVom Weberbock zu ESINP. KirschnerW. Schlickewei, D. Sommerfeldt266 – 281282 – 295296 – 319Vom Überfluss zur Mangelverwaltung?AusblickeLiteraturnachweiseR. Hoffmann, A. EkkernkampN. Südkamp, D. Depeweg,K. Dragowsky150 – 159Vom Occiput bis zum SacrumCh. Knop, U. Culemann320 – 325Glossar160 – 167Von der Pollizisation zur ReplantationJ. Windolf, A. Eisenschenk326 – 327Impressum


6 7VORWORTDER HERAUSGEBERWer nicht weiß, woher er kommt, der weiß auch nicht, wohin er gehtRichard von WeizsäckerIm Herbst 1950 wurde in Bochum, dem Standort des ältesten deutschenUnfallkrankenhauses, die seit 1922 bestehende <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> fürUnfallheilkunde, Versicherungs- und Versorgungsmedizin nach dem 2. Weltkriegund alliiertem Verbot aller wissenschaftlichen Vereinigungen wiedergegründet.Welche Entwicklung haben die <strong>Unfallchirurgie</strong> und damit auch ihre wissenschaftlicheund fachliche Interessenvertretung in den seitdem vergangenensechs Jahrzehnten in Deutschland genommen?Antworten darauf zu geben versuchen die Autoren, indem sie wesentlicheEntwicklungen dieser sechs Dekaden des breiten Spektrums der Chirurgieder Verletzungen und ihrer Fachgesellschaft, der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>für <strong>Unfallchirurgie</strong>, darstellen. Auf eine umfassende Berichterstattung mussdabei ebenso wie auf eine vorwiegend auf Wissenschaftlichkeit gerichteteMethodik im Interesse einer allgemein verständlichen Gesamtbetrachtungverzichtet werden. Gleichwohl lässt schon diese Auswahl erkennen, dass die<strong>Unfallchirurgie</strong> weit mehr beinhaltet <strong>als</strong> etwa nur Verletzungen von Knochenund Gelenken und ihre Instrumente einer ständigen Anpassung an die Veränderungendes Unfallgeschehens, seiner Verletzungsmuster und deren Folgenbedürfen.Mit dem vor wenigen Jahren neu gebildeten Fach Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>im Rahmen des Gebietes Chirurgie entsteht ein neues Selbstverständnisvon Orthopäden und Unfallchirurgen. Wir wollen mit dieser Synopsis dieWurzeln auch des neuen Faches für den Bereich <strong>Unfallchirurgie</strong> aufzeigen,damit seine künftige Gestaltung unterstützen und gleichermaßen das Verständnisfür diesen Zweig der Medizin fördern.Aufrichtiger Dank gebührt dem Graphikbüro marinadesign und seiner LeiterinFrau Marina Schulz, Hannover, für Geduld, Nachsicht, Anregungen undeine umsichtige Drucklegung.„Die hohe Qualität der unfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung inder Bundesrepublik Deutschland ist nicht zufällig entstanden. Vielmehr istsie das Ergebnis einer zielstrebig verfolgten Entwicklung. Dies in jeder Hinsichtauch zukünftig zu fördern, sind alle aufgerufen!“ Dieses zur 50. Jahrestagungverfasste Motto hat unverändert auch heute noch seine Gültigkeit.Unfälle jeder Art und Schwere sind eine tägliche Bedrohung der Menschenaller Altersklassen und bei vielen Gelegenheiten. Im Bewusstsein dieserGefahr sind wir bestrebt und hoffen, dass die „Meilensteine auf dem Wegvon der Unfallheilkunde zur Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>“ das Fundamentdes neuen Faches stärken, um unseren Patienten auch künftig die bestmöglicheVersorgung gewährleisten zu können.Im Herbst 2010J. Probst ∙ H. Siebert ∙ H. Zwipp


8 9GELEITWORTDER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR CHIRURGIEMeilensteine sind in regelmäßigen Abständen errichtete Entfernungsanzeigermit Angaben zur bereits zurückgelegten Wegstrecke und zumangestrebten Zielort. Sie stehen bevorzugt an Abzweigungen undKnotenpunkten, von denen aus neue Wege beschritten werden können.Meilensteine sind aber auch wesentliche Bestandteile jedes Projektmanagements,indem sie Zwischenziele beschreiben, die für eine planvolleStrukturentwicklung unverzichtbar sind.So wird auch der Weg, den die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong>(DGU) in den vergangenen sechs Dezennien von der Unfallheilkunde zurOrthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> gegangen ist, durch Meilensteine markiert.Stets die bestmögliche Versorgung des Unfallverletzten im Blick,spannt sich der Bogen von wissenschaftsbasierter Prävention, Diagnostik,Therapie und Rehabilitation in der Traumatologie über die Sicherstellungadäquater Versorgungsstrukturen und effizienter Fort- und Weiterbildungskonzeptebis zur Generierung von Forschungsergebnissen und derenTransfer in die klinische Anwendung.Vor 50 Jahren hat Lorenz Böhler visionär festgestellt: „Die <strong>Unfallchirurgie</strong>kann sich erst dann voll entwickeln, wenn an jeder medizinischen Fakultätder ganzen Welt eine eigene selbständige Lehrkanzel für <strong>Unfallchirurgie</strong> undBegutachtung geschaffen wird, an der ein Lehrer wirkt, der sich dauerndund mit Begeisterung der Behandlung von Unfallverletzten befasst und derMitarbeiter mit Aussicht auf eine erfolgreiche Zukunft hat.“ Die DGU hat zurVerwirklichung dieser Idee in den letzten 60 Jahren wichtige Beiträge geleistetund damit auch gute Perspektiven für den Nachwuchs eröffnet.<strong>Das</strong> Fach Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> ist heute eine tragende Säuleim Gesamtgebiet Chirurgie mit dem höchsten operativen Versorgungsanteilunserer Bevölkerung. Im Kreis der in der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> fürChirurgie vereinigten chirurgischen Fachgesellschaften ist die DGU eingewichtiger und verlässlicher Partner. Es begleiten sie beste Wünsche aufihrem Weg in die nächsten Dekaden, der wie die letzten 60 Jahre gesäumtsei von zukunftsweisenden Meilensteinen eines Fortschritts des Fachesdurch kontinuierlichen Wandel.Die DGU stand dabei <strong>als</strong> wissenschaftliche und fachliche Interessenvertretungin den letzten 60 Jahren vor großen Herausforderungen. Sie zubestehen heißt Veränderungsbereitschaft zu zeigen; denn, so unser frühererBundespräsident Gustav Heinemann, wer nichts verändern will, wird auchdas verlieren, was er bewahren möchte. Der wissenschaftliche Fortschritt,Spezialisierung und Interdisziplinarität, eine alternde <strong>Gesellschaft</strong>, steigendeQualitäts- und Sicherheitsanforderungen, aber auch wiederholte Gesundheitsreformenund immer neue Strukturgesetze haben dem Fach kontinuierlichVeränderungsbereitschaft abverlangt und erforderten eine Bündelungder Kräfte. So führte der Weg konsequent vom chirurgischen Generalistenvor 60 Jahren über das Teilgebiet <strong>Unfallchirurgie</strong> 1968 und die <strong>Unfallchirurgie</strong><strong>als</strong> Schwerpunkt der Chirurgie 1993 weg von der In-sich-Spezialisierunginnerhalb des Mutterfaches hin zur umfassenden FacharztqualifikationOrthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> 2003 und damit hin zum heutigen selbstbewussten„O und U in der Medizin“.Prof. Dr. med. Hartwig BauerGener<strong>als</strong>ekretär der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie


10 GRUSSWORT11DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFTFÜR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDie Wiege von Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> steht in der Chirurgie. Dennochhaben sich die beiden Sprösslinge in unterschiedlicher Weise entwickelt,ohne sich dabei jedoch jem<strong>als</strong> ganz aus den Augen zu verlieren. DieOrthopädie hatte sich 1901 von der Chirurgie abgespalten, weil diese aufden damaligen Chirurgenkongressen nur wenig berücksichtigt und schongar nicht geschätzt wurde. So sollte der Orthopäde sowohl die Chirurgie <strong>als</strong>auch die konservative Behandlung im Fach einschließlich der Apparate-Therapie,Physikalischen Therapie, Heilgymnastik und Massage beherrschen.Themen, die die Chirurgie nicht interessierten.Wenig anders ging es denjenigen, die unter dem Eindruck des I. Weltkriegesmit der Behandlung von Kriegsverletzungen, aber durch die Industrialisierungim zunehmenden Umfang auch mit maschinenbedingten„Friedensverletzungen“ und -Schädigungen zu tun hatten. Sie gründeten1922 die primär interdisziplinär angelegte <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkunde,Versicherungs- und Versorgungsmedizin, in der außer Chirurgenauch Orthopäden, Radiologen, Versicherungsmediziner und vor allem dieunter Bismarck entstandenen Berufsgenossenschaften vertreten waren. DieLebenswege der beiden neu gegründeten <strong>Gesellschaft</strong>en unterschiedensich dadurch, dass die in der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkundevertretenen „Unfallchirurgen“ die Abnabelung von der Muttergesellschaftnicht vollzogen haben. Dabei waren schon dam<strong>als</strong> die Aufgaben und Zieleder „Orthopäden und Unfallheilkundler“ in weiten Bereichen überlappend.Bereits vor der Gründung der <strong>Gesellschaft</strong>en wurde 1892 die Zeitschriftfür Orthopädische Chirurgie einschließlich der Heilgymnastik und Massageetabliert und zwei Jahre später, 1894, die Monatsschrift für Unfallheilkundemit besonderer Berücksichtigung der Mechano-Therapie. Da es nochkeine eigenständigen <strong>Gesellschaft</strong>en gab, waren Autoren und Herausgebervielfach in beiden Zeitschriften zu finden, wie dies auch für die Mitgliedschaftin beiden <strong>Gesellschaft</strong>en galt.Die unterschiedlichen Versorgungsaufgaben Anfang des 20. Jahrhundertshaben aber zu zwei Schwerpunktbildungen geführt, indem sich dieOrthopädie entsprechend ihrer Namensgebung vor allem mit infektiösenErkrankungen (Tuberkulose, Poliomyelitis, Sepsis, Rachitis) sowie angeborenenund erworbenen Deformitäten im Kindesalter zu beschäftigen hatte.Die Weiterentwicklung der Chirurgie ermöglichte die Korrektur vonsekundären Deformitäten, die immer eine abwägende Indikationsstellungvoraussetzte. Ganz anders die <strong>Unfallchirurgie</strong>: Deren Aufgabe bestandstets darin – übrigens auch im Einsatz für die Verwundeten der Kriege –einen Ausweg aus lebensbedrohlicher Lage zu schaffen. So hat denn Reischauerdie unterschiedliche Entwicklung von Chirurgie/<strong>Unfallchirurgie</strong> undOrthopädie treffend zusammengefasst: „Die Tätigkeit des Chirurgen kannmit militärischem Handeln, die des Orthopäden mit diplomatischem Agierenverglichen werden.“Die damit verbundene unterschiedliche Denkweise, die unterschiedlicheAus- und Weiterbildung haben in der Nachkriegszeit zu zahlreichen Missverständnissengeführt. Mehr oder weniger ging es dabei um Konflikte zwischender Muttergesellschaft Chirurgie und der Orthopädie. In den 60er Jahrengab es erstm<strong>als</strong> vertiefte Diskussionen über Repräsentation der <strong>Unfallchirurgie</strong>in den verschiedenen Fächern. Im so genannten „Ettlinger Abkommen“zwischen den wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en von Chirurgie und Orthopädieheißt es, dass „die <strong>Unfallchirurgie</strong> ein Teil der Allgemeinchirurgieist. Deshalb sei die Versorgung der frischen Verletzung im Allgemeinen Aufgabeder Chirurgie, während die Versorgung chronischer Verletzungsfolgenim Allgemeinen Aufgabe der Orthopädie sei.“ Diese veranlasste die Mitgliederversammlungder <strong>Deutsche</strong>n Orthopädischen <strong>Gesellschaft</strong> die bis dahin<strong>als</strong> DOG bezeichnete <strong>Gesellschaft</strong> in <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädieund Traumatologie (DGOT) umzubenennen. Auch die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong>für Unfallheilkunde hat ihre Aufgaben und ihre Selbständigkeit neu definiert,indem sie sich 1991 in <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> umbenannthat. Dem folgte die Umbenennung der DGOT in <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> fürOrthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) 2001.Namensänderungen haben aber das Verhältnis von Orthopädie und Unfall-


12 13chirurgie nicht wegweisend beeinflusst. Vielmehr waren es die Fortschrittebeider Fächer – vor allem die technologischen Errungenschaften –, dieVeränderung der Versorgungslandschaft und des Gesundheitssystems,die Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> wieder zusammengeführt haben. Die<strong>Unfallchirurgie</strong> in Deutschland blickt auf äußerst erfolgreiche Jahrzehntezurück. Vom Streckverband bis zur Osteosynthese, vom Einzelkämpfer zumTrauma-Team und Trauma-Netzwerk und viele andere Artikel in diesemJubiläums-Band beschreiben, wie sich die <strong>Unfallchirurgie</strong> entwickelt undinternationalen Ruf erworben hat. Die Wiedergründung der <strong>Gesellschaft</strong>nach kriegsbedingter Unterbrechung durch Bürkle de la Camp vor 60 Jahrenwar hierzu ein wichtiger Anstoß.Technologischer Fortschritt und verändertes Patienten-Spektrum sindauch an der Orthopädie nicht spurlos vorbeigegangen: Die Bedeutung derKinderorthopädie wird geringer; geriatrische Aspekte geraten ebenso wiebei der <strong>Unfallchirurgie</strong> in den Vordergrund. Die Überlappungen in der Patientenversorgungwurden damit unübersehbar, moderne Technologien habendie Spektren der beiden Bereiche immer mehr angenähert. Eine Anpassungder Weiterbildungsordnung hat schließlich diesem Trend Rechnung getragenund die Zusammenführung von Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> eingeleitet.Im Jahre 2008 wurde so die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie und<strong>Unfallchirurgie</strong> (DGOU) gegründet. Sie ist die stärkste Säule unter dem Dachder <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie, der ursprünglichen Muttergesellschaft:Der Kreis schließt sich.Prof. Dr. med. F. U. NiethardGener<strong>als</strong>ekretär der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>Gener<strong>als</strong>ekretär der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie


14 VON DER UNFALLHEILKUNDE15ZUR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDER VERLETZTE IM MITTELPUNKTJ. ProbstH. R. SiebertDie Chirurgie der VerletzungenVon der Wund- und Kriegschirurgiebis zur hochdifferenzierten und teamorientierten <strong>Unfallchirurgie</strong>Vor 60 Jahren, im Oktober 1950, zur Zeit der Wiedergründung der<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkunde, Versicherungs- und Versorgungsmedizinnach dem Ende des 2. Weltkrieges, hatte die Chirurgie derVerletzungen eine sechs Jahrzehnte währende, immer nach Verbesserungund Vervollkommnung ihrer Behandlungsmethoden zur Heilung und WiederherstellungUnfallverletzter strebende Entwicklung hinter sich, die sich zwarim Gesamtrahmen der noch nicht gegliederten operativen Medizin abspielte,aber bereits eine spezielle Vertiefung erkennen ließ.Professor Dr. med. Jürgen ProbstDGU-Arbeitsgemeinschaft Geschichte der <strong>Unfallchirurgie</strong>em. Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik MurnauAlter Mühlhabinger Weg 382418 Murnau am StaffelseeProfessor Dr. med. Hartmut SiebertGener<strong>als</strong>ekretär der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong>em. Chefarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieDiakonie-Klinikum Schwäbisch HallDiakoniestraße 1074523 Schwäbisch HallJahrhundertelang – begünstigt durch die wundärztlichen Verfahren auf deneuropäischen Kriegsschauplätzen – waren die Schule der Wundbehandlung,die Beherrschung der Blutung, die für die Lehre der Operationstechnikvorbildhafte Amputationskunst und auch die wachsende Erkenntnis desZeitfaktors für die Verhütung des ursächlich noch nicht erklärbaren SchocksKennzeichen der Verletzten-Chirurgie gewesen. Die Rückkehr der Chirurgiein den Schoß der medizinischen Wissenschaft im Gefolge der Aufklärungleitete in enger Beziehung zur Entwicklung der Natur- und der technischenWissenschaften, nicht zuletzt auch stark beeinflusst durch die Bedingungender industriellen Revolution mit ihren neuartigen Gefahren in Gewerbeund Verkehr, einen paradigmatischen Wechsel der Chirurgie ein, der überdie einfache Lebenserhaltung unter Hinnahme bleibender, mehr oder wenigerschwerer Behinderungen hinausführend die Wiederherstellung vonKörperfunktionen erstrebte.Die Ausschaltung des Schmerzes und Möglichkeiten zur Entspannung derMuskulatur durch die Erfindung und Weiterentwicklung der Narkose befördertenzunächst die rasante Entwicklung der chirurgischen Behandlung vonErkrankungen der inneren Organe. Die operative Behandlung von Frakturenund Luxationen <strong>als</strong> häufigste Verletzungen konnte daraus anfangs weniger


16 17VON DER UNFALLHEILKUNDE ZUR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDER VERLETZTE IM MITTELPUNKTNutzen ziehen, drohte doch bei Freilegung die kaum beherrschbare Infektionvon Knochen und Gelenken. Die Beteiligung des Muskelmantels an derInfektionsentstehung wurde unterschätzt; ebenso bestanden keine Kenntnisseder Bedeutung der physiologischen und pathologischen Beteiligungder Muskulatur am Kreislauf- und Stoffwechselgeschehen. Rein handwerklicherdachte, in ihrem Ansatz gleichwohl richtige Verfahren wie Verschraubung,Plattenanschraubung, innere und äußere Stabilisierung durch Nagelungoder Bolzung bzw. Fixationskonstruktionen (Fixateur externe) scheitertennicht nur mangels biologischer Kompatibilität, sondern auch am nochnicht bekannten biomechanischen Konzept. Es fehlten auch ausreichendeKommunikationsmöglichkeiten sowie auf naturwissenschaftlich exaktenVergleichen beruhende Erfahrungen an einer großen Zahl gleichgelagerterFälle. Publikationen in den wissenschaftlichen Organen bezogen sich aufEinzelfälle, ebenso mündliche Mitteilungen im Chirurgenkongress.Systematische Analysen zur Regelhaftigkeit der Verletzungen, ihrer Therapie,ihrer Folgen sowie Heilungsergebnisse, aber auch ihrer Komplikationenunternahm <strong>als</strong> einer der ersten der Chirurg Carl Thiem (1850–1917)(Abb. 1) in Cottbus, dem auch das Verdienst zukommt, durch Gründung der„Monatsschrift für Unfallheilkunde“ (1894) und die Organisation internationalerunfallmedizinischer Kongresse (1. Kongress 1905 in Lüttich), <strong>als</strong>odurch den Wissenschaftsaustausch die Erfahrungen zu bündeln, auszuwertenund zu verbreiten. Thiem verfasste auch ein mehrbändiges „Handbuchder Unfallerkrankungen“ (1898).Um die Wende zum 20. Jahrhundert hatte sich die Chirurgie innerhalb vonzwei Jahrzehnten nicht nur operativ auf alle Körperregionen ausgedehnt,sondern zahlreiche, auch spezielle diagnostische und therapeutischeMethoden entwickelt, die nach und nach zur Verselbständigung einigerFachgebiete (HNO-Heilkunde, Augenheilkunde, Gynäkologie, später Urologie)führten; ihre Vertreter firmierten meist <strong>als</strong> „Spezialisten“. Auch dieOrthopädie, bis dahin unangefochten Teil der Chirurgie, nahm ihren eigenenWeg; Gründe hierfür waren nicht nur durchaus beachtliche sozialmedi-zinische Aufgaben, die den Rahmen der Chirurgie sprengten, auch nicht nurgenetische und degenerative Erkrankungen des Knochen- und Bewegungssystemssowie nur langwieriger konservativer Behandlung zugängliche muskuloskelettaleErkrankungen, sondern auch das chirurgische Desinteressean diesen Patientenkreisen. In ihrer danach hundertjährigen Eigenständigkeitist die Orthopädie zu einem großen, erfolgreichen und selbständigenFachgebiet aufgewachsen, das sich im weiteren Verlauf der Rehabilitationund, zumal in und nach beiden Weltkriegen, der orthopädischen Wiederherstellungschirurgieannahm.Die Chirurgie der Verletzungen mit der <strong>Unfallchirurgie</strong> <strong>als</strong> Kerngebiet undmit dem Anspruch der Zuständigkeit für alle verletzten Körperregionen unddemjenigen für die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Unfall konnteihren Platz weiterhin nur in der gesamten Chirurgie einnehmen. <strong>Das</strong>sowohl vom Zeitpunkt seines Eintrittes her <strong>als</strong> auch bezüglich seiner Artund Schwere unberechenbare Trauma konnte weder dam<strong>als</strong> noch könntees heute aus einer Nur-Elektivposition heraus beherrscht werden. Ihre quasi-Feuerwehrfunktion(en)– neben der ständigen Sofortverfügbarkeit dieMöglichkeit des Einsatzes aller chirurgischen Mittel – waren nur im Rahmender sich spezialisierenden Chirurgie wahrnehmbar. Die Begleitung desUnfallverletzten vom Unfallort bis zu seiner Wiedereingliederung in seineBerufswelt und sein soziales Umfeld war durch die zunehmende Organspezialisierungin der Chirurgie und durch die von den Unfallversicherungsträgerneingeforderte umfassende Betreuung und Verantwortlichkeit bei derBehandlung dieser Verletzten zur logischen Aufgabe und damit Verantwortungdes Unfallchirurgen geworden. Diese Stellung hat die <strong>Unfallchirurgie</strong> inDeutschland und in Österreich über die Zeiten hinweg eingehalten, währendin vielen anderen Ländern die Behandlung der Gliedmaßenverletzungenselektiv in die Orthopedic surgery überging. Die deutsche Krankenhausstrukturund das Versorgungsnetz der chirurgischen Facharztpraxen gewährleistetenjedem Unfallverletzten rasche und umfassende Behandlung. Geradein der zunehmenden Spezialisierung auf Organe, Regionen, Technikund oft auch auf Methodik oder Implantate bezogen, ist das Konzept der


18 19VON DER UNFALLHEILKUNDE ZUR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDER VERLETZTE IM MITTELPUNKTAbb. 1 / Geheimer SanitätsrathProf. Dr. Carl ThiemAbb. 2 / Prof. Dr. Dr. h. c. Gerhard KüntscherAbb. 3 / Entschließung der DGU auf der19. Jahrestagung 1955 zur Verkehrsprävention.(Hannoversche Allgemeine Zeitung4. Juni 1955)Abb. 4 / Rettungshubschrauber„Christoph Murnau“ (Foto: BG Unfallklinik Murnau)langfristigen fachlichen und aktiven Begleitung des Unfallverletzten bis zurWiederherstellung zum Garanten für eine ganzheitliche, das Vertrauen desVerletzten und seiner Angehörigen fördernden optimalen Versorgung geworden.Spezialisten, ebenso aber Generalisten sind in einer zunehmend industrialisiertenund damit arbeitsteiligen Medizin zwingend notwendig, um demUnfallverletzten die bestmögliche Chance der körperlichen wie psychischenRehabilitation zu gewährleisten.Die spezielle Causa „Unfall“Im Gegensatz zu allen anderen Fachrichtungen, die sich an den Erkrankungenanatomisch begrenzter Organe und Körperregionen orientierten, hattesich die Verletzungschirurgie in jedem Einzelfall auch mit der Ursache desKörperschadens, dem Unfall, auseinanderzusetzen. Nicht eine nach biologischenGesetzmäßigkeiten ablaufende Krankheit, sondern die von außen einwirkendeGewalt bestimmen Art und Ausmaß der Verletzung und meist auchderen Heilverlauf.<strong>Das</strong> Studium der Lehrbücher, Monographien und wissenschaftlichen Zeitschriftender Zeit der vorherigen Jahrhundertwende lässt erkennen, dass eingroßer Teil der Behandlung Unfallverletzter in den Bereich der „AllgemeinenChirurgie“ fiel, wie diese von Erich Lexer (1867–1937) seit der ersten Auflageseines gleichnamigen Lehrbuches (1904) mit fortdauernder Gültigkeit defi-niert worden ist. Im weiteren Sinne war ihr Konzept die Fortsetzung der umein halbes Jahrhundert älteren, noch unter anderen Bedingungen 1863 verfassten„Allgemeinen chirurgischen Pathologie und Therapie“ von TheodorBillroth (1829–1894). Alle bedeutenden Errungenschaften der Organchirurgiedes frühen 20. Jahrhunderts sind auf und aus dieser Grundlage erwachsen.„Die Wunde, ihre Behandlung und Heilung“ war das Eingangskapitel,die Aseptik, die Wundinfektionen und chirurgischen Infektionskrankheiten,die mechanischen, chemischen und thermischen Verletzungen sowie dieallgemeinen Folgen der Verletzungen – Kollaps, Ohnmacht, Schock, postoperativePneumonie, Delirium tremens, Fettembolie, Thrombose und Embolie –waren die weiteren tragenden Säulen, denen sich die „chirurgisch wichtigenErkrankungen“, systematisch nach Geweben aufgebaut, anschlossen. Denktman sich das damalige Instrumentarium hinzu, so entsteht von selbst dasBild der chirurgischen Möglichkeiten dieser Zeit, deren Erkenntnisgrundlagenbereits so weitgehend ausgefüllt und geformt waren, dass auch scharfsichtigeBeobachter meinen konnten, diese Chirurgie (und ebenso andereihrer Aufgabenfelder) sei an der Grenze des Erreichbaren angekommen.Die Lehren der Allgemeinen Chirurgie sind in vielen organchirurgischen Bereichen,die ihren Ausbau im Anfang und in der Mitte des 20. Jahrhundertserfuhren und die in dessen letztem Drittel in jeweils abgegrenzte speziellechirurgische Bereiche mündeten, zu Unrecht in den Hintergrund getreten.


20 21VON DER UNFALLHEILKUNDE ZUR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDER VERLETZTE IM MITTELPUNKTAbb. 5 / Prof. Dr. Fritz KönigAbb. 6 / Prof. Dr. Dr. h. c.Heinrich Bürkle de la CampAbb. 7 / Prof. Dr. Hans LinigerIhre Bezeichnung wurde umwertend auf eine sog. Allround-Chirurgie übertragen,während die Chirurgie der Unfallverletzungen weiterhin die Grundlagenund Lehren der Allgemeinen Chirurgie pflegte und sie anwandte. Dies findetseine Erklärung letztendlich im Ausgangspunkt der Chirurgie der Verletzungen,dem Trauma, mit den typischen lokalen und allgemeinen pathophysiologischenReaktionen des Organismus, insbesondere der unmittelbarenVerletzungszugewandtheit der größten Körpermasse, bestehend aus Haut,Bindegewebe und Muskulatur einschließlich Gefäß- und Nervensystem undder jeweils betroffenen Verletzungen des Skeletts. <strong>Das</strong>s das Verletzungstraumaeine besondere pathophysiologische Bedeutung hat (und dieseggf. durch das Operationstrauma potenziert wird), war schon im Anfang des19. Jahrhunderts bekannt und wurde <strong>als</strong> noch nicht definierbare pathologischeAllgemeinerscheinung auch beachtet. Für die Behandlung des Unfallverletztenist sie über alle Zeiten und Errungenschaften hinweg bestimmendgeblieben. <strong>Das</strong> Operationstrauma in der Elektivchirurgie, aber auch in derNotfallchirurgie konnte dagegen mit dem Ausbau der Substitutionsverfahren,insbesondere im Zusammenhang mit der anästhesiologischen Praxis,der minimalinvasiven und interventionellen Verfahren ausgeschaltet oder zumindestkontrollierbar gemacht werden. In diesem Sinne konnten sekundäreWiederherstellungschirurgie und korrigierende orthopädische Chirurgie mitzunehmender Sicherheit für den Patienten große Fortschritte erzielen.<strong>Das</strong> Unfalltrauma lässt seine größte Wirksamkeit bei den MehrfachundGanzkörperverletzungen und insbesondere beim Polytrauma zurGeltung kommen. Daher mussten im Zuge der ständig fortschreitendenEntstehung neuer Unfallursachen und Verletzungsbilder – Sport, Verkehr,Umwelt – dementsprechende Forschungsprogramme zum weiteren Verständnisder Pathophysiologie des Traumas und daraus folgenden therapeutischenMaßnahmen, aber auch zur Prävention von Unfällen und Verletzungenim Straßenverkehr, im Sport und vor allem auch bei der Arbeit aufgelegtwerden. Sich dieser anzunehmen, ist eine Kernaufgabe der <strong>Unfallchirurgie</strong>.Die alleinige Weiterentwicklung der Operationsmethodik und von geeignetenImplantaten reicht nicht, alle Verletzungsfolgen zu beseitigen. Am Beispielder Entwicklung der nicht immer erfolgreichen Behandlungskonzeptionendes Schwerverletzten wird deutlich, wie eng multidisziplinäre patientenorientierteGrundlagenforschung und klinische Forschung – Studien wie Versorgungs-und Registerforschung – mit Diagnostik und Behandlung verbundensind, sein müssen, um wirkungsvoll und effizient zu sein.Vom Streckverband zur minimalinvasiven KnochenbruchbehandlungParallel zum Wandel der Behandlung des Schwerverletzten vollzog sich nachdem 2. Weltkrieg auch eine grundlegende Veränderung der Frakturenversorgung,nachdem Gerhard Küntscher (1900–1972) (Abb. 2) mit der Einführungder Marknagelung (1939) den anfangs noch stark bezweifelten Beweis


22 23VON DER UNFALLHEILKUNDE ZUR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDER VERLETZTE IM MITTELPUNKTihrer Verträglichkeit und Wirksamkeit angetreten und damit das Prinzip deräußeren Ruhigstellung im Gips- oder Streckverband durch dasjenige dertemporär geliehenen inneren Stabilität ergänzt hatte. Die geniale Idee, dieanfangs <strong>als</strong> grobe handwerkliche Manipulation verkannt und verdammtwurde, beruhte auf schon fast hundertjährigen Bemühungen, die Nachteileder langdauernden, die Funktionen mehr oder weniger irreversibel schädigendenRuhigstellung im Gipsverband zu vermeiden und stattdessen soforteine funktionserhaltende Teilbelastbarkeit herzustellen. Dazu bedurfte esbiomechanischer Forschungen, die in der noch geltenden morphologischenAuffassung der Chirurgie jedoch keine Resonanz fanden. Die Einzelgängerschaftdes nur von seiner vorauseilenden Idee beseelten Wissenschaftlerseinerseits, die Geringschätzung des <strong>als</strong> grobes Organ mit trägem Stoffwechselbewerteten Knochens andererseits hinderten noch lange eine schulmäßigeBehandlungseinübung. Rückschläge wurden irrigerweise nicht derf<strong>als</strong>chen chirurgischen Handhabung, sondern dem Material angelastet.Die seit den 1980er Jahren entwickelte Verriegelungsnagelung erweitertedie Anwendung der Marknagelung erfolgreich auf Trümmerfrakturen sowiezur Stabilisierung und Frühbelastbarkeit nach Osteotomien.Schon in den 1930er Jahren hatte der Schweizer Raoul Hoffmann (1881–1972) die bereits auf C. W. Wutzer (1789–1863) und Bernhard v. Langenbeck(1810–1887) zurückgehende Erfindung des Fixateur externe wieder aufgegriffenund nach dem Prinzip der Osteotaxis <strong>als</strong> flexibles System weiterentwickelt.Dieses Verfahren vermied die wegen der Infektion gefürchtete Eröffnungder Fraktur vollkommen, setzte sich zunächst jedoch nicht durch undwurde erst „wiederentdeckt“, <strong>als</strong> in der Verbreitungsphase der Plattenosteosynthesedie Zahl der posttraumatischen bzw. postoperativen Osteitiden/Osteomyelitiden steil anstieg. Hier leistete der Fixateur externe hervorragendeDienste <strong>als</strong> Interimsosteosynthese mit gleichzeitiger Möglichkeit deroperativen Weichteilsanierung. Aus den günstigen Erfahrungen leitete sich<strong>als</strong>bald auch eine primär-temporäre Behandlungsmöglichkeit für TrümmerundGelenkfrakturen ab.Ende der 1950er Jahre nahm sich eine Gruppe schweizerischer Chirurgenund Orthopäden unter dem Eindruck der unbefriedigenden funktionellenErgebnisse der Knochenbruchbehandlung dieser unter Aufgreifen ältererIdeen sowie Anwendung neuer biomechanischer, durch experimentelleUntersuchungen gewonnener Einsichten der Osteosynthese mittels Schrauben-und Plattenfixierung an, wobei die physiologische und nosologisch-therapeutischeGleichbedeutung von Knochen und Weichteilmantel (!) sowie dieBiokompatibilität von Material und Technik <strong>als</strong> bestimmende Faktoren derFrakturheilung zunehmend erkannt und später in das strategische Konzept– atraumatische Operationstechnik, Stabilisierung der Fraktur, sofortigeMobilisierung der Gliedmaße – eingeführt wurden. Die entscheidendeWeichenstellung durch die Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen,kurz AO, erfolgte jedoch durch strenge schulgemäße Einübung von Diagnostik,Operations- und Osteosynthesetechnik sowie der Nachbehandlung,kontrolliert durch lückenlose Dokumentation der Ergebnisse und Komplikationen.Bereits dam<strong>als</strong> wurde das uralte Prinzip „aus Fehlern lernen“ durchDokumentation, Analyse und transparente Darstellung von unerwünschtenEreignissen zur Förderung der Qualität der Sicherheit der Patienten umgesetzt,wenn auch nicht mit der heute durch die Einführung der elektronischenDatenverarbeitung und Globalisierung der Informationen möglichenBreiten- und Tiefenwirkung!Neben der verzögerten oder der ausbleibenden Ossifikation s. Pseudarthroseforderte die posttraumatische/postoperative Osteomyelitis (Osteitis) nichtnur spezielle Therapiekonzepte heraus und verlieh dadurch der erhaltenden(Wiederherstellungs-) Chirurgie wertvolle Impulse, sondern löste auch eineErforschung des Frakturproblems auf breitester Front aus und leitete damiteine alle Osteosynthesemethoden einbeziehende, immer währende Evaluationein. Darauf gründet sich der heutige Bestand einer Reihe verschiedener,indikationsgebundener Osteosynthesesysteme und -verfahren, die nachIndikation und Technik nicht beliebig austauschbar sind. Die Einführungminimalinvasiver Operationstechniken in die Osteosynthese ist eine folgerichtigewundchirurgische Entscheidung, die der lange Zeit unterschätzten


24 25VON DER UNFALLHEILKUNDE ZUR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDER VERLETZTE IM MITTELPUNKTBedeutung des traumasensiblen Weichteilmantels Rechnung trägt. Mitdem Erblühen der operativen Frakturenchirurgie, das auch die verletztenGelenke einbezog, erwachte erneut das Interesse am schon am Ende des19. Jahrhunderts erdachten und auch versuchten künstlichen Gelenkersatz.Die ursprünglich für degenerativ-krankhaft veränderte Gelenke entwickeltenEndoprothesen haben auch die traumageschädigten Gelenke erobert undin allen Altersgruppen zu entscheidenden Verbesserungen der Gebrauchstüchtigkeitbeigetragen. <strong>Das</strong> gilt insbesondere für die Gelenke der unterenGliedmaßen, bei denen die Belastbarkeit durch das Körpergewicht und diefrühzeitige Wiedererlangung der schmerzarmen Beweglichkeit die entscheidendenKriterien darstellen und daher bis ins höchste Lebensalter (!) vonlebenswichtiger Bedeutung sind. <strong>Das</strong> Kompatibilitätsproblem ist hier einanderes <strong>als</strong> bei der Osteosynthese. Versuche, dieses durch robotergeführtePräparation des lastaufnehmenden Knochens zu lösen, sind nicht fortgesetztworden. Anders liegen die Verhältnisse an den oberen Gliedmaßen,die sowohl am Schulter- <strong>als</strong> auch am Ellbogengelenk sowie an derHand noch immer gleichwertige Indikationen zur nativen bzw. funktionellenWiederherstellung neben der Endoprothetik einräumen. Ähnlich verhältes sich mit minimalinvasiven und navigationsgestützten Verfahren inanatomisch komplizierten Bereichen, beispielhaft bei den Wirbelsäulenverletzungen.Diese Entwicklung ist weit fortgeschritten; speziell an derWirbelsäule wird wegen der Vielgestaltigkeit der Verletzungsmuster einNebeneinander von funktionell-konservativer Therapie und operativ-wiederherstellenderChirurgie je nach Ausprägung der Verletzungen verfügbarbleiben müssen. Diese Erfahrung durchläuft auch die Endoskopie derGelenke, die teils diagnostische, teils therapeutische Vorteile gegenüberanderen, herkömmlichen Verfahren bietet. Im rein diagnostischen Anwendungsbereichschränkt die Entwicklung der bildgebenden unblutigen Methodendie Anwendung invasiver Verfahren umso mehr ein, <strong>als</strong> erstere komplikations-und schadensfrei beliebig wiederholbar sind und eine nachgehendeoperative Diagnostik nicht ausschließen. Operativ hat die endoskopischeChirurgie die offenen Eingriffe sehr weitgehend abgelöst und damit erheblicheVorteile für die frühfunktionelle Nachbehandlung erarbeitet.Wie am Beginn des 20. Jahrhunderts haben auch in dessen letztem Dritteldie bildgebenden Darstellungsverfahren – natives Röntgen, Computertomographie,Magnetresonanztomographie, Navigation, Sonographie unddreidimensionales Röntgen mit den noch keineswegs in ihrer Entwicklungabgeschlossenen interventionellen Verfahren sowie elektronische Bildbearbeitung– wesentliche Beiträge zur operativen Erschließung der Verletzungengeleistet. Ungeachtet der Eigenständigkeit des Fachgebietes Radiologieerfordert die Verwendung jener Verfahren die pathologisch-anatomischeDeutungsfähigkeit des Unfallchirurgen sowohl in nosologischer <strong>als</strong> auch intopografischer Betrachtungsweise. Radiologe und Unfallchirurg stehen hierbeizueinander wie Lotse und Pilot.<strong>Das</strong> Phänomen „Polytrauma“Die zuvor überwiegend morphologisch ausgerichtete Chirurgie wandelte sich,nicht zuletzt angeregt durch die Fortschritte der thorako-kardio-pulmonalenChirurgie, zunehmend unter pathophysiologischen Gesichtspunkten. Für die<strong>Unfallchirurgie</strong> bedeutungsvoll wurde die im Zweiten Weltkrieg und seinenFolgekonflikten stark vorangekommene Schockforschung; <strong>als</strong> deren Anteilverdient die auf deutscher Seite besonders intensive Bluttransfusionsforschung(H.Bürkle de la Camp) Erwähnung. Eng verzahnt mit der Bekämpfungdes Schocks der frühen Traumatisationsphase war das Bestreben, derenpräklinisches therapeutisches Vakuum auszuschalten. Nicht zuletzt die im„Wirtschaftswunder“ auf den Straßen anhebende „traumatische Epidemie“mit heute unvorstellbaren Opferzahlen verlangte sowohl in den Städten <strong>als</strong>auch auf den außerstädtischen Verkehrswegen nach dem Ausbau eines qualifiziertenRettungssystems mit entsprechend geschulten Rettungsteams, dasseit den 1960er Jahren durch die Luftrettung mittels Hubschrauber (Abb. 3)sowie durch den Einsatz von Notärzten komplettiert wurde; die ursprünglichinitiierende traumatologische Komponente wurde inzwischen durch internistischeund pädiatrische Notfälle weit überflügelt. Der hohe Kostenaufwand,der mit unserem weltweit anerkannten, dicht vernetzten Rettungssystem verbundenist, darf nicht isoliert betrachtet, sondern kann gerecht nur bewertetwerden unter Würdigung der Rettung sonst verlorener Menschenleben und


32 33VON DER UNFALLHEILKUNDE ZUR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDER VERLETZTE IM MITTELPUNKTnachhaltige Fortschritte bei Gelenk- und Wirbelsäulenverletzungen erbrachten.Weltumspannend anerkannt, schuf Lorenz Böhler (1885–1973), Wien,eine auf Datenverarbeitung gestützte Lehre der konservativ-funktionellbestimmten „Technik der Knochenbruchbehandlung“, die bis weit über dieMitte des 20. Jahrhunderts <strong>als</strong> unfallchirurgische Richtlinienkompetenz galt.Die in der Vorantibiotika-Ära eine täglich akute Problematik darstellendeWundinfektion veranlasste die DGU, sich in „Lehrsätzen zur ärztlichen Versorgungder Zufallswunde“ an die gesamte Ärzteschaft zu wenden (1939).In den Jahren 1932 bis 1934 erschien das vierbändige „Handbuch dergesamten Unfallheilkunde“ von Fritz König (1866–1952) (Abb. 5) und GeorgMagnus (1883–1942), das den Stand des Wissens unter Berücksichtigungaller Körperregionen einschließlich der Berufskrankheiten eindrucksvolldokumentiert hat. Neben die „Monatsschrift für Unfallheilkunde“ trat – auch<strong>als</strong> Organ der <strong>Gesellschaft</strong> – das „Archiv für orthopädische und <strong>Unfallchirurgie</strong>“.Seit 1929 erschienen die monografischen „Hefte zur Unfallheilkunde“,deren erste Titel u. a. „Orthopädische Apparate in der Unfall- und Kassenpraxis“,„Über Kalkaneusfrakturen und ihre Spätresultate“, „Behandlung derFinger- und Handverletzungen“ lauteten. Zu den bemerkenswertesten Veröffentlichungendes letzten Jahrzehnts vor dem 2. Weltkrieg zählt Fritz Königs„Operative Chirurgie der Knochenbrüche“ (1931). Im selben Jahr publiziertein der Schweiz Hermann Matti „Die Knochenbrüche und ihre Behandlung“.Aus beiden Werken ist ersichtlich, dass die vielfach unbefriedigenden Ergebnisseder konservativen Behandlung (Fehlstellungen, Versteifungen) den Rufnach einer komplikationsarmen operativen Behandlung erschallen ließen.Die von F. König angestellten Nachuntersuchungen belegen eindeutig dieAbhängigkeit der Ergebnisse von der Prozessqualität, d. h. von der Indikation,Operationstechnik und Nachbehandlung umfassenden Einübung desOperateurs. Abgesehen vom Fehlen methodologischer Voraussetzungenbezüglich des Osteosynthesemateri<strong>als</strong> mangelte es auch an Schulungsvoraussetzungender Chirurgen, indem hierfür kein Verständnis gegeben warund man, wie schon gesagt, die potenziellen, tatsächlich schwerwiegenden,oft sogar tödlichen Gefahren der Infektion scheute. Diese Periode endetemit der zunächst ungläubig bis zurückweisend aufgenommenen Vorstellungder gedeckten Marknagelung der Oberschenkelschaftfraktur durch GerhardKüntscher auf dem <strong>Deutsche</strong>n Chirurgenkongress 1940.Zum Erliegen kamen mit Kriegsbeginn die Kongresse der <strong>Deutsche</strong>n<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkunde. Ihre Wiedergründung nach anfänglichemalliierten Verbot aller wissenschaftlichen Vereinigungen erfolgte unter demVorsitz von Heinrich Bürkle de la Camp (1895–1974) (Abb. 6) 1950 mitDurchführung der nunmehr 14. Jahrestagung am Ort des traditionsreichen„Bergmannsheil“ in Bochum. Die Nachkriegszeit war unfallchirurgischorthopädischvor allem geprägt durch die immense Zahl wiederherstellungschirurgischzu versorgender Kriegsopfer mit nicht oder fehlgeheiltenSchussfrakturen, Fehlstellungen, chronisch-posttraumatischen Osteomyelitiden,Pseudarthrosen, nachversorgungsbedürftigen Gliedmaßenstümpfen,ein- oder doppelseitigen Hand- oder Armverlusten, Brandverletzungsfolgen,Schädel- und Kieferdefekten u. v. a. m. Die aus der Vorkriegszeit bekanntenplastischen Verfahren, bevorzugt autologe, später auch homologe Knochenspanverpflanzungenfanden breite Anwendung. Zahlreiche Ohnhänderwurden mit der Krukenberg-Plastik versorgt. Die unaufgebohrte Marknagelungwurde Standardverfahren; mit Aufbohrung bewährte sie sich bald auchbei Pseudarthrosen.In der DDR ging die Entwicklung der <strong>Unfallchirurgie</strong> trotz mancher materiellerErschwernisse ähnliche Wege wie in der Bundesrepublik. Klinischkonzentrierte sie sich in Abteilungen der Universitätskliniken und selbständigenKliniken einiger Großkrankenhäuser. Diesen oblag auch die fachärztlicheWeiterbildung in der chirurgischen Subspezialisierung Traumatologie.Nach Schließung der Grenze unterstützten Kollegen aus Österreich und derSchweiz materiell und durch Fortbildung den Erhalt der Qualitätsstandards,mit ihrer Hilfe wurde auch eine Sektion der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragengegründet. Wenige Tage nach dem Fall der Mauer (1989)nahmen die Unfallchirurgen der DDR am Unfallkongress der DGU in Berlinteil und kehrten in deren Mitgliedschaft zurück.


34 35VON DER UNFALLHEILKUNDE ZUR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDER VERLETZTE IM MITTELPUNKTBerufsbegleitende Fort- und bis zu einem gewissen Grade auch Weiterbildungwar bis in die Mitte der 80er Jahre unangefochten die Domäne desBerufsverbandes der <strong>Deutsche</strong>n Chirurgen (BDC) und der <strong>Deutsche</strong>nArbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (DAO) mit ihren Kursen inFreiburg und Bochum und später entwickelten Formaten für Fortgeschritteneund spezielle Verfahren wie Wirbelsäulen-, Kinder-, Fuß- und Handchirurgie.Mit der Jahrtausendwende wurden systematische Kurse z. B. zuSchwerverletztenversorgung-Schockraummangement von der Akademie derUnfallchirurgen – AUC – im Rahmen eines Lizenzvertrages mit dem in denUSA und inzwischen weltweit verbreiteten Kursformat ATLS angeboten.Über die Sektionen und Arbeitsgemeinschaften der DGU wurden klinischeSammel-Studien zur Überprüfung bestimmter Therapiekonzepte im 1993gegründeten TraumaRegister DGU auch zu Fragen der präklinischen und klinischenAkutversorgung von Schwerverletzten wie zur Finanzierung dieserPatientengruppen durchgeführt. Patientenorientierte Grundlagenforschungdiente der Weiterentwicklung von neuen Implantaten, verbesserten Methodenin der Sehnen-Bandchirurgie, der Beherrschung des Schock- und Infektgeschehens,der Knochenbruchheilung unter verschiedenen Ausgangslagenund zunehmend, auch unter Verwendung von Methoden der Zellbiologie, derSuche nach geeigneten Knochenersatzmaterialien und in vitro-Züchtung vonGewebe, insbesondere des Knorpelgewebes. <strong>Das</strong> „Netzwerk Experimentelle<strong>Unfallchirurgie</strong>“ – NEU – wurde <strong>als</strong> Kommunikationsplattform und zumAustausch spezieller Methoden Ende der 1990er Jahre vom Wissenschaftsausschusseingerichtet und umfasst jetzt 11 an universitären Einrichtungentätige Forschungsstätten.Seit 1973 wurden die Jahrestagungen der DGU in Berlin durchgeführt.Sie entwickelten sich zunehmend zu dem Kongress der <strong>Unfallchirurgie</strong> inEuropa mit zuletzt 4.500 Besuchern, ehe 2003 nach Änderung der Musterweiterbildungsordnung– Errichtung des Gebietes Chirurgie mit 7 Facharztkompetenzen,darunter das Fach „Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>“ mitdarauf aufbauenden Zusatzweiterbildungsqualifikationen wie „Spezielle<strong>Unfallchirurgie</strong>“ – der erste teilweise überlappende Kongress mit demKongress der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie und OrthopädischeChirurgie zusammen mit dem Berufsverband der Fachärzte für Orthopädiestattfand. Ab 2005 wurde ein gemeinsamer Kongress durchgeführt undfindet seitdem jährlich unter dem Namen „<strong>Deutsche</strong>r Kongress für Orthopädieund <strong>Unfallchirurgie</strong>“ – DKOU – in Berlin statt, getragen von den beidenFachgesellschaften DGOOC und DGU sowie dem Berufsverband Orthopädieund <strong>Unfallchirurgie</strong> (BVOU) mit im Jahre 2009 über 10.000 Teilnehmern.Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkunde wurde zur <strong>Deutsche</strong>n<strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong>. Zwei traditionsreiche Disziplinen werdenzum gemeinsamen Fach Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>Die nicht offizielle Fachbenennung „Unfallheilkunde“ hatte neben dem ätiologischenBezug noch einen weiteren, schon historischen Grund: Die 1832gegründete „<strong>Gesellschaft</strong> <strong>Deutsche</strong>r Naturforscher und Ärzte“ hatte inihrer Sektion Unfallheilkunde Chirurgen und Gerichtsmediziner zusammengefasst,indem nach den Umständen des Unfalles und der jeweiligenVerletzung auch deren dauernde Folgen und forensische Konsequenzenfestzustellen waren. In der Folge der anfangs des 20. Jahrhunderts durchdie Entwicklungen in der Medizin und Chirurgie, aber auch der zunehmendenIndustrialisierung mit einem dramatischen Anstieg der Zahl von Unfallverletztennachkommend, wurde zum Austausch wissenschaftlicher undklinischer Erfahrungen in der Behandlung von Unfallverletzten am 23. September1922 unter dem Vorsitz von Hans Liniger (1863–1933) (Abb. 7) inLeipzig die „<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkunde, Versicherungs- undVersorgungsmedizin“ gegründet. Chirurgen, aber auch Versicherungsärzte,Orthopäden, Gerichtsmediziner, Röntgenologen und Internisten warenihre Gründungsmitglieder. Ziele waren nicht nur wissenschaftliche Fragen,insbesondere „Erfahrungen über die schädigenden Wirkungen mechanischer,chemischer, bakterieller und psychischer Einflüsse auf Körper undGeist des Menschen zu sammeln, sie kritisch zu bearbeiten und nach gemeingültigenRichtlinien für die Beurteilung und Behandlung zu suchen“,sondern auch Stellung zu nehmen zu Mängeln der Gesundheitsvorsorge,


36 37VON DER UNFALLHEILKUNDE ZUR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDER VERLETZTE IM MITTELPUNKTzur Ausbildung der Medizinstudierenden und zur Schaffung von Lehrstühlenfür <strong>Unfallchirurgie</strong> an den Universitäten. Auf den Kongressen bis zum Jahre1939 entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, die neben den zentralenThemen Wunde und Wundbehandlung, Infektionen, operative und funktionelleKnochenbruchbehandlung auch Handchirurgie, Amputationschirurgie,Korrekturoperationen und Wiederherstellungschirurgie sowie das seinerzeitsehr brennende Kapitel Gelenksteifen einschloss. Die Organisation derpräklinischen Versorgung, Schädelhirntrauma, die „Verblutung nachinnen“ betonten den unfallchirurgischen Auftrag der <strong>Gesellschaft</strong>. Denfachübergreifenden Zielen der <strong>Gesellschaft</strong> entsprach es andererseits, u. a. derunfallmedizinisch so wichtigen Neurologie eine breite Beteiligung einzuräumen.Bereits dam<strong>als</strong> war für die Gründung einer Fachgesellschaft die UrsacheUnfall – <strong>als</strong>o Ätiologie und Pathophysiologie – und nicht Organ, Regionoder methodenbezogen die Klammer, die den Aufgabenbereich definierte.In den 70er und 80er Jahren erhob sich ungeachtet der sichtbaren Erfolgeder auf gefestigten Grundlagen der konservativ-funktionellen Periode derersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufbauenden operativen <strong>Unfallchirurgie</strong>die Kritik an eben jener erwähnten ätiologischen Herkunft und damit aucham Wechsel ihrer Benennung von der Unfallheilkunde zur <strong>Unfallchirurgie</strong>(1991). Dabei wurde übersehen, dass es sich bei der Unfallheilkunde um einenhistorischen Begriff aus der Gründungszeit der <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Deutsche</strong>rNaturforscher und Ärzte handelte, <strong>als</strong> die Chirurgie überwiegend nur dieder Gliedmaßen und der Körperoberfläche und somit inhaltlich weitgehenddie Chirurgie der Verletzungen sein konnte. Die Vielschichtigkeit des Begriffesund die auf internationaler Basis sich entwickelnden Beziehungen gabendem Begriff neue Inhalte. <strong>Das</strong>s die infolge des 1. Weltkrieges erst nach diesemzustande gekommene Gründung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkunde,Versicherungs- und Versorgungsmedizin (1922) den Namen unterErweiterung festhielt, entsprach noch der Zielsetzung ihrer Thematik. Wennauch nach der Zäsur des 2. Weltkrieges und der Wiedergründung 1950 amalten Namen noch lange festgehalten wurde, brachte dies unmissverständlichund zunehmend durch ihre innere Entwicklung zum Ausdruck, dass dieUnfallheilkunde sich <strong>als</strong> Teil der Chirurgie verstand und verstanden wissenund den Abweg zu einer von der Chirurgie losgelösten <strong>Unfallchirurgie</strong> verhindernwollte. Diese Gefahr wurde – nach der 1970 erfolgten Bildung desTeilgebietes <strong>Unfallchirurgie</strong> mit zusätzlicher 2-jähriger Weiterbildung –endgültig erst gebannt mit der Weiterbildungsordnung von 1992 – Gliederungder Chirurgie in gleichrangige Schwerpunkte und Fächer, darunter die<strong>Unfallchirurgie</strong> mit 3-jähriger zusätzlicher Weiterbildung – , die die sichlängst eigendynamisch strukturierende Chirurgie auf den Weg einer neuenEinheit führte. Zu dieser Zeit hatte sich die einstm<strong>als</strong> nicht nur chirurgischgeprägte Unfallheilkunde bereits längst in einen Schwerpunkt im Gebiet derChirurgie, eben die <strong>Unfallchirurgie</strong>, mit einer in Forschung, Lehre undKrankenversorgung landesweit in eigener Zuständigkeit wahrgenommenenHandlungsfähigkeit gewandelt. Allen Beteiligten wurde auch klar, dass dieChirurgie <strong>als</strong> Ganzes ohne <strong>Unfallchirurgie</strong> nicht würde fortbestehen können.Die berufsrechtliche Neufassung der Chirurgie im Jahre 2003 hat diesbestätigt.Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> sieht ihre Aufgaben der Traditionfolgend sowohl in der aktiven Förderung zur Entwicklung wissenschaftlicherGrundlagen und ihrer Anwendungen zur Aus-, Fort und Weiterbildung<strong>als</strong> auch <strong>als</strong> berufsständische Vertretung der Belange ihrer Mitglieder. Sieunterstützt damit die Sicherung und Optimierung der Rahmenbedingungenzur Umsetzung der Verletztenversorgung.In über 20 nach Körperregionen und Methoden orientierten Arbeitsgemeinschaftenund Sektionen werden diese Aufgaben von engagierten Kolleginnenund Kollegen in Praxis und Klinik, in mehr <strong>als</strong> 10 Ausschüssen undKommissionen werden die eher bildungsbezogenen und berufsständischenAufgabenschwerpunkte kontinuierlich wahrgenommen, um allen Unfallchirurgendie Chance zu einer Optimierung der Verletztenversorgung zubieten. Bei derzeit über 4.300 Mitgliedern sind über 500 Kolleginnen/Kollegen in diese Zeit und Ressourcen gleichermaßen verzehrenden ehrenamtlichenTätigkeiten eingebunden. Eine enge, seit Jahrzehnten bestehende


38 39VON DER UNFALLHEILKUNDE ZUR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIEDER VERLETZTE IM MITTELPUNKTZusammenarbeit mit nationalen und internationalen Fachgesellschaften undMitarbeit in Berufsverbänden, berufsübergreifenden Verbänden und Vereinigungensichern den notwendigen Wissensaustausch und die Vertretungunfallchirurgischer Interessen.Im Zuge der Neufassung der Weiterbildungsordnung im Jahre 2003 wurdender Schwerpunkt <strong>Unfallchirurgie</strong> und das bisherige Fachgebiet Orthopädiezum neuen Fach Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> zusammengefügt.Seither bildet dieses einen Bestandteil der Chirurgie. Viele Gründe sprachenfür einen fachlichen Zusammenschluss: Die mannigfachen Überschneidungenin der Forschung, der angewandten diagnostischen und therapeutischenVerfahren und die Veränderungen der ökonomischen und darausresultierenden Entwicklungen in den Versorgungsstrukturen beschleunigtendiesen Prozess der berufsständischen und inhaltlichen Neugestaltung vonOrthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>. Unterschiedliche „Kulturen“ und Verständnisbisheriger Gepflogenheiten und Selbstverständnis des jeweiligen eigenständigenFaches werden in den kommenden Jahren zu einem eigenen Verständnisder neugebildeten Entität Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> sichentwickeln. Dieser Prozess von der Unfallheilkunde einerseits und derOrthopädie andererseits zur Bildung einer neuen Einheit Orthopädie und<strong>Unfallchirurgie</strong> – das „O und U“ der Medizin – hat kein Vergleichbares inanderen Ländern oder medizinischen Gebieten. Gleichwohl ist es für Außenstehendeund in dem neuen Weiterbildungsgang Heranwachsende kaumverstehbar, dass es einmal in Strukturen und Organisationen, teilweiseauch Inhalten und Methoden streng getrennte Bereiche Orthopädieeinerseits und <strong>Unfallchirurgie</strong> andererseits gab. <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<strong>Unfallchirurgie</strong> und <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie und orthopädischeChirurgie gründeten 2008 gemeinsam einen Vereinsverband„<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>“ (DGOU). Nebenzeitgemäßen ökonomischen Erfordernissen werden dadurch die facheigentümlichenVersorgungsbedürfnisse in den Regionen jedweder Bevölkerungsstrukturgesichert und zugleich die Ressourcen der Gesundheitsversorgungsinnvoll in Anspruch genommen.„Mit allen geeigneten Mitteln“Innerhalb eines Jahrhunderts hat die <strong>Unfallchirurgie</strong> eine <strong>als</strong> Unfallheilkundezunächst durch persönliche Interessen einzelner Chirurgen geförderteEntwicklung begonnen, die über lange Zeit neben anderen aufstrebendenchirurgischen Arbeitsfeldern auf Hindernisse stieß, die erst durch technischeMittel überwunden werden konnten. Insbesondere hat die Entdeckungder Röntgenstrahlen (1895), gefolgt von den verschiedenartigen bildgebendenVerfahren die Tür zur konstruktiven operativen Therapie aufgestoßen.Die schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts angestrebte Osteosynthese undgleichermaßen die Endoprothetik wurden in der Mitte des 20. Jahrhundertsverwirklicht. Die eingleisige Behandlungsstrecke der Verletzungen, der Frakturenund Luxationen ist zu einem breitbasigen System geworden, dessenVariationsmöglichkeiten jeder denkbaren Verletzungsform genügen können.Die Rätsel des Traumas wurden in wesentlichen Teilen gelüftet. Aus demEinzelinteresse an bestimmten Verletzungsarten ist ein engmaschigesNetzwerk unfallchirurgischer Krankenhausabteilungen hervorgegangen, daskurze Wege und geringsten Zeitverbrauch für rasche Hilfe und zielgerichteteErstbehandlung gewährleistet, unterstützt von hoch leistungsfähigenSchwerpunktkliniken mit allen Möglichkeiten der Integration speziellerFachgebiete. Der Zeitfaktor <strong>als</strong> Trauma-immanente Bedingung ist berechenbar(er)geworden. Die soziale Maxime der Wiederherstellung von Gesundheitund Arbeitskraft „mit allen geeigneten Mitteln“ hat <strong>als</strong> Leitbild der <strong>Unfallchirurgie</strong>ihre Berechtigung erwiesen, ihre medizinische Gültigkeit wird sie auchin der Zukunft behalten.


40 41DIE VERSORGUNG DES UNFALLVERLETZTENVOM EINZELKÄMPFER ZUM INTERDISZIPLINÄREN TEAMProf. Dr. med. Kuno WeiseÄrztlicher DirektorBerufsgenossenschaftliche Unfallklinik und Eberhard-Karls-Universiät TübingenSchnarrenbergstr. 9572076 TübingenProf. Dr. Andreas SeekampDirektor der Klinik für <strong>Unfallchirurgie</strong>Universitätsklinikum Schleswig-HolsteinArnold-Heller-Straße 3 (Haus 18)24105 KielK. WeiseA. SeekampDie Geschichte der <strong>Unfallchirurgie</strong> ist ebenso alt wie die Geschichte der Medizinselbst, wurden doch im frühesten Altertum, beispielsweise in Ägypten,Verletzungen unterschiedlichster Art durch Heilkundige, basierend aufdem damaligen Kenntnisstand, nach bestem Wissen und Gewissen behandelt.Der verletzte Pyramidenarbeiter erhielt medizinische Versorgung durcheinen damit beauftragten Betriebsarzt, wie dies auf bildlichen Darstellungenaus jener Zeit zu erkennen ist. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhundertsvollzog sich in dieser Sparte der Medizin eine zwar langsame, gleichwohlaber stetige Weiterentwicklung, wobei die praktisch chirurgische Tätigkeit,etwa im Vergleich zur Inneren Medizin, stets <strong>als</strong> minderwertig eingestuftwurde, da lange Zeit durch Bader und Feldschere betrieben, deren Mittelzur Berufsausübung äußerst begrenzt waren. Während der Allgemein- bzw.Viszeralchirurg bereits vor 1950 hohes Ansehen genießen durfte, betrachteteman die <strong>Unfallchirurgie</strong> <strong>als</strong> einfaches und schlichtes Handwerk, mitwelchem in der Regel der manuell Unbegabteste befasst wurde. Die konservativewie auch die operative Frakturenbehandlung steckte zu dieser Zeitungeachtet der Erkenntnisse von Lorenz Böhler sowie der Entwicklungenvon Albin Lambotte (Fixateur externe), Robert Danis (Platte) und GerhardKüntscher (Marknagel) noch in den Kinderschuhen und beschränkte sichin den meisten Fällen auf die konservativ-immobilisierende Therapie unterVerwendung von Gipsverbänden und Extensionen. Wenn eine Fraktur operativangegangen wurde, kamen Drahtcerclagen, in Einzelfällen der Küntscher-Nagel,für Brüche am coxalen Femurende der Dreilamellen-Nagel undfür trochantere Frakturen verschiedene, wenig erfolgversprechende Implantatezur Anwendung. Die postoperative Immobilisierung der angrenzendenGelenke war trotz der offenen Versorgung und Stabilisierung die Regel [13].Laut U. Heim [4] mangelte es auch noch zu Beginn der 50er Jahre an einempraktikablen und zuverlässigen Instrumentarium, einer für die Implantationmetallischer Fremdkörper verbesserten Asepsis und an für diese Tätigkeitausgebildeten Chirurgen. Die mangelnde Anerkennung und unzureichendeFörderung des Unfallchirurgen zu jener Zeit machte diesen in der Tat zumEinzelkämpfer, der sich nach Tscherne [21] in einem Nebengebiet tummelteund dessen Ideen zu einer Weiterentwicklung der <strong>Unfallchirurgie</strong> durch


42 43DIE VERSORGUNG DES UNFALLVERLETZTENVOM EINZELKÄMPFER ZUM INTERDISZIPLINÄREN TEAMUmstrukturierung im Gebiet Chirurgie auf heftigste Ablehnung stießen. DieBehandlung der Mehrfachverletzung und des Polytraumatisierten erfolgtebei Beteiligung der Körperhöhlen durch den Allgemeinchirurgen, Verletzungendes muskulo-skeletalen Systems durfte der Unfallchirurg mit seinenbegrenzten Möglichkeiten der Gipsruhigstellung und Drahtextension mitbehandeln,wobei infolge Immobilisierungsschäden und Fehlheilungen häufigschlechte funktionelle Ergebnisse hingenommen werden mussten.Die Entwicklung der deutschsprachigen <strong>Unfallchirurgie</strong> ist seit jeher engverknüpft mit dem 1885 ins Leben gerufenen BerufsgenossenschaftlichenHeilverfahren. Der Behandlungsgrundsatz für die medizinische Versorgungund Rehabilitation „mit allen geeigneten Mitteln“ dient einer optimalenkörperlichen Wiederherstellung des Verletzten ebenso wie dessen Reintegrationins Berufsleben und in sein soziales Gefüge. Nach Wentzensen [28]haben sich die Berufsgenossenschaften und die Unfallmedizin gegenseitigstimuliert und getragen, um das erwähnte Motto der Behandlung in die Tatumzusetzen. Durch die Einbindung und Zulassung anerkannter Spezialistenaus den sog. VAV-Kliniken in das BG-liche Heilverfahren, mit definiertenAnforderungen an personelle, sächliche und räumliche Voraussetzungen,leistete die <strong>Deutsche</strong> Gesetzliche Unfallversicherung einen wichtigenBeitrag zum hohen Qualitätsstandard unfallmedizinischer Behandlung in derBundesrepublik Deutschland. Vor knapp 50 Jahren, nämlich im Jahr 1963,wurden vom Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften die„Richtlinien für die Bestellung von Durchgangsärzten“ erlassen, darüberhinaus vereinbarten die Unfallversicherungsträger zusammen mit derKassenärztlichen Bundesvereinigung „Richtlinien für die Beteiligung vonÄrzten an der Berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung“. Die von denBerufsgenossenschaften geforderten Standards an den für spezielleVerletzungen bzw. die Versorgung des Schwerverletzten zugelassenenKliniken hatten in der Vergangenheit maßgeblichen Anteil an der kontinuierlichenQualitätsverbesserung und damit auch der Behandlungsergebnisse.Dies gilt in besonderem Maße auch für spezielle Verletzungen wie dieQuerschnittlähmung und die schwere Brandverletzung. Die Berufsgenossen-schaftlichen Unfallkliniken wandelten sich parallel zur Entwicklung der <strong>Unfallchirurgie</strong>von Einrichtungen zur Rehabilitation mit Sanatoriumscharakterzu Schwerpunktkliniken der Maximalversorgung, häufig in enger Kooperationmit Universitäten bzw. den Universitätsklinika [19].Aktuell fand und findet, basierend auf der Reform des Rechts der GesetzlichenUnfallversicherung mit dem Entwurf eines Unfallversicherungsmodernisierungsgesetzes(UVMG), eine Umstrukturierung sowohl der Berufsgenossenschaften<strong>als</strong> auch der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinikenstatt. Mit der Gründung der DGUV <strong>als</strong> Spitzenverband der Berufsgenossenschaftenund Unfallkassen ist nach Kranig [7] eine Straffung der Organisationund ein Instrument zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben geschaffenworden. Nicht zuletzt durch die Reduzierung der Träger in Form des Zusammenschlusseseinzelner Berufsgenossenschaften werde manches einfacherund transparenter. Auch für die BG-Kliniken sind neue Organisationsformenbeschlossen worden und in Umsetzung begriffen [24]. Dazu kommt eineNeuausrichtung der Heilverfahren in der Gesetzlichen Unfallversicherung,die zum einen den Veränderungen der Weiterbildungsordnung in <strong>Unfallchirurgie</strong>und Orthopädie, zum anderen Bedarfsgesichtspunkten Rechnungtragen [7]. Unberührt von diesen Reformvorhaben bleibt die angestammteund bewährte enge Verbindung der Organe der DGUV und der DGOU bzw.den Fachgesellschaften DGU und DGOOC auch in Zukunft erhalten [25].Im Jahre 1950 fand unter der Leitung von Bürkle de la Camp in Bochum die14. Jahrestagung der „<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkunde“ statt, diesich mit den Hauptthemen Bandscheibenschaden und immerhin auch schonmit der Marknagelung befasste. In den 50er Jahren wurde die Jahrestagungunserer <strong>Gesellschaft</strong> jährlich abgehalten, wobei die wissenschaftlicheLeitung kaum einmal von Unfallchirurgen, vielmehr ganz überwiegendvon herausragenden Persönlichkeiten unterschiedlichster Fachgebiete wieInternisten (Bohnenkamp), allgemeinen Chirurgen (K.H. Bauer), Neurochirurgen(Tönnis) oder Neurologen (Störring) wahrgenommen wurde[15]. Erst mit der Gründung der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für


44 45DIE VERSORGUNG DES UNFALLVERLETZTENVOM EINZELKÄMPFER ZUM INTERDISZIPLINÄREN TEAMOsteosynthesefragen (AO) im Jahre 1958 kam es speziell in der Frakturenbehandlungzu einer Systematisierung der Indikationsstellung wie auch der Operationstechniken,die anfänglich mehr auf die Monoverletzung fokussierten,wohingegen die interdisziplinäre Versorgung des Polytraumatisierten zudieser Zeit noch kein Thema war und daher weitgehend ungeordnet stattfand[26]. Der Schwerverletzte wurde in Kliniken der Maximalversorgung nachDurchführung der lebensrettenden Eingriffe von einem zum anderen Spezialistender einzelnen beteiligten Fachgebiete transportiert, ohne dass ein interdisziplinäresGesamtkonzept für die Versorgungsstrategie vorlag, so dassjede Disziplin ihre Ansprüche an die Dringlichkeit der Einzelmaßnahmen andie erste Stelle setzte. Noch 1986 forderte J. Rehn [16] in einem Aufsatzzur damaligen Situation der <strong>Unfallchirurgie</strong>, dass in den großen Klinikensowie Krankenhäusern mit verschiedenen Spezialabteilungen, u.a. auch der<strong>Unfallchirurgie</strong>, die Versorgung Unfallverletzter optimal gesichert und derUnfallchirurg derjenige sein sollte, der z.B. beim Polytrauma die Versorgungder einzelnen Traumafolgen derart unter den Spezialisten koordiniert,wie dies die Situation des Patienten erforderlich macht. An erster Stellestehe die Lebenserhaltung, dann komme die Wiederherstellung ge- oderzerstörter Gewebe, meist im Bereich der Gliedmaßen. Diese Art Teamworksolle sich über den gesamten Behandlungsablauf erstrecken. Von besondererBedeutung sei in diesem Zusammenhang, dass der Blick dafür geschärftwerde, was man mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten selbst versorgenkönne und wann man den Spezialisten einer anderen Fachdisziplin hinzuziehenmüsse. Während leistungsfähige Unfallabteilungen über ihr engeresEinzugsgebiet hinaus <strong>als</strong> Zentrum für besondere Verletzungen und Komplikationenfungieren müssten, hätten größere „autarke“ Unfallklinikenebenso wie die BG-Kliniken die Aufgabe, eine möglichst optimale Versorgungder Verletzungen großer Körperhöhlen, des Schädels, der Gefäße und damitdes Polytraumatisierten zu gewährleisten.Exakt diese Vorgaben waren Richtschnur für einen Kooperationsvertragzwischen dem Universitätsklinikum und der Medizinischen Fakultät derEberhard-Karls-Universität Tübingen einerseits und der Berufsgenossen-schaftlichen Unfallklinik Tübingen andererseits, der nach Inkrafttretenim Jahr 1987 <strong>als</strong> „Tübinger Modell“ bekannt wurde. Inhalt dieser Vereinbarungwaren bis heute gültige Statuten für die interdisziplinäre Versorgungdes Mehrfach- und Schwerverletzten unter dem Motto: Die an derklinischen Erstbehandlung beteiligten Fachgebiete wirken nach einemfestgelegten Schockraumalgorithmus zusammen, wobei die zuständigeDisziplin für die schwerste Verletzung den sog. Trauma-Leader stellt. DerUnfallchirurg ist grundsätzlich an der Primärversorgung des Schwerverletztenbeteiligt, wird entsprechend dem jeweiligen Verletzungsmusterauf seinem Fachgebiet tätig und übernimmt nicht zuletzt die Organisationder nachfolgenden Behandlungsstufen. Ähnliche Entwicklungen fandenauch in anderen Universitätsklinika der Republik, beispielsweise an derMedizinischen Hochschule Hannover (MHH) statt, wo das Teamtraining fürdie interdisziplinäre Versorgung des polytraumatisierten Patienten ständigperfektioniert wurde. Nach Tscherne [22] hat die kontinuierliche Fortentwicklungdes Polytraumamanagements seit Anfang der 60er Jahre mitStand 1986 zu einer Halbierung der Letalitätsrate schwerverletzter Patientenbeigetragen, letztlich zurückzuführen auf die Spezialisierung der einzelnenchirurgischen Disziplinen und deren Zusammenwirken im Rahmeneiner interdisziplinären Versorgungsstrategie (Tabelle 1). Die Infrastrukturfür eine angemessene und höchsten Anforderungen gerecht werdende Polytraumaversorgungkann gemäß den Ausführungen von Tscherne in seinemAufsatz zum Thema Polytrauma, veröffentlicht in der Festschrift anlässlichder 50. Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilkunde, nurin einer entsprechend ausgestatteten Schwerpunktklinik aufgeboten werden[21] (Tabelle 2-4). Durch die Einrichtung des ersten deutschen Lehrstuhls ander MHH (1969) habe sich das Leistungsprinzip in der Medizin gegenüberengstirnigem Monopoldenken durchgesetzt, wobei sich die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong>für Unfallheilkunde mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit dahingehend großeVerdienste erworben habe, dass die <strong>Unfallchirurgie</strong> bei der umfassendenBehandlung des Verletzten/Schwerverletzten in der aktuellen deutschsprachigenMedizin den ihr gebührenden Platz einnehme.


46 47DIE VERSORGUNG DES UNFALLVERLETZTENVOM EINZELKÄMPFER ZUM INTERDISZIPLINÄREN TEAMPannike [10] hebt in seinem Beitrag zum Symposium anlässlich des25-jährigen Bestehens der <strong>Unfallchirurgie</strong> an der Albert-Ludwigs-UniversitätFreiburg mit dem Titel „Die Entwicklung der <strong>Unfallchirurgie</strong> an den deutschenUniversitäten“ 1994 hervor, dass nach dem derzeitigen Stand derMedizin eine angemessen qualifizierte Behandlung Schwerverletzter nurim Rahmen einer aufgabenbezogen strukturierten Organisation mit qualifiziertemPersonal und einer adäquaten technischen Ausstattung zu verwirklichensei. Zwar sei der Anteil universitärer Betten an der Gesamtzahl derKrankenhausbetten nur mit 10% zu beziffern, ihr Anteil an der Maximalversorgungliege aber je nach Bundesland zwischen 50 und 100%. Diesmache deutlich, dass den Universitätsklinika und Schwerpunktkrankenhäusern– speziell unter Würdigung der gesundheitspolitischen Entwicklungen– die Wahrnehmung ihrer Aufgaben ohne ausreichende finanzielleAbstützung und aufwandbezogene Vergütung längerfristig nicht möglich sei.Darüber hinaus würden interdisziplinäre Uneinigkeit und interdisziplinäresVerteilungsgerangel zur Inszenierung des (An-)Scheins von Kompetenz undQualität verleiten. Dies könne nur durch wechselseitige Respektierung allerinterdisziplinären Bereiche im Sinne eines vertrauensvollen Mit- und Nebeneinandersverhindert werden. Die <strong>Unfallchirurgie</strong> an den Universitäten dürfenicht <strong>als</strong> „handwerklich-technische Hilfswissenschaft“ oder „Teil-Chirurgie“verstanden werden, vielmehr bedürfe sie einer eigenständigen, aufgabenundqualitätsbezogenen Strukturierung und Organisation. Auf der Basis derGespräche für eine neue Weiterbildungsordnung könne man hoffen, dasseine solche aufgabenbezogene Strukturierung der Chirurgie Grundlage füreine gemeinsam getragene chirurgische und interdisziplinäre Verantwortungfür den Unfallverletzten sein könne. Der Unfallchirurg wird demnach nicht<strong>als</strong> Einzelkämpfer, sondern vielmehr <strong>als</strong> Solist im Konzert der Schwerpunkteinnerhalb des chirurgischen Fachgebietes betrachtet.Der Stand der Schwerverletztenversorgung in den 80er Jahren zeigt <strong>als</strong>obereits die Entwicklung des Unfallchirurgen vom Einzelkämpfer zum unentbehrlichenund anerkannten Mitglied im interdisziplinären Team der jeweilsbeteiligten Fachbereiche. Gleichwohl hat sich in den vergangenen knapp25 Jahren gerade durch die vielfältigen Initiativen und Aktivitäten der DGUan der Versorgung des Unfallverletzten eine Reihe von Veränderungen undVerbesserungen ergeben. Insbesondere die Einführung und Anwendungvon Scores zur Klassifizierung der Verletzungsschwere sowie deren statistischeAuswertung wies Mängel in der präklinischen Phase wie auch in derklinischen Primärversorgung nach, woraus eine Reihe von Vorgaben fürdie regelmäßige Schulung des Schockraumteams abgeleitet wurde. 1993erfolgte der Beschluss zur Einrichtung des Traumaregisters der DGU(heute TraumaRegister QM der DGU), an welchem sich eine zunehmende Zahlvon Kliniken beteiligte. Die Auswertung der Behandlungsdaten eines großenKollektivs von Schwerverletzten zeigt zum einen die stetige Senkung derLetalität und erlaubt zum anderen den teilnehmenden Kliniken eine anonymisierteStandortbestimmung der eigenen Behandlungsresultate imVergleich zu den anderen an den Auswertungen beteiligten Häusern. Schließlichhaben umfangreiche Schulungen von Schockraumteams aus zahlreichenKliniken, beispielsweise in Form der von der DGU inaugurierten undunterstützten ATLS ® Kurse, maßgeblich zu einer flächendeckenden Qualitätssteigerungder Schwerverletztenversorgung in der Prähospital- und primärenHospitalphase beigetragen. Diese und ähnliche weiterführende Angebotewerden von der Akademie der <strong>Unfallchirurgie</strong> in München vorgehalten.<strong>Das</strong> 2007 von der DGU herausgegebene Weißbuch der Schwerverletztenversorgungund das auf dessen Basis ausgearbeitete und derzeit in Realisierungbzw. Zertifizierung befindliche TraumaNetzwerk D DGU sind weitere Meilensteine,die aus dem Einzelkämpfer „<strong>Unfallchirurgie</strong>“ ein herausragendesMitglied im Team der interdisziplinären Versorgung des Unfallverletzten machen.Im Weiteren soll der aktuelle Stand der praktischen Umsetzung dieserVorgaben inklusive der Zielvorstellungen für die Tätigkeit des Unfallchirurgenunter den heutigen Rahmenbedingungen aufgezeigt werden.Aktuell werden insbesondere medizinische Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt,die in den vergangenen Jahren wissenschaftlich erarbeitet wordensind. Als beispielhaft zu nennen sind hier die interdisziplinären Leitlinien


48 49DIE VERSORGUNG DES UNFALLVERLETZTENVOM EINZELKÄMPFER ZUM INTERDISZIPLINÄREN TEAMfür die Behandlung des Schwerverletzten. Erstmalig sind in dieses Werk,welches derzeit kurz vor dem Abschluss steht, Ergebnisse aus Studien dereigenen Fachgesellschaft, aber auch aus groß angelegten internationalenund interdisziplinären Projekten im Rahmen der Unfallverletzten-Forschungmit eingeflossen. Geprägt ist die Erstellung von Leitlinien in erster Linie vondem Begriff der evidenzbasierten Aussagen, was häufig nur mit großem Aufwandzu gewährleisten war. Für die Behandlung vieler Einzeldiagnosen desUnfallverletzten, die fachübergreifend therapiert werden müssen, wie dasThoraxtrauma, konnte durch die Erstellung der Leitlinien ein interdisziplinärerKonsens herbeigeführt werden, der die unterschiedlichsten Aspekteeiner solchen Therapie berücksichtigt. Durch die Konsentierung einer Vielfaltvon Leitlinien im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft WissenschaftlicherMedizinischer Fachgesellschaften (AWMF) haben sämtliche an der Behandlungvon Unfallverletzten beteiligten Fachgebiete ihre Therapiekonzepteeinbringen können, wodurch die Leitlinien nunmehr eine breite Anerkennungund insbesondere auch eine interdisziplinäre Umsetzung finden werden.Wesentliche Basis für die Erstellung der Leitlinien war u. a. auch dasTraumaRegister QM der DGU (www.traumaregister.de), das mittlerweile zueiner der weltgrößten Traumadatenbanken herangewachsen ist. Die hierdurchmöglichen Analysen werden auch von anderen Fachgesellschaftenhoch geschätzt; der Aufbau des TraumaRegisters QM hat mittlerweile bei derErstellung anderer Register wie etwa dem Reanimationsregister der <strong>Deutsche</strong>n<strong>Gesellschaft</strong> für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) eineVorbildstellung erreicht. Die fortwährende Auswertung der Registerdatenbankenzur Beantwortung spezifischer Fragestellungen hat ebenfalls dazubeigetragen, dass die Therapie des Unfallverletzten insgesamt sicherer undqualitativ besser geworden ist. Für das Outcome des Patienten ist beispielsweiseauch die Feststellung entscheidend, dass die in der Teamarbeit zuerzielenden Ergebnisse besser sind <strong>als</strong> die Ergebnisse Einzelner bei gleichguter Kompetenz aller Beteiligten. Besonders deutlich wird dies in der Analysevon Behandlungsalgorithmen bzw. festen Organisationsstrukturen in derinterdisziplinären Zusammenarbeit bei der Schwerverletztenversorgung.So konnte mehrfach nachgewiesen werden, dass die Anwesenheit des gesamtenbehandelnden Teams im Schockraum bereits vor Einlieferung einesSchwerverletzten die Behandlungsabläufe in der Klinik deutlich beschleunigt[8, 9, 17, 18]. Ebenso hat sich bestätigt, dass die Anwesenheit eines Facharztesin jeder der involvierten Fachdisziplinen eine raschere Behandlung sowieeine verbesserte Diagnosestellung gewährleistet und eine geringere Letalitätbewirkt. Strikte Handlungsabläufe haben ebenfalls einen positiven Effekt.So ist die Zeit zwischen Aufnahme und Durchführung einer cranialen Computertomographiedeutlich verringert [6, 17, 18]. Ebenso wird der Patientdeutlich zügiger der operativen Therapie zugeführt.Ein international sehr anerkanntes Ausbildungskonzept für das Schockraummanagementist das ATLS ® -Ausbildungsprogramm, welches Mitte der70er Jahre von dem American College of Surgeons initiiert wurde. DiesesKonzept ist inhaltlich geprägt von einem komplett interdisziplinären Ansatzder Verletztenversorgung, in welchem den erstbehandelnden Arzt unabhängigvon seinem ursprünglichen Fachgebiet sämtliche Aspekte der NotfallundErstversorgung eines Schwerverletzten gelehrt werden und er im Teamunter nahezu „echten“ Szenarien übt. Wichtige Prinzipien des Konzeptessind u. a., dass diejenige Verletzung, welche unmittelbar eine vitale Bedrohungdarstellt, zuerst therapiert werden muss, dem Patienten kein weitererSchaden zugefügt werden darf und die Behandlung unter einem hohen zeitlichenDruck nach festgelegten Entscheidungsalgorithmen zu erfolgen hat[1, 2]. Der positive Effekt bzw. der Erfolg eines solchen Vorgehens wurdewiederholt nachgewiesen. So konnte eine Studie aus den Niederlanden ausdem Jahre 2004 zeigen, dass die Mortalität von Schwerverletzten innerhalbder ersten 60 Minuten durch Einführung der ATLS ® -Regeln in einer Klinikder Maximalversorgung signifikant verringert wurde und auch das Gesamtoutcomeverbessert war [23]. Um die Wiederherstellung der Lebensqualitätebenfalls in Zahlen objektiv erfassen zu können, wurde in den letztenJahren ein Scoresystem entwickelt, welches nicht nur die rein physischeLeistungsfähigkeit des Patienten berücksichtigt, sondern auch die psychischeBeeinträchtigung sowie die soziale und berufliche Reintegration mit


50 51DIE VERSORGUNG DES UNFALLVERLETZTENVOM EINZELKÄMPFER ZUM INTERDISZIPLINÄREN TEAMabbildet [11, 12]. Dies entspricht dem Anspruch der heutigen Schwerverletztenversorgung,nicht eben nur das Leben zu retten und die Funktion derverletzten Körperregionen ohne Einschränkungen wieder herzustellen, sonderneine komplette Reintegration des Patienten in sein Leben wie vor demUnfallereignis zu erreichen. Auch dies kann nur im Team gelingen und so istdie Behandlungskette des Schwerverletzten am Ende ebenso interdisziplinärausgerichtet wie zu Beginn im Rahmen der Notfallversorgung.Mit dem Ziel, die Versorgung des Schwerverletzten zukünftig auch unterdem zunehmenden ökonomischen Druck im Gesundheitssystem sicherzustellen,wurde von Seiten der DGU eine Vernetzung von Kliniken unterschiedlichenVersorgungsgrades auf regionaler und überregionaler Ebeneetabliert (TraumaNetzwerk D DGU) (www.dgu-traumanetzwerk.de). Hintergrundist, dass in Ballungsgebieten, aber auch in Flächenstaaten die Versorgungvon Unfallverletzten zu jeder Tages- und Nachtzeit sowie zu jederJahreszeit sicherzustellen ist. Um die Therapie in den Kliniken der unterschiedlichenVersorgungsmöglichkeiten auf gleichen Standard zu stellen,wurde 2006 von der DGU das „Weißbuch zur Schwerverletztenversorgung“erarbeitet [20]. Auch hier basieren die Empfehlungen zur Infrastrukturund fachlichen Qualifikation auf den Leitlinien und den wissenschaftlichenErkenntnissen der vergangenen Jahre. Erstmalig wurden Standards zurQualitätssicherung auch im Rahmen eines Audits der freiwillig und ohnestaatliche Förderung an dem TraumaNetzwerk D DGU (TNW) teilnehmendenKliniken definiert und mit dem Projekt TNW umgesetzt. Die über die letztenJahre kontinuierlich veränderten interdisziplinären Behandlungsstrategien,die letzten Endes auch zu einer kontinuierlichen Abnahme der posttraumatischenLetalität geführt haben, betreffen nicht nur die Präklinik und die früheinnerklinische Notfallversorgung, sondern zum großen Teil auch die Intensivmedizinund das operativ-strategische Vorgehen sowie die sich anschließendeRehabilitation. So hat sich beim Thoraxtrauma die frühe minimalinvasiveBeatmungstechnik mit einer gleichzeitigen zurückhaltenden Volumentherapiedurchgesetzt. In der operativen Strategie hat sich mittlerweile das„Damage Control“-Konzept etabliert, welches darauf beruht, den sogenannten „second hit“ bzw. „trauma load“, <strong>als</strong>o die zu dem primären Traumahinzukommende operative Belastung des Patienten – ein in der übrigenMedizin unbekanntes Doppeltrauma – möglichst gering zu halten.Dieses Konzept gilt mittlerweile nicht nur für die Versorgung von Extremitätenverletzungen,sondern hat sich ebenfalls in den an der Schwerverletztenversorgungbeteiligten Fachgebieten wie Neurochirurgie und Visceralchirurgieetabliert. Auch in diesen Bereichen haben sich die operativenStrategien entsprechend angepasst. Parallel zu diesen Veränderungendes klinischen Vorgehens hat sich dem ATLS ® nachfolgend ein weiteresAusbildungskonzept durchgesetzt, das sich inhaltlich mit der definitivenchirurgischen Therapie der Verletzten befasst. Unter der Bezeichnung„Definite Surgical Trauma Care (DSTCTM)“ werden operative Techniken zurraschen chirurgischen Notfallversorgung von Patienten im Sinne der Damagecontrol geschult. Entwickelt wurde das Konzept von der International Associationfor Trauma Surgical and Intensive Care (IATSIC), einer Sektion derInternational Society of Surgery (ISS). Wie ATLS ® wurde auch das DSTCKurskonzept seitens der DGU aufgegriffen und im deutschen Sprachraumangeboten, was ein weiteres Mal die interdisziplinäre Rolle der <strong>Unfallchirurgie</strong>in der Versorgung des Schwerverletzten unterstreicht. Dabei fällt demUnfallchirurgen die Rolle des „Begleiters und Kümmerers“ vom Unfallortbis zur beruflichen und sozialen Wiedereingliederung des Verletzten zu. DieProblematik flächendeckend fehlender oder mangelnder Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten,im Sinne „Übung macht den Meister“, bei künftigverminderten Zahlen von Schwerverletzten – was dem Erfolg der aktiven undpassiven Prävention geschuldet und unsererseits natürlich sehr begrüßt wird– ist erkannt und wird durch Zentralisierung und Training – siehe DSTCTM-Kurs – kompensiert werden müssen.Alle bisherigen Fortschritte im Rahmen der Schwerverletztenversorgungwaren nur im interdisziplinären Team zu realisieren und dies wird auchzukünftig für weitere Optimierungen gelten. So überrascht es nicht, dassaus ökonomischer Sicht der schwerverletzte Patient unter den aktuellen


52 53DIE VERSORGUNG DES UNFALLVERLETZTENVOM EINZELKÄMPFER ZUM INTERDISZIPLINÄREN TEAMAbrechnungsmodalitäten des in Deutschland eingeführten G-DRG anhaltenddefizitär abgebildet ist [5, 14]. Daher ist es aktuell und auch inZukunft dringend erforderlich, dass sich die <strong>Unfallchirurgie</strong> im interdisziplinärenAnsatz nicht nur um die Therapie des Patienten bemüht, sondernauch den ökonomischen Aspekt bearbeitet. Zu diesem Zweck hat sichinnerhalb der DGU eine Projektgruppe zur Analyse der Abbildung derSchwerverletztenbehandlung im G-DRG-System unter Berücksichtigung derImplementierung des TraumaNetzwerk D DGU (ASiDIT) etabliert. Ergebnissedieser Projektgruppe werden einmal jährlich dem InEK vorgestellt, umeine Darstellung der Schwerverletztenversorgung im G-DRG System zuerreichen, die tatsächlich alle Kosten, inklusive der Vorhaltekosten für dieVersorgungsstruktur der Kliniken, beinhaltet. Gegenüber den Kostenträgernsind dabei die erstellten Leitlinien, das TraumaRegisterDGU und dasTraumaNetzwerk D DGU hilfreiche und starke Argumente, da hiermit sehreindrücklich dargelegt werden kann, dass von den beteiligten Fachgesellschaftenaus in Eigeninitiative die Qualität der Schwerverletztenversorgunggewährleistet und kontrolliert wird.Entscheidend wird es hierbei sein, dass die Versorgung der Patienten überdie ganze Wegstrecke der Behandlung von der Notfallversorgung bis hinzur Rehabilitation von einem Team geleistet werden kann. Eine sektoraleAuftrennung in Einzelabschnitte, die z. B. durch die Einführung eines sogen.Facharztes für die innerklinische Notfallmedizin auftreten könnte, scheintin diesem Zusammenhang nicht zielführend und würde die bestehendeTeamarbeit eher in kleine, ineffiziente Teile zergliedern. Der Erfolg der bisherigenVersorgung von Unfallverletzten wird nur Bestand haben, wenn sicheine Disziplin für den Verletzten hauptverantwortlich fühlt, dies jedoch nicht<strong>als</strong> Einzelkämpfer, sondern <strong>als</strong> Motor und Moderator eines interdisziplinärenTeams, in welchem ein jeder Spezialist in seinem Fachgebiet ist und seineKompetenz gegenüber dem Patienten einbringen kann.Polytrauma: Fallbeispiel interdisziplinärer Versorgung:• 44jähriger Tanzlehrer• 27.08.2005, um 17:30 Frontalkollision PKW• 18:00 Bergung• 18:39 Klinikankunft, intubiert und beatmetVerletzungsmuster• Herzbeuteleinriss .3• Papillarmuskelabriss Trikuspidalklappe .5• Lungenkontusion bds. .3• Rippenserienbrüche bds., Pneu re. .4• Lebereinriss .3• Symphysensprengung .3• Zerreissung A. pudenda li. .4• Acetabulumfraktur li., Sitzbeinfraktur li. .2• Schenkelh<strong>als</strong>-/O‘schenkelschaftbruch li. .3• Oberschenkelrollenbruch re. .3• Sprunggelenkverrenkungsbruch li. .2• Abrissbruch vom Sprungbein re. .2ISS = 52 + 42 + 32 = 50


54 55DIE VERSORGUNG DES UNFALLVERLETZTENVOM EINZELKÄMPFER ZUM INTERDISZIPLINÄREN TEAM... 10 Monate späterErstversorgungsphase• 18:39 – 19:17 Erstdiagnostik, Rö, CT, Labor, CT-Nachweisaktiver Blutung (Kontrastmittelaustritt) im Becken => 19:49 – 22:50• Katheterembolisation, 23:30 – 01:10• Fixateur-externe-Stabilisierung Becken und li. OSKatheterembolisation• Selektive Kathetereinlage in einen Gefäßabgang unter DSA• Lagekontrolle durch KM-Einspritzung• Einspritzen thrombogener Substanzen oder „Fremdkörper“ (Coiling)Stabilisierungsphase• 28.08. 01:30 Aufnahme Intensivstation• Beatmung, Blut- und Elektrolytsubstitution etc.• Wiederholte Kontroll-Echokardiographie• 29.08. Extubation• 30.08. VerlegungVersorgungsphase• 06.09.2005, Entfernung Fixateur li. OS,Verriegelungsmarknagel mit SH-Schrauben• 09.09.2005, In HLM Naht des Tricuspidalmuskels,Pericardersatz mit Vicrylnetz (HTG-Chirurgie)• 19.09.2005, Entfernung des Beckenfixateurs, Symphysen-Platte,Verplattung der OSG-FrakturRehabilitationsphase• Bis 25.10.2005 stationäre Behandlung• Physio- und Ergotherapie• Mitbetreuung durch Psychologen und Sozialdienst... 10 Monate später


56 KLINISCHE FORSCHUNG UND VERSORGUNGSFORSCHUNG57VON DER RETROSPEKTIVEN FALLSERIE ZUM INTERNATIONALENTRAUMAREGISTER DER DGUUniv.-Prof. Dr. med. Prof. h.c. Edmund A. M. NeugebauerIFOM – Institut für Forschung in der Operativen MedizinLehrstuhl für Chirurgische ForschungFakultät für Gesundheit, Dept. MedizinPrivate Universität Witten/Herdecke gGmbHOstmerheimer Str. 200, Haus 3851109 KölnPriv.-Doz. Dr. med. Dirk Stengel, MSc(Epi)Ärztlicher Leiter Zentrum für Klinische ForschungKlinik für <strong>Unfallchirurgie</strong> und OrthopädieUnfallkrankenhaus BerlinWarener Str. 712683 BerlinE. A. M. NeugebauerD. StengelEinführungEt bliev nix wie et wor (Es bleibt nichts wie es ist) lautet §5 des KölschenGrundgesetzes. Dies ist eine der simplen Volksweisheiten der KölnerBürger, die natürlich auch für die wissenschaftliche Entwicklung der<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> in den 60 Jahren seit derWiedergründung zutreffen. Dieses Kapitel möchte in zwei Bereichen, derKlinischen Forschung und der Versorgungsforschung, die Entwicklung der<strong>Unfallchirurgie</strong> über diese Jahre nachzeichnen. Der erste Teil beschreibtden langen Weg von Fallberichten/-serien <strong>als</strong> Versuch des Erkenntnisgewinnsbis zur randomisierten kontrollierten klinischen Studie. Im zweitenTeil soll <strong>als</strong> ein Beispiel aus der heute aktuellen Versorgungsforschung dieEntwicklung des TraumaRegister DGU zum international anerkannten Registermit seinen Möglichkeiten zur Verbesserung der Schwerverletztenversorgungdargestellt werden. Die Autoren legen Wert auf die Feststellung,dass die Auswahl der Bereiche und Beispiele subjektiv ist und ein Anspruchauf Vollständigkeit nicht abgeleitet werden kann. Wir meinen aber, dass dieDynamik des Faches <strong>Unfallchirurgie</strong> hierdurch exemplarisch deutlich wird.Im Berliner Sinne nu aba ran an de Buletten.Klinische Forschung: Von der Fallserie zur randomisierten Studie„Die Heilkunde wird eine Wissenschaft sein, oder sie wird nicht sein“Bernhard Naunyn [1]Klinische Forschung und Medizinischer NutzenDie Denkschrift der <strong>Deutsche</strong>n Forschungsgemeinschaft aus dem Jahr 2000teilt die Klinische Forschung in grundlagen-, krankheits- und patientenorientierteForschung ein. Diese Aufteilung ist <strong>als</strong> Kontinuum zu verstehen. DieEntwicklung der klinischen Forschung in der <strong>Unfallchirurgie</strong> in den letzten60 Jahren illustriert die synergetische Vernetzung und Überlappung der verschiedenenTeilbereiche im Sinne der translationalen Forschung.<strong>Das</strong> aktuelle Spektrum auf dem Markt verfügbarer und klinisch etablierterOsteosynthese-Implantate repräsentiert eine aus derzeitiger Sicht nicht


58 59KLINISCHE FORSCHUNG UND VERSORGUNGSFORSCHUNGVON DER RETROSPEKTIVEN FALLSERIE ZUM INTERNATIONALEN TRAUMAREGISTER DER DGUAbb. 1 / Schwerverletztenerhebungsbogen 1993 Abb. 2 / Entwicklung des TraumaRegisters DGU von 1993 bis 2008mehr zu verbessernde Endstrecke des Zusammenflusses theoretischbiomechanischer,in-vitro, tierexperimenteller und klinischer Daten. Dieklinische Forschung hat mit der Versorgungsforschung seit einigen Jahreneinen neuen und nicht mehr wegzudenkenden Partner gefunden. Die Versorgungsforschungmisst, was in der täglichen Praxis und in unselektiertenPopulationen von den in kontrollierten klinischen Studien nachgewiesenenWirkungen einer Intervention übrig bleibt. Beide Forschungssäulenorientieren sich wesentlich am Begriff des Nutzens, der von den verschiedenenAkteuren im Gesundheitssystem naturgemäß unterschiedlich interpretiertwird. J. Windeler, der neu gewählte Leiter des Instituts für Qualität undWirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), definierte 2007 anlässlichder Jahrestagung des <strong>Deutsche</strong>n EbM-Netzwerkes in seinem bekanntenMinimalkonsens medizinischen Nutzen [2] <strong>als</strong> den1. medizinischen, 2. positiven und 3. kausalen Effekt einer Maßnahme i.S. Verbesserungdes Krankheitsverlaufs, der Symptomatik oder Lebensqualität von Patienten in mehr <strong>als</strong>geringfügigem Ausmaß.Dies unterstreicht, dass klinische Forschung nicht länger „nur“ dem reinwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und der Patientenversorgung, sondernauch übergeordneten gesellschaftspolitischen Entscheidungen verpflichtetist. In diesem Subkapitel sollen weniger die im biomechanischen undmolekularbiologischen Teil bereits ausführlich dargestellten grundlagenundkrankheitsorientierten Meilensteine, sondern vielmehr die Verschiebungenin der patientenorientierten Forschung dargestellt werden. Ein besondererSchwerpunkt liegt naturgemäß auf klinischen Studien und den in denletzten Jahren zu beobachtenden dramatischen Veränderungen der Studienkulturund -landschaft in den operativen Fächern. Von besonderer Relevanzsind hierbei Untersuchungen zur Wirksamkeit therapeutischer Verfahrenund der Genauigkeit diagnostischer Tests sowie deren systematischeund quantitative Zusammenfassung (Meta-Analyse).Klinische Forschung in der <strong>Unfallchirurgie</strong>Die jüngere Geschichte der klinischen Forschung in der <strong>Unfallchirurgie</strong> mussim Kontext der international geltenden ethischen, methodischen und rechtlichenVorgaben und Rahmenbedingungen klinischer Forschung betrachtetwerden. Im September 1948 wurde auf der 2. Generalversammlung desWeltärztebundes die Genfer Deklaration verabschiedet, welche die ethischenPrinzipien ärztlichen Handelns, aber auch diejenigen medizinischerForschung festlegte und die Grundlage für spätere Richtlinien für dieForschung am Menschen wie beispielsweise Good Clinical Practice (GCP)darstellte. Im Oktober desselben Jahres wurde eine neue Ära wissenschaftlicherMedizin eingeleitet, die zwei fundamentalen wissenschaftlichen Prinzipien– der Suche nach Ursächlichkeit (Kausalität) und dem Vergleich –


60 61KLINISCHE FORSCHUNG UND VERSORGUNGSFORSCHUNGVON DER RETROSPEKTIVEN FALLSERIE ZUM INTERNATIONALEN TRAUMAREGISTER DER DGUbestätigte die Gleichwertigkeit der weniger invasiven Kombinationsbehandlungim Hinblick auf Überlebensraten und die lokale Tumorkontrolle.Abb. 3 / SMR = Standardisierte Mortalitätsrate, Verhältnis von tatsächlicher gegenüber erwarteter Letalität.Aus dem Jahresbericht 2008 des TraumaRegisters DGUeine entscheidende Rolle zuwies. Im British Medical Journal wurde dieerste klinische randomisierte Studie publiziert, inauguriert vom BritishMedical Council und dem berühmten Statistiker Sir Austin Bradford Hill [3].Nach zufälliger Zuteilung von 55 und 52 Patienten mit Lungentuberkulose ineinen Streptomycin- und einen Nulltherapiearm wurde unter antimikrobiellerTherapie eine Reduktion der Sterblichkeit um 20% beobachtet. Bemerkenswertsind die ethischen Rahmenbedingungen dieser Studie. Die Zufallszuteilungerfolgte nicht nur aufgrund des methodisch bestechenden Prinzipsder Gleichverteilung von biologischen Störfaktoren, sondern aufgrund desnur in geringen Mengen verfügbaren und teuren Streptomycins. Eine heuteverpflichtende detaillierte Aufklärung von Patienten über mögliche Vorteileund Risiken der experimentellen Behandlung erfolgte im Vorfeld nicht.Patienten im Nulltherapiearm (Bettruhe, dem damaligen „standard of care“)wurden zudem überhaupt nicht informiert, dass sie sich in der Kontrollgruppeeiner randomisierten Studie befänden.<strong>Das</strong> Prinzip der Zufallszuteilung zu Behandlungsgruppen hielt sehr raschauch in den operativen Fächern Einzug. In einer der ersten randomisiertenchirurgischen Studien wurden, beginnend 1951, am Radium-Hospital inKopenhagen Patientinnen mit Mammakarzinom entweder einer erweitertenradikalen Mastektomie oder einer einfachen Mastektomie, gefolgt von eineradjuvanten Bestrahlung, zugeführt [4]. Die 10-Jahres-NachuntersuchungInnovationsgenerierung und Wirksamkeitsnachweis in der <strong>Unfallchirurgie</strong>erfolgten lange Zeit außerhalb klinisch-experimenteller Formate, zum großenTeil auch ohne Vergleichsgruppe. Im Vordergrund standen z.T. akribischaufgearbeitete, bisweilen prosaisch berichtete Fallserien. In der Monatsschriftfür Unfallheilkunde, der späteren Zeitschrift Der Unfallchirurg, liestsich 1953 der Bericht über die klinische Anwendung des Vorgängers derDynamischen Hüftschraube (DHS) zur operativen Versorgung pertrochantärerFemurfrakturen wie folgt [5]:„Wir haben alle pertrochantären Frakturen seit November 1950, <strong>als</strong>o seit 11 Monaten,mit der Laschenschraube versorgt, wenn der Allgemeinzustand den an sich nichtgroßen Eingriff nur irgend zuließ. Es wurden 26 Verschraubungen, immer in örtlicherBetäubung, meist in epiduraler Spinalanästhesie vorgenommen ... Zwei Frauen von80 und 87 Jahren starben 2 Monate bzw. 14 Tage nach der Operation an allgemeinemMarasmus ... Ohne Verschraubung wären diese Patienten zweifelsohne auch gestorben.Die Operation stellte den Versuch dar, den bei konservativer Behandlung zu erwartendenschlechten Ausgang zu vermeiden.“Unter heutigen DRG-Bedingungen und Fast-Track-Protokollen kann über diehistorische Randnotiz„Imponierend ist das Ergebnis von 2 jungen Männern von 37 und 38 Jahren, die knapp14 Tage nach der Operation aufstanden und 35 bzw. 48 Tage nach dem Eingriff fastbeschwerdefrei die Klinik verließen und bald arbeitsfähig wurden“nur gestaunt werden.Klinisch-experimentelle Forschung der 1950er Jahre wurde durch frühenklinischen Einsatz biomechanisch plausibler bzw. aufgrund von Einzelbeobachtungenoffensichtlich (d.h. evident) wirksamer Interventionen und derBeschreibung des klinischen Verlaufes charakterisiert. Die von GerhardKüntscher in den 1940er Jahren entwickelte und sich rasch <strong>als</strong> Standard


62 63KLINISCHE FORSCHUNG UND VERSORGUNGSFORSCHUNGVON DER RETROSPEKTIVEN FALLSERIE ZUM INTERNATIONALEN TRAUMAREGISTER DER DGUdurchsetzende intramedulläre Stabilisierung von Frakturen der langenRöhrenknochen wurde ab 1958 durch die von den Gründungsvätern derArbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO), Maurice E. Müller, RobertSchneider, Hans Willenegger und Martin Allgöwer, entwickelten Prinzipien deroperativen Knochenbruchbehandlung ergänzt. Auch letztere beruhten aufBeobachtungen. Der belgische Chirurg Robert Danis hatte 1949 in seinem<strong>Buch</strong> „Théorie et Pratique de l‘Ostéosynthèse“ (Paris: Masson et Cie.) dieradiologisch kallusfreie Knochenheilung durch rigide Verplattung und dieMöglichkeit einer frühen funktionellen Nachbehandlung beschrieben.Von der Beobachtung zum ExperimentDie grundlagen- und krankheitsorientierte Ausrichtung bei wissenschaftlichenFragestellungen unter bevorzugter Betrachtung von Surrogat-Endpunktenwie der radiologisch nachweisbaren knöchernen Konsolidierungzieht sich bis in die späten 1960er Jahre hinein. Dies ist jedoch kein spezifischdeutsches Phänomen. In einer 1964 veröffentlichten quasi-randomisiertenStudie aus Glasgow wurden 124 Patienten mit Schenkelh<strong>als</strong>brüchennach operativer Stabilisierung entsprechend ihrem Aufnahmedatum einer„frühen“ (nach zwei Wochen) oder einer Standard-Mobilisierungs-Gruppe(nach 12 Wochen) zugeteilt [6]. Die Effektivität der Behandlung wurdeausschließlich am mechanischen Versagen bzw. der radiologisch nachweisbarenFragmentverschiebung nach drei und sechs Monaten beurteilt. DieMisserfolgsraten nach sechs Monaten waren sowohl in der experimentellen(10 / 51, 20%) <strong>als</strong> auch der Kontrollgruppe (9 / 56, 16%) gleichermaßenhoch.Ende der 1960er Jahre lässt sich eine Änderung in der Form der wissenschaftlichenBerichterstattung beobachten: Zeitschriften wie LangenbecksArchiv für Chirurgie begannen mit der Strukturierung von Manuskriptenim gängigen Format (d.h. Einleitung, Material und Methoden, Ergebnisse,Diskussion, Schlussfolgerung). Dies erforderte von den Autoren v.a. einePräzisierung der angewandten Forschungsmethoden. Die bis dahin üblicheBelegung von Aussagen durch Röntgenaufnahmen ausgewählter Fällewurde zunehmend um tabellarische Summenstatistiken und grafischeDarstellungen ergänzt.Vorwiegend im angloamerikanischen Sprachraum wurden für die ErgebnisbeurteilungScore-Systeme entwickelt, die neben radiologischenbzw. morphologischen Kriterien auch Variablen wie Schmerz, Funktion undMobilität berücksichtigten. Klassisches Beispiel ist der von William Harris1969 veröffentliche Score [7] zur Evaluation der Funktion des Hüftgelenkes,der sich in späteren Untersuchungen <strong>als</strong> valide, reliabel, änderungssensitivund dabei klinisch praktikabel erwiesen hat. Der Harris-Hip-Score istunverändert ein internationales Standardwerkzeug zur Beurteilung und zumVergleich der Behandlungsergebnisse nach operativen Eingriffen am Hüftgelenkund hüftgelenknahen Oberschenkel. <strong>Deutsche</strong> Äquivalente fandensich lange Zeit nicht. Der Übersetzung und kulturellen Adaptation spezifischerMessinstrumente für die Ergebnisbeurteilung bei Erkrankungen undVerletzungen des Bewegungsapparates wurde erst seit Beginn der 1990erJahre zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt [8, 9]. Großes Interessegalt auch dem Scoring von Schwerstverletzten <strong>als</strong> Entscheidungshilfe füreine differenzierte Therapie und zur Vorhersage der Überlebensprognose[10, 11].Jede Weiterentwicklung eines im Vergleich zum Standard zunächst revolutionärenKonzepts wird naturgemäß geringere Effektstärken generieren.Der Nachweis von zunehmend kleineren Effekten erforderte ausgefeiltereMethoden, einen experimentellen Ansatz zur Kontrolle bzw. Ausschaltungsystematischer Fehler und steigende Fallzahlen. Multizentrische Untersuchungenmit großen Fallzahlen wurden Mitte der 1970er Jahre unterFederführung der deutschen Sektion der AO im Rahmen von sog. Sammelstatistikendurchgeführt. Diese pragmatischen Erhebungen mischtenretrospektive, prospektive und retrolektive Kohorten-Designs, ohne fürImbalancen in der Basisdemografie oder Zentrumseffekte zu adjustieren.Neben radiologischen Ergebnissen und Komplikationsraten wurden jedochauch zunehmend patientenzentrierte Endpunkte wie Schmerz und


64 65KLINISCHE FORSCHUNG UND VERSORGUNGSFORSCHUNGVON DER RETROSPEKTIVEN FALLSERIE ZUM INTERNATIONALEN TRAUMAREGISTER DER DGUGelenkfunktion berücksichtigt [12, 13].In den methodischen Grundlagen klinischer Forschung öffnete sich in den1970er Jahren eine Schere zwischen <strong>Unfallchirurgie</strong> einerseits, AllgemeinundViszeralchirurgie andererseits, eng verbunden mit der Etablierung deseigenständigen Faches Theoretische Chirurgie durch Wilfried Lorenz inMarburg [14] und der Gründung der Chirurgischen ArbeitsgemeinschaftStudien (CAS) der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie 1974. TreibendeKraft im letztgenannten Modell war die Suche nach ursächlichen Beziehungenzwischen Exposition und Outcome und die Übernahme und Generierungvon präzisen und reproduzierbaren Methoden zum Nachweis dieser Assoziationen,welche erst mit zeitlicher Latenz auch in der <strong>Unfallchirurgie</strong> übernommenwurde. Ein weiterer Schwerpunkt war die bereits angesprocheneErhebung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität <strong>als</strong> wichtiger Endpunktklinischer Studien, wie heute <strong>als</strong> Nutzenmaß auch vom IQWiG gefordert.In vielen deutschen Beiträgen wurde das methodische Prinzip der Randomisierung– die aktive, zufällige Zuteilung von Patienten in Behandlungsgruppenund die hieraus resultierende Gleichverteilung bekannter undunbekannter biologischer Variablen – noch missverstanden. So heißt es u.a.in einem 1993 in der Zeitschrift Der Unfallchirurg veröffentlichten Beitrag,der in PubMed Medline <strong>als</strong> randomisierte Studie indexiert ist [15]:„Aus einem Kollektiv von insgesamt 931 polytraumatisierten Patienten der Jahre1985-1989 wurden insgesamt 104 Patienten randomisiert erfasst.“Dem Terminus „randomisiert“ wurde in der deutschen unfallchirurgischenLiteratur eine gewisse mystische Bedeutung zuerkannt, die ebenso wie dieUmdeutung einer Fallserie in eine „prospektive Studie“ den Weg zur Veröffentlichungvon Ergebnissen erleichtert haben könnte.In den führenden (d.h. nach Umfragewerten am meisten gelesenen)deutschen wissenschaftlichen Fachorganen Der Chirurg und ChirurgischePraxis wurden zwischen 1980 und 1985 insg. 1470 Artikel veröffentlicht[16]. Hierunter fanden sich lediglich 23 (1,6%) klinisch-experimentelle(d.h. quasi-randomisierte und randomisierte) Studien; der Rest verteiltesich auf Fallberichte und Beobachtungen. Eine ähnliche Analyse aus 1997schloss jetzt auch die Zeitschrift Der Unfallchirurg ein [17]. Von 109 im Jahr1994 publizierten Originalarbeiten beruhten lediglich vier auf einem experimentellenProtokoll (4,9%, berechnetes 95% Konfidenzintervall [KI] 1,4 bis12,2%).Dabei führten die Ergebnisse randomisierter Studien nachweislich zuÄnderungen in den therapeutischen Standards. Beispielhaft sei die zwischen1985 und 1986 in Hannover durchgeführte vierarmige Studie zur Therapieoptimierungbei fibularen Bandrupturen genannt [18], welche klar die primärefrühfunktionelle Behandlung favorisierte und deren Resultate auch in dasspätere Cochrane-Review einflossen [19]. Auf diagnostischem Gebiet nahmz.B. die Kölner Erstbeschreibung und im Rahmen einer ersten Genauigkeitsstudiemit Einschluss von 808 Patienten auch wissenschaftlich evaluiertefokussierte abdominelle Ultraschalluntersuchung beim Bauchtraumainternational erheblichen Einfluss auf Schockraum-Algorithmen [20].Unter 24 im Jahr 2009 in Der Unfallchirurg veröffentlichten Originalienfand sich lediglich eine randomisierte Studie (4,2%, 95% KI 0,1 bis 21,1%).Diese vergleicht die radiologischen und funktionellen Ergebnisse nach dorsalerund winkelstabiler volarer Plattenosteosynthese von Extensionsbrüchen desdistalen Radius [21]. Die Darstellungsweise wird leider den Ergebnissendieser fraglos bedeutsamen Untersuchung nicht gerecht und verdeutlichtden noch bestehenden Aufklärungsbedarf über die international geltendenAnforderungen an die Berichterstattung randomisierter Studien im Einklangmit den Vorgaben des International Committee of Medical Journal Editors(ICMJE; http://www.icmje.org/). So fehlen u.a. ein Flussdiagramm nachCONSORT-Vorgaben (http://www.consort-statement.org), Informationenüber die Fallzahlplanung, Fehlerindikatoren bzw. 95% Konfidenzintervalleusw. Von 82 im Jahr 2009 in der Zeitschrift für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>publizierten Arbeiten beruht keine auf einem randomisierten Design.


66 67KLINISCHE FORSCHUNG UND VERSORGUNGSFORSCHUNGVON DER RETROSPEKTIVEN FALLSERIE ZUM INTERNATIONALEN TRAUMAREGISTER DER DGUBeeinflussung durch internationale FortschritteDurch den Psychologen Gene Glass wurde 1976 der Begriff der „Meta-Analyse“ <strong>als</strong> Werkzeug zur quantitativen Zusammenführung von Daten ausverschiedenen diagnostischen und Interventionsstudien geprägt [22]. Inden USA wurden 1977 die Prinzipien Guter Klinischer Praxis (Good ClinicalPractice, GCP) <strong>als</strong> verbindliche Grundlagen für die klinische Forschungaufgenommen; diese erlangten jedoch erst 1989 auch Gültigkeit in derEuropäischen Union. <strong>Das</strong> sog. „Outcome Movement“, die Abkehr von reinenSurrogat- hin zu patientenzentrierten Messgrößen der Ergebnisqualität fandzwischen 1986 und 1987 einen ersten Höhepunkt in der US-amerikanischenMedical Outcomes Study (MOS), in der dem Konzept der gesundheitsbezogenenLebensqualität, gemessen mit dem RAND-Questionnaire (demRahmen des mittlerweile ubiquitär verwendeten Short Form 36 oder kurzSF-36), ein führender Stellenwert beigemessen wurde [23].Nahezu zeitgleich wurde durch die Arbeitsgruppe um Gordon Guyatt,Bryan Haynes, David Sackett u.v.a. die Idee einer neuen Form wissenschaftlichbegründeter medizinischer Entscheidungsfindung durch die expliziteBerücksichtigung klinisch-epidemiologischer und biostatistischer Methodengeprägt [24]. Der genaue Startpunkt dieser künftig <strong>als</strong> evidenzbasierteMedizin (EbM) bezeichneten, die Wissenschaftskultur nachhaltig beeinflussendenStrömung ist nicht exakt zu definieren. Es ist jedoch bemerkenswert,dass, im Gegensatz zu anderen nationalen und internationalen Entwicklungen,die EbM-Idee verhältnismäßig rasch in den unfallchirurgischenAlltag und die klinische Forschung auf diesem Gebiet Einzug nehmen konnte.Im Oktober 2000 wurde das <strong>Deutsche</strong> Netzwerk Evidenzbasierte Medizine.V. (DNEbM) gegründet; bereits Anfang 2000 wurden durch Kölner,Münchener und Berliner Arbeitsgruppen der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für<strong>Unfallchirurgie</strong> Analyse- und Lehrkonzepte aufgenommen und in Kursenweitergegeben [25, 26]. 23, 24 Die Forderung nach mehr und bessererwissenschaftlicher Information <strong>als</strong> Grundlage für klinische Entscheidungenund Leitlinienvorgaben beherrscht seit Mitte der 1990er Jahre auch diedeutsche <strong>Unfallchirurgie</strong>. Dies geht mit einem zunehmenden Bekanntheits-grad der Cochrane-Collaboration und der Cochrane Database of SystematicReviews <strong>als</strong> Quelle bester verfügbarer Evidenz und ausgewählten EbM-Kommentarenanlässlich des jährlichen <strong>Deutsche</strong>n Kongresses für Orthopädieund <strong>Unfallchirurgie</strong> einher.Randomisierte multizentrische Studien in der <strong>Unfallchirurgie</strong>Die Bundesrepublik Deutschland ist ein international renommierter Standortfür Forschung, Entwicklung und Evaluation medizinischer Technologienund Innovationen. Mit der Einrichtung des Studienzentrums der <strong>Deutsche</strong>n<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie (SDGC), der Etablierung Chirurgischer Netzwerke(CHIR-Net) und aktuell auch des TraumaNetzwerk D der DGU wurdenoptimale und im internationalen Vergleich herausragende Voraussetzungenfür die Durchführung multizentrischer Studien geschaffen. Auf unfallchirurgischemGebiet verdeutlicht z.B. die Anzahl deutscher Zentren an derinternationalen BESTT-Studiengruppe, welche im Rahmen einer randomisiertenStudie die Wirksamkeit einer adjuvanten Applikation von rekombinantemBMP-2 zur Vermeidung von Sekundäreingriffen und Komplikationenbei offenen Unterschenkelfrakturen analysierte, die potenzielle geopolitischeFührungsrolle der deutschen <strong>Unfallchirurgie</strong> [27]. Gleichzeitig machenjedoch die von den maßgeblichen Institutionen wie dem Bundesinstitut fürArzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geforderten administrativen undlegislativen Regularien eine Teilnahme deutscher Zentren an internationalenStudien, die nachweislich zu einer Senkung der Sterblichkeit von Schwerverletztenbeitrugen [28], schwieriger. Hier ist eine bessere politische Positionierungund Meinungsäußerung der Fachgesellschaft gefragt.Auch innerhalb des von der <strong>Deutsche</strong>n Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertenProgramms „Klinische Studien“ sind unfallchirurgische Ideennoch unterrepräsentiert. Eine der wenigen Studien ist die multizentrischeORCHID-Studie (ISRCTN 76120052) zum Vergleich der operativen mit einernicht-operativen Therapie intraartikulärer Frakturen des distalen Radiusbei Patienten ≥65 Jahren, koordiniert durch das Universitätsklinikum Ulm,unterstützt durch das SDGC, das Koordinierungszentrum für Klinische


68 69KLINISCHE FORSCHUNG UND VERSORGUNGSFORSCHUNGVON DER RETROSPEKTIVEN FALLSERIE ZUM INTERNATIONALEN TRAUMAREGISTER DER DGUStudien Heidelberg und das Methodische Beratungszentrum der DGU inBerlin. Mit aktuell 143 randomisierten Patienten ist ORCHID die derzeit einzigerekrutierende, DFG-geförderte multizentrische randomisierte Studieauf unfallchirurgischem Gebiet, aber bereits die weltweit größte randomisierteStudie zum funktionellen Outcome nach o.g. Verletzung. Es soll dennochnicht unerwähnt bleiben, dass die Rekrutierung der geplanten Fallzahlhinterherhinkt. Ein noch intensiveres Engagement der beteiligten Kliniken,eine klare Stellungnahme der Entscheidungsträger und die Bereitschaftweiterer akademischer Einrichtungen zur Studienteilnahme ist notwendig.Ein anderes Beispiel war die Damage Control Studie (ISRCTN10321620)zum Management von Femurschaftfrakturen beim Schwerverletzten, bei derrandomisiert die temporäre Frakturstabilisierung mit Fixateur externe undsekundärer intramedullärer Osteosynthese (Damage Control) mit derprimären Marknagel-Osteosynthese verglichen wurde. Trotz intensivster Bemühungender Studienleitung und des DGU-Präsidiums musste die Studiewegen mangelnden Patienteneinschlusses abgebrochen werden. Festzuhaltenbleibt, dass sich die Studienkultur weiterentwickeln muss, um der DFGein eindeutiges Signal zu senden: die DGU unterstützt und fördert klinischeForschung durch die Inauguration und Teilnahme an multizentrischenrandomisierten Studien.VersorgungsforschungVon der AG Scoring zum internationalen TraumaRegister DGUZugegeben, randomisierte klinische Studien unter Notfallbedingungen sindnicht einfach, aber machbar, wie uns andere Länder (USA, UK) lehren.Sicher ist dies auch einer der Gründe, warum in der Schwerverletztenversorgungdie Etablierung eines Registers eine bevorzugte Form derDatenerhebung zu wissenschaftlichen Zwecken und der Qualitätssicherungwurde. Die Entwicklung und selbstkritische Reflektion des TraumaRegistersder DGU seit 1992 soll an einigen Beispielen dargestellt werden.Wie alles begannWie so oft schauen wir über den großen Teich nach Amerika. Ein von uns allengeschätzter Pionier der Polytraumaforschung, Donald D. Trunkey, SanFrancisco, schrieb 1985 in seinem Artikel “Towards Optimal Trauma Care“:„During the late 1960s West Germany studied U.S. methods and techniques of providingbattlefi eld care in Vietnam. In 1970 they applied these methods virtually throughoutthe country and established trauma centers along the major autobahns. Integral to theirtrauma center concept is rapid prehospital transport which primarily involves the useof helicopters, but <strong>als</strong>o includes ground transport. Ninety percent of all the citizens ofGermany are no more than 15 minutes from a designated trauma centre. As a consequenceof this regionalized system, the mortality rate from motor vehicle accidents, since1970, has dropped from 16 000 per year to 12 000 per year, a reduction of 25%“und schlussfolgerte:„The German system is not only strong in prehospital and hospital care, but <strong>als</strong>o involvesan excellent rehabilitation programme. Most survivors return to productive lives. [29]Eigentlich ein Grund zum Ausruhen und Freuen ob der Wertschätzung durchden berühmten amerikanischen Kollegen. Dennoch, ganz glauben konnteman das dam<strong>als</strong> nicht. So kam es auch, dass sich eine Gruppe von kritischenjungen Unfallchirurgen in einer Sitzung auf der Jahrestagung der DGU imNovember 1989 in Berlin über die Bewertung der Schwere der Verletzungmittels Scoresystemen und deren Einfluss auf das Überleben heftig auseinandersetzte.Von sinnloser statistischer Spielerei bis hin zur in dieser Zeit viel zitiertenund richtigen Aussage von Susan Baker [30]“If you have never felt the need for any type of severity scoring system, then you probablyhave never had to explain how it is that the survival rate of 58% in your trauma centeris actually better than the survival rate of 97% in some other hospital where the patientsare much less seriously injured“bewegten sich die Gemüter.


70 71KLINISCHE FORSCHUNG UND VERSORGUNGSFORSCHUNGVON DER RETROSPEKTIVEN FALLSERIE ZUM INTERNATIONALEN TRAUMAREGISTER DER DGUK.-P. Schmit-Neuerburg schlug die Einrichtung einer Arbeitgemeinschaft„Scoring“ vor, die sich 1992 zu einer konstituierenden Sitzung in Essen zusammenfand.Beteiligt waren Mitarbeiter von sechs interessierten Kliniken:LMU München, Universität Frankfurt, Medizinische Hochschule Hannover,II. Chirurgischer Lehrstuhl Köln-Merheim, Uniklinik Essen und AllgemeinesKrankenhaus Celle. In regelmäßigen Arbeitstreffen wurde über den Inhalteiner standardisierten Dokumentation der Schwerverletzten diskutiert,wobei anfangs jeder seinen bevorzugten Score abgebildet sehen wollte. Maneinigte sich schließlich auf die Erfassung von Rohdaten, aus denen alle dam<strong>als</strong>gängigen Scores errechnet werden konnten. Im Januar 1993 starteteeine Pilotphase an den sechs beteiligten Kliniken. Im Oktober 1993 fandein Symposium statt, welches die inhaltliche Diskussion und die praktischeErfahrung im Umgang mit dem Dokumentationsbogen zum Gegenstandhatte. Als Ergebnis entstand Version 1 des TraumaRegisters DGU (Abbildung1) mit vier Zeitpunkten: (A) Präklinik, (B) Befund bei Klinikaufnahme,(C) Befund bei Aufnahme auf der Intensivstation, (D) Befund beiEntlassung, incl. eines Leitfadens zur Ausfüllung des Schwerverletzten-Erhebungsbogens, so wie er heute noch in wesentlichen Teilen existiert. DieDokumentationsbögen wurden nach gemeinsamem Beschluss in der damaligenBiochemischen und Experimentellen Abteilung des II. ChirurgischenLehrstuhls zentral erfasst, verwaltet und gepflegt. Dies ist bis heute so, bisauf den Namen der Institutes. Entscheidend für den späteren Erfolg war dieanonymisierte Erfassung und Rückkopplung der Daten an die beteiligtenKliniken.Jeder Patient, der über den Schockraum einer Klinik aufgenommen wird undintensivpflichtig ist, sollte erfasst werden. Die Philosophie der Gruppe wares immer, dass die beteiligten Kliniken ihre Teilnahme nicht <strong>als</strong> Kontrolle imSinne des erhobenen Zeigefingers ansähen, sondern ihnen hiermit erstm<strong>als</strong>die große Möglichkeit des Qualitätsmanagements in einem der komplexestenBereiche der <strong>Unfallchirurgie</strong> gegeben wurde. Durch das TraumaRegisterder DGU wurde ein Instrument zur Durchführung eines externen Qualitätsmanagements(QM) Systems eingeführt.Die Entwicklung von 1993 bis 2008<strong>Das</strong> TraumaRegister der DGU ist zu einer Erfolgsgeschichte der DGU geworden,was durch einige Zahlen und Abbildungen dokumentiert werden soll.In den Jahren von 2003 bis 2008 nahmen insgesamt 166 Kliniken freiwilligam TraumaRegister DGU teil (2008 aktiv 116). Dem TraumaRegister DGUangeschlossen haben sich in dieser Zeit Kliniken aus Österreich, Belgien,den Niederlanden, der Schweiz und Slowenien (Abbildung 2, links). Diekumulative Zahl der erfassten Patienten lag Ende 2008 bei >42.000 mitjährlichen Steigerungsraten bis >6000 Patienten/Jahr (2007 und 2008)(Abb. 2, rechts).Von einer verbesserten Papiererfassung wurde im Jahre 2002 auf eineonline-Erfassung umgestellt. Es wurden Plausibilitätsprüfungen und Eingabehilfeneingeführt, was nachweislich zur Steigerung der Akzeptanzbeitrug. Bei den erhobenen Daten handelt es sich um Routinedaten, die miteinem gewissen zusätzlichen Aufwand dokumentiert werden können. Jedeam TraumaRegister DGU teilnehmende Klinik erhält einmal pro Jahr einenvertraulichen Ergebnisbericht mit Beschreibung des Kollektivs der durchgeführtendiagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sowie desVersorgungsergebnisses (Letalität, Liegedauer, Zustand bei Entlassung).Gleichzeitig werden Qualitätsindikatoren ausgewertet, die zum Teil auf denBeurteilungskriterien des American College of Surgeons beruhen [31].Die Indikatoren werden vergleichend zu den Ergebnissen der Vorjahre,zur gesamten Klinik sowie zum TraumaRegister DGU insgesamt dargestellt.Die Entwicklung des TraumaRegisters DGU, von Qualitätsindikatoren, einemInstrument zur Erfassung der Lebensqualität (POLO-Chart) etc. wurde in denJahren 1996 – 2003 durch die DFG gefördert, begleitend durch Sponsoringdurch die DGU, Industriepartner (Novo Nordisc, Upjohn) und die Bundesanstaltfür Straßenwesen (BASt).Einige ErgebnisseNeben Parametern der Prozessqualität wurde zentrales Augenmerk auf


72 73KLINISCHE FORSCHUNG UND VERSORGUNGSFORSCHUNGVON DER RETROSPEKTIVEN FALLSERIE ZUM INTERNATIONALEN TRAUMAREGISTER DER DGUden wichtigsten Parameter der Ergebnisqualität bei Traumapatientengelegt: das Überleben. Weil aber ein direkter Vergleich der Letalitätsratenzwischen den Kliniken aufgrund der unterschiedlichen Verletzungsschwereder Patienten oft irreführend sein kann, war eine Adjustierung erforderlich. <strong>Das</strong>TraumaRegister DGU bediente sich zunächst des international weit verbreitetenTRISS-Scores (TRISS, „trauma injury severity score“) [32]. Diese Prognoseformelwird benutzt, um über den Mittelwert der individuellen Prognosenfür Gruppen von Patienten ein erwartetes Ergebnis zu berechnen, das dannmit dem tatsächlich beobachteten gesundheitlichen Zustand verglichen wird.Im Jahr 2004 wurde der TRISS durch die „revised injury severity classification“(RISC) <strong>als</strong> Instrument zur Abschätzung der Prognose ersetzt. Im Gegensatzzur TRISS-Methode, die auf 20 Jahre alten Daten der nordamerikanischenMajor Trauma Outcome Study (MTOS) beruht, hat man beim RISC dieDaten der Patienten aus dem TraumaRegister DGU berücksichtigt. Der RISCwurde von R. Lefering (IFOM) an 1200 Patienten aus dem TraumaRegisterDGU in der Zeit von 1993 bis 2000 entwickelt und in den folgenden Jahrenwiederholt validiert [31]. Seine Diskriminationsfähigkeit, gemessen an derFläche unter der ROC („receiver operating characteristic“) Kurve, ist denbisher verwendeten Score-Systemen deutlich überlegen. Mittels dieserSchweregrad-Adjustierung konnten auch Kliniken mit unterschiedlich schwerverletzten Patienten miteinander verglichen werden. Unter Verwendung desRISC wurde jeweils für die Kollektive der einzelnen Jahrgänge die Prognosein Form der erwarteten Letalität entsprechend der anatomischen undphysiologischen Verletzungsschwere berechnet. Diese wurde dann dertatsächlichen Letalität, <strong>als</strong>o der standardisierten Mortalitätsrate (SMR)gegenübergestellt (Abb. 3).Im TraumaRegister DGU ging innerhalb des Untersuchungszeitraums beigleichbleibender Verletzungsschwere und Prognose die Letalität signifikant(ab 2005) von 22,8 auf unter 18% zurück. Wesentliche Verbesserungenließen sich bei der initialen bildgebenden Diagnostik, der Dauer bis zurOperation im Blutungsschock <strong>als</strong> auch bei der Anwendung von Damagecontrol-Strategienaufzeigen. In der Ausgabe vom 28. März 2008 schafftenes die Daten auf die Titelseite des <strong>Deutsche</strong>n Ärzteblattes [32]. Aus derDatenbank des TraumaRegisters DGU sind bis Ende 2009 116 nationaleund internationale Publikationen hervorgegangen. Der bisher größteErfolg war eine Publikation in der Zeitschrift Lancet vom März 2009,begleitet von einem Editorial mit hoher Wertschätzung für das Erreichte. DieAnalyse liefert erste Hinweise, dass durch die Integration des Ganzkörper-CT in die frühe Traumaversorgung die Sterblichkeit im Vergleich zur errechnetenPrognose reduziert werden kann [33]. Derzeit konzentrieren sich dieAuswertungen auf die akute Koagulopathie <strong>als</strong> früher Risikofaktor für dasVersterben.Die Zukunft hat schon begonnen!Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> hat 2006 ein Weißbuch zurStruktur, Organisation und Ausstattung der Schwerverletztenversorgung inder Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel einer effizienten Koordinierungund eines adäquaten Einsatzes vorhandener Ressourcen sowie einerkontinuierlichen Qualitätssicherung auf diesem Sektor der Notfallversorgungerarbeitet. http://www.dgu-online.de/pdf/unfallchirurgie/weissbuch/.Die vorliegenden Empfehlungen dienen unter anderem der Unterstützunginterner und externer qualitätssichernder Maßnahmen. <strong>Das</strong> Weißbuch wirdim Jahre 2010 grundlegend überarbeitet und aktualisiert. Um die Anforderungenfür Kliniken der Schwerverletztenversorgung zu beschreiben und imRahmen eines gemeinsam abgestimmten Prozesses umzusetzen, wurdebereits 2004 die Initiative TraumaNetzwerk D der DGU gegründet, aus der2006 der Arbeitskreis zur Umsetzung Weißbuch/TraumaNetzwerk D DGU(AKUT) hervorging. Entsprechend den schriftlich im Weißbuch Schwerverletztenversorgungder DGU beschriebenen Inhalten zur Sicherung einerflächendeckenden, jederzeit abrufbaren hohen Versorgungsqualitätwurde das bundesweite Projekt TraumaNetzwerk D DGU eingerichtet. Aufgrundder hohen Akzeptanz des Konzepts und des Engagements vielerEinzelpersonen und Unfallchirurgischer Kliniken bzw. Abteilungen warzu Beginn 2009 bereits ein großer Teil aller in Deutschland an der Schwerverletztenversorgungbeteiligten Kliniken im TraumaNetzwerk D DGU


74 75KLINISCHE FORSCHUNG UND VERSORGUNGSFORSCHUNGVON DER RETROSPEKTIVEN FALLSERIE ZUM INTERNATIONALEN TRAUMAREGISTER DER DGUregistriert und in TraumaNetzwerken (TNW) organisiert. Zentraler Bestandteilder Qualitätserfassung im TraumaNetzwerk D DGU ist das TraumaRegisterQM DGU. In seiner aktuell gültigen Form, die aus dem TraumaRegister derDGU hervorging, erfasst es 40 Variablen pro Patient. Zur Realisierung derwebbasierten Datenerfassung und -verarbeitung musste die ursprünglicheDatenbank des TraumaRegisters DGU vollkommen neu gestaltet werden.Hierdurch war es möglich, die Daten der bisher mehr <strong>als</strong> 40.000 erfasstenPatienten zu übernehmen. Den Kliniken ist es freigestellt, zukünftig entwederam TraumaRegister QM oder an dem umfassenden, wissenschaftlichenTraumaRegister der DGU teilzunehmen (die TraumaRegister QM -Datensind im konventionellen Traumaregister enthalten). Die verpflichtende Teilnahmealler Schwerverletztenversorgenden Kliniken am TraumaRegister QMverschafft der DGU die einmalige Möglichkeit einer umfassenden Erfassungaller schwerverletzten Patienten in Deutschland. Dies wird einen wichtigenBeitrag zur Verbesserung der Versorgungsqualität leisten können.<strong>Das</strong> TraumaRegister DGU hat sich inzwischen international vernetzt. Zusammenmit TARN (Trauma Audit and Research Network) aus England, SCAN-TEM (Scandinavian Networking Group for Trauma and Emergency Management)sowie dem Italienischen „National Registry of Major Injuries“ hat mansich auf einen Utstein European Core Dataset mit 30 Variablen geeinigt unddiesen publiziert [34]. Derzeit bemüht sich die Gruppe um eine EU-Förderungim 7. EU Rahmenprogramm. <strong>Das</strong> TraumaRegister DGU ist internationalangekommen und spielt hier eine führende Rolle.tems zu gewinnen. Viele interessante Fragestellungen der Effizienzevaluierungder einzelnen Netzwerke sowie des gesamten Projekts können besserbeantwortet werden, da mit der Teilnahme aller Kliniken eine bislang beispielloseDatenerfassung in der Schwerverletztenversorgung möglich seinwird. Es wird sich aber in den kommenden Jahren zeigen, in wie weit eineweitere Reduktion der Mortalität und Verbesserung des Outcomes durch dieImplementierung von TraumaNetzwerken erreicht werden kann und welchespeziellen Probleme sich ggf. gerade in einem solchen Verbund verschiedenerKliniken mit unterschiedlichen Versorgungsstufen auftun.Derzeit werden die S3-Leitlinien zur Schwerverletztenversorgung erstellt undsollen ab 2011 implementiert werden. Mittels TraumaRegister DGU kanndie leitliniengerechte Anwendung von Interventionen evaluiert werden. Auchlassen sich so gesundheitsökonomische relevante Daten ableiten sowie dieAbhängigkeit der Versorgungsqualität von der Interventionshäufigkeit zurevidenzbasierten Etablierung von Mindestmengen darstellen. Dies sind nureinige Beispiele für neue Perspektiven, die sich für das TraumaRegister DGUin Zukunft ergeben.Perspektive VersorgungsforschungVersorgungsforschung („outcomes research“ und „health servicesresearch“) stellt nach grundlagen-, krankheits- und patientenorientierterForschung die vierte Säule des Gesundheitssystems dar. Sie untersuchtdie günstigen und die unerwünschten Effekte medizinischer und operativerInterventionen unter Alltagsbedingungen. Register wie das TraumaRegisterDGU stellen einen praktikablen Ansatz dar, um relativ rasch umfangreicheDaten über Behandlungsergebnisse auf allen Ebenen des Gesundheitssys-


76 77VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEH. ZwippSt. RammeltNoch 1950, im Wiedergründungsjahr der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> fürUnfallheilkunde, Versicherungs- und Versorgungsmedizin, ist unter demmaßgeblichen Einfluss von Lorenz Böhler im deutschen Sprachraum derStreckverband zur Behandlung von Unterschenkelbrüchen in Kombinationmit aktiven Bewegungsschienen und/oder additiven Gipsverbänden dasStandardverfahren. Dies deshalb, da die Marknagelung bei offenen Frakturenim Lorenz-Böhler-Krankenhaus Wien seit 1943 verboten, die gedeckteMarknagelung am Unterschenkel 1944 wegen schlechter Erfahrungenaufgegeben und lediglich für den Oberschenkelbruch von Küntscherübernommen wurde.Prof. Dr. med. Hans ZwippDirektor der Klinik und Poliklinik fürUnfall- und WiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum Carl Gustav Carusan der Technischen Universität DresdenFetscherstr. 7401307 DresdenPD Dr. med. Stefan RammeltOberarzt der Klinik und Poliklinik fürUnfall- und WiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum Carl Gustav Carusan der Technischen Universität DresdenFetscherstr. 7401307 DresdenDies, wenngleich die Pioniere der Osteosynthese wie Malgaigne, Lister undKönig schon lange die sog. „Primärnaht des Knochens“ auch für den Unterschenkelfavorisierten. Der Bonner Chirurg C. W. Wutzer (1789 – 1883)hatte bereits im Jahre 1846 <strong>als</strong> erster einen Fixateur externe erfolgreicheingesetzt, der Hamburger C. Hansmann 1886 die erste Platte noch vorLane und Lambotte entwickelt und Hey E. W. Groves aus Bristol 1916 dieOberschenkelmarknagelung lange vor Küntscher etabliert. Dem belgischenChirurgen Albin Lambotte gebührt das Verdienst, die bis dahin geleistetenErfahrungsberichte gesichtet und zielstrebig mit neuen Ideen verfolgt zuhaben. Er fertigte in seiner eigenen Mechanikerwerkstatt selbst chirurgischeInstrumente wie Knochenzangen, Drahtspanner, Raspatorien und Bohrer.Lambotte entwickelte nicht nur Osteosynthesetechniken mit Cerclagedrähtenund Zugschrauben, sondern auch einen Fixateur externe sowiediverse Platten. Letztere wurde von ihm „prothèse interne“ genannt. Die ersteAnwendung eines Fixateur externe zur Osteosynthese am Femur erfolgtedurch ihn am 24.04.1902.Lambotte verdanken wir den Begriff „Osteosynthese“Die Meilensteine der drei prinzipiellen Osteosyntheseverfahren, die denStreckverband ablösten, d. h. die des Fixateur externe, der Platte unddes Marknagels, sollen nach einem kurzen Überblick zur Entwicklung bis


78 79VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEbaaAbb. 1 / Sog. Charnley-Fixateur:a: Der hier im Beispiel gezeigte Spindelfi xateur zeigt bei entsprechender Kompression bereits die Verheilung der OSG-Arthrodesenach 1,5 Monaten.Abb. 2 / Prinzip der Kompressionsosteosynthese:a: Plattenspannsystem nach Danis.b: Beispiel einer Druckplattenosteosynthese am Oberarm(aus Théorie et Pratique de L’Osteosynthése, R. Danis, 1949).b: Optionen der Osteotomie und Arthrodese mittels Spindelfi xateur (nach AO-Manual 1969).b1950 über die vergangenen 6 Dekaden von 1950 bis 2010 hinsichtlich ihrerWeiterentwicklung und Perfektionierung im Folgenden aufgezeigt werden.I. Fixateur externe-Osteosynthese„Veröffentlichen Sie es nicht! Man wird es sonst anwenden und es würde ein großesUnglück werden!“L. Böhler, 1944 zum Ringfi xateur von R. WittmoserÜber 100 Jahre vor Wiedergründung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> fürUnfallheilkunde, Versicherungs- und Versorgungsmedizin hatte bereitsMalgaigne im Jahr 1847 seinen Vorläufer eines Fixateur externe <strong>als</strong> „pointemetalliqué“ kombiniert mit einer Schiene vorgestellt sowie einen genialen„griffe metalliqué“ <strong>als</strong> minimal-invasiven Fixateur externe speziell zurBehandlung der Patellafraktur. Im deutschsprachigen Raum wurde dieNotwendigkeit der Entwicklung eines Fixateur externe initial in der Behandlungvon Pseudarthrosen gesehen. So setzte noch vor Wutzer (1846) seinMitarbeiter C. Claus von der Höhe (1843) bei einer Femurpseudarthroseeinige Schrauben in die zwei Hauptfragmente und konnektierte dieseaußerhalb der Weichteile mit einem Längsträger. Bernhard K. von Langenbeck(1810 – 1887) setzte erstm<strong>als</strong> einen Fixateur externe bei einer Oberarmpseudarthroseim Jahr 1855 ein. Der Amerikaner Leonard Freeman(1860 – 1935) entwickelte den von C. Parkhill erfundenen „external fixator“weiter und inaugurierte bereits 1919 einen sog. „turnbuckle“ zur geschlossenenTibiafraktur-Reposition, einen Vorläufer des AO-Femurdistraktors.Zur Behandlung aller diaphysären Frakturen etablierte der Belgier AlbinLambotte (1866 – 1955) einen ausgeklügelten Fixateur externe, der <strong>als</strong>Vorläufer des späteren AO-Rohr-Fixateurs angesehen werden kann.<strong>Das</strong> Prinzip zur Umsetzung eines bilateral stabilisierten Fixateur externewar initial durch die Entwicklung von perkutan-transossär eingebrachtenNägeln ermöglicht worden. Nach dem Berner Chirurgen Fritz Steinmann(1872 – 1932), der diese erstm<strong>als</strong> 1907 zur kontinuierlichen Extension einerdiaphysären Fraktur einsetzte, sind sie heute noch <strong>als</strong> „Steinmann“-Nägelbekannt. Die Grundlage für den späteren Ringfixateur schuf Martin Kirschner(1879 – 1942) im Jahr 1927 mit dem nach ihm benannten Draht und einemSpannbügel. Durch die Erfindung der Knochenbohrschrauben für diekorrigierende subtrochantäre Osteotomie durch den Dresdner OrthopädenAlfred Schanz (1866 – 1931) war die Grundlage zur Montage des später eingesetztenunilateralen Fixateurs externe gegeben.A. Schanz verdanken wir die Grundlage für den monolateralen Fixateur


80 81VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEAbb. 3 / Entwicklung der Marknagelung:a: „Erster Fall von Marknagelung des Oberschenkels“schreibt G. Küntscher in den Operationsbericht vom09.11.1939.b: Foto von G. Küntscher und Mitarbeiternbei der Marknagel-OP.c: K. T. Herzog stellt bereits 1951 einen Oberschenkelmarknagelmit Zielbügel und multiplen 2 mm-K-Draht-Verriegelungsoptionen vor.d: Lezius-Nagel seit 1950 für per- bis subtrochantäreFrakturen (Fundus Medizinische Akademie Dresden,Doz. F. Czornack).Abb. 4 / Ringfi xateur nach Ilizarov, seit den 1960er Jahren in Kurgan, Sibirien, im Einsatz. In Deutschland wie hier bei einerdrittgradig offenen Unterschenkelfraktur mit Segmentresektion und Segmenttransfer erst in den 1980er Jahren eingesetzt.1950er: Fixateur externeDer bilateral fixierende, ursprüngliche Rahmenfixateur von Hey Groves (1916)und der weiter entwickelte, komprimierende sog. Charnley-Fixateur wirdseit den 1950ern bis heute <strong>als</strong> nachstellbarer Spindelfixateur erfolgreichbesonders für Knie- und Sprunggelenksarthrodesen bei kritischen Weichteilverhältnisseneingesetzt (Abb. 1).(1872 – 1944), Chirurg in Bristol und nicht nur Pionier des Ringfixateurs,sondern auch der ante- und retrograden Femurnagelung, bereits 1916 gebogeneund T-förmige Platten. Er propagierte <strong>als</strong> erster die interfragmentäreVerschraubung. Neben anderen Amerikanern dieser frühen Zeit berichtete1914 zuerst der Chirurg Miller Edwin Preston aus Denver (1879 – 1928) überden Einsatz einer Klingenplatte zur Behandlung der Schenkelh<strong>als</strong>fraktur.II. PlattenosteosyntheseHey Groves forderte <strong>als</strong> erster die interfragmentäre Verschraubung„Als Schrauben soll man lange Schrauben verwenden, die durch den ganzen Knochendurchgehen, um eine größere Stabilität zu erhalten“A. Lambotte, 1913 zur PlattenosteosyntheseWie nicht allzu selten im Leben entwickeln sich Ideen zur gleichen Zeit anverschiedenen Orten, weswegen nicht nur Carl Hansmann aus Hamburg1886, sondern im selben Jahr auch Themistokles Gluck in Berlin, ein Schülervon Langenbecks, über Osteosynthesen mit Platten und Schraubenberichtet. Während noch 1907 der Londoner Chirurg William ArbuthnotLane (1866 – 1955), ein früher Verfechter der „no touch technique“, monokortikaleSchrauben einsetzt, fordert Albin Lambotte in Antwerpen1913 für die Plattenosteosynthese erstm<strong>als</strong> den Einsatz längerer, bikortikalzu setzender Schrauben. Als erster entwickelt Ernest William Hey Groves1950er: Platte1950 besucht der Schweizer Orthopäde Maurice E. Müller in BrüsselRobert Danis (1880 – 1962), der bereits 1938 <strong>als</strong> erster eine Druckplatteentwickelte, die eine stabile Knochenheilung am Unterarm ohne sichtbarenKallusbildung zuließ (Abb. 2). Deshalb wurde sie von ihm <strong>als</strong> „soudureautogène“ bezeichnet, ein Phänomen, das Lane schon 1914 <strong>als</strong> „primäreKnochenheilung“ bei der Plattenosteosynthese bezeichnet hatte. MitGründung der Schweizerischen AO 1958 erfolgte nahezu zeitgleich durchRobert Mathys in Bettlach die Entwicklung von genormten Schrauben,Platten und Instrumenten, welche die von Lambotte und Danis geforderteanatomische Reposition, stabile Osteosynthese und sofortige postoperativeÜbungsbehandlung erlauben sollten.


82 83VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEAbb. 5 / Prinzipien der Frakturversorgungim ersten AO-Manual (1969):a: Bedeutung der Schraubenrichtungbei einfacher Spiralfraktur.b: Anwendung desDruckplattenspanners.c: Wohlgeordnete Kassetten mitInstrumenten und Implantaten.Abb. 6 / Diverse Nagelverfahrenin den 1960er Jahren (aus demArchiv der Medizinischen AkademieDresden, Doz. F. Czornack).Schema zur Dreifachnagelungbei Trümmerfraktur ausG. Küntscher (1962).III. Marknagelosteosynthese„Die Überraschung war daher sehr groß, <strong>als</strong> wir Anfang 1940 unser Verfahren der Marknagelungauf dem <strong>Deutsche</strong>n Chirurgenkongress in Berlin vortrugen. ... Die riesigenFremdkörper erregten Entsetzen und wurden <strong>als</strong> unphysiologisch bezeichnet.“G. Küntscher, 1962Wenngleich bereits 1400 n. Chr. die Azteken in Mexico die innere Schienungder Tibia mit einem sog. Feuerholz bei Versagen konservativerMaßnahmen kannten, gelten <strong>als</strong> Pioniere für das „innere Schienen“ vonSchenkelh<strong>als</strong>frakturen und Pseudarthrosen langer Röhrenknochen diedeutschen Chirurgen J. F. Dieffenbach (1792 – 1847), publiziert 1846, undB. von Langenbeck (1810 – 1887), veröffentlicht 1858. Gerhard Küntscher,der allgemein seit seiner ersten Oberschenkelmarknagelung am 09.11.1939<strong>als</strong> Inaugurator der Marknagelung gilt, beschreibt in seiner 1962 erschienenenMonographie, dass vor ihm Nicolaysen (1897), Delbet (1906),Lambotte (1907), Hey Groves (1916), Schöne (1913) und die BrüderRush (1927) intramedulläre Verfahren einsetzten, aber nicht das Prinzipdes elastisch federnden Querschnittes seines neu entwickelten, anfangs V-,später kleeblattförmigen Hohlnagels mit Schlitz beachteten. Bereits 1940konnte G. Küntscher zum Chirurgenkongress über 12 Femurnagelungen, zumY-Nagel für die pertrochantäre Fraktur und über die Unterschenkelmark-nagelung berichten. <strong>Das</strong> neue Prinzip der intramedullären, elastischen Verklemmungist nach Küntschers Überzeugung Garant für drei Grundsätze:1. Frühe Bewegung der Extremität, 2. Innere Ruhigstellung des Bruches,3. Frakturferne Nagelinsertion ohne Periostberührung.Küntscher (1900 – 1972) verdanken viele Patienten das Ende des Streckverbandesnach vollzogener Marknagelung1950er: MarknagelWährend Küntscher die geschlossene Marknagelung (Abb. 3 a, b) vonOber- und Unterschenkelfrakturen zwecks langstreckiger Verklemmungmittels Handmarkraumbohrung (1950), geführter Aufbohrung (1954) undspäter mit Einsatz eines Distraktors (1958) verfeinert und zusätzlich fürOberarm-, Unterarm-, selbst für Metacarpale- und Metatarsalefrakturensowie zur Stabilisierung von Fibulafrakturen Marknägel einsetzt, übernimmtL. Böhler die Marknagelung nur für den Oberschenkelbruch. Für den Unterschenkelbruchbleibt dieser nach Erprobung in 65 Fällen wegen zahlreicherKomplikationen in seinem Haus verboten.K. T. Herzog aus Krefeld hingegen verwendet seit 1950 einen eigenen,proximal stärker gekrümmten (15 °) Unterschenkelmarknagel, den er seit1941 entwickelte. Bereits 1951 stellt er einen Oberschenkelmarknagel


84 85VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEAbb. 7 / Der Fixateur externe wird zum Extremitätenerhalt (a), zur Gelenktransfi xation nach Luxation (b), später auch fürdie distale Radiustrümmerfraktur (c) oder zur temporären Behandlung der „open book“-Beckenverletzung (d) eingesetzt.Abb. 8 / Die T-Platte für die proximale Oberarmfraktur ist eine der ersten Platten, die anatomische Besonderheiten ähnlichder T-Tibiakopf-Platte berücksichtigt. <strong>Das</strong> Prinzip der exzentrischen Kompression (a) oder der Einsatz des Plattenspannerszum „wasserdichten“ Frakturschluss (b, c) ist nur ausnahmsweise möglich. Der meist osteoporotische Knochen des Älteren(d) benötigt zur primär-stabilen Osteosynthese gelegentlich Knochenzement.mit Zielbügel für die multiple 2 mm K-Draht-Verriegelung vor (Abb. 3 c).Ab 1956 setzt er seinen Rohrschlitznagel mit Ausklinkdrähten ein, durch dessenSchlitze er proximal und distal mittels der Ausklinkdrähte die Rotationsystematisch sichern kann. Küntscher entwickelt bereits 1958 seinen Detentionsnagelfür die Femurtrümmerfraktur mit je einer proximalen und distalenVerriegelungsschraube. Für die Schenkelh<strong>als</strong>fraktur wird <strong>als</strong> Weiterentwicklungdes Smith-Petersen-Dreilamellennagels (1925) die aus rostfreiem Stahlhergestellte Pohlsche Laschenschraube im Sinne des Gleitschraubenprinzipseingesetzt.Küntscher benutzt seit 1946 seinen Y-Nagel, wobei ein kurzer V-förmiger,perkutan in den Schenkelh<strong>als</strong> eingebrachter Nagel durch dessen vorgegebenePerforation bei korrekter Lage über dem Markraum durch einen Marknagelaufgefädelt und so stabil miteinander verbunden wird. Mit dieser „kranförmigen“Biomechanik wird nicht nur die Schenkelh<strong>als</strong>fraktur, sondernauch die per- und subtrochantäre Fraktur in idealer Weise stabilisiert. Nebenanderen Variationen wird 1950 über den von proximal medial eingebrachten,stark gekrümmten Lezius-Nagel berichtet, der ebenfalls für Schenkelh<strong>als</strong>frakturen,per- und subtrochantäre Frakturen in der von Lezius geführtenLübecker Klinik indiziert wird. Später wird dieser Lezius-Nagel im ostdeutschenRaum noch bis in die 1980er verwandt (Abb. 3 d).1960er: Fixateur externeDer ursprüngliche Ringfixateur von Hey Groves aus dem Jahr 1916 wird vonG. A. Ilizarov (1921 – 1992) in Kurgan, Sibirien, in den 1960er Jahren mitvorgespannten Kirschnerdrähten weiterentwickelt und anfangs für Osteotomienund diaphysäre Verlängerungen Zwergwüchsiger, später auch zurFrakturbehandlung von Röhrenknochen eingesetzt (Abb. 4). Nach Gründungder Schweizerischen AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen)im Jahre 1958 wird der AO-Rohrfixateur mit diversen Rohrstangen <strong>als</strong>Standardverfahren bei drittgradig offenen Unterschenkelfrakturen empfohlen,dies insbesondere nach dem ersten AO-OP-Kurs 1960 sowie im erstenAO-Manual 1969. Der Schweizer Raoul Hoffmann (1871 – 1972) entwickeltzeitgleich in Genf einen doppelten Rahmenfixateur mit hoher biomechanischerStabilität zur Behandlung von zweit- bis drittgradig offenen Frakturen,infizierten Pseudarthrosen und septisch gewordenen Arthrodesen.1960er: PlatteBereits 1960 mit Gründung der Firma Synthes und Durchführung einesersten AO-Operationskurses in der Schweiz gab es ein Operationsset miteinheitlichen Instrumenten, Schrauben und Platten. Eine erste Systematikzur „Technik der operativen Frakturbehandlung“ (Abb. 5a) erschien 1961in <strong>Buch</strong>form, das erste „Manual der Osteosynthese“ von Müller, Allgöwerund Willenegger im Jahr 1969. Es konnte die Prinzipien der primären


86 87VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEAbb. 9 / Detentionsnagel nach Küntscher (1968) <strong>als</strong> Prototyp für denVerriegelungsmarknagel nach Klemm und Schellmann (1972).Knochenheilung der DCP, der dynamischen Kompressionsplatte (Abb. 5b),durch erste experimentelle und klinische Kontrollstudien aufzeigen. Nebendiversen Drittel-, Halbrohr- und DC-Platten unterschiedlicher Größen undStärken stehen zwischenzeitlich auch genormte Klingenplatten in speziellen,wohlgeordneten, autoklavierbaren Kassetten zur Verfügung (Abb. 5c).1960er: MarknagelIn der Böhler-Klinik in Wien wird ab 1961 die Behandlung der instabilenpertrochantären Fraktur mit 170 Grad steiler Klingenplatte durch Krotschekstandardisiert, da sich die Medialisierung des Schaftes und die Valgisierungdes Schenkelh<strong>als</strong>es <strong>als</strong> biomechanisch günstig für den Heilverlauferwiesen. Bereits 1962 publiziert Küntscher für die Femurschafttrümmerfrakturseine geschlossene Technik mit einem dreiteiligen Nagel (Abb. 6).Zickel setzt seit 1967 erfolgreich einen Nagel ein, der dem Y-Nagel Küntschersähnelt. Küntscher propagiert seit 1965 einen vom medialen Femurcondylusperkutan eingebrachten vorgebogenen Nagel zur Behandlung der Schenkelh<strong>als</strong>-und pertrochantären Fraktur, wobei der Nagel distal eine optionaleVerriegelung bietet. Simon-Weidner und Ender berichten über gute Ergebnissezur Behandlung der pertrochantären Fraktur mittels Einbringen von 3 bis4 Rundnägeln über eine kleine Inzision am medialen Femurcondylus, diesich im Markraum verklemmen und im Femurkopf und / oder Trochantermajus abstützen. Dieses Verfahren wird vielerorts, so auch an der Medizini-Abb. 10 / Monofi xateur mit Seilzugtechnik: Radikale Segmentresektion (10 cm) bei infi zierter, nekrotischer,offenliegender Tibia nach Unterschenkelmarknagelung. Wechsel auf Fixateur externe (radioluzente Doppelbarren).Freier Latissimus dorsi-Lappen. Segmenttransfer über Seilzug bei stabilem Monofi xateur. Ausheilung nachDocking-Plattenosteosynthese (1 Jahr postoperativ).schen Hochschule Hannover, bis in die 1980er hinein angewandt, bevor eswegen systembedingter Nagelwanderungen und unphysiologischer Innenrotationsstellungdes Femurs später zugunsten der dann verfügbarenDHS- oder DCS-Osteosynthese aufgegeben wuird.1970er: Fixateur externeDer Fixateur externe wird durch die rasante Entwicklung der AO-DC-Plattenund Weiterentwicklung des Küntscher- und Herzog-Nagels in denHintergrund gedrängt. Für komplexe distale Unterarm- und distaleRadiusfrakturen wird er <strong>als</strong> gelenktransfixierender Fixateur eingesetzt, aberbald wieder in dieser Anordnung verlassen, da es zu zu starken Gelenkeinsteifungenkommt. 1977 etabliert Fritz Magerl einen Fixateur externe fürWirbelfrakturen mit transpedikulär eingebrachten Schanzschrauben, die extracorporalmit Backen- und Rohrstangen miteinander verbunden werden.Bei offenen Unterschenkelbrüchen kommt der Fixateur externe in V-förmigeroder „Doppeldecker“-Montage zunehmend zur Anwendung (Abb. 7), späterauch für die Gelenküberbrückung bei Kniegelenksluxation, distaler Radius-Trümmerfraktur oder bei der „open book“-Verletzung des Beckens.1970er: PlatteDie DC-Plattenosteosynthese an der Tibia konkurriert zunehmend mitdem Marknagel. Sie wird beim Mehrfachverletzten zur Vermeidung der


88 89VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEAbb. 11 / Die supra- /diacondyläre Femurfraktur, die bis dahin mit der Kondylenplatte (a), später mit derKondylenabstütz-„Burri“-Platte (b) stabilisiert wurde, wird jetzt mit der DCS (dynamic condylar screw)-Platte (c) fi xiert.Fettembolie vermehrt alternativ zum Marknagel auch am Oberschenkeleingesetzt, in Freiburg insbesondere auch bei der Femurfraktur des Kindes.In München und Tübingen wird das Kleinfragmentinstrumentariumevaluiert, was bereits 1972 von Pannike im <strong>Buch</strong> „Osteosynthese in derHandchirurgie“ publiziert wird. Ähnlich wie an der Hand werden jetzt derGröße, Biomechanik und Knochenform angepasste Implantate zur Versorgungder ventralen Spondylodese an der H<strong>als</strong>wirbelsäule mit einem kleinenH-Plättchen, für die subcapitale Oberarmfraktur eine T-Platte (Abb. 8), für diedistale supracondyläre Femurfraktur eine anatomisch angepasste stabilesog. Burri-Platte, für die komplexe Pilonfraktur die Kleeplatte entwickelt. Fürpathologische tumor- oder osteoporosebedingte Frakturen wird von MauriceMüller die Verbundosteosynthese mit PMMA-Zement empfohlen.Abb. 12 / Der UTN (unreamed tibia nail) war ursprünglich <strong>als</strong> Fixateur interne gedacht und wurde im Gegensatz zumaufgebohrten Marknagel auch bei offenen Frakturen indiziert. Durch die einfache Operationstechnik konnte erstm<strong>als</strong>auf die Verwendung des Extensionstisches verzichtet werden.1980er: Fixateur externeDie im Röntgenbild immer sehr stark überlagernden Metallrohre des Fixateurexterne werden durch Karbonfaserstangen ersetzt und erlauben dadurcheine bessere Röntgenverlaufskontrolle der Fraktur. W. Dick modifiziertden extracorporalen Fixateur externe von F. Magerl durch Kürzen derSchanz-Schrauben zum Fixateur interne. Für den Segmenttransfer werdenSeilzug-Techniken (Abb. 10) und das Monorail-Verfahren entwickelt, d. h.Verschieben eines osteotomierten Segmentes mittels Fixateur externe überden liegenden Marknagel. Als temporäres, minimal-invasives System wird etwasspäter der „pinless fixator“ eingeführt, der sich wegen schlechter Handhabung<strong>als</strong> temporäre Frakturstabilisierung bis zur späteren Marknagelungjedoch nicht durchsetzt.1970er: MarknagelEndlich gelingt es Klemm und Schellmann (1972) Küntschers Detentionsnagel(Abb. 9) zu Beginn dieser Dekade <strong>als</strong> Marknagel mit statischer unddynamischer Verriegelung <strong>als</strong> neue Option zur gedeckten Marknagelungeinzusetzen. Dadurch werden Verkürzungen, Hybridverfahren wie diegedeckte Oberschenkelmarknagelung mit fortgesetzter Extension, offeneOberschenkelmarknagelungen mit Cerclagen bei Mehrfragment- undTrümmerbrüchen nicht mehr notwendig, was einem Quantensprung in derminimal-inasiven Chirurgie komplexer Röhrenbrüche gleichkommt.1980er: PlatteDer bereits eingeleitete Prozess, Frakturen diverser anatomischerRegionen mit speziell angepassten Platten zu versorgen, setzt sich fort. Sowerden für die mediale und laterale Schenkelh<strong>als</strong>fraktur sowie die pertrochantäreFemurfraktur die DHS (Dynamische Hüft-Schraube), für diedistale supracondyläre Femurfraktur die DCS (Dynamische Kompressions-Schraube) entwickelt (Abb. 11), wobei letztere auch für instabile pertrochantäreOberschenkelfrakturen geeignet erscheint. Für schlecht heilendeFrakturen, Pseudarthrosen oder Refrakturen am Femur entwickeln


90 91VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEAbb. 13 / Ilizarov-Fixateur bei Pilon-tibiale-Fraktur mit drittgradigem,geschlossenem Weichteilschaden <strong>als</strong> minimal-invasives Verfahren.Brunner und Weber die Wellenplatte, um bei ausreichender Stabilität demKnochen Zeit genug zur Konsolidierung über eine „creeping substitution“ zugeben. Die Plattenosteosynthese an der Tibia wird zu dieser Zeit bereits vonvielen Chirurgen wegen zahlreicher Komplikationen zugunsten des Fixateurexterne verlassen.Abb. 14 / <strong>Das</strong> LISS (less invasive stabilizing system), initial für die osteoporotische supradiacondyläre Femurfrakturinauguriert, wird zunehmend wichtig auch für die Versorgung der periprothetischen Frakturen beim osteoporotischenKnochen, wobei neuerdings im Bereich des Hüftprothesenstieles zusätzlich die kleine „locking attachement plate“verwendet werden kann.Verbreitung. Von Bailey und Dubow wird ein Teleskopnagel für Kinder mitOsteogenesis imperfecta entwickelt. Ende der 80er berichtet Green über dieWeiterentwicklung eines retrograden, distalen Femurnagels, der aufgrundeiner anterior-posterioren Biegung von 8° über die intercondyläre Notch inden Markraum eingebracht werden kann.1980er: MarknagelWährend die AO erstm<strong>als</strong> 1987 den Universal-Verriegelungsmarknagelanbietet, führt Grosse in Strasbourg im selben Jahr den Gamma-Nagel – eineWeiterentwicklung des Y-Nagels von Küntscher – zur Stabilisierung instabilerproximaler Femurfrakturen ein. 1989 steht erstm<strong>als</strong> ein solider Unterschenkel-Verriegelungsmarknagel<strong>als</strong> UTN (Unreamed Tibia Nail) zur Verfügung,der initial von der AO <strong>als</strong> Fixateur interne konzipiert wurde, sich aber rasch<strong>als</strong> brauchbares intramedulläres Implantat bewährte (Abb. 12).1990er: Fixateur externeDer Hybridfixateur mit vorgespannten Kirschnerdrähten im Halb- bzw.5/8-Ring wird am Unterschenkel proximal bei Tibiakopffrakturen und distalbei Pilonfrakturen, insbesondere bei schwerem Weichteilschaden, eingesetzt.Dabei wird das Gelenk nicht überbrückt und der Schaft mit Schanzschraubenund Stäben zum Ring hin fixiert. Damit ist eine funktionelleBehandlung für das Gelenk möglich. Dies gilt ebenso für die klassischeIlizarov-Vollringtechnik (Abb. 13).Als Weiterentwicklung des Ender-Nagels wird aufgrund biomechanischerUntersuchungen Ende der 1970er Jahre von A. Firica (Bukarest) und derGruppe um J. P. Métaizeau und J. Prévot (Nancy) die elastisch-stabileintramedulläre Schienung für die Stabilisierung von Schaftfrakturen der langenRöhrenknochen bei Kindern und Jugendlichen etabliert. <strong>Das</strong> Verfahrenerfährt <strong>als</strong> ECMES (embrochage centromédullaire élastique stable)bzw. ESIN (elastisch-stabile intramedulläre Nagelung) später weltweite1990er: PlatteNach ca. 40 Jahren dogmaähnlicher Lehre der primären Knochenheilungdurch absolute Stabilität bei DCP-Osteosynthese setzt ein neues Denkenein, das weniger die anatomische Reposition und Frakturzonenkompression<strong>als</strong> vielmehr die verminderte Kompression der Platte auf Knochen undPeriost zum Ziel hat. Dies führt zur Entwicklung der LC-DCP (limitedcontact-dynamic compression plate). Insbesondere kann Perren 1990 nach-


92 93VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEAbb. 15 / Im Bereich des proximalen Oberarmes, des distalen Radius und auch in anderen Bereichenwerden die winkelstabilen Plattensysteme der Anatomie angepasst.weisen, was Mast, Jakob und Ganz klinisch bereits 1989 mit neuer Planung,Repositions- und Retentionstechnik forderten. Viele erkennen zu dieserZeit, dass nur für das Gelenk eine anatomische Rekonstruktion notwendigist, nicht aber für den meta- oder diaphysären Bereich. Für diese bleibennur Länge, Achse und Rotation relevant. Weniger invasive Verfahren in der„less invasive“- oder „no touch“- Technik mit MIPO- (minimally-invasive plateosteosynthesis) oder MIPPO- (minimally-invasive percutaneous plate osteosynthesis)-Technik halten 1998 mit LISS (less invasive stabilizationsystem) zur Versorgung der multifragmentären und/oder osteoporotischensupradiacondylären Femurfraktur oder periprothetischen Brüchen (Abb. 14)Einzug. Dies bedeutet, wie später auch für die proximale Tibiafraktur, einenParadigmenwechsel.Die Technologie dieser neuen Platten mit Kopfverriegelungsschrauben entsprichtdem Prinzip des Fixateur interne, <strong>als</strong>o einem Mechanismus zurVerriegelung der Schrauben in der Platte, wodurch deren Winkel- und axialeStabilität erzielt werden. D. h. es besteht keine Notwendigkeit mehr, aufder Knochenoberfläche Kompressionskräfte zu erzeugen, um die Verbindungvon Knochen und Implantat zu stabilisieren. <strong>Das</strong> Ausbleiben der durchKompression verursachten Durchblutungsstörungen des Periostes fördertdie Heilung der Fraktur. Divergent eingebrachte Kopfverriegelungsschraubenerzielen sogar in osteoporotischen Knochen eine sehr gute Verankerung.Abb. 16 / Der nahezu zeitgleich zum LISS entwickelte distale Femurnagel (DFN) wird aucherfolgreich bei komplexen C3-Frakturen, hier sogar drittgradig offen, in Dresden eingesetzt.Mechanisch funktioniert diese neuartige Platte wie ein externer Fixateur, derallerdings unter der Haut implantiert ist. Diese Methode der inneren, verriegelten,aber extramedullären Schienung, welche die Bewegung im Frakturbereichverringert, dient der Erhaltung der Vitalität von Knochenfragmentenmit indirekter Knochenheilung mittels Kallusbildung. Die Kopfverriegelungsschraubenfunktionieren praktisch wie eine Schanzschraube, die aber imPlattenloch verriegelt ist. Winkelstabile, kontaktlose Platten werden <strong>als</strong> „verriegelterFixateur interne“ bzw. „locked internal fixator“ (LIF) bezeichnet.Es wird in dieser Dekade neben Techniken des minimal-invasivenVorgehens und der winkelstabilen Plattenosteosynthesen vor allem auchdie Entwicklung anatomisch angepasster Platten vorangetrieben. So wirddas noch in den späten 1980ern zur Versorgung der Fersenbeinfraktureinfache H- bzw. Dreifach-H-Plättchen aus dem HWS-Instrumentarium –teils zusätzlich kombiniert mit einfachen H-Plättchen – im Jahre 1993durch die erste anatomisch angepasste Titan-Calcaneusplatte ersetzt. Mittebis Ende der 1990er kommen mehrere anatomisch angepasste, bereitswinkelstabile Implantate für die distale Radiusfraktur, die proximale Oberarmkopffraktur(Abb. 15), die Tibiakopf- und Pilon tibiale-Fraktur hinzu.1990er: MarknagelNeben verschiedenen Entwicklungen von soliden Nägeln zur Versorgung


94 95VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEAbb. 17 / Bei komplexen Ellenbogenfrakturen, wie hier bei Zustand nach primärer Resektion des Radiusköpfchens und extremerInstabilität, ist der Bewegungsfi xateur für den Ellenbogen <strong>als</strong> zusätzliche temporäre Gelenkführung ein hervorragendes,zusätzliches Tool geworden.der Oberschenkelfraktur wird ab 1995 der UFN (unreamed femoral nail)produziert, ab 1997 über die AO der CFN (cannulated femoral nail) unddie erste Version des proximalen Femurnagels (PFN). Kurz darauf stehtnahezu zeitgleich zum neu verfügbaren LISS-Plattensystem (1998) für diedistale Femurfraktur der DFN (distal femoral nail) mit Spiralklinge bzw. zweiVerriegelungsoptionen zur Verfügung, der nach Grass mit zusätzlichertranscondylärer Verschraubung selbst für die 33.C3-Frakturen (Abb. 16) <strong>als</strong>geeignetes Implantat gilt. Für die Humerusschaft- und subkapitale Humerusfrakturkommen zunehmend ante- und retrograde Nagelsysteme zumEinsatz. Kleinkalibrige Marknägel werden <strong>als</strong> Alternative zur Plattenosteosyntheseauch für Unterarmschaftfrakturen des Erwachsenen eingesetzt.Zur Behandlung von Frakturen langer Röhrenknochen von Kindern setztsich das in den 1980er Jahren entwickelte ECMES-System („Prevot“- oder„Nancy“-Nagel) durch, wenngleich für Neugeborene und Kleinkinder weiterhinder Streckverband in Form der „overhead extension“ eingesetzt wird.2000er: Fixateur externeMonotube ® , Mefisto ® , Heidelberger Exfix ® und „tube to tube clamps“erleichtern das Vorgehen. Ein Meilenstein im technischen Verfahren ist dievon Fernandez im Jahr 1992 empfohlene „tube to tube“-Reposition mit derweiterentwickelten 3-Rohr-Modulartechnik. Durch initiale Verwendung von300 bis 400 mm langen Rohren kann mit langem Hebelarm und BV-strahl-Abb. 18 / Anatomisch angepasste winkelstabile Platten für den Calcaneus und den distalenHumerus erleichtern dem Chirurgen erheblich das Handwerk / Abbildung aus: H. Zwipp, S. Rammelt, S. Barthel (2004):Open reduction and internal fi xation (ORIF) of calcaneal fractures. Injury 35 (2 Suppl): 46-54.fernen Händen leichter und sicherer reponiert und mit dem dritten Rohrdie erzielte Reposition retiniert werden. Einen großen Fortschritt stellt derBewegungsfixateur für den Ellenbogen (Abb. 17) dar, der eine exakteGelenkführung ohne Stabilitätsverlust bei allen Beugungs- und Streckungsabläufenerlaubt. Eine Renaissance <strong>als</strong> temporäres Implantat erlebt derFixateur externe in den 1990er und 2000er Jahren <strong>als</strong> initiale Maßnahmebei Polytraumatisierten und Schwerverletzten mit Frakturen langer Röhrenknochenim Sinne des „damage control“-Konzeptes vor definitiver Nagelung.Als minimal-invasives, zeitsparendes Verfahren mit komfortablen Verbindungsbackensystemenund röntgendurchlässigen Längsträgern kann derFixateur externe heute nicht nur in der 3-Rohr-Repositionstechnik, sondernauch erfolgreich mittels Navigation im Rahmen der Fraktureinrichtungeingesetzt werden.Noch heute gültig sind die biomechanischen Prinzipien der Frakturbehandlungmit Fixateur externe – die Montage ist umso rigider1. je näher die eingebrachten Schanzschraubenzur Fraktur platziert werden,2. je größer der Abstand zweier Schanzschraubeninnerhalb eines Fragmentes,3. je näher die Fixateurstange am Knochen platziert ist.


96 97VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESEIn der rekonstruktiven Chirurgie erlaubt heute der weiterentwickelte Ringfixateur<strong>als</strong> Hexapod (Taylor spatial frame, TSF) Korrekturen bei komplexenFehlverheilungen in allen drei Ebenen.2000er: PlatteDie erste anatomische und winkelstabile Calcaneusplatte wird im Rahmeneiner Pilotstudie im Jahr 2000 in Dresden eingesetzt (Abb. 18 a).Mittlerweile ist diese in der Stahl- (2001) und Titanversion (2002) mitvier verschiedenen Größen rechts / links seit 2007 erhältlich. Weitere anatomischangepasste Plättchen für die interne winkelstabile Versorgung vonTalus-, Naviculare pedis- und Cuboidfrakturen kommen hinzu. Für nahezualle Knochen, so auch für die supra-/diacondyläre Oberarmfraktur(Abb. 18 b) oder Claviculafraktur gibt es mittlerweile exakt anatomischvorgeformte Platten, die dem Operateur die Arbeit erleichtern, aber nichtimmer alle Probleme lösen lassen. Anatomische Reposition, ausreichendeinterfragmentäre Stabilität sowie das sog. Plattenspann-Prinzip sind immernoch unerlässliche Grundsätze.2000er: MarknagelDie zusätzliche „miss a nail“-Option mit Klingenplatte oder Schrauben fürdie Schenkelh<strong>als</strong>fraktur bei gleichseitiger Femurschaftfraktur wird mitEinführung des antegraden Femurnagels im Jahr 2002 <strong>als</strong> Bereicherungzur stabilen Versorgung dieser Kombinationsfraktur weithin angenommen.Weiterentwicklungen durch die Technische Kommission der AO-Internationalführen zum PFNA (proximaler Femurnagel Antirotation) im Jahr 2004,um die „cut out“-Komplikation zu minimieren. 2006 folgen der RFN und AFN(retrograder bzw. antegrader Femurnagel) <strong>als</strong> versatiles solides und unaufgebohrtesNagelsystem sowie der laterale Femurnagel (LFN) im Jahr 2007.Im Bereich des Unterschenkels kann die Indikation zur Nagelosteosyntheseseit 2004 mit dem Expert Tibianagel durch verbesserte proximale unddistale Verriegelungsoptionen erweitert werden. Die jüngste Entwicklunghierzu ist das ASLS, ein winkelstabiles Verriegelungssystem mit resorbierbarenHülsen im Nagelverriegelungsloch, welches das sonst übliche Spielder Verriegelungsschrauben primär verhindert.Der Albizzia ® -Femur-Verlängerungsnagel (Guichet, 1999) mit Rotationsprinzipwird in der Initialphase von Patienten weniger, später <strong>als</strong> 3D-Nagel auchfür Humerus und Tibia achondroplastischer Patienten angenommen. Einbatteriegesteuerter Teleskopnagel (Fitbone ® ) zur Distraktion nach Osteotomie(Betz, 2008) bleibt aufgrund des extrem hohen Preises (ca. 75.000 €Behandlungskosten) eher Einzelanfertigung. Die Beinverlängerung durchISKD (intramedullary skeletal kinetic distractor) nach D. Cole 2001 kanndurch nur geringe Rotation von 3 bis 9 Grad des intramedullären Kraftträgersin Femur oder Tibia eine schmerzfreie kontinuierliche Verlängerunginklusive Achskorrektur sicherstellen. <strong>Das</strong> Verriegeln von Nägeln, anfangsmit BV und in Freihand-Technik, wurde durch immer präzisere Zielbügel, neuerdings<strong>als</strong> „sure shot“ elektromagnetisch geradezu perfektioniert, wodurchdas Operieren erheblich erleichtert und die BV-Strahlendosis signifikantreduziert wird.FazitDie letzten 60 Jahre haben zurückschauend im Verlauf der ersten Hälftedie Extensionsbehandlung durch immer bessere Fixateur-, Platten- oderNagelsysteme zunehmend verdrängt, in der zweiten Hälfte geradezu verbannt,da auch beim „damage control“ des Schwerverletzten keine Extensionmehr angelegt, sondern zur Pflegeerleichterung die temporäre Fixateurexterne-Montage an den langen Röhrenknochen angebracht wird. Die zweiteHälfte hat mit Etablierung der CT-, MRT- und Sonographie-Diagnostik in den1980er Jahren bis heute hin zum multislice-CT des Schwerverletzten enormeFortschritte in der präzisen und sehr raschen Erkennung von Frakturenund Weichteilverletzungen mit sich gebracht. Die immer sicherer werdendenpassiven und aktiven Sicherheitsmaßnahmen in der Automobil-Industrieund andere Fortschritte haben hingegen das Krankengut weg vom jungenSchwerverletzten, hin zum alten, multimorbiden, meist schwer osteoporotischenPatienten verschoben. Der Wert winkelstabiler, anatomischangepasster Implantate, optimierter Fixateur externe- und exzellenter


98 99VOM STRECKVERBAND ZUR OSTEOSYNTHESENagelsysteme bis hin zur elektromagnetischen Verriegelung und anderenMöglichkeiten des navigierten Operierens haben dem Unfallchirurgen vonheute vieles leichter gemacht. Zur Perfektion in der Behandlung, insbesonderedes geriatrischen Unfallverletzten, gilt es dennoch etliche Problemezu lösen.


100 101ENTWICKLUNG DER INTRAOPERATIVEN C-BOGEN-ANWENDUNGIN DER UNFALLCHIRURGIEC. KrettekF. GebhardSeit den frühesten Anfängen der Anwendung von Röntgenstrahlen (anfangsnoch X-Strahlen genannt) kannte man 2 Untersuchungsarten: die Durchleuchtungund die Abbildung auf Filmen. Bereits die erste Röntgenuntersuchungwar eine Durchleuchtung (Fluoroskopie), die zurückgeführt werdenkann auf den 8. November 1895, <strong>als</strong> Wilhelm Conrad Röntgen dieFluoreszenz eines Barium-Platin-Zyanit-Schirmes nach Strahlenexpositionentdeckte. Die Bilder konnten aber auch dauerhaft gemacht werden, indemdie Strahlung auf Platten gelenkt wurde, die mit entsprechenden Emulsionenbeschichtet waren. In die Geschichte eingegangen sind die erste Röntgenaufnahmeder ringtragenden Hand seiner Ehefrau Bertha (Abb. 1) unddie Aufnahme einer schussverletzten Hand (Abb. 2).Prof. Dr. med. Christian Krettek FRACS, FRCSEdDirektor der Unfallchirurgischen KlinikMedizinische Hochschule HannoverCarl-Neuberg-Str. 130625 HannoverProf. Dr. med. Florian GebhardDirektor der Klinik für <strong>Unfallchirurgie</strong>, Hand-,Plastische und WiederherstellungschirurgieZentrum für ChirurgieUniversitätsklinikum UlmSteinhövelstr. 989075 UlmDie Belichtungszeit für Röntgenaufnahmen, insbesondere von dickenAbschnitten des menschlichen Körpers, war mit bis zu 30 Minuten extremlang, so daß initial die Radioskopie (Fluoroskopie, Durchleuchtung) bevorzugteingesetzt wurde (Abb. 3 und 4). Die neue Technologie verbreitete sichextrem schnell. Bereits wenige Monate nach der Entdeckung der sogenanntenX-Strahlen wurden schon die ersten Fluoroskope (Durchleuchtungsgeräte)konstruiert und ständig weiter optimiert. Einer der wichtigsten Beiträgewar 1913 die Entwicklung der Glühkathodenröhre durch Coolidge bei derFirma General Electric. Damit konnte erstm<strong>als</strong> die Durchdringungsfähigkeitder Strahlen den Bedürfnissen angepasst werden.Wegen des Fehlens eines entsprechenden Problembewußtseins und wirksamerSchutzmaßnahmen haben die ersten Anwender die wiederholtenund unkontrollierten Bestrahlungen teuer bezahlen müssen. Oft war ihr Loseine akut bis chronisch verlaufende schmerzhafte Radiodermatitis (Abb. 5),die in Gewebszerfall oder Krebs ausarten konnte. Die Unbekümmertheit beider Anwendung der Röntgenstrahlen führte dazu, dass der Assistent vonThomas A. Edison, Clarence M. Dally, 1904 <strong>als</strong> Folge der Strahlenexpositionverstarb. Unter dem Eindruck dieses ersten „Strahlenopfers“ berichtetebereits 1903 TA Edison über die Fluoroskopie, dass man „... besser nichtmehr darüber reden sollte, er selbst hätte Angst davor ...“.


102 103ENTWICKLUNG DER INTRAOPERATIVEN C-BOGEN-ANWENDUNG IN DER UNFALLCHIRURGIEAbb. 4 / Röntgendurchleuchtung im Jahre 1896Abb. 1 / Röntgenbild von Bertha Röntgen,aufgenommen am 22. Dezember 1895Abb. 2 / Aufnahme einer Hand mit SchußverletzungAbb. 3 / RöntgendurchleuchtungDie ‚Röntgenkugel’Eine in der <strong>Unfallchirurgie</strong> früh verbreitete Form der Röntgendiagnostikwar die Anwendung der sogenannten Röntgenkugel, die in den 30er Jahrendes letzten Jahrhunderts zum Einsatz kam. Von dieser wurden in 40 Jahren40.000 Geräte hergestellt. Offiziell hieß das Gerät Einkessel-Röntgendiagnostik-Generator(Abb. 6 und 7).Die von Küntscher initiierte geschlossene Marknagelung der langen Röhrenknochen(1939) bedeutete einen wichtigen Entwicklungsschub für die intraoperativeBildgebung. So beschrieb Lorenz Böhler <strong>als</strong> apparative Vorraussetzungenzwei (!) fahrbahre Röntgenapparate (Abb. 8a und b). Ohne Röntgendurchleuchtungsei die geschlossene Marknagelung überhaupt unmöglich.KryptoskopWenn man im hellen Licht operierte, brauchte man für die Durchleuchtungein Kryptoskop. Dieses war ein beweglicher Leuchtschirm mit lichtabgeschirmtemBetrachtungstubus, der an den konisch zulaufenden Endenmit Bleiglasabschirmungen ausgestattet war. <strong>Das</strong> Kryptoskop wurde direktvor die Augen des Untersuchers gehalten, so dass Durchleuchtungsuntersuchungenauch in nicht abgedunkelten Räumen möglich wurden.Zunächst wurden die von der Fa. Sommer AG und später von derFa. ELIN Union in Wien entwickelten und gefertigten Kryptoskope verwen-det, die jedoch so schwer waren, dass sie mit der Hand abgestützt werdenmussten. Für die optische Beurteilung des Situs mussten sie zudem abgenommenwerden (Abb. 9). <strong>Das</strong> Kryptoskop von H. Braun hat sich besondersbewährt, weil der Durchleuchter wegen der Schrägheit der Leuchtschirmflächenicht direkt an Augen und Kopf von den Strahlen getroffen wird. Durch einNeophanglas kann man beim Operieren und Einrichten sehen, ohne dasKryptoskop abzunehmen. Durch ein hinter dem Kopf angebrachtes Gewichtbehält es das Gleichgewicht und braucht nicht mit der Hand gehalten zuwerden (Abb. 10).Vom Strahlenschutz her stellten die Kryptoskope ein Problem dar, da der Untersucherdirekt in das nur durch das Patientengewebe geschwächte Nutzstrahlungsfeldschaute und bei nicht exakt genug eingeblendeten Nutzstrahlungsfeldernauch direkt der Nutzstrahlung exponiert werden konnte. Da dasstrahlungserzeugende System (Röntgenstrahler) und das bilderzeugendeSystem (Kryptoskop) nicht fest miteinander gekoppelt waren, erfolgten sehrhäufig unbeabsichtigte Nutzstrahlungsexpositionen des Untersuchers. Allerdingslieferte diese einfache und kostengünstige Technik zur damaligen Zeitwichtige Informationen für den untersuchenden und behandelnden Arzt.C-ArmNach der Entwicklung der Bildverstärkerröhre durch Coltman im Jahre 1948


104 105ENTWICKLUNG DER INTRAOPERATIVEN C-BOGEN-ANWENDUNG IN DER UNFALLCHIRURGIEAbb. 5 / Radiodermatitis aus dem Jahre 1903Abb. 6 / Intraoperative Röntgenkontrolle mit der Röntgenkugelam Beispiel einer hüftgelenksnahen FrakturAbb. 7 / Intraoperative Röntgenkontrolle mit Hilfe der Röntgenkugelwurden seit Beginn der 50er Jahre spezielle Durchleuchtungssystemeentwickelt, bei denen der Strahlungserzeuger und das Bildempfängersystemüber einen C-Arm fest gekoppelt und diese mit einem Röntgenbildverstärkerausgestattet waren. Diese Systeme wurden im ortsveränderlichenEinsatz mit den erforderlichen Projektionsfreiheiten für denAnwender an OP-Tischen der chirurgischen Ambulanz und Notfallambulanzeingesetzt. Die ersten Systeme dieser Art verfügten noch über eine abgewinkelteBetrachtungsoptik (Abb. 11), die sich in unmittelbarer Nähe desBildverstärkers befand, so dass die Positionierung des Untersuchers sehrdicht am Patienten erfolgen musste.Bildverstärker FernsehketteAb Mitte der 70er Jahre wurden diese Systeme von den großen Herstellernauch mit einer Fernseheinrichtung (Bildverstärker-Fernsehkette) angeboten.Diese lösten die bis dahin benutzte „Rot-Adaptation“ ab (derUntersucher musste vor Betrachtung der fluoreszierenden Bildschirmeeine rote Brille tragen, um die Bilder besser sehen zu können). Durch denEinsatz der Bildkamera war es in den 50er Jahren erstm<strong>als</strong> möglich, dieBilder an einem (Fernseh-)Monitor zu sehen, und das fernab der Strahlenquelle(Abb. 12 und 13). Die Winkeloptik mit Okular wurde ersetzt durch eineKamera, die an den Bildverstärkerausgangsschirm lichtdicht angeflanschtwurde und die das grünlich erscheinende Bild des Ausgangsschirmes aufeinen TV-Monitor übertrug. Gleichzeitig wurde es nun möglich, die von der Kameraregistrierten unterschiedlichen Bildhelligkeiten <strong>als</strong> Regelgröße für dieelektrischen Parameter Röhrenhochspannung (kV-Wert) und Röhrenstrom(mA) zu nutzen, so dass eine automatische Regelung beider Größen inAbhängigkeit der von der Strahlung zu durchdringenden Gewebsschichtdickendes Patienten erfolgen konnte. Da von beiden Parametern dieDosisleistung beeinflusst wird, war mit diesem Schritt die automatischeDosisleistungsregelung <strong>als</strong> technischer Standard eingeführt. Den Strahlenschutzfür den Patienten und den Anwender brachte dieser neuetechnische Standard einen großen Schritt weiter. Einerseits konnte nunautomatisch, je nach Gewebsschichtdicke und Gewebedichte des Patienten,eine strahlenschutztechnisch optimierte Dosisleistung eingeregelt werden,andererseits konnte der Untersucher während der Durchleuchtung einengrößeren Abstand zum Patienten einnehmen, da er nun die Bildinformationdirekt am Monitor erhielt. Darüber hinaus wirkte sich das geringere Streustrahlungsfeldin der Umgebung des Patienten infolge der optimal eingeregeltenDosisleistungswerte im Hinblick auf den Strahlenschutz sehr positivaus. Ein kleines Problem ergibt sich durch diese Technik jedoch dann, wennz.B. Implantate mit deutlich höherer Dichte <strong>als</strong> menschliches Gewebe in denStrahlengang gelangen, da dann die Dosisleistungsparameter automatischstark ansteigen, um eine gute Strahlungsdurchdringung der dichteren Stoffezu erreichen. Dabei wird das in der unmittelbaren Umgebung befindli-


106 107ENTWICKLUNG DER INTRAOPERATIVEN C-BOGEN-ANWENDUNG IN DER UNFALLCHIRURGIEAbb. 9 / KryptoskopAbb. 10 / Hiigh-end KryptoskopAbb. 8 / Einstellgerät nach Wittmoser mit zwei senkrecht zueinander montierten Röntgenapparaten,die auf den jeweils gegenüberliegenden Leuchtschirm gerichtet sindche menschliche Gewebe mit so hoher Dosisleistung durchstrahlt, dass imMonitorbild kaum noch Gewebsstrukturen erkennbar sind.Digitale BildempfängersystemeSeit 1984 sind Durchleuchtungsuntersuchungen bzw. Interventionen unterDurchleuchtungskontrolle nur noch mit Systemen zulässig, die mit einerBildverstärker-Fernsehkette oder mit digitalen Bildempfängersystemen mitTV-Monitor ausgestattet sind (Abb. 14).In § 26 der Röntgenverordnung (RöV) betr. „Röntgendurchleuchtung“ istausdrücklich festgelegt, dass diese Untersuchungen zur Gewährleistung desStandes der Technik zumindest über eine Einrichtung zur elektronischenBildverstärkung mit Fernsehkette und automatischer Dosisleistungsregelungoder über eine andere, mindestens gleichwertige Einrichtung verfügenmüssen. In einer speziellen Richtlinie zur RöV (Richtlinie für die TechnischePrüfung von Röntgeneinrichtungen und genehmigungsbedürftigenStörstrahlern, Ausgabe März 2010) werden noch weitergehende, strahlenschutz-und bildqualitätsoptimierende Anforderungen an diese Systemegestellt. So wird beispielsweise für Durchleuchtungssysteme, mit denenspezielle radiologisch gestützte Interventionen durchgeführt werden sollen,gefordert, dass der Untersucher gepulste Strahlung einsetzen kann, ihm eindigital gespeichertes letztes Durchleuchtungsbild (LIH, Last Image Hold)zur Verfügung steht, eine zuletzt gespeicherte Bildserie (LIR, Last ImageRun) abrufen kann, ihm eine Niedrigdosiskennlinie (Low Dose Kennlinie)z.B. für Durchleuchtungsuntersuchungen bei Kindern zur Verfügung steht,spezielle Blendensysteme vorhanden sind, Zusatzfilter für die Filterung derNutzstrahlung in den Strahlengang eingefahren werden können und dieStrahlenexposition des Patienten <strong>als</strong> Messgröße „Dosisflächenprodukt(DFP)“ oder international Dose Area Product (DAP) in der physikalischenEinheit Gray mal Quadratmeter (Gy m 2 ) vom System zur Archivierung angezeigtwerden kann. Neben der Messgröße DAP zeigen moderne Systeme fürradiologisch gestützte Interventionen zusätzlich die Messgröße Einfalldosisin Gray (Gy) an, damit der Untersucher eine bessere Orientierung hinsichtlichder gebotenen Unterschreitung des Schwellendosiswertes für stochastischeStrahlungseffekte (etwa 2 Gy) hat.Festkörperdetektoren (Flatpanel)Etwa mit dem Übergang in das neue Jahrtausend wurden in Deutschlanddie ersten digitalen Durchleuchtungssysteme mit Festkörperdetektoren(Abb. 15 u. 16) in Betrieb genommen. Weil sich diese Technik sehr aufwendigund kostenintensiv gestaltete, da die „Datenflut“ nur mit Hochleistungsrechnernzu bewältigen war, wurden die ersten Systeme dieser Artfür spezielle radiologisch gestützte Interventionen eingesetzt. Ihr Einsatzwar zunächst ortsfest in unmittelbarer Nähe der damaligen


108 109ENTWICKLUNG DER INTRAOPERATIVEN C-BOGEN-ANWENDUNG IN DER UNFALLCHIRURGIEAbb. 11 / BV 20 von CHFMüller mit BetrachtungsoptikAbb. 12 / Beispiel für ein Durchleuchtungssystem mit Bildverstärker- Fernsehkette(unbekanntes Fabrikat)Abb. 13 / Durchleuchtungssystem mitBildverstärker- Fernsehkette (unbekanntes Fabrikat)Abb. 14 / C- Bogen Durchleuchtungssystemmit BV- TV- Kette und Last Image Hold (LIH)Hochleistungsrechner. Erst in den letzten Jahren wurde diese Technik auchbei den ortsveränderlichen Systemen umgesetzt und steht heute somit auchin den unfallchirurgische OPs zur Verfügung.Flatpanel-Detektoren bieten eine hohe Bildqualität in einer guten räumlichenAuflösung und Kontrasterkennbarkeit. Gleichzeitig ist ein geringer Dosisbedarfgegeben, d.h. eine hohe Effizienz für Röntgenquanten. Der Flachbilddetektoren-Technologieist im OP-Bereich sicherlich eine große Zukunftinne, derzeit sind jedoch noch hohe Anschaffungskosten ein Hindernis derflächendeckenden Verbreitung.Flachdetektoren in Verbindung mit hochauflösenden Flachmonitoren ersetztwerden, die so konstruiert sind, dass sie auch Cone-Beam tomographischeAufnahmeserien aufnehmen können, aus denen sich quasi real-time 3D-Rekonstruktionen(Abb. 19) darstellen lassen, die dem Untersucher räumlichpräzise Bildinformationen für die Interventionen liefern werden.Klinische AspekteDer Einsatz der Röntgendurchleuchtungstechnologie war die Grundvoraussetzungder Entwicklung operativer Stabilisierungsverfahren im Bereich der<strong>Unfallchirurgie</strong>. Drei Aspekte sind hier besonders zu berücksichtigen:3D-DarstellungInsbesondere aus unfallchirurgischer Sicht bestand seit jeher ein großerBedarf an speicherbarer intraoperativer dreidimensionaler Durchleuchtungsdiagnostik.<strong>Das</strong> erste auf dem Markt befindliche System (SiremobilISO C 3D) konnte Datenwürfel von 13 cm Kantenlänge intraoperativ generieren,und somit erstm<strong>als</strong> im OP CT-ähnliche Bilder von Hochdichteobjekten(Knochen) ermöglichen (Abb. 17 und 18). Wenn auch diese Systemewegen der hohen Anschaffungskosten noch keine ubiquitäre Verbreitunggefunden haben, so sind sie jedoch in spezialisierten Zentren fast überallim Einsatz. Die Systeme mit Bildverstärker-Fernsehketten werden in dennächsten Jahren durch noch leistungsstärkere Systeme mit Festkörper- bzw.Minimalinvasive Chirurgie: Insbesondere die Marknagelung konnte – beginnendmit der intraoperativen Röntgenbildanalyse – vor allem durch dieFluoroskopie ihre Verbreitung finden. Speziell die Entwicklung der minimalinvasivenVerfahren im Bereich der <strong>Unfallchirurgie</strong> beruht ausschließlich aufdem unerlässlichen Einsatz der intraoperativen Durchleuchtungskontrolle.Ohne dieses Verfahren ist es nicht möglich, minimalinvasive Zugangswegeund Osteosyntheseverfahren im Bereich der <strong>Unfallchirurgie</strong> in der Präzisionund Qualität durchzuführen, wie sie heute möglich sind.Navigation: Die intraoperative Fluoroskopie ist auch unverzichtbarer Bestandteilder navigationsgestützen operativen Verfahren in der <strong>Unfallchirurgie</strong>.


110 111ENTWICKLUNG DER INTRAOPERATIVEN C-BOGEN-ANWENDUNG IN DER UNFALLCHIRURGIEAbb. 15 / Erstes Durchleuchtungssystem in Deutschlandmit FestkörperdetektorAbb. 16 / Flatpanel C- Bogen- System, Stand 2010Abb. 17 Abb. 18Abb. 17 + 18 / C-Bogensysteme mit speicherbarer intraoperativer 3-dimensionaler DurchleuchtungsdiagnostikInsbesondere die intraoperative 3D Bildtechnologie ist hier ein essentiellerBestandteil operativer Verfahren.Handhabbarkeit: Daneben wird eine neue Generation kleinerer Systeme(Abb. 20) entwickelt, die sich speziell für Interventionen am peripherenSkelett eignen.Strahlenexposition: Kritisch zu bemerken ist allerdings die zunehmendeAnwendung von Röntgenstrahlen in den Operationssälen der <strong>Unfallchirurgie</strong>und anderer chirurgischer Disziplinen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit,aufs sorgfältigste auf Strahlenschutzaspekte in unseren OPs zu achten.Andernfalls würde sich der Kreis der Geschichte wieder schließen, wenn beiChirurgen Strahlenschäden nachgewiesen würden.Abb. 19 / O- Bogen– System, Stand 2010Abb. 20 / DL- Sys für handchirurgische Eingriffe


112 113OSTEOTOMIE UND REORIENTIERUNGH.J. OesternA. GänsslenHistorische EntwicklungÜber die ersten korrigierenden operativen Eingriffe am Skelett ist wenigbekannt. Anscheinend ist die erste Osteotomie zur Resektion 1768 vonCharles White vorgenommen worden; B. v. Langenbeck (1810 – 1887) hieltdiesen Eingriff jedoch für die Extraktion eines bereits losen Sequesters.Aber er gestand zu, dass damit der Anstoß zu allen späteren Resektionengegeben worden sei [24, 25].Prof. Dr. med. H.J. Oesternem. Chefarzt Klinik für <strong>Unfallchirurgie</strong>, Orthopädie und NeurotraumatologieAllgemeines Krankenhaus CelleSchubertstraße 1229223 CelleDr. med. Axel GänsslenKlinik für <strong>Unfallchirurgie</strong>, Orthopädie und NeurotraumatologieAllgemeines Krankenhaus CelleSiemensplatz 429223 CelleDie erste, intertrochantäre Osteotomie hat nach gesicherter Überlieferung1826 John Rhea Barton (1794 – 1871) in Philadelphia wegen einer Hüftankylosedurchgeführt [1]. Er operierte den an Bord gestürzten Seemannsieben Monate nach dessen Unfall, weil die bis dahin durchgeführte Traktionsbehandlungergebnislos geblieben war. Der Erfolg des Eingriffs, nachheutigem Begriff eine Arthroplastik, hielt einige Jahre an. Barton hatdanach zahlreiche Osteotomien an verschiedenen Körperstellen durchgeführt,so 1835 die Entnahme eines Keiles aus dem Femurschaft. SeineIndikation knüpfte er stets an die Bedingung, dass eine stabile undleistungsfähige, <strong>als</strong>o gut durchblutete Muskulatur vorhanden sei. DieseVoraussetzung hat auch heute noch unveränderte Bedeutung. Es darf beider Planung und Durchführung einer Osteotomie nicht vergessen werden,dass die nur am Knochen durchgeführte Operation funktionell einenEingriff in das gesamte, eine funktionelle Einheit bildende System darstellt:die Muskulatur ist nicht ein selbstständiger aktiv motorischer Teil, der Knochennicht ein isolierter passiv mechanischer Teil des Systems Gliedmaße.Skelett und Muskulatur bilden (gemeinsam mit der neuromuskulären Vernetzung)ein System funktioneller Korrelationen, deren Bauplan nicht ohneAuswirkungen auf das Gesamtsystem abgeändert werden kann, vielmehr zuerhalten bzw. so weitgehend wie möglich zu rekonstruieren ist [24]. Schonauf Barton geht auch die Winkelmessung zurück, wonach die Spitze einesResektates dem Achsenknick entsprechen muss. Seither gilt das Prinzip derexakten Einmessung, das durch keine noch so routinierte freihändige Operationsführungersetzt werden kann.


114 115OSTEOTOMIE UND REORIENTIERUNGAbb. 2 / Beispiel einer Pauwelsschen Umlagerungsosteotomiebei mit Schraubenosteosynthese stabilisierter nichtheilender medialer Schenkelh<strong>als</strong>fraktur.Abb. 1 / Schrittweise Darstellung der präoperativenPlanung zur Pauwelsschen Umlagerungsosteotomiemit Darstellung des postoperativen Ergebnisses.Abb. 3 / Beispiel einer subtrochantären Verlängerungs-Stufen-Osteotomie bei angeborener Beinverkürzung,die mittels Klingenplattenosteosynthese nach 1 Jahr zur Ausheilung gebracht wurde.Bald nach Barton führte Gurdon Buck (1807 – 1877) distale Femur- undproximale Tibiaosteotomien durch. Von einem seiner Patienten ist die ersteDaguerrotypie und damit eine neue Art von Dokumentation überliefert.In Deutschland hat wahrscheinlich Josef Anton Mayer (1798 – 1879) <strong>als</strong>erster seit 1832 Resektionen und Osteotomien der großen Röhrenknochenerfolgreich vorgenommen. 1852 gelang ihm auch die erste Verkürzungsosteotomie.Von ihm rührt vermutlich auch der Begriff „Osteotomie“ her.1849 führte Mayer die Keilosteotomie bei Genu valgum an der proximalenTibia durch und begründete damit „ein neues orthopädisches Heilverfahrengegen diese, meist <strong>als</strong> unheilbar erklärte Verkrümmung“, er fand aberzunächst keine Nachahmer, weil man die regelmäßig folgende Infektion<strong>als</strong> Preis der Beseitigung eines nicht lebensgefährlichen Leidens fürchtete[14, 15]. Dieser Gefahr suchte er zu entgehen, indem er stets prima intentiozu erzielen und hierdurch die Knochenwunde in eine subkutane zuverwandeln anstrebte, was nach ihm B. v. Langenbeck durch die subkutaneOsteotomie erreichte. Mayer war ein Schüler des für seine Knochenoperationenselbst berühmten Chirurgen Cajetan Textor (1782 – 1860) und eineifriger Nutzer des Osteotoms, das Bernhard Heine (1800 – 1846) 1832/34entwickelt hatte. Heine erhielt dafür 1836 den im 19. Jahrhundert berühmtenund international begehrten Monthyon-Preis der Académie de Sciencesfrançaise, den früher schon Johann Friedrich Dieffenbach (1795 – 1847) undG. F. Louis Stromeyer (1804 – 1876) erhalten hatten [24, 25]. Die Resektionbzw. Osteotomie wurde zuerst mittels einer Kettensäge, angegeben vonJeffray, vorgenommen. Diese Säge klemmte sich häufig ein und das Verfahrenwar verletzungsgeneigt. <strong>Das</strong> Osteotom von Heine gestattete von einemHandgriff aus leichte und zweckmäßige Sägewirkungen. Dennoch wird dasOsteotom eine überdurchschnittliche Fertigkeit erfordert haben; jedenfallslehnte Theodor Billroth das Instrument ab. Bernhard v. Langenbeck hat sichfür das Osteotom interessiert, im Übrigen aber bevorzugte er besondersgeformte Sägen, insbesondere die Stichsäge, mit der er nur einen Teil derOsteotomie vornahm, den stehen gebliebenen Knochenrest brach er manuelloder über eine Kante [24, 25]. Auch B. v. Langenbeck verfolgte hiermit dieAbsicht, die Weichteile zu schonen [10].<strong>Das</strong> Brechen des Knochens wurde das bevorzugte unblutige Verfahren.Sofern es nicht über eine Kante erfolgte, benutzte man ein stempelförmigesGebilde, das zuerst von Joseph Francois Malgaigne (1806 – 1865), dannin anderer Form von Francesco Rizzoli (1809 – 1880) angegeben und vielangewandt wurde. In beiderlei Gestalt verursachte dieser Osteoklast oder die„macchinetta ossifraga“ erhebliche Weichteilquetschungen, auf die schonB. v. Langenbeck hinwies [10]. Dieser bediente sich daher zur Osteotomieneben der Stichsäge dann vor allem des Meißels, der später seine besondereBedeutung durch Erich Lexer (1867 – 1937) bekam [11].


116 117OSTEOTOMIE UND REORIENTIERUNGB. v. Langenbeck war es auch, der die subkutane Osteotomie einführte unddadurch in der vorantiseptischen Zeit die Probleme der Wundheilungsstörunglöste [10]. Dieses Verfahren spielte in den in der Mitte des 19. Jahrhundertsstattfindenden Kriegen und im Krimkrieg (1853 – 1856) einebedeutende Rolle, da es auch unter Feldverhältnissen anwendbar war undso namhafte Anwender wie Georg Friedrich Louis Stromeyer und JohannFriedrich v. Esmarch (1822 – 1908) fand. Einen wichtigen Fortschritt erzielteB. v. Langenbeck jedoch durch die subperiostale Osteotomie, die er beiHeine gesehen hatte [24].Bis zur Mitte des Jahrhunderts waren derart weitgehende Erfahrungengesammelt worden, dass Theodor Billroth (1829 – 1894) in seiner „Allgemeinenchirurgischen Pathologie und Therapie in fünfzig Vorlesungen“, die er<strong>als</strong> „Handbuch für Studierende und Aerzte“ bezeichnete, resümieren konnte:„Im Ganzen sind die unblutigen Methoden, wenn dieselben nicht mit zugroßer Quetschung verbunden sind, den blutigen vorzuziehen; doch sindletztere weniger gefährlich, <strong>als</strong> wenn man mit stark quetschenden Apparatenschief geheilte Fracturen zermalmt.“ [3]. Ein bevorzugtes Objekt derOsteotomie ist seit Billroth das Genu valgum und bis heute auch das Genuvarum. Anstelle der Keilosteotomie empfahl er die lineare Osteotomie. DieBelastung durch wechselnd häufige Peronäusparesen führte zur suprakondylärenOsteotomie (Sir William MacEwen. 1848 – 1924, Glasgow). Im Laufeder Jahrzehnte sind für diesen Eingriff unzählige Variationen und Technikenangegeben worden. Unter diesen vereint die bogenförmige Osteotomie desTibiakopfes die günstigsten Voraussetzungen, nämlich exakte Einstellbarkeitin 3 Ebenen, breitflächigen Kontakt und sofortige Bewegungsmöglichkeit.PathophysiologieHaut und Knochen sind sehr widerstandsfähige Gewebe und haben beideeine enorme Kapazität zur Heilung und Regeneration, die die Grundlagevieler moderner rekonstruktiver Operationsverfahren darstellt. Während derGelenkknorpel sehr hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt ist, istseine Fähigkeit zur Reparation und Regeneration stark eingeschränkt. Knor-pel gehört zu den Geweben, die auf Fehlstellungen besonders reagieren.Dieses relativ empfindliche Gewebe ist verantwortlich für die Lastübertragung,die ein Vielfaches unseres Körpergewichtes übersteigt bei geschätztenBewegungszyklen von über 1 Milliarde während einer normalen Lebenszeit.Es ist deshalb nicht überraschend, dass jede Veränderung der anatomischenund biomechanischen Verhältnisse zu einer Beschleunigungdieses graduellen alterungsspezifischen Verschleißes führt. Da die untereExtremität unser Körpergewicht während unseres ganzen Lebens trägt, ist dasaxiale Alignment prognostisch wichtig im Hinblick auf die Belastungen,denen der Gelenkknorpel während des Gehens ausgesetzt ist. Alignmentsteht deshalb in vielen klinischen Situationen im Vordergrund, sei es bei derFrakturreposition, beim Kniegelenkersatz oder der Deformitätenkorrektur.Übereinstimmung herrscht darüber, dass die Ursache degenerativer Gelenkveränderungenmechanisch und nicht entzündlich bedingt ist. Der Begriffder degenerativen Arthritis im angloamerikanischen Schrifttum ist nichtkorrekt, weil die Entzündung das sekundäre Resultat darstellt und nicht dieprinzipielle Ursache. Arthrose ist deshalb der Begriff, der die degenerativenpathologischen Anomalitäten des Gelenkes beschreibt. Die einseitige Kniegelenksarthroseist häufig mit einer Fehlstellung verknüpft.Die Fehlstellung verändert die Stressbelastung der Gelenke der unterenExtremität, insbesondere des Kniegelenkes. <strong>Das</strong> Konzept einer Tragachseist nicht neu und wird <strong>als</strong> mechanische Achse bezeichnet. Die Tragachsebeinhaltet die Linie, welche vom Zentrum des Hüftkopfes zum Zentrumdes Sprunggelenkes verläuft und repräsentiert den Belastungsweg. Wenndie Belastungsachse medial oder lateral des Kniegelenkszentrumsverläuft, ändert dies den Hebelarm, der die Last vermehrt, die sichentweder medial oder lateral im Bereich des Kniegelenkes auswirkt. Pauwels(1885 – 1980) griff <strong>als</strong> erster das Konzept der mechanischen Achse auf(1935) und unterstrich die Bedeutung des Realignments, um die normaleKraftübertragung im Bereich des Kniegelenkes wieder herzustellen. Er war einerder ersten, der die Bedeutung der Biomechanik und deren Verhältnis zurchirurgischen Planung für die Korrektur einer Fehlstellung durch Osteotomie


118 119OSTEOTOMIE UND REORIENTIERUNGunterstrich. Maquet (1984) führte diese Ideen fort und konnte die Veränderungin der Stressbelastung bei simulierten Gelenken unter Benutzungdes polarisierten Lichts und fotoelastischer Modelle zeigen. <strong>Das</strong> Verhältnisvon Fehlstellung und folgender degenerativer Arthropathie scheint eindeutig.Wegen des langsamen Fortschritts der Erkrankung, der schlechten Toleranzdurch die Patienten und Behandlungsalternativen ist es schwierig, dienatürliche Entwicklung dieses Prozesses zu dokumentieren. Es besteht eineklare Korrelation zwischen persistierender Fehlstellung und einer späterendegenerativen Arthrose.Analyse der Fehlstellung an der unteren ExtremitätPosttraumatische Fehlstellungen sind überwiegend mehrdimensionaleFehlstellungen. Die Länge, Achse und Torsion des deformierten Beinsegmentsmuss deshalb vollständig analysiert werden. Berücksichtigt werdenmuss dabei immer, dass auf dem Röntgenbild ein dreidimensionaler Knochenauf einer Ebene mit Projektionsfehlern abgebildet wird. Die tatsächlicheDeformität ist meistens erheblich größer <strong>als</strong> in den Einzelprojektionen.Der genauen Kenntnis der Beingeometrie kommt deshalb eine entscheidendeBedeutung bei der Planung einer Korrekturoperation zu.Bei der klinischen Untersuchung kann die absolute Beinlängendifferenzmit der Brettchen- oder schneller der PALM-Methode bestimmt werden(Genauigkeit ±1,5cm). Bei letzterer handelt es sich um eine modifizierteBeckenwaage, die den Abstand und die Neigung der Beckenkämme misst.Mit Hilfe einer Tabelle kann die Beinlängendifferenz direkt abgelesen werden.Die Bestimmung der Beinlängendifferenz mit dem Maßband ist noch ungenauer.Wesentlich exakter ist die Bestimmung der relativen Beinlänge mitradiologischen Methoden. Bei der Orthoröntgenographie und der CT betragendie Richtigkeit ±3mm und die Wiederholbarkeit ±2mm. Somit sind auchhier Abweichungen von bis zu 5mm bei der Einzelmessung möglich. DieGenauigkeit der navigierten Ultraschallmessung (2.5D-Sonographie) liegt inder gleichen Größenordnung. Auch bei standardisierter Durchführung derTeleröntgenographie betragen die Richtigkeit und Wiederholbarkeit bei derBestimmung der Beinachse ±3°. Die Bestimmung der anatomischen Beinachsean langen Kniegelenksaufnahmen sollte wegen einer noch größerenUngenauigkeit nicht durchgeführt werden. Torsionswinkeldifferenzenkönnen klinisch nur im Bereich der Unterschenkel mit einer ausreichendenGenauigkeit (95% Fehler


120 121OSTEOTOMIE UND REORIENTIERUNGPhysiologisch misst die Kyphose im Bereich der Wirbelsäule zwischen20 und 50 Grad. Normalerweise liegt der Schwerpunkt beim Sitzen, Gehenund Stehen vor der Wirbelsäule, wodurch die anterioren Strukturen (Wirbelkörper,Bandscheiben) auf Druck und die posterioren Anteile (Rückenmuskulatur,Bänder) mehr auf Zug beansprucht werden. Eine mehr ventral oderdorsal gelegene Insuffizienz führt zu einer Zunahme der Kyphose, wodurchdie dorsalen ligamentären Anteile überlastet werden.Folgen der posttraumatischen KyphoseDie Folgen einer nicht verheilten oder in Fehlstellung verheilten Fraktur sindvielfältig:1. die aus der Kyphosierung resultierende Gelenkfehlstellung,2. die Elongation der Bänder,3. die Destruktion anatomischer Strukturen und4. die daraus resultierenden ossären Stenosen. Eine Anschluß-Segmentdegenerationkommt in über 1/3 der Fälle vor. So kann durch eine diskogeneInstabilität eine „Retrolisthese“, die vorzeitige Degeneration der Facettengelenkeund die kompensatorische Hyperlordose caudal bzw. Hypokyphosecranial zu Beschwerden führen. Neurologische Komplikationen könnendurch extra- und intradurale Narbenbildung oder durch die Stenose desSpinalkan<strong>als</strong> zu einer Myelopathie führen.TherapieHandelt es sich um eine in Fehlstellung verheilte Fraktur mit Einengung desSpinalkan<strong>als</strong>, wird von dorsal der Spinalkanal dekomprimiert, temporär winkelstabilvon dorsal stabilisiert. Anschließend erfolgt eine ventrale Dekompressionund das Einbringen eines Platzhalters (Knochenspan oder Cage).Diese Technik ist vor allem bei jungen Patienten mit guter Knochenqualitätund einer segmentalen Kyphose über 15° sinnvoll [29].Distaler RadiusBeschwerden nach einer distalen Radiusfraktur sind in den letzten Jahrenaufgrund der positiven Ergebnisse der winkelstabilen Plattenosteosynthesendeutlich zurückgegangen. Dennoch begegnen wir immer wieder Patientennach konservativer Behandlung oder K-Draht-Osteosynthese, die nacheiner distalen Radiusfraktur eine Fehlstellung aufweisen. In den meistenFällen, aber nicht immer, besteht eine Korrelation zwischen klinischem undradiologischem Befund. Hauptbeschwerden dieser Patienten sind Bewegungseinschränkungenim Handgelenk, Einschränkung der Unterarm-Drehbewegungen,Schmerzen, Minderung der groben Kraft und eine kosmetischauffällige Stellung des Handgelenkes. Der Hauptschmerzpunkt findet sich ulnocarpal,der durch das fast immer vorhandene posttraumatische Ulna-Impaktionssyndromzu erklären ist. Darüber hinaus beeinträchtigt der fehlverheilteRadius die Weichteile, insbesondere den N. medianus und die über ihn hinwegziehenden Sehnen. Die Dorsalkippung des Radius, gemeinsam mitder Verkürzung, bewirkt einen erheblichen Druckanstieg ulno-carpal. DieFehlstellung der Radiusgelenkfläche beeinflusst insbesondere die proximale,aber auch indirekt die distale Handwurzelreihe. Ursache ist die Verkippungdes Lunatums entsprechend der Fehlstellung des Radius nach dorsal. Umdie Neutr<strong>als</strong>tellung der Hand trotz der Verkippung von Radius und Lunatumzu ermöglichen, wird das Capitatum kompensatorisch flektiert, so dass imseitlichen Röntgenbild eine Z-förmige Deformität der Handwurzel resultiert.Radiologische BefundeIn der Entscheidungsfindung hinsichtlich der Korrektur kommt der Auswertungder Röntgenbilder eine entscheidende Bedeutung zu. Dabei sind injedem Fall Vergleichsaufnahmen der Gegenseite anzufertigen, um eineexakte Bestimmung der Fehlstellung im Hinblick auf die Ulna-Inklination,die dorsopalmare Neigung der Radiusgelenkfläche und die Verkürzung desRadius im Verhältnis zur Ulna zu gewinnen. In nahezu 50% der Fälle findetsich zusätzlich eine Rotationsfehlstellung des peripheren Radiusfragmentes.Überlappungen von Radius und Ulna im distalen Radio-Ulnar-Gelenkkönnen ein Hinweis auf derartige Rotationsfehlstellungen sein. Exakte


122 123OSTEOTOMIE UND REORIENTIERUNGDrehfehlerbestimmungen werden durch das Computertomogramm beiderHandgelenke erreicht. Weiterhin muss eine mögliche carpale Instabilitätpräoperativ dokumentiert werden.[19, 22]. Mögliche Nachteile sind dabei die Verlängerung des Abduktorenhebelarmsmit möglicher konsekutiver artikulärer Druckerhöhung sowie eineBeinverlängerung durch die Valgisierung.KorrektureingriffeMan kann insgesamt vier Arten von Korrektureingriffen unterscheiden [26]:1. Eingriffe zur Wiederherstellung der anatomischen Verhältnisse zwischendistalem Radius und distaler Ulna sowie dem Carpus durch Radiuskorrekturosteotomien.2. Eingriffe zur Verbesserung und Schmerzreduktion und Wiederherstellunganatomischer Verhältnisse durch Ulnakopf-Hemiresektions-Interpositionsarthroplastiknach Bowers, Arthrodese des distalen Radio-Ulna-Gelenkes mit gleichzeitiger Ellensegmentresektion nach Kapandji sowieder prothetische Ersatz des Ulnakopfes.3. Eingriffe mit dem alleinigen Ziel der Schmerzreduktion. Hier ist die Handgelenksdenervationzu nennen, deren Erfolgsaussichten präoperativdurch eine Probeblockade verifiziert werden müssen.4. Eine Kombination der unter 1 – 3 genannten Eingriffe.Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei der Rekonstruktion möglichstanatomische Verhältnisse erreicht werden sollten. Es gilt der Grundsatz:Je anatomischer das radiologische Ergebnis, desto besser das klinischeResultat.Proximales FemurEine häufige Indikation in diesem Bereich ist die valgisierende Osteotomiebei Schenkelh<strong>als</strong>pseudarthrose. Die Grundlage dieses Verfahrens geht aufdie Basis-Arbeiten von Pauwels [21, 22] und deren Standardisierung durchM.E. Müller zurück [19] und setzt eine detaillierte Operationsplanung voraus.Die Pauwelssche Umlagerungsosteotomie ist v.a. bei jüngeren Patientenmit vitalem Hüftkopf indiziert. Ziel ist die Re-Orientierung der Pseudarthrosenebenein eine mehr horizontale Lage (20-30°), um durch Umwandlungvon Scherkräften in Druckkräfte eine knöcherne Heilung zu erzielenDie typische präoperative Planung erfolgt schrittweise standardisiert [20]und ist in Abb. 1 dargestellt:1. Einzeichnen der Femurschaftachse und der Senkrechten dazu2. Ausmessen des Pseudarthrosewinkels (Winkel zwischen Pseudarthrosenebeneund Senkrechten zur Schaftachse)3. Festlegung des Umlagerungswinkels (= Pseudarthrosenwinkel – 25°, hier50°)4. Einzeichnen einer Senkrechten zur Schaftachse, die den AdamsschenBogen medial trifft5. Ausmessen der Dislokations-Länge des Hüftkopfes (d), die medial anLinie 4 eingezeichnet wird6. vom lateralen Endpunkt der Linie: Einzeichnen eines 30°-Winkels nachkaudal (Klingenplatte 120° bis Winkel 90°)7. vom lateralen Endpunkt der Linie: Einzeichnen eines 20°-Winkels nachkranial8. Planung des K-Drahtes kranial parallel zur Linie 7 im proximalenHüftkopfbereich9. Einzeichnen des Plattensitzinstruments parallel zu Linie 7 und 8,mindestens 15 mm proximal der Linie 710. Kontrolle des Umlagerungswinkels (= Winkel zwischen Platten- undFemurschaft)Dieses Verfahren ist in den letzten Jahren zunehmend publiziert worden[12, 18, 30]. Die Erfolgsrate liegt bei etwa 90% (Abb. 2). Neben der Stabilisierungvon Schenkelh<strong>als</strong>pseudarthrosen ist dieses Verfahren modifiziertauch für fehlverheilte per-/subtrochantäre Frakturen sowie Pseudarthrosenin diesem Bereich angegeben worden [2, 4, 5]. Gerade bei Varusfehlstellungenam proximalen Femur muss an eine Verlängerungsosteotomie zur Optimierungdes Abduktions-Hebelarms gedacht werden (Abb. 3).


124 125OSTEOTOMIE UND REORIENTIERUNGFrakturen bei KindernAm wachsenden Skelett ist die Korrektur von Achsabweichungen im Verlaufdes Wachstums in allen 3 Ebenen des Raumes möglich [9]. Bei den Seitverschiebungenerfolgt die Korrektur praktisch in allen Lokalisationen desSkeletts bis zu einem Alter von 10 – 12 Jahren. Eine Ausnahme bildetdas proximale Radiusende. Korrekturen in der Frontal- und Sagittalebenewerden durch endostalen An- und Abbau remodelliert. Parallel zu dieserKorrektur stellt sich die Epiphyse durch ungleichmäßiges Längenwachstumwieder senkrecht zur Belastungsebene ein. Bei unterschiedlicher Druckbelastungauf die Fuge antwortet diese auf der Seite des minderen Druckesdurch vermindertes Wachstum solange, bis die Fuge wieder gleichmäßigbelastet wird, sie <strong>als</strong>o wieder senkrecht zur Belastungsebene steht.Wegen der Beinlängendifferenz sollten an der unteren Extremität, wenn immermöglich, keine Achsabweichungen der Spontankorrektur durch weiteresWachstum überlassen werden, auch wenn sie zuverlässig korrigiert würden.An den oberen Extremitäten sind die Korrekturpotenzen besonders starkausgeprägt. Da hier geringgradige posttraumatische Längendifferenzenklinisch keine Rolle spielen, können zuverlässige Fehlstellungskorrektureneher mit in die Primärtherapie einbezogen werden.Korrektur des RotationsfehlersGrundsätzlich finden an allen Röhrenknochen im Verlauf des WachstumsTorsionsveränderungen statt. Im Rahmen solcher können sich posttraumatischeRotationsfehler spontan korrigieren. Dies spielt eine Rolle vorallem für die Rotationsfehler z.B. am Oberarm und am Oberschenkel, dieprimär klinisch nicht messbar, damit auch auf konservativem Wege nicht aktivtherapeutisch korrigierbar sind, die jedoch nach Heilung der Fraktur funktionellgut kompensiert werden. Rotationsfehler am Unterschenkel könnenprimär direkt klinisch beurteilt und damit auch aktiv korrigiert werden. Diesist umso wichtiger, <strong>als</strong> sie funktionell wegen der umgebenden Scharniergelenkenicht kompensiert werden können. <strong>Das</strong> gilt ebenso für den Vorderarm,die Finger und Zehen. Nachgewiesen wurden derartige sog. Spontankorrekturenvon Rotationsfehlern bislang nur am Oberarm und am Oberschenkel.EllenbogengelenkDie häufigste Deformität nach supracondylären Brüchen ist die kosmetischstörende Varusdeformität. <strong>Das</strong> wahre Ausmaß des Cubitus varus wird erstmit dem Freiwerden der Streckung des Ellenbogengelenks augenscheinlich.Die Ursache ist eine dreidimensionale Fehlstellung im Sinne eines Varus,einer Innenrotation und meist einer Hyperextension des distalen Fragmentes.Die verbleibende Antekurvationsstellung bewirkt eine mehr oder wenigerausgeprägte Beugehemmung. Selten kann es aufgrund der Fehlrotationzu einer Einschränkung der Rotationsbewegung des Unterarmes kommen.Vereinzelt werden <strong>als</strong> Komplikationen nach Cubitus varus späte Irritationendes N. ulnaris und sogar rezidivierende Radiusköpfchenluxationen beschrieben.Die Indikation zur Korrektur eines Cubitus varus richtet sich an ersterStelle nach den Funktionsstörungen des Gelenkes oder des N. ulnaris. Da inder Regel eine kosmetische Deformität im Vordergrund steht, richtet sichdie Indikation nach dem Leidensdruck des Kindes. Für eine frühe Korrektursprechen die in den ersten Wochen noch erkennbaren Fehlstellungskomponenten.Dagegen spricht, dass sehr junge Kinder in vielen Fällen die Entscheidungnicht eigenständig treffen können. Im Prinzip sind sich die meistenAutoren darüber einig, dass eine Korrektur aller drei Komponenten derDeformität nötig ist und daher nur mit einem dreidimensionalen beweglichenFixateur vorgenommen werden kann.Fehlverheilte FußfrakturenCalcaneusFehlverheilte intraartikuläre Fersenbeinfrakturen führen zu einer Inkongruenzdes Subtalargelenkes, einer Höhenminderung und Verkürzung der Rückfußessowie einer Verbreiterung der Ferse mit Rückfußvarus- oder -valgusfehlstellungsowie einer zusätzlichen inklinatorischen talometatarsalen Achse[31, 32]. Sie erzeugen eine schmerzhafte posttraumatische Arthrose imSubtalargelenk und/oder Calcaneo-Cuboidgelenk. Durch eine begleitendeVerkürzung des Hebelarmes der Achillessehne und ein calcaneo-fibularesAbutment, insbesondere bei in translatorischer Fehlstellung verheiltemTuberfragment, kann es zum Impingement der Perone<strong>als</strong>ehnen kommen,


126 127OSTEOTOMIE UND REORIENTIERUNGinsbesondere wenn ein zusätzliches laterales Bulge-Fragment vorliegt. Durchdas häufige Einsinken des Taluskörpers in den Calcaneus kommt es zurDorsalkippung des Taluskörpers im oberen Sprunggelenk mit permanenterEinstellung der breiteren Trochlea tali und einer damit verbundenenPräarthrose des oberen Sprunggelenkes mit frühen Zeichen eines tibio-talarenImpingements. Die wiederherstellende Operation muss daher neben dersubtalaren Fusion nicht nur die Reorientierung des Talus im Bezug zum oberenSprunggelenk und zum Talo-Naviculargelenk im Sinne der talo-metatarsalenAchse beinhalten, sondern auch die Fehlstellung des Calcaneus selbstin der Rückfußachse beseitigen, was bei translatorischer Fehlheilung in derRegel nur durch eine additive Osteotomie in dem Bereich der ehemaligenFrakturflächen über einen beidseitigen Zugang zum Calcaneus sichergestelltwerden kann.OperationstechnikBei gegebener Fehlverheilung ist prinzipiell ein operatives Vorgehen mit2 – 3 Zugängen erforderlich. Bei Fehlverheilung sollte grundsätzlich mitdem medialen Zugang begonnen werden, um den Ort der translatorischenFehlverheilung im 1. Schritt darzustellen. Im 2. Schritt wird über den lateralenZugang die fehlverheilte posteriore Facette unter dem Außenknöcheldargestellt sowie die Situation am Calcaneo-Cuboidgelenk exponiert. DieOsteotomie löst quasi die alte Fraktur wieder auf, um anschließend die translatorischeVerschiebung nach medial und plantar durchzuführen. Mit diesenkomplexen Osteotomien ist es möglich, über 70% gute und sehr gute Ergebnissezu erzielen.Lisfranc-GelenkFehlverheilte isolierte Lisfranc-Luxationsfrakturen führen zu einer lokalenFehlstellung auf Höhe des meist betroffenen 1. und 2. Mittelfuß-Strahlsund sind häufig mit einer Instabilität verbunden. Die pathologische Plantarflexiondes betroffenen Strahls führt zu einem erhöhten Druck unter dembetroffenen Mittelfußköpfchen mit Entstehung einer posttraumatischenMetatarsalgie. Eine Instabilität oder pathologische dorsale Extension des1. Strahls kann zu einer Überlastung der benachbarten Strahlen mit derEntwicklung einer Transfermetatarsalgie führen [28]. Fehlstellungen oderInstabilitäten in der Horizontalebene haben nicht selten eine Belastungsinsuffizienzund/oder sekundäre Zehendeformitäten zu Folge.DiagnostikDie Fehlstellung im Lisfranc-Gelenk wird röntgenologisch in dorso-plantarenund seitlichen Belastungsaufnahmen beider Füße im Seitenvergleicherfasst. Die talometatarsale Achse in der seitlichen Ansicht dient derDarstellung sagittaler Achsabweichungen (Pes planus, Pes cavus). Beikomplexen und mehrdimensionalen Fehlstellungen erleichtert ein CT mitkoronarer und axialer Rekonstruktion die Korrekturplanung.IndikationDie korrigierende Arthrodese des Lisfranc-Gelenkes ist indiziert bei schmerzhaftenFehlstellungen mit entsprechender Funktionseinschränkung, welcheauf konservative Maßnahmen wie Aktivitätsreduktion, Einlagen, Schmerzmedikationund Physiotherapie nicht ansprechen. Die Arthrodese sollteauf die betroffenen Gelenkabschnitte begrenzt werden. Insbesondere derErhalt der relativ hohen Beweglichkeit des 5. Strahls wird aus funktionellenGesichtspunkten angestrebt.TechnikDie Achsenkorrektur beginnt prinzipiell mit der Freilegung und Rekonstruktiondes 2. Strahls, welcher durch die Verzahnung zwischen Os cuneiformemediale und laterale die Funktion eines Schlusssteins der Lisfranc-Gelenkreiheinnehat. Gleichzeitig bildet er den Schlüssel zur Rekonstruktion dergesamten fehlverheilten Gelenkreihe. Nach Reorientierung der Lisfranc-Gelenkreiheund temporärer Fixation mit 2,0 mm Spickdrähten ist eine intraoperativeRöntgenkontrolle des Fußes in 3 Ebenen zur Verifizierung der achsenkorrektenAusrichtung des Vorfußes ratsam, da die Bildwandlerkontrolleimmer nur die Betrachtung eines kleines Abschnittes der talometatarsalenAchse erlaubt. Wenn auch die reorientierende Lisfranc-Arthrodese nach


128 129OSTEOTOMIE UND REORIENTIERUNGfehlverheilten Lisfranc-Luxationsfrakturen eine hochsignifikante Verbesserungder funktionellen Ergebnisse in der Lebensqualität der Patientenbewirkt, sind doch die Ergebnisse bei primär exakter Einstellung desLisfranc-Gelenkes mit anatomischer Rekonstruktion allen sekundärenVerfahren überlegen [28].Fehlstellungen des TalonavikulargelenkesPosttraumatische Arthrosen im Chopart-Gelenk finden sich bis in 70% nachChopart-Luxationsfrakturen. Nicht in allen Fällen sind diese jedoch symptomatisch.Die häufigste Ursache für posttraumatische Fehlstellungen imTalonavikulargelenk sind initial übersehene bzw. nicht adäquat stabilisierteVerletzungen des Chopartschen Gelenkkomplexes [27, 32]. Chopart-Luxationsfrakturensind, aufgrund ihrer variablen Klinik, der relativ geringenInzidenz und der Unkenntnis der exakten radiologischen Projektionen dieam häufigsten übersehenen Verletzungen.IndikationenNach fehlverheilten Chopart-Luxationsfrakturen oder abgelaufener avasculärerNekrose des Os naviculare oder des Taluskopfes finden sich regelmäßigknöcherne Fehlstellungen mit einer Verkürzung der medialen Fußsäule.Daraus resultiert eine Adduktionsfehlstellung des Vorfußes. Meist bestehtzusätzlich eine sagittale Achsenabweichung im Sinne eines Pes cavus.Wichtig ist die Achsenkorrektur der medialen Säule auch nach Kollaps desFußlängsgewölbes durch ein weit nach lateral luxiertes Fragment des Osnaviculare oder eines knöchernen Ausrisses der Tibialis-posterior-Sehneaus der Tuberositas, was zwangsläufig zu einer Protrusion des Taluskopfesnach plantar und medial führt und hier einen posttraumatischen Pes planusbedingt. Diese biomechanisch ungünstigen Bedingungen erfordern einekorrigierende talonavikulare Arthrodese mit Einbringen eines oder zweierentsprechend konfigurierter trikortikaler Beckenkammspäne. Die Ergebnisseder talonavicularen Arthrodese führen bei isolierter Arthrose des Talonaviculargelenkeszu einer reproduzierbaren Schmerzreduktion mit einersubjektiven Patientenzufriedenheit zwischen 86 und 100% nach einemmittleren Beobachtungszeitraum von 1 – 11 Jahren [27]. Erwartungsgemäßklagen viele Patienten jedoch über eine eingeschränkte Rückfußbeweglichkeitmit Schwierigkeiten beim Gehen auf unebenem Gelände. DerAusfall der essentiellen Funktion des Talonaviculargelenkes führt zu einerBelastung der benachbarten Gelenke im Triplegelenkkomplex. So ist es nichtverwunderlich, dass verschiedene Autoren in etwa 1/3 der Fälle neu aufgetreteneAnschlussarthrosen im Subtalar- und Calcaneokuboidgelenkbeobachteten. Allerdings treten Anschlussarthrosen nach längerem Beobachtungszeitraumnicht zwangsläufig auf, da sich im Naviculo-Cuneiforme-Gelenkeine kompensatorische Hypermobilität entwickelt und somitgewissermaßen eine neue Fortsetzung der Chopart-Gelenklinie nach medialausbildet.BeckenringKorrekturbedürftige Deformitäten des knöchernen Beckens entstehen dankzunehmender, bereits primär operativer Stabilisierung selten [23]. Beieinheitlicher Indikationsstellung treten derartige Probleme nur in Einzelfällenauf. In der Multicenterstudie Becken I wurde keine Pseudarthrosegefunden, Fehlstellungen des dorsalen Beckenringes >5 mm wurden nachtranslationsinstabilen Beckenringverletzungen in


130 131OSTEOTOMIE UND REORIENTIERUNGDie radiologische Analyse erfolgt zunächst anhand der Beckenübersichtsaufnahme.Diese gibt orientierend die Fehlstellung wieder. Auf Schrägaufnahmenkann bei guten multiplanaren Reformationen im CT verzichtetwerden. Die hochauflösende Computertomographie (Spiral-CT mit multiplanarenReformationen und 3-D-Darstellungen) dient der Qualifizierung vonRotations- und Translationsdeformitäten und dem Erkennen von Zusatzproblemenwie heterotopen Ossifikationen mit Nervenkompressionen.Zusätzlich kann ggf. die unverletzte Beckenhälfte auf die verletzte projiziertund so ebenfalls die Fehlstellung analysiert werden. Ggf. ist vor der endgültigenOperationsindikation eine „Probekorrektur“ am Modell vorzunehmen.IndikationenKorrekturbedürftige Fehlstellungen liegen bei Beinlängendifferenzen ≥2 cm,der damit verbundenen „sitting imbalance“ und entsprechender klinischerSymptomatik vor [13, 16, 17, 23].Vorliegen von Translations- und Innenrotationsfehlstellungen ist meist eineMobilisierung der Beckenbodenbänder nötig, ggf. müssen diese komplettsakrumnah von dorsal durchtrennt werden. Bei dorsalen Fehlstellungenerfolgt die primäre Operationssequenz in Bauchlage: Dissektion der Beckenbodenbänder,dorsale Sakrumosteotomie. Im zweiten Schritt wird diesein Rückenlage vervollständigt und die Korrektur am vorderen Beckenringvorgenommen. Die weitere Fixation am dorsalen Beckenring erfolgt dannwieder in Bauchlage. Diese Sequenz muss individuell geplant werden undkann erheblich abweichen. Es werden dafür alle in der Beckenchirurgiebewährten Zugänge angewandt. Die intraoperative Repositionskontrolle istschwierig, an die intraoperative Durchführung einer CT oder eine 3D-Bildverstärker-Darstellungmuss gedacht werden. Die beste Prävention einerposttraumatischen Beckenringdeformität ist aber unverändert die adäquatePrimärtherapie mittels eines stabilitäts-basierten Osteosyntheseskonzeptesmit standardisierten Indikationsstellungen und Operationstechniken.Operationsplanung und TechnikenPseudarthrosen: Symptomatische Pseudarthrosen finden sich im Bereichdes Sakrums, ggf. kombiniert mit transpubischen Pseudarthrosen.Primäres Ziel ist die knöcherne Heilung. Eine Stabilisierung des Sakrums insitu ggf. mit einer Stabilisierung des vorderen Beckenringes ist ausreichend.Eine Spaninterposition erfolgt am Sakrum bevorzugt von dorsal, am vorderenBeckenring über den ilioinguinalen Zugang oder den Stoppa-Zugang.Fehlstellungen: Die Planung und Operationstechnik ist hier ausgedehnter.Nicht alle Korrekturen können typischerweise über einen Zugang durchgeführtwerden, intraoperative Umlagerungen sind häufig notwendig. Die Korrektursollte idealerweise fehlstellungsnah erfolgen, um sekundäre Deformitätenzu vermeiden und einen ausreichenden Knochenkontakt zu ermöglichen.Die anatomische Lage von Nerven des Plexus lumbosacralis ist dabeizu berücksichtigen. Bei Fehlstellungen >3 cm muss mit Traktionsschädendes Plexus lumbosacralis gerechnet werden, insbesondere wenn die Nervenwurzelnvon heterotopen Ossifikationen oder Vernarbungen umgebensind. Eine präoperative MRT-Untersuchung kann hier Hinweise geben. BeiResuméeDie Osteotomie zählt zu den ältesten wiederherstellungschirurgischenEingriffen. Ihr Indikationsprinzip ist die Wiederherstellung achsengerechteranatomischer Verhältnisse oder die Neubildung solcher mit dem Ziel normalerGelenkbeanspruchung sowie der Ausschaltung schädlicher Belastungseinflüsseauf einzelne Gelenke oder ganze Gelenkketten. Die Einführungvon Osteosyntheseinstrumentarien sowie die Erkenntnisse der Biomechanikhaben den historischen Verfahren viele weitere Anwendungsmöglichkeitenerschlossen. Der erhöhte chirurgische Aufwand findet seine Rechtfertigungin der Aussicht auf dauerhaft gute Ergebnisse und den dadurch erreichtenWegfall von meist schweren und in der Regel lebenslänglich fortschreitendenund behandlungsbedürftigen Gelenkerkrankungen. Osteotomien vereinen insich somit Therapie und Prävention.


132 133VOM ERSATZ DES HÜFTKOPFES BIS ZUM KÜNSTLICHEN MONDBEINP. KirschnerEin Flug zum Mond ist weit, er setzt große naturwissenschaftliche und technischeKenntnisse voraus, bedarf einer exakten Planung und Konstruktionstechnologieund schließlich einer gewissenhaften Durchführung. Die„Reise“ vom Ersatz des Hüfkopfes zum künstlichen Mondbein fand letztendlichunter gleichen Bedingungen statt.Die Entwicklung der modernen Endoprothetik in Deutschland ist nichtunwesentlich von der <strong>Unfallchirurgie</strong> mitgeprägt worden. Dafür gab esmehrere Gründe. Die 1958 in der Schweiz entstandene Arbeitsgemeinschaftfür Osteosynthesefragen (AO) befasste sich systematisch mit derEntwicklung neuer Implantate, Instrumente und Operations-Techniken zurKnochenbruchbehandlung (2) und dabei auch mit der Endoprothesenentwicklungnach den Erkenntnissen von Thompson, Moore und insbesondereJ. Charnley. Dies ist besonders den schweizerischen AO-MitbegründernM.E. Müller, B.G. Weber und R. Schneider zu verdanken, die sich mit derHüftchirurgie schwerpunktmäßig beschäftigten und auch mit Charnley inKontakt standen (Abb.1). Mit Verbreitung der AO Instrumente und Implantatehielt die Methode der Alloarthroplastik des Hüftkopfes mittels einerneuen, gestielten metallischen Kopfprothese Einzug auch in viele deutscheChirurgische Kliniken.Prof. Dr. med. Peter Kirschnerem. Chefarzt der Klinik für Unfall- und WiederherstellungschirurgieKatholisches Klinikum MainzAm Fort Weisenau 755130 MainzDie Vorteile operativer Versorgung der Schenkelh<strong>als</strong>brüche waren bereitsseit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts unbestritten. Diehohe Rate an Pseudarthrosen und Hüftkopfnekrosen nach Osteosynthesenmit den verfügbaren Implantaten, speziell den Schenkelh<strong>als</strong>nägeln, ließ <strong>als</strong>Alternative den Ersatz des frakturierten Hüftkopfes mit einer metallischenKopfprothese durchaus zu, insbesondere nachdem mit dem Knochenzementeine stabile Primärverankerung möglich geworden war. Damit stand denUnfallchirurgen eine neue Form der Behandlung der Schenkelh<strong>als</strong>frakturzur Verfügung. Die Implantation metallischer Hüftkopfprothesen und ihrestabile Verankerung mit Methylacrylat zeigten schnell, dass alte Patientendeutlich früher mobilisierbar waren und problemloser belasten konnten<strong>als</strong> nach einer Nagelung mit Kopferhalt. Natürlich gebot die gewissenhafte


134 135VOM ERSATZ DES HÜFTKOPFES BIS ZUM KÜNSTLICHEN MONDBEINErgebnisse Schenkelh<strong>als</strong>frakturen versorgt mit HüftkopfprothesenNachbehandlung:Bettruhe 21 Tage,danach Teilbelastung 21 Tage;Stationärer Aufenthaltca. 6 WochenNachbehandlung:Bettruhe 1-2 Tage,Teilbelastung max. 6 Tage;Stationärer Aufenthaltmax. 10 TageTabelle I: Ergebnisse nach Nigst, Chirurgische Frakturen- und Operationslehre Band III, 1953 und BQS Report 2008Abb.1 / M.E. Müller u. J. Charnley 1964,Pioniere der Hüftendoprothetik in EuropaAbb. 2 / Original Prospekt mit Operationsanleitungzur Implantation einer zementiertenCharnley Müller Prothese 1969Indikation das Verfahren vornehmlich bei alten Patienten anzuwenden. Da dieüberwiegende und nicht geringe Zahl an Patienten mit Schenkelh<strong>als</strong>frakturenin chirurgischen Kliniken zur Behandlung kamen, verbreitete sich dieneue Methode des Hüftgelenkersatzes sehr schnell. Nun wurden erklärlichanfangs nicht nur gute Resultate erzielt, man bewegte sich auf Neuland undmusste lernen, mit den damit verbundenen Komplikationen wie Gelenkluxationoder gar tiefer Infektion umzugehen. Dennoch erkannte man rasch dieVorteile, aber auch die Grenzen der neuen Methode.Nachdem sich gezeigt hatte, dass beim alten Patienten bei Ersatz des Hüftkopfesmit dem metallischen Implantat bei einer gleichzeitig bestehendenCoxarthrose regelmäßig eine Protrusion auftrat, ging man differenziert auchzum Ersatz der Hüftpfanne bei solchen Fällen über, wie es J. Charnley mitseinen Untersuchungen und Erkenntnissen der Gleit-Reibungseigenschaftendes künstlichen Gelenks <strong>als</strong> „low friction“-Prinzip beschrieben hatte.M.E. Müller und B.G. Weber verbesserten ihre Endoprothesen durch gleichzeitigen,totalen Ersatz der Hüfte mittels einer Pfanne aus Polyethylen odereiner dünnen Metallschale, die ebenfalls einzementiert wurden (Abb.2).Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war in vielen größerenChirurgischen Kliniken der Hüftgelenkersatz bei Frakturen und auchVerschleißerkrankungen und posttraumatischen Folgezuständen eine neueund zunehmend durchgeführte Operation. Dies kam besonders zum Ausdruck,indem sich in der Folgezeit Zentren mit angesehenen Operateurenetablierten, in denen der Hüftgelenkersatz ein routinemäßiges Operationsverfahrengeworden war. Der steigende Zustrom von Patienten, diewegen einer Coxarthrose ein neues Hüftgelenk verlangten, entwickelte sich indiesen Kliniken schnell zu einer schwerpunktmäßigen Behandlungsmethode.Hierseien beispielhaft die Chirurgen <strong>Buch</strong>holz in Hamburg, Beck inErlangen, Lechner in Garmisch und später auch Weller in Tübingen genannt.Sie entwickelten zusammen mit verschiedenen Implantatherstellern nachdem Charnley-Müller Konzept eigene Prothesen mit heute noch anerkanntenErgebnissen.Ein weiterer Umstand für die zunehmende endoprothetische Versorgungin Chirurgisch-Unfallchirurgischen Abteilungen großer Kliniken der späten60er und anfangs der 70er Jahre waren die sehr unterschiedlichen Strukturender Orthopädischen Kliniken dieser Zeit. Zahlreiche Orthopädien warenschwerpunktmäßig noch konservativ ausgerichtet. Auch war in vielenUniversitätskliniken die Orthopädie noch in die Chirurgie eingegliedert. In denUniversitätsneugründungen, wie in Hannover (1969) oder Ulm (1970) mitden ersten Lehrstühlen für <strong>Unfallchirurgie</strong>, wurde die operative Orthopädiezunächst von diesen mit vertreten. Große operativ tätige Klinikenhaben schon von Beginn an Hüftgelenkersatz mitentwickelt und auch


136 137VOM ERSATZ DES HÜFTKOPFES BIS ZUM KÜNSTLICHEN MONDBEINdurchgeführt, oft noch nach der Methode von Judet. Daraus resultierteein gewisses verhaltenes Herangehen an den modernen Hüftgelenkersatz,geprägt durch die nicht überzeugenden Ergebnisse mit Acrylprothesen wieder Judet-Kappe oder der Kopf-H<strong>als</strong>-Prothese von Lange/Rettig.Sowohl in orthopädischen Lehrbüchern wie beispielhaft bei Pitzen-Lindemann(1963) (1) ist im Kapitel über die Arthrosis deformans, Arthropathiadeformans zu lesen: „starke Veränderungen an den Knochenanteilen der Gelenkekönnen, insbesondere bei jungen Menschen, die Anzeige für die blutige Mobilisierungoder für das Einsetzen eines Acrylkopfes im Hüftgelenk sein.“Und auch in der chirurgischen Frakturen- und Luxationslehre von Nigst 1963(3) steht: „Die Anwendung von Hüftprothesen bei frischen Schenkelh<strong>als</strong>frakturen istkeine allgemein anerkannte Behandlungsmethode“. Während sich <strong>als</strong>o der moderneHüftgelenkersatz nach Charnley <strong>als</strong> Behandlungsmethode bereits verbreitet,wird hier die Methode noch mit größter Zurückhaltung bewertet.Eine klare Einstellung bezieht erstm<strong>als</strong> die AO in ihrem ersten Manual imJahre 1964. Darin wird unumwunden der operative Gelenkersatz mit einermetallischen Kopfprothese bei der medialen Schenkelh<strong>als</strong>fraktur vomTyp Pauwels III bei Patienten über 70 Jahre <strong>als</strong> überlegene Methode derkopferhaltenden Operation vorgezogen. (4) Dargestellt wird das Verfahrenim Röntgenbild mit einer Moore-Prothese, die mit Knochenzement im Femurknochenbefestigt ist.Auch in der Universitätsklinik Mainz war die Endoprothesenchirurgie mit derEntwicklung innerhalb der <strong>Unfallchirurgie</strong> in ein eigenständiges Fach Teileiner Erweiterung des operativen Feldes. 1963 war der Lehrstuhl für Chirurgiemit dem Freiburger Krauss-Schüler F. Kümmerle neu besetzt worden.Er gliederte die Chirurgische Klinik in mehrere Bereiche, bestehend ausAllgemein- und Visceralchirurgie, Herz- und Thoraxchirurgie, Unfall- undorthopädische Chirurgie sowie Hand- und Rheumachirurgie. Eine selbständigeOrthopädie gab es zunächst nicht, sie wurde zusammen mit der<strong>Unfallchirurgie</strong> gelehrt und klinisch vertreten. Bereits 1965 hielten die Moore-Prothesen damit Einzug in die Chirurgische Klinik, die ersten Schenkelh<strong>als</strong>frakturenwurden mit der Hüftkopfprothese versorgt. Der enge Kontakt desLeiters der <strong>Unfallchirurgie</strong> C.H. Schweikert mit der AO, <strong>als</strong>o mit den SchweizerKollegen, führte zu einem regen kollegialen Erfahrungsaustausch.Dieser bestand auch darin, dass R. Schneider regelmäßig nach Mainz kamund <strong>als</strong> „Instruktor“ in der Klinik die Technik der Müller-Charnley-Protheseweitergab. Er erhielt einige Jahre später auf Grund dieser Unterstützung,anlässlich der 500 Jahrfeier, von der Johannes-Gutenberg-Universität eineEhrenprofessur verliehen. Die Hüftendoprothesenimplantation entwickeltesich in kurzer Zeit zu einem erfolgreichen Routineeingriff, dem immer mehrPatienten Vertrauen entgegen brachten. Ende 1970 waren bereits 400 Totalendoprothesennach Charnley-Müller implantiert worden.Als 1969 ein eigener Lehrstuhl für Orthopädie in Mainz eingerichtet wurdeund mit einem Gründungsmitglied der Schweizer AO, F. Brussatis,besetzt worden war, entsprachen die Operationsanforderungen in der altenChirurgischen Klinik, die zu einer Orthopädischen Klinik umgewidmetwurde, in keiner Weise mehr den Anforderungen der strengen Hygienevorkehrungenbei orthopädischen Operationen. Der modernisierende Ausbauder Orthopädie dauerte daher zwei weitere Jahre, erst 1971 konnte derOperationsbetrieb für orthopädische Eingriffe an Extremitäten und Wirbelsäulefachgerecht aufgenommen werden.Im gleichen Jahr wurde hier auch der neue Lehrstuhl für <strong>Unfallchirurgie</strong>,nach Hannover (1969) und Ulm (1970) der dritte in Deutschland, eingerichtet.C.H. Schweikert <strong>als</strong> neuer Direktor der Unfallchirurgischen Klinik und dieOberärzte R. Rahmanzadeh, der später den Lehrstuhl am Klinikum Steglitzin Berlin übernahm, und G. Ritter, später Nachfolger von C.H. Schweikert,waren bereits erfahrene und bekannte Hüftchirurgen und betrieben mittlerweileauch die Knieendoprothetik, da insbesondere bei Rheumakranken diebis dato häufig durchgeführte Synovektomie meist keine länger anhaltendenErfolge erzielte.


138 139VOM ERSATZ DES HÜFTKOPFES BIS ZUM KÜNSTLICHEN MONDBEINDa der Kniegelenkersatz in der Versorgung frischer Frakturen nicht diegleiche Bedeutung aufbringt, wie das am Hüftgelenk der Fall ist, wurden diewichtigen Erfahrungen bei dieser Endoprothesenform überwiegend an großenOrthopädischen Kliniken gesammelt. Während sich der Oberflächenersatzam Hüftgelenk nicht bewährte, zeigte er, bedingt durch die Kinematik,am Knie seine Überlegenheit gegenüber den vorher verwendeten Scharniergelenkenund leitete damit einen weiteren erfolgreichen Gelenkersatz ein.In der <strong>Unfallchirurgie</strong> weitete sich mit wachsender Erfahrung die Indikationaus, Trümmerfrakturen verschiedener Gelenke primär oder nach misslungenerHeilung durch eine Alloarthroplastik zu ersetzen. C. Burri in Ulmbegründete einen Workshop, zu dem Experten aus <strong>Unfallchirurgie</strong> undOrthopädie, Werkstoffkunde und Konstruktion Expertisen zu verfügbarenEntwicklungen und Behandlungsverfahren eines abgegrenzten traumatologischenTeilgebietes abgaben. 1977 befasste sich der mittlerweilevielbeachtete Reisensburger Workshop mit der Thematik „Prothesen undAlternativen am Arm“ (5). Der Stand des Wissens zum Gelenkersatz amSchultergelenk, am Ellenbogen und an der Hand wurde zusammengestelltund die Ergebnisse mit denen alternativer Methoden wie Alloplastiken oderArthrodesen abgewogen. Die gesammelten Ergebnisse und Erfahrungender Spezialisten wurden veröffentlicht in Form von Empfehlungen und anunfallchirurgisch tätige Ärzte <strong>als</strong> Hilfe für die Bewältigung täglicher Problemeweitergegeben.Auch M.E. Müller veröffentlichte 1979 eine Zusammenstellung des operativenGelenkersatzes <strong>als</strong> „Orientierung für den Allgemeinpraktiker“ (6). Inkurzer, übersichtlicher und verständlicher Form wurde von erfahrenenOrthopäden und Unfallchirurgen der Stand der Erkenntnisse beim künstlichenGelenkersatz an Hüfte, Knie, Fuß, Schulter, Ellenbogen, Hand undFingergelenken zusammengestellt und kritisch bewertet, um Patienten Chancenund Risiken der Methoden zu vermitteln.implantation geschaffen worden. Erkenntnisse bezüglich Materialeigenschaften,Design und Oberflächenbeschaffenheiten offenbarten die biologischeEinheilung der Implantate in den Knochen. BiomechanischeErkenntnisse bezüglich der Implantatbelastung und die radiologischenZeichen einer Einheilung machten Mut für viele neue Entwicklungen anverschiedenen Gelenken. Für die <strong>Unfallchirurgie</strong> wurden die Schulterprothesenzur Frakturversorgung der Mehrfragmentbrüche des Humeruskopfesund die Sprunggelenkprothesen <strong>als</strong> Alternative zur posttraumatischenArthrodese neue wichtige Behandlungsoptionen. Selbst der Schaden amMondbein nach perilunärer Luxation oder posttraumatischer Malazienach Handgelenktrümmerfrakturen lässt hin und wieder die Entscheidungreifen, die anhaltenden Schmerzen und den Funktionsverlust mit einemSilikon-Platzhalter oder gar einer der neuen Handgelenksprothesen zubeseitigen.Die Entwicklung des Gelenkersatzes hat mannigfache unterschiedlicheWege beschritten und viele verschiedene Disziplinen zusammenführenmüssen, um sich zu diesem erfolgreichen Behandlungsverfahren fürMenschen mit Gelenkproblemen zu entwickeln. An Hüfte und Knie wird esheute <strong>als</strong> erfolgreichstes Operationsverfahren überhaupt angesehen.Der <strong>Unfallchirurgie</strong> ist dabei immer der Part zugefallen, mit diesen Möglichkeitendie traumatische Gelenkzerstörung zu beheben und den Patienteneine weitgehend normale Funktion ihrer Bewegung wiederzugeben. Dies hatmittlerweile besonders am Hüftgelenk und an der Schulter, aber auch anEllenbogen- und Sprunggelenk die Ergebnisqualität auf ein hohes Niveaugebracht. Und so lässt sich heute auch das Mondbein durch einen künstlichenPlatzhalter ersetzen. Der weite Weg vom Ersatz des Hüftkopfes biszu den Erfolgen auch an kleinen Gelenken ist in den letzten 60 Jahrenwesentlich von den Unfallchirurgen mitbestritten worden, er lässt sich ausdem Repertoire wiederherstellender Operationen nicht mehr wegdenken.In den 80er Jahren waren die Voraussetzungen für die zementfreie Gelenk-Die Vervollständigung und Verfeinerung der alloplastischen Verfahren


140 141VOM ERSATZ DES HÜFTKOPFES BIS ZUM KÜNSTLICHEN MONDBEINbedarf auch weiterhin des Zusammenspiels zwischen operativen Disziplinenund Ingenieurswissen, zwischen Unfall- und Orthopädischen Chirurgen undideenreichen Entwicklern.Ein vielversprechender Weg ist dabei schon 1994 von Unfallchirurgen undOrthopäden bei der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik (AE)eingeschlagen worden. Bevor es den gemeinsamen Facharzt Orthopädie und<strong>Unfallchirurgie</strong> gab, haben sich Ärzte beider Fachrichtungen, aber gemeinsamerInteressen, zusammengetan, um zum Thema Endoprothetik Grundlagenund Fachwissen in Kursen, wissenschaftlichen Veranstaltungen undeinem neuen Handbuch intensiv zu vermitteln. Die Entwicklung des Gelenkersatzesist ein wichtiger Meilenstein, indem die Implantation künstlicherGelenke die beiden Fächer Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> zusammengeführthat zu einem gemeinsamen Facharzt und zu hoffentlich weitererinteressanter und erfolgreicher Zusammenarbeit.


142 143VOM WEBER-BOCK ZU ESINW. SchlickeweiD. SommerfeldtDie Behandlung von Frakturen im Wachstumsalter, vor allem bei Schaftfrakturen,war über Jahrhunderte eine Domäne der konservativen Behandlung.Die kurze Knochenbruchheilungszeit, das zu erwartende Remodelling vonleichten Achsabweichungen durch das weitere Wachstum mit entsprechendemAusgleich der vorübergehend eingetretenen Fehlstellung sowie die stetsbehauptete gute Akzeptanz einer Gipsruhigstellung bei Kindern warenArgumente, diesen Behandlungsweg einzuschlagen und auch dann nochweiterzuverfolgen, <strong>als</strong> in der Erwachsenentraumatologie schon die Ära deroffenen Reposition und internen Fixation (ORIF) begonnen hatte. So enthieltennoch ausführliche Lehrbücher zur Behandlung von Frakturen in den70er Jahren des letzten Jahrhunderts nur kurze Anmerkungen und wenigeSeiten zum Behandlungskonzept der Frakturen im Kindesalter, während dieOsteosyntheseverfahren bei Erwachsenen ausführlich diskutiert wurden.Prof. Dr. med. Wolfgang SchlickeweiChefarzt der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie / KindertraumatologieRegionalverbund kirchlicher Krankenhäuser RkKSt. JosefskrankenhausSautierstr. 179104 FreiburgPD Dr. med. Dirk W. Sommerfeldt, MME(Bern)Leitender Arzt der Abt. für Kinder- und JugendtraumatologieLeiter der Sektion Kindertraumatologie der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> e.V.Altonaer Kinderkrankenhaus gGmbHBleickenallee 3822763 HamburgFast unbemerkt hat sich in den letzten 20 Jahren ein Paradigmenwechselbei der Versorgung von Frakturen im Kindesalter ergeben. Vor allem dieEtablierung der intramedullären Markraumschienung mit elastischen Titannägeln(ESIN), die die Stabilisierung von Schaftfrakturen ohne zusätzlicheLäsion der Wachstumsfugen erlaubt, hat zu dieser Änderung im therapeutischenDenken bei der Behandlung von Schaftfrakturen im Wachstumsaltergeführt. Aber auch die Verfeinerung der Operationstechniken bei der Versorgunggelenknaher Frakturen und Verletzungen der Wachstumsfugen hatteeine höhere Akzeptanz von Osteosyntheseverfahren beim Kind zur Folge.Während bei Wachstumsfugenverletzungen mit Schädigung der Epiphyse(Typ AITKEN II, beziehungsweise AITKEN III nach der Klassifikation derWachstumsfugenverletzungen), entsprechend den Behandlungskonzeptender Gelenkverletzungen im Erwachsenenalter, die anatomische Repositionund Stabilisierung mit minimalinvasiven Osteosyntheseverfahren (in derRegel Bohrdraht- oder Schraubenosteosynthese) schon lange <strong>als</strong> etabliertesVerfahren gilt (Abb. 1 a-d), stand bei den Frakturen der langen Röhrenknochen(zum Beispiel Unterarmschaftfrakturen oder Oberschenkelfrakturen)


144 145VOM WEBER-BOCK ZU ESINAbb. 1 a-d: / RöSerie GelenkfrakturAbb. 1 a Abb. 1 b Abb. 1 c Abb. 1 ddie konservative Behandlung im Gipsverband im Vordergrund. Darüber hinauswar noch vor wenigen Jahren in vorformulierten Operationsaufklärungsformularenzu lesen, dass „das Risiko einer Wundinfektion bei Kindernerhöht“ sei. Konservative Verfahren (wie der Beckenbeingips oder auch dervon B.G. Weber in St. Gallen entwickelte so genannte Weber-Bock) warenein Behandlungsstandard, der noch bis in die 80er Jahre <strong>als</strong> Standard angesehenwurde (Abb. 2 und 3) und nicht zuletzt auch zu langen stationärenAufenthalten führte (Rang, Weber et al).die aber zusätzliche Schäden im Bereich der Wachstumsfuge vermeidet(Dietz et al). Diese Methoden sind inzwischen so bewährt und weiterentwickelt,dass zum einen die bislang propagierte konservative Behandlung,zum anderen auch die operative Versorgung von Schaftfrakturen bei Kindernmit Plattenosteosynthese oder Fixateur externe nur noch <strong>als</strong> Sonderindikationanzusehen ist. Nicht zuletzt haben die Einführung dieser Systeme überdie AO und die Durchführung von speziellen Operationskursen der AO fürKinderfrakturen (seit 2003) die Qualität der Versorgung weiter verbessert.Vor ca. 25 Jahren wurde in der Kinderchirurgischen Universitätsklinik Nancyunter Leitung von Prévot vor allem durch seinen Mitarbeiter Metaizeauein erstm<strong>als</strong> in Rumänien beschriebenes Operationsverfahren weiterentwickelt und in die Behandlung von Schaftfrakturen im Wachstumsaltereingeführt. Elastische Markraumnägel aus Stahl oder Titan mit einemDurchmesser von 2 bis 4 mm (je nach Markraumgröße) werden immetaphysären Bereich in die Markhöhle eingebracht und positioniert(Abb. 4 a-c). Die Schaftfrakturen werden stabilisiert durch die Aufspannungim intramedullären Raum über eine so genannte 3-Punkt-Abstützung(an der Eintrittsstelle, auf Höhe der Frakturzone und in der metaphysärenZone am anderen Ende des Knochens). Hierdurch kann miteinem komplikationsarmen Verfahren eine intramedulläre Schienung,ähnlich der Markraumnagelung beim Erwachsenen, durchgeführt werden,Plattenosteosynthesen, die noch bis in die 90er Jahre bei Kindern <strong>als</strong> Standardverfahrenpropagiert wurden, sind wegen ihrer höheren Komplikationsrate<strong>als</strong> invasives Verfahren und der Notwendigkeit der Metallentfernung,verbunden mit größerer Narbenbildung, <strong>als</strong> primäres Osteosyntheseverfahrenmittlerweile weitgehend obsolet. Darüber hinaus hat sich bei derVersorgung von Frakturen im Kindesalter nach aktuellem Standard dieMaxime bewährt, dass in einem Behandlungsschritt die definitive Versorgungerreicht werden sollte (von Laer et al). Wiederholte Repositionen und auchKeilungen des Gipsverbandes, die zu einer erneuten Manipulation amKnochen und somit Stimulation der Durchblutung und zu konsekutivenWachstumsstörungen führen können, sind zu vermeiden.Dadurch konnte der stationäre Aufenthalt der Kinder, die, wenn eine


146 147VOM WEBER-BOCK ZU ESINAbb. 4 aAbb. 4 bAbb. 4 cAbb. 4 a-c / RöSerie TEN am OberschenkelAbb. 2 / Weber-Tisch (auch „Weber-Bock“)Abb. 3 / (aus Weber 1974): Häufi gkeit deroperativen Indikation nach Lokalisation um 1975stationäre Behandlung notwendig ist, möglichst in einer kindgerechtenUmgebung untergebracht werden sollten, erheblich gesenkt werden. DieAufenthaltsdauer liegt heute nach Osteosynthesen bei Kindern in der Regelbei 2-4 Tagen.Die Umsetzung des Konzeptes, die definitive Versorgung in einemBehandlungsschritt zu erreichen, bedeutet, dass stabile Frakturen primär soruhiggestellt werden, dass eine erneute Maßnahme nicht mehr erforderlichist. Wenn bei Reposition keine ausreichende Stabilität erreicht werden kann,wird gegebenenfalls in gleicher Narkose unmittelbar zum Methodenwechselauf ein operatives Verfahren entschieden, um so zur definitiven Versorgungzu kommen.Bei instabilen Frakturen, d.h. vor allem Frakturen, die im Gipsverbandnicht ausreichend retiniert werden können, wird primär zur operativenVersorgung entschieden. Im besonderen Maße hat sich hier dasKonzept bei Schaftfrakturen geändert; so wurde nach dem Konsensus derSektion Kindertraumatologie der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong>für die Behandlung von Oberschenkelfrakturen festgelegt, dass alle Frakturenbei Kindern über 3 Jahre regelhaft operativ mit dem Verfahren derintramedullären Osteosynthese stabilisiert werden (Abb. 5).Extendierende Verbände oder Lagerungen, wie der zitierte Weber-Bock,die zu längeren stationären Aufenthalten und Immobilisierung der Kinderführen, sollten der Vergangenheit angehören. Metallentfernungen, die in derRegel ambulant durchgeführt werden können, sind nach sicherer Konsolidierungsphaseder Fraktur zirka 3 bis 6 Monate nach Verletzung im Rahmeneines ambulanten Kurzeingriffes ohne wesentliche Belastung für das betroffeneKind möglich.Die fortlaufende Auswertung der Behandlungsergebnisse und die Bilanzierungder Komplikationen in Sammelstudien großer kindertraumatologischerAbteilungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben gezeigt,dass die operativen Verfahren bei Kindern mit einer hohen Ergebnisqualitätund wenig Komplikationen durchgeführt werden können, so dass sie, wennindiziert, heute <strong>als</strong> etablierte Verfahren der „ersten Wahl“ bezeichnetwerden können. Selbstverständlich gilt unverändert die Regel, dass einfacheVerletzungen beim Kind eine Domäne der konservativen Behandlungsind (Marzi).Die ursprünglich vermutete und auch publizierte erhöhte Rate vonInfektionen bei operativen Eingriffen bei Kindern hat sich erfreulicherWeise nicht bestätigt; vielmehr sind Knocheninfektionen bei Kindernselten und auf Einzelfälle beschränkt, so dass auch bei relativer Indikation,


148 149VOM WEBER-BOCK ZU ESINW. Kurz (Lübben) in Erfurt ausgerichtet.Abb. 5 / Algorithmus der Behandlungswahl beiOberschenkelschaftfraktur im Wachstumsalter nach neuem KonsensusSeit dem Zusammenschluss der Fachgesellschaften DGOOC und DGUin der DGOU wurden schon frühzeitig die Sitzungen bei der BerlinerJahrestagung, dem <strong>Deutsche</strong>n Kongress für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>,<strong>als</strong> gemeinsame Veranstaltung durchgeführt, da kindertraumatologischeund kinderorthopädische Fragestellungen an vielen Stellen sich überschneidenund der Erfahrungsaustausch so auch in den nächsten Jahren zueiner Weiterentwicklung der derzeit <strong>als</strong> bewährt geltenden Behandlungskonzepteführen wird.vor allem bei älteren Kindern oder bei Frakturen, die sonst einelänger dauernde Immobilisierung (Ruhigstellung im Gipsverband)erfordern würden, heute die Indikation zur operativen Behandlung gestelltwerden kann. Dennoch gehört gerade beim kindertraumatologisch tätigenUnfallchirurgen auch weiterhin eine gute und solide Kenntnis der Möglichkeitenund Grenzen der konservativen Frakturbehandlung zum erforderlichenRüstzeug. Auch diese Basis muß in Kursen vermittelt werden, um trotz derbeschriebenen Verbesserungen im Bereich der operativen Frakturbehandlungauch in Zukunft das gesamte Spektrum der Behandlungsmodalitätenzur Verfügung zu haben.Die Veranstaltungen in der Sektion Kindertraumatologie der DGU, die wesentlicheWurzeln in der Arbeitsgemeinschaft für Kindertraumatologie der DDR(diese war bereits 1973 aus gemeinsamen Aktivitäten der Traumatologen undKinderchirurgen in der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR gegründet worden)hat, haben dem vermehrten Interesse an den Behandlungskonzepten vonKinderfrakturen in den letzten Jahren Rechnung getragen, so dass nicht nurbei der Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong>, sondernauch bei deren Sektionssitzungen die aktuellen Konzepte diskutiert undzu einem Konsensus geführt werden. Bereits 1991 wurde die erste gemeinsameSitzung der neu zusammengeschlossenen Arbeitsgemeinschaftenfür Kindertraumatologie aus Ost und West in der DGU unter Leitung von


150 151VOM OCCIPUT BIS ZUM SACRUMC. KnopU. CulemannVorgeschichte„Die operative Behandlung der Wirbelsäulenverletzungen hat sich im Verlaufeder letzten 2 Jahrzehnte besonders stark entwickelt.“ Diese Wortestammen von Erwin Morscher aus Basel, der dies rückblickend Anfang der90er Jahre feststellte [1] Für die folgenden 20 Jahre gilt dieser Ausspruchunverändert – und erscheint angemessen für die Entwicklung der im Mittelpunktstehenden 60 Jahre DGU.<strong>Das</strong> neurologische Defizit, der „Querschnitt“, stand Mitte des 20. Jahrhundertsweit im Vordergrund. Die neurochirurgische ultima ratio der alleinigenLaminektomie führte selten zum Erfolg – Holdsworth konterte 1970: „I thinkthere is never any indication for laminectomy“ [2]. Wesentliche unfallchirurgischeGrundlagen für die nach heutigem Verständnis korrekte Behandlungtraten im Laufe der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in den Vordergrund:Fehlstellung/Reposition und Instabilität/Stabilisierung.Prof. Dr. med. Christian KnopÄrztlicher DirektorKlinik für <strong>Unfallchirurgie</strong> und OrthopädieKlinikum StuttgartKatharinenhospitalKriegsbergstr. 6070174 StuttgartPD Dr. med. Ulf CulemannLeitender Oberarzt und Stellv. KlinikdirektorKlinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum des Saarlandes66421 Homburg/SaarH<strong>als</strong>wirbelsäulenverletzungenDie heutige Standardmethode zur Stabilisierung von Verletzungen derunteren H<strong>als</strong>wirbelsäule, die ventrale Spondylodese, entwickelte sich ausder implantatfreien Fusion für degenerative Krankheitsbilder. Pioniere der50er Jahre waren Cloward, Smith und Robinson sowie Bailey und Badgley.Ein deutlicher Stabilitätsgewinn konnte durch die Ergänzung einer ventralenPlatte in den 60er Jahren erzielt werden [3, 4, 5]. Verfeinert wurde dieTechnik durch bessere Implantate in Plattendesign, Material und Schraubenverankerung.Eine dorsale Zuggurtung war zunächst beschränkt aufinterspinöse Draht- und Knochenspanfixierung. Eine Erweiterung bot dieHakenplatte nach Magerl in den 80er Jahren. Sie wurde in den vergangenen20 Jahren durch biomechanisch überlegene und universell einsetzbareFixateursysteme mit Massa-lateralis- oder Pedikelschraubenverankerungabgelöst. Diese Systeme erlauben die Überbrückung des kraniozervikalenÜbergangs, der oberen und unteren HWS sowie des cervikothorakalen Übergangs.Die besondere Anatomie der oberen HWS wurde adressiert mitder Densverschraubung – eine der wenigen echten Osteosynthesen an der


152 153VOM OCCIPUT BIS ZUM SACRUMAbb. 1 / Lorenz Böhler, 1885-1973; Gipsmiederbehandlung /Abbildung aus L. Böhler: Technik der Knochenbruchbehandlung, Wien 1943, Maudrich-Verlag.Abb. 2 / Paul Harrington, 1911-1980; Harrington-Stäbe /Abbildung aus DGU-Archiv.Wirbelsäule. J. Böhler und Magerl hatten in den 70er Jahren wesentlichenAnteil an der Entwicklung. Erweitert wurden die Möglichkeiten zur Stabilisierungdurch die transartikuläre Verschraubung C1/2 nach Magerl [6] in den80er Jahren. „Alte“ Fusionstechniken für die obere HWS, wie die nach Gallieaus den 30er Jahren, wurden wesentlich verbessert.Verletzungen der Brust- und LendenwirbelsäuleDie Einteilung der Brust- und Lendenwirbelsäulenverletzungen entwickeltesich nach Einführung der Röntgentechnik über ein Jahrhundert: Klassifikationengehen bereits auf die erste Hälfte des Jahrhunderts zurück, u.a.A. Lob [11]. Neuere Grundlagen schufen in den 70er und 80er Jahren Whitesides,Denis und McAfee. Magerl veröffentlichte 1994 die heute gültige undinternational verbreitete Klassifikation der Verletzungen, die im klinischenGebrauch auch auf die untere HWS angewendet wird.<strong>Das</strong> ursprünglich für die Skoliosetherapie entwickelte Harrington-Instrumentariumfand Anwendung in der äußerst langstreckigen Stabilisierung vonthorakolumbalen Verletzungen (Abb. 2). Re-Operationsraten von 34% wurdenberichtet, bei Verwendung der technisch ähnlichen Luque-Stäbe warenes sogar 85% [7]. Die Verankerungstechnik verbesserte sich nachhaltig mitEinführung der Pedikelschrauben, die auf Roy-Camille zurückgehen – ersteBerichte von ihm stammen aus den 60er Jahren (Abb. 3). Magerl verankertedie Schrauben eines externen Fixateurs, den er in den 70er Jahren entwickelte,ebenfalls transpedikulär. Der Tragekomfort blieb verständlicherweisegering – zum Schlafen war eine speziell ausgeschnittene Matratze erforderlich(Abb. 4). Der Fixateur interne wurde von Dick in den 80er Jahren <strong>als</strong> Weiterentwicklungeingeführt. Dieses Pedikelschraubensystem stellt in modifiziertenVarianten heute noch den Standard für die Reposition und Stabilisierungder thorakolumbalen Verletzungen dar (Abb. 5).Die Möglichkeiten zur operativen Behandlung instabiler Verletzungen derBrust- und Lendenwirbelsäule blieben bis in die zweite Hälfte des Jahrhundertsbegrenzt. Anekdotisch berichtet wurde über Entfernung einzelnerKnochenfragmente, Stabilisierung mittels Cerclage, die Verplattung vonDornfortsätzen oder die eingangs erwähnte Laminektomie. Ein Standardverfahrenblieb jedoch die konservative Behandlung im Gipsmieder nachL. Böhler (Abb. 1).Mit den verbesserten anästhesiologischen Möglichkeiten konnte die gesamteBrust- und Lendenwirbelsäule über standardisierte ventrale Zugängeerreicht werden. Dies entwickelte sich parallel in den 70er Jahren. Über die80 – 90er Jahre zeigte sich dann, dass mit dorsalen Techniken zwar dieeffektivere Reposition und Stabilisierung zu erzielen war. Bei erheblicherZerstörung der vorderen Säule konnte jedoch auch eine zusätzliche transpedikuläreSpongiosaplastik oder dorsale interlaminäre Fusion keinen


154 155VOM OCCIPUT BIS ZUM SACRUMAbb. 3 / Raymond Roy-Camille, 1927-1994; Dorsale Platten mit Pedikelschrauben / Abbildung aus DGU-Archiv.Abb. 4 / Fritz Magerl, Fixateur externe / Abbildung aus DGU-Archiv.verläßlichen Schutz vor Rekyphosierung und Repositionsverlust bieten. Dieventralen Rekonstruktionstechniken waren hier im Heilungsverlauf überlegen,dies jedoch mit dem Nachteil der großen Zugänge und der begrenzterenMöglichkeit zur Notfallstabilisierung. In der Konsequenz entwickelte sichaus diesen Erkenntnissen in den 90er Jahren die kombinierte dorso-ventraleOP-Technik. Sie vereinte die Vorteile beider Verfahren mit dem Nachteil desgrößten operativen Aufwandes. Dies konnte eindrucksvoll in einer ersten multizentrischenSammelstudie der Arbeitsgemeinschaft Wirbelsäule der DGUbelegt werden. Nach Gründung der AG im Jahre 1994 war es das erste „Großprojekt“.682 Patienten mit operierter thorakolumbaler Verletzung wareneingeschlossen. Die vergangenen 15 Jahre waren geprägt von der Minimalisierungder Zugangstechnik: Brustwirbelsäule und thorakolumbaler Übergangwurden thorakoskopisch erreicht, mit speziellen Instrumenten und Implantatenwurde das endoskopische/minimalinvasive Vorgehen verfeinert undstandardisiert. Mit neuen Fixateur-interne-Systemen kann bereits perkutanstabilisiert werden. Die Möglichkeiten zur Reposition bleiben noch begrenzt.friedigend bleibt, dass wir leider noch nicht in der Lage sind, die Rückenmarkverletzungselbst zu behandeln und damit die Querschnittlähmung zukurieren. Auch heute bleiben die operativen Maßnahmen darauf beschränkt,Instabilität und Fehlstellung zu beseitigen und bei neurologischem Defiziteine schnellstmögliche Dekompression zu erzielen. Wenngleich der Zeitfaktorbisher nicht bewiesen wurde, so gibt es eindeutige experimentelle Untersuchungsergebnisseund zunehmend klinische Berichte, die die Vermutungnahelegen, dass die neurologische Erholung besser ausfällt, je rascher einPatient behandelt wird. Die Hochdosis-Kortisontherapie nach den NASCIS-Studien hingegen, die über etwa 20 Jahre zum klinischen Alltag gehört hatte,gilt heute allenfalls noch <strong>als</strong> Behandlungsoption und wird nicht mehr empfohlen.Experimentelle Ansätze bestehen über die Unterdrückung von Mechanismen,die nach Schädigung von Axonen zum Zelluntergang und weitererRückenmarkschädigung führen. Auch gibt es experimentelle Einzelfallberichteüber die operative Überbrückung von Rückenmarkläsionen, die nochkeine Bedeutung im klinischen Alltag haben.Neurologische BegleitverletzungenDie Fortschritte in der Behandlung von Wirbelsäulenverletzungen sindbeachtlich. Erholungsraten um mindestens eine Stufe in der 5-teiligen Frankel/ASIASkala werden angegeben für 60-80% der Patienten mit inkompletterund für 10-20% derjenigen mit kompletter Querschnittlähmung. Unbe-Sakrumverletzungen<strong>Das</strong> „heilige Bein“ (Sakrum) bildet anatomisch einerseits den unterenAbschluss der Wirbelsäule, aber andererseits auch den Eingang desBeckens. Obwohl es eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Menschheitsgeschichtespielt (schließlich schaut das im Geburtskanal liegende Kind <strong>als</strong>


156 157VOM OCCIPUT BIS ZUM SACRUMAbb. 5 / Walter Dick, Fixateur interne / Abbildung aus DGU-Archiv.Sakrum und Becken blieb aber bis weit in die 70er Jahre die konservativeTherapie mit der Rauchfußschen Beckenschwebe; allenfalls voluminöse,externe Fixateurmontagen oder Extensionsbehandlungen über liegendeSteinmannnägel wurden flächendeckend durchgeführt. Obwohl A. Bumbereits 1896 in seinem „Handbuch der Massage und Heilgymnastik“ auf dieBedeutung der funktionellen Therapie hingewiesen hatte, fand diese erstsehr spät auch Eingang in die Nachbehandlung von Beckenringbrüchen,oftm<strong>als</strong> wurden Immobilisationen bis zu 12 Wochen in Kauf genommen, dieMöglichkeit der frühfunktionellen Behandlung wurde erst durch die operativeStabilisierung des instabilen Beckenringes möglich.erstes bei regelrechter Lage das Sakrum an!), konnte eine Verletzung dieseszentralen Knochens lange Zeit weder erkannt (Röntgenproblematik durchProjektions-Überlagerungen) noch direkt behandelt werden. Da Verletzungendes Beckens einer hohen Gewalteinwirkung bedürfen, führten Verletzungenbis in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts zumeist direkt zumTode oder hinterließen aufgrund ihrer Verletzungsschwere eine hohe Anzahlinvalider, gang-, sitz- oder gehunfähiger Patienten. Durch die reine Beobachtung,dass trotz unterschiedlicher Unfallmechanismen (Stürze, Verschüttungen,Reitunfälle) häufig wiederkehrende Frakturtypen bei Beckenverletzungenauftraten, konnte Malgaigne bereits 1847 in seinem Werk „Traitede fractures et des luxationes“ [8] eine erste (röntgenbildfreie!) Klassifikationfür Beckenringverletzungen aufstellen. Er wies insbesondere auch auf dieBedeutung der Ringstruktur des Beckens hin und unterteilte in einfache unddoppelte Ringunterbrechungen (bis heute verwendeter Begriff der „Malgaigne– Fraktur“). Aufgrund der zu dieser Zeit noch nicht entdeckten “X–Strahlen“und damit fehlender Röntgendiagnostik fand sich in seiner Darstellungallerdings unter 2358 Beckenfrakturen nur eine einzige Sakrumfraktur.Osteosynthesen am Becken sind daher im Wesentlichen der modernenChirurgie der letzten 60 Jahre vorbehalten. Der belgische Chirurg R. Danisbeschrieb 1949 in seinem Werk: „Théorie et pratique de l`ostéosynthèse“ [9]erstm<strong>als</strong> Osteosynthesetechniken auch am Becken. Standardtherapie amDie erste, auch zahlenmäßig relevante Darstellung und Klassifikation derSakrumfraktur und ihrer neurologischen Problematik wurde erst 1988 vonDenis und Comfort [10] publiziert. Aufgrund der Kombination aus hoher Inzidenz(34 %) und hoher Rate an Nervenschädigungen (28 %) kam insbesonderedem transforaminalen Sakrumfrakturtyp (Denis II) eine besonders hoheklinische Relevanz zu. Durch die fehlende Überbrückung dieses Frakturtyps(die dorsalen Sakroiliakalbänder enden anatomisch vor den Neuroforamina!)liegt biomechanisch eine komplette dorsale Beckenringinstabilität vor(Typ C – Beckenringverletzung), die nach M. Tile nur durch eine interneFixation ausreichend stabilisiert werden kann. Während allerdings im angloamerikanischenRaum aus Sorge um die auftretenden starken Blutungen beider offenen, operativen Versorgung von Sakrumfrakturen von dorsal eherindirekte Repositions- und Operationsverfahren bevorzugt wurden (Harrington– Sakr<strong>als</strong>täbe aus der Wirbelsäulenchirurgie, transiliosakrale Schraubenosteosynthesen),wurden im deutschsprachigen Raum auch direkteOsteosyntheseverfahren mit offener Repositions- und Dekompressionsmöglichkeiteingesetzt („lokale Sakrumplatte“ nach T. Pohlemann). Ein„Goldstandard“ zur operativen Versorgung der Sakrumfraktur konnte letztlichbis heute noch nicht festgelegt werden und ist Gegenstand lebhafterwissenschaftlicher Diskussion. Die zunehmende Zahl von Sakrumfraktureninsbesondere bei alten Patienten wird aber auch hier zukünftig für rascheWeiterentwicklungen sorgen.


158 159VOM OCCIPUT BIS ZUM SACRUMOsteoporose und Fraktur von Wirbelsäule und SakrumAuch in der Wirbelsäulenchirurgie besteht eine Herausforderung des beginnenden21. Jahrhunderts im demografischen Wandel mit spürbarem Anstiegder Osteoporose. So gehören osteoporotisch bedingte Wirbelbrüche odertraumatische Frakturen bei Osteoporose vom Occiput bis zum Sakrum zumKlinikalltag.Eigens für diese Entitäten entwickelte Zementaugmentationstechniken(Vertebro-/Kyphoplastie/Sakroplastie) zielen mit der perkutanen Anwendungauf geringe Invasivität für eine hochbetagte und häufig komorbidePatientengruppe. Sind Operationen notwendig, können herkömmlicheVerankerungstechniken ergänzt werden durch zementierte Schraubenoder verlängerte Montagen. Bewährte Techniken, beispielsweise die Densverschraubung,genügen beim schwachen Knochen häufig nicht, so dassletztere um zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen wie die C1/2-Verschraubungerweitert werden muss.Aufgrund der ebenfalls zunehmenden Zahl osteoporotisch bedingterSakrumfrakturen älterer Patienten (sog. Insuffizienzfrakturen des Sakrums)finden sich in den letzten Jahren auch im Becken stark steigende Versorgungszahlendieses Frakturtyps durch unterschiedliche neue (oder neuwiederentdeckte) perkutane Techniken. Die heute weit verbreitete transiliosakraleZugschraubentechnik, die im amerikanischen Sprachraum durchLehmann bereits 1934 und im deutschsprachigen Raum durch Meyer-Burgdorff 1936 beschrieben wurde, ist von Matta 1989 zur Versorgung auchbei Sakrumfrakturen wieder aufgegriffen und durch standardisierte Verfahrensabläufezunehmend sicherer und präziser in der Anwendung worden.Auch die bereits 1983 von Rubash und Mears beschriebene ilioiliakal überbrückendePlattenosteosynthese (bekannt <strong>als</strong> „Doppel – Cobra – Platte“),die seinerzeit wegen ihres voluminösen Auftragens eher Weichteilproblemedenn Vorteile hatte, kam durch Verwendung einer schmaleren, winkelstabilenLCP zu neuentdeckten Ehren.AusblickIn der Chirurgie vom „Occiput zum Sakrum“ treffen sich seit jeher unfallchirurgische,orthopädische und neurochirurgische Spezialisten. Die Zuständigkeitenund Abgrenzungen sind fließend und in der Regel „nach Art desHauses“. Die historische Entwicklung entscheidet in vielen Kliniken über dieZuordnung von Verletzungen und Krankheitsbildern zum jeweiligen Fachgebiet.Die Zusammenarbeit und Kooperation in interdisziplinären Zentren„vor Ort“ und in Fachgesellschaften nimmt zu. Die gemeinsamen wissenschaftlichenSitzungen der Sektion Wirbelsäule der DGOOC und derAG Wirbelsäule der DGU haben mittlerweile eine langjährige Tradition aufdem gemeinsamen Kongress. Die fächerübergreifende Tätigkeit sowie AusundWeiterbildung auf dem Gebiet der Wirbelsäulenchirurgie sollten dieseEntwicklung fördern. Eine gemeinsame Zusatzbezeichnung ist in interdisziplinärerEntwicklung und Diskussion. Aus unfallchirurgischer Sichtbleibt wichtig, dass die unmittelbare und bestmögliche Versorgung vonwirbelsäulen- und beckenverletzten Patienten gewährleistet ist. PositiveErrungenschaften durch die Zusammenarbeit in Traumanetzwerken sollenbesonders den schwerverletzten Patienten zugutekommen. Da die operativeBehandlung von Verletzungen den kleinsten Anteil am Spektrum der Wirbelsäuleneingriffeausmacht, darf diese Patientengruppe nicht in der Masseder Operationen wegen degenerativer Genesen untergehen. Jede Frakturhöhehat ihre spezifischen Eingriffs- und Komplikationsproblematiken. Diese zuerkennen, zu beherrschen und möglichst schon im Vorfeld zu vermeiden istZiel der Fort- und Weiterbildungskurse für Becken- und Wirbelsäulenchirurgie,die von den jeweiligen Arbeitsgemeinschaften der DGU vollumfänglichauch personell unterstützt werden. Ihr Angebot sollte auch von zukünftigenOrthopäden und Unfallchirurgen genutzt werden, um eigene „Fallgruben“geflissentlich zu umgehen und den Patienten eine sichere Versorgung zugewährleisten.


160 161VON DER POLLIZISATION ZUR REPLANTATIONJ. WindolfA. EisenschenkNoch bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts war die Amputation die führendeMethode der Wahl zur Behandlung stark zerstörter Extremitäten. Diechirurgisch tätigen Kollegen waren sich bewusst, dass hochgradig minderperfundiertes,kontaminiertes und/oder stark zerquetschtes Gewebeohne effektive Therapie zu Infektionen mit Extremitäten- oder sogar Lebensverlustführen kann. Zur Verhinderung dieser inakzeptablen Folgen warenentweder frühzeitige radikale Debridements oder ggf. die Amputation dieTherapie der Wahl.Professor Dr. med. Joachim WindolfDirektor der Klinik für Unfall- und HandchirurgieUniversitätsklinikum DüsseldorfMoorenstr. 540225 DüsseldorfPD Dr. med. Andreas EisenschenkChefarzt der Abteilung für Hand-, Replantations- und MikrochirurgieUnfallkrankenhaus BerlinWarener Str. 712683 BerlinInnerhalb der <strong>Unfallchirurgie</strong> konnte beobachtet werden, dass die Handverletzungenbereits frühzeitig eine wachsende Bedeutung entwickelten,insbesondere in Verbindung mit dem berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren.Neben der sozioökonomischen Bedeutung der Alltagshand ist diefunktionsfähige und sensible Hand im Beruf existenziell für den Patienten.Die Antibiotikatherapie, die Verbesserung der Knochenbruchbehandlungund die Entwicklung mikrochirurgischer Techniken an der Hand sindhistorische Meilensteine. Heute können schwer verletzte Hände mit dem Zieleiner sensiblen Funktionswiederherstellung zum Beispiel stabilisiert, revaskularisiertund replantiert werden, die in der Vergangenheit noch in einerAmputation endeten. Diese außerordentliche Entwicklung ruht auf denSchultern vieler Chirurgen. Sie kommen aus den Fachbereichen <strong>Unfallchirurgie</strong>,plastische Chirurgie und orthopädische Chirurgie.Die herausragende Stellung der Funktion bei Verletzungen an der Handwar den behandelnden Ärzten frühzeitig bewusst. Bei Amputation und fehlenderReplantationsmöglichkeit mussten Alternativen zur Wiederherstellungder Funktion etabliert werden. Aus diesem Ziel heraus führte SterlingBunnell 1929 bei einer Kreissägenverletzung an der Hand mit Amputationdes Daumens im Daumensattelgelenk und gleichzeitiger Teilamputation desZeigefingers im Grundglied eine Zeigefingerpollizisation durch.Ein Meilenstein in der Handchirurgie innerhalb der letzten 60 Jahre warzweifelsfrei die Entwicklung der Mikrochirurgie. Bereits 1912 erhielt


162 163VON DER POLLIZISATION ZUR REPLANTATIONAbb. 1 / Monographie von Alfred Pannike über die Grundlagen und klinischen Anwendungen von verschiedenen Osteosynthesenam Skelett der Hand: „Osteosynthese in der Handchirurgie“, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1972.Alexis Carrel den Medizinnobelpreis für Mikrochirurgische Techniken zurGefäßnaht. Wahrscheinlich war Theodor Sämisch, Bonn, der erste Chirurg,der ein binokulares Vergrößerungssystem im operativen Alltag anwandte.Der Ansatz, durchtrennte Blutgefäße wiederherzustellen, wurde bereits inden 50er-Jahren von Harold Earl Kleinert in Louisville, USA, verfolgt. DiePublikation von Jacobson und Suarez (1960) über die Mikrochirurgie derkleinen Blutgefäße stellt die Grundlage der Mikrogefäßchirurgie dar. Erreichtwurden diese Ergebnisse mit dem Opmi 1 Mikroskop, welches 1953 miteiner koaxialen Lichtquelle kommerziell verfügbar war. 1963 gelang HaroldEarl Kleinert die erste erfolgreiche Revaskularisation eines Fingers. SeineErkenntnisse über mikrochirurgische Techniken trugen später auch zurEtablierung vieler frei übertragener Lappen und anderer Gewebeanteilebei. Die erste erfolgreiche Mikroreplantation wurde 1968 von Komatsu undTamai veröffentlicht. 1969 erfolgte durch Cobbett die erste mikrochirurgischeZehentransplantation. 1973 berichteten O`Brien sowie Daniel undTaylor über freie vaskularisierte Lappenplastiken und 1974 Taylor über freievaskularisierte Knochentransplantationen.Bei der Erhaltung und Wiederherstellung bei Verletzungen der Hand solltejedoch die volle Aufmerksamkeit nicht allein der Haut, den Nerven, denGefäßen und den Sehnen gelten. <strong>Das</strong> funktionelle Ergebnis ist insbesondereauch von der Behandlung der biomechanischen Leit- und StützfunktionAbb. 2 / Arbeitsunfall mit einer Stanze bei einem 38jährigen Patienten. Amputationsverletzung auf Höhe des GrundgliedsRingfi nger rechts (A) mit Amputat (B). Sehr gutes kosmetisches und funktionelles Ergebnis nach 6 Monaten (C, D).des Skeletts, des Knochens, abhängig. Die suffiziente Therapie der knöchernenStrukturen ermöglicht das fein abgestimmte Funktionsspiel der Hand.Bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts vertraten noch zahlreiche Handchirurgendie Ansicht, Knochenbrüche an der Hand und den Fingern würdenlediglich einer guten Reposition und Schonung bedürfen. Einen großenSchritt stellten die Erkenntnisse L. Böhlers in der konservativen Knochenbruchbehandlungdar. Die Idee einer umfassenden Ruhigstellung wurdevon Sterling Bunnell aufgegriffen und im Sinne einer mehr funktionellenKnochenbruchbehandlung weiterentwickelt. Es wurde zunehmend angestrebt,die geschädigten Funktionsgebilde in ihre funktionell günstigsteStellung zu bringen und gleichzeitig die Wiederherstellung des bestmöglichenBewegungsausmaßes der Gelenke zu erzielen.Bei den Handverletzungen konnte beobachtet werden, dass die ungestörteHeilung eines Knochenbruchs auch an der Hand ohne Ruhigstellung füreinen angemessenen Zeitraum nicht möglich ist. Die Erfahrung konntejedoch zeigen, dass das Ausmaß von posttraumatischen oder postoperativenSchwellungszuständen, Gelenksteifen und Gewebeschrumpfungen durchaktive Bewegung vermindert oder verhindert werden kann. Im Wesentlichenwaren es zwei Gründe, die den Anstoß gaben von dem bis dahinunumgänglichen Kompromiss zwischen Ruhigstellung und funktionellerBehandlung freizukommen. Zum einen erwies sich die äußere Ruhigstel-


164 165VON DER POLLIZISATION ZUR REPLANTATIONlung bei komplexen Verletzungen der Hand <strong>als</strong> außerordentlich schwierigund unzureichend. Die sekundäre Wiederherstellung von Sehnen undNerven konnte erst nach Abschluss der Knochenheilung durchgeführtwerden. Zum anderen erschwerte die äußere Ruhigstellung, auf die inErmangelung einer Alternative nicht verzichtet werden konnte, eine frühzeitige,notwendige plastische Versorgung größerer Haut- und Weichteildefekte.Diese Probleme konnten mit den konservativen Behandlungsoptionennicht gelöst werden, so dass der Weg für die innere Stabilisierung vonKnochenbrüchen an der Hand geebnet wurde. Förderlich war insbesonderedie systematische Entwicklung der Frakturbehandlung durch die InternationaleArbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO). Anfang der 1960erJahre begann die AO aus der Schweiz heraus in Deutschland, insbesonderein Süddeutschland, ihre Philosophie der Frakturbehandlung zu verbreiten.Protagonisten waren zu dieser Zeit unter anderem Siegfried Weller undEugen Kuner. Alfred Pannike (1933 – 2009) nutzte <strong>als</strong> einer der ersten dieneuen AO-Möglichkeiten zur Frakturversorgung an der Hand, indem er Operationstechnik,Biomechanik und „AO-Philosophie“ auf die erheblich kleinerdimensionierte Hand und den distalen Unterarm übertrug. Seine Monographieüber die Grundlagen und klinischen Anwendungen von verschiedenenOsteosynthesen am Skelett der Hand wurde 1972 publiziert und diente langeJahre <strong>als</strong> Grundlage weiterer Entwicklungen kleinerer Implantate und derAusdehnung der übungsstabilen Versorgung von Frakturen an der Hand.Die Entwicklung von immer geringer dimensionierten Implantaten zuroperativen Versorgung von Fingerfrakturen hat in den vergangenen Jahrendazu geführt, dass für nahezu jeden Frakturtyp eine Platte zur übungsstabilenVersorgung angeboten wurde. Mit großer Euphorie wurden daraufhinbewährte konservative und frühfunktionelle Behandlungsmethoden zugunstender operativen Versorgung verlassen. In der klinischen Anwendung hatsich dann aber gezeigt, dass die Plattenosteosynthesen aufgrund der besonderenWeichteilsituation zu erheblichen Funktionsstörungen führen könnenund daher nicht für alle Frakturen an der Hand regelhaft empfohlen werdensollten. Abzuwarten bleibt, ob die winkelstabilen Plattensysteme hier neuePerspektiven erschließen können.Die komplexe Versorgung von Knochen, Sehnen, Gefäßen, Nerven unddes Weichteilmantels mit der Haut setzt die Beherrschung verschiedenartigeroperativer Techniken und klarer Indikationsprinzipien voraus undführt nur bei ständiger Übung des Operateurs zum Erfolg. Diesen hohenAnforderungen können nur hochspezialisierte Zentren gerecht werden.Die Berufsgenossenschaften zeichneten für diese positive Entwicklungverantwortlich. Sie erkannten den Bedarf und haben, beginnend in Hamburgim April 1975, das erste Replantationszentrum gegründet. Ersterund langjähriger Leiter dieses Zentrums war Dieter Buck-Gramcko. Hierzuwar ein hoher personeller Aufwand notwendig, damit rund um die Uhr (!)die Bereitschaft aufrecht erhalten werden konnte. Hierzu zählen auch dieeingerichteten Hubschrauberlandeplätze, die eine unverzügliche Versorgungermöglichen. Vorraussetzungen sind eine lückenlose Versorgungskette zwischenErstbehandlung am Unfallort, Transport, operativer Versorgung undNachbehandlung sowie eine ausgewogene interdisziplinäre Zusammenarbeitvon Ärzten, Krankengymnasten und Ergotherapeuten. Die Berufsgenossenschaftenhaben die Einrichtung und Etablierung dieser Zentren inhohem Maße unterstützt und mit dazu beigetragen, dass mittlerweileflächendeckend in Deutschland 24 Stunden am Tag ein Team mit ausreichenderhand- und mikrochirurgischer Erfahrung zur Verfügung steht. Anvielen Kliniken gibt es Kollegen, die sich besonders der Behandlung vonschweren Verletzungen an der Hand verschrieben haben. Für die Behandlungvon Verletzungen an der Hand ist nicht die Zugehörigkeit zu bestimmtenFachgebieten oder unterschiedlichen Fachgesellschaften entscheidend, sonderndas Können und die tatsächliche Hilfe, die dem Patienten zuteil wird.Der hohe Leistungsstand bei der Wiederherstellung von Verletzungen ander Hand wird durch einen regelhaften und kollegialen Erfahrungsaustauschuntereinander gewährleistet.1959 wurde die Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Handchirurgie(DAH) gegründet. Die große Aktivität dieser AG, der späteren <strong>Deutsche</strong>n


166 167VON DER POLLIZISATION ZUR REPLANTATION<strong>Gesellschaft</strong> für Handchirurgie, trug wesentlich zur Verbesserung und Standardisierungvon Verletzungen an der Hand bei. Aus diesen Erfolgen herauswurde 1995 die Sektion Handchirurgie der DGU mit dem Ziel gegründet,einen Beitrag zur Entwicklung und Verbreitung moderner Behandlungsmethodender verletzten Hand zu leisten.<strong>Das</strong> erste Treffen der Sektion fand im Rahmen der DGU-Jahrestagung imNovember 1996 statt. Nach zwei weiteren Treffen von dam<strong>als</strong> 23 Mitgliedernwurden in einem Schreiben des ersten Sektionsleiters Hartmut Siebertfolgende Zielsetzungen definiert: „1. Die Sektion Handchirurgie fördert diekontinuierliche Weiterbildung der Mitglieder der DGU im Bereich Handchirurgie.Zu diesem Zweck veranstaltet sie in Zusammenarbeit mit demjeweiligen Präsidenten der DGU, dem Gener<strong>als</strong>ekretär und dem ProgrammausschussKurse und wissenschaftliche Sitzungen anlässlich des Jahreskongressesder DGU. 2. Sie beteiligt sich an der Erstellung von Leitlinien zurBehandlung typischer Handverletzungen und unterhält einen engen fachlichenAustausch mit anderen wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en, die imBereich Handchirurgie tätig sind. 3. Die Sektion Handchirurgie ist bemüht,insbesondere jüngeren Mitgliedern Hospitationsmöglichkeiten zu vermitteln.“Nach Hartmut Siebert von 1996 bis 2001 leitete von 2001 bis 2005Jürgen Rudigier die Sektion Handchirurgie. Seit 2005 finden unter derLeitung von Joachim Windolf jährlich Jahrestagungen statt, die deutschlandweiteinen hohen Anklang finden. Während die Sektion im Gründungsjahr1997 noch 23 Mitglieder zählte, wurde deren Zahl kontinuierlich auf aktuellüber 50 Mitglieder gesteigert. Die Sektion Handchirurgie der <strong>Deutsche</strong>n<strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> setzt sich seit Jahren im Rahmen ihrerHandkurse und Jahrestagungen systematisch mit Verletzungen aller Formen,Schweregrade und Lokalisationen an der Hand auseinander. Dabeiwerden regelhaft Empfehlungen ausgesprochen, die das Expertenwissender Sektionsmitglieder unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichenLiteratur widerspiegeln. Regelmäßig werden diese Empfehlungen zurelevanten handchirurgisch-traumatologischen Themen veröffentlicht. DieEmpfehlungen der Sektion zur Behandlung von Mittelhandfrakturen und vonFingerfrakturen wurden bereits zusammengefasst und in der Zeitschrift „DerUnfallchirurg“ publiziert.Zum Aufgabenkomplex der Sektion gehört auch der breite Erfahrungsaustauschmit Vertretern anderer Fachgesellschaften. Einen herausragendenBeitrag für die Entwicklung der Handchirurgie hat in den letzten Jahrzehntendie <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Handchirurgie (DGH) geleistet, in dersich fast alle Sektionsmitglieder wiederfinden. Des Weiteren werden seitNeuerem die Sektionstätigkeiten der Unfallchirurgen und orthopädischenChirurgen eins zu eins gemeinsam durchgeführt. Diese Bündelung bedeutetwiederum eine Qualitätssteigerung. Einen weiteren Beitrag zur Qualitätssicherungstellen hierbei die regelmäßig von der <strong>Deutsche</strong>n AO veranstaltetenKurse „Hand Trauma I und II“ zur Behandlung der verletzten Hand dar.Die Fortschritte innerhalb der letzten Dekaden in den mikrochirurgischenTechniken und Rekonstruktionen von Knochen, Sehnen und Nervenerweiterten dramatisch die Möglichkeiten des Erhalts von Extremitäten.Die besondere Herausforderung der behandelnden Chirurgen liegt daherim 21. Jahrhundert in der kritischen Indikationsstellung zum Extremitätenerhaltgegenüber einer Amputation oder Teilamputation, um langfristigindividuell für den Patienten die besten sensiblen und funktionellen Ergebnissezu erzielen.


168 GLIEDMASSENAMPUTATION169VON DER STELZEZUM INTRAMEDULLÄREN KRAFTTRÄGERH.-H. AschoffH. GrundeiEinleitung und HistorieDie prothetische Rehabilitation nach Gliedmaßenamputation stellt seitjeher eine Domäne der technischen Orthopädie dar. Dabei umfasst dieseAufgabe einerseits die passgenaue Herstellung den Stumpf umfassenderSchäfte, welche andererseits <strong>als</strong> Kraftbrücke zu dem mechanischen Gliedmaßenersatzdienen. Sowohl durch die rasante Entwicklung mannigfaltigerWerkstoffe für die Ausarbeitung form- und funktionsgerechter Schaftprothesen<strong>als</strong> auch die Bereitstellung technologisch anspruchsvoller Gelenk- undGliedmaßenkomponenten seitens der Industrie können mittlerweile erstaunlichsteErgebnisse hinsichtlich Frührehabilitation und dauerhaften Patientenkomfortserreicht werden.Dr. med. Horst- H. AschoffChefarzt der Klinik fürPlastische, Hand- und Rekonstruktive ChirurgieSana Kliniken LübeckKronsforder Allee 71-7323560 LübeckDr.-Ing. Hans GrundeiESKA Medical CorporationGrapengießerstr. 2123556 LübeckOrthopädische Hilfsmittel sind aus der seit Jahrhunderten bestehendenengen Bindung zwischen dem chirurgisch/orthopädisch tätigen Arzt unddem orthopädischen Mechaniker entstanden. Die Ursprünge der konservativenOrthopädie reichen zurück in die Antike. Hippokrates, der 460 v. Christuswirkte, gilt <strong>als</strong> einer der Väter der wissenschaftlichen Orthopädie. ArchäologischeFunde aus dieser Zeit haben gezeigt, dass es Versorgungen vonGliedmaßendefekten mittels prothetischer Hilfsmittel schon dam<strong>als</strong> gab.Mit Ende des 15. und Beginn des 16. Jahrhunderts finden sich Aufzeichnungenüber Amputationstechniken von Gliedmaßen sowie deren Ersatz mittelsdafür geeigneter Materialien [1]. Da bis zum Ende des 19. Jahrhundertsnur wenige Patienten die Amputation einer Großgliedmaße überhauptüberlebten, war eine Prothesenversorgung danach eine völlig nebensächlicheund äußerst provisorische Ausnahme. Versorgungen für den Oberschenkelbestanden zumeist aus einer Holzstelze, die an den Oberschenkelstumpfgeschnallt wurde. Unterschenkelamputierte winkelten ihren Stumpf nachhinten ab und knieten auf einem um den Unterschenkelstumpf geschnalltenStelzbein. Nach der Jahrhundertwende bemühte man sich, durcheine verbesserte Narbenbildung einen prothesentauglichen Stumpf zubilden, der dem Patienten eine Rückkehr in den Alltag ermöglichensollte. Eine Prothesenversorgung war jedoch weiterhin nicht selbstverständlich.Erst die stetige Verbesserung der prothetischen Versorgung


170 171GLIEDMASSENAMPUTATIONVON DER STELZE ZUM INTRAMEDULLÄREN KRAFTTRÄGERAbb. 3 / Spongiosa Metall 2®Abb. 4 / Dreidimensionales Durchwachsendurch die TripodenstrukturAbb. 1 / Schematische Darstellung e. EEPAbb. 2 / Röntgenologischer Befund e. EEP in situmittels dafür geeigneter Materialien und Fertigungstechniken führten zueiner Steigerung der Lebensqualität der Amputierten. Der Übergang vomHolzbein zu Prothesen-Passteilen aus Metall oder Kunststoff und diedadurch mögliche Gewichtsreduktion der Prothesen brachten im Laufe dervergangenen Jahrzehnte eine deutlich leichtere Handhabung und wenigerEinschränkungen für den Anwender. Allerdings bestehen weiterhin hartnäckigund regelhaft auftretende Probleme bei der prothetischen Versorgungvon Amputationsstümpfen, vor allem Schaftführung und optimale Kraftübertragungbetreffend. So führen allfällige Hautirritationen zu Diskomfortbis hin zu chronischen Ulcera an den Hauptbelastungsstellen, vermehrteSchwitzneigung kann das längere Tragen einer Prothese unmöglich machen,Gewichtsveränderungen können immer wieder einen Fehlsitz der Schaftprothesehervorrufen. Diese und weitere Umstände behindern eine verlustfreieKraftübertragung vom Amputationsstumpf auf die Prothetik und könnendadurch das Rehabilitationsergebnis nachhaltig gefährden.Die bestechende Idee der direkten Knochenverankerung einer Gliedmaßenverlängerung,welche, durch die Haut nach außen geleitet, zur Kraftübertragungauf die nachgeordneten exoprothetischen Bauteile dienen kann,wäre in der Lage, die eingangs geschilderten Probleme zu eliminieren. Voneiner solchen Anordnung ist über den direkten Kraftfluss vom Knochen zurExoprothese zum einen eine wesentlich effizientere Energiebilanz bei derVerrichtung einer definierten Arbeit im Vergleich zur weichteilgeführtenSchaftprothese zu erwarten, zum anderen besteht aber auf umgekehrtemWege auch die Möglichkeit der direkten Osseoperception durch Einleitungunterschiedlicher Lageinformationen des Gliedmaßenersatzes in denKnochen (Abb. 1 u. 2).Erste Berichte über knochenverankerte und percutan ausgeleitete Endoprothesenreichen zurück bis in das 19. Jahrhundert (Malgaigne) [1] undführten über Steinmann (1911) [2] hin zu Dümmer (1950) [3], welcher dieerste perkutane Skeletterweiterung am Menschen unterhalb des Kniegelenkesimplantierte. Sowohl in den USA <strong>als</strong> auch andernorts erschienen sporadischeBerichte über Versuche mit transcutan ausgeleiteten Implantatenbei Tieren (Cutler und Blodgett, Esslinger, Friedemann). Diese o.g. Arbeitenfanden 1973 in einer Abhandlung von Murphy mit dem Titel „Historyand philosophie of attachment of prosthesis to the musculo-skeletal systemand of passage through the skin with inert materi<strong>als</strong>“ im Journal ofBiomedical Materi<strong>als</strong> Research ihre Erwähnung [4]. In der deutschsprachigenLiteratur berichtete erstm<strong>als</strong> Schmitt [5] über die intraossäre Applikationvon Exo-Prothesen bei unterschenkelamputierten Hunden und Kaninchen,die Implantate selbst wurden hier zementiert eingebracht. Seitens Mooneyet al (1971 und 1977) [6 u. 7] und Murphy (1973) [4] wurde hingegen auch


172 173GLIEDMASSENAMPUTATIONVON DER STELZE ZUM INTRAMEDULLÄREN KRAFTTRÄGERAbb. 5 / Endo-Exo-Femurprothese liAbb. 6 / Ganzbeinaufnahmenim Stehen bds. nach EEFP liAbb. 7 / Endoprothetischer Kniegelenksersatzmit Endo-Exo-Tibiaprothese nach hoherUnterschenkelamputation re.Abb. 8 / Röntgenbefund im apStrahlengang zu Abb. 7über den Einsatz von die Haut durchdringenden Prothesen beim Menschenberichtet. Als wegweisend für diese Entwicklung müssen die Arbeiten vonP.I. Branemark (1977) [8] in Schweden angesehen werden, welcher schonwährend der 60er Jahre mit zementfreien Titanimplantaten <strong>als</strong> Zahnwurzelersatzexperimentierte und <strong>als</strong> Ergebnis eine dauerhafte Einbettung derImplantate in die Spongiosa des Kiefers bei gleichzeitigem komplikationsarmenHautdurchtritt dokumentierte. Branemark prägte für diese Art derImplantateinbettung den Begriff Osseointegration, welcher jedoch heutzutageangesichts des gewachsenen Wissens über Biokompatibilität unddreidimensionale Knochenverankerung eher noch differenzierter gesehenwerden muss.Insgesamt stellt <strong>als</strong>o diese <strong>als</strong> „Endo-Exo-Prothetik“ (EEP) plastischumschriebene Anordnung einen Paradigmenwechsel sowohl in der technischenOrthopädie und mehr noch in der operativen Orthopädie-<strong>Unfallchirurgie</strong>dar, müssen doch dabei zwei sich bisher <strong>als</strong> gegenseitig ausschließendegrundlegende Erfordernisse miteinander vereinbart werden. An ersterStelle muss eine stabile und dauerhafte Verankerung eines intramedullärenImplantates im Knochenrohr gewährleistet sein, darüber hinaus muss dieMöglichkeit eines aufsteigenden Infektes, ausgehend von der Durchtrittsstelledes Implantates durch den Hautmantel, auf ein Minimum begrenztoder sogar unmöglich gemacht werden. Ausgehend von den überzeu-genden Erfahrungen in der Zahnimplantologie wurde 1990 erstm<strong>als</strong> vonR. Branemark [9] in Göteborg das Prinzip der osseointegrierten, percutanausgeleiteten Prothetik bei einem bilateral Oberschenkel-Amputiertenerfolgreich umgesetzt. Im Jahre 1999 erfolgte in Lübeck durch Staubach[10] die Implantation der ersten sog. Endo-Exo-Femurprothese (EEFP) beieinem jungen Mann nach traumatischem Oberschenkelverlust. Mittlerweilebestehen in Schweden Erfahrungen mit dieser Technik bei über 200 Patienten.In Lübeck wurden 47 Patienten mittels Endo-Exo-Prothesen versorgt.Die bisherigen Erfahrungen sind dabei trotz eines gelegentlich mühevollenLernprozesses überaus ermutigend.Theoretische Aspekte / praktische ErkenntnisseBezeichnenderweise war es in Deutschland ein Unfallchirurg, Karl-HermannStaubach (dam<strong>als</strong> Lübeck, heute Bad Segeberg), welcher sich diesesVerfahrens annahm und auch zum jetzigen Zeitpunkt sind die Vorbehalte derOrthopädie gegen den oben beschriebenen Paradigmenwechsel deutlichspürbar. Hinsichtlich der Forderung einer stabilen und dauerhaften Verankerungeines intramedullär eingebrachten Implantates lagen zum Zeitpunktder Erstimplantation der EEFP bereits erschöpfende Erkenntnisse über diehierfür notwendige dreidimensionale knöcherne Durchdringung der Implantatoberflächevor. Voraussetzung für eine schnellst mögliche Osseointegrationist dabei eine hohe Primärstabilität des Implantats nach Einbringung


174 175GLIEDMASSENAMPUTATIONVON DER STELZE ZUM INTRAMEDULLÄREN KRAFTTRÄGERAbb. 9 / EETB bds. n. traumatischerbilateraler US-AmputationAbb. 10 / Röntgenbefund im apStrahlengang zu Abb. 9Abb. 11 / EEFP bds. n. traumatischerbilateraler OS-AmputationAbb. 12 / Röntgenbefund im apStrahlengang zu Abb. 11in das Knochenrohr. Dieses geschieht in zementfreier Technik im Press-fit-Verfahren. Grundei entwickelte hierfür das sog. Spongiosa-Metall mit einerzunächst unregelmäßigen, dreidimensional konfigurierten Oberflächenstruktur.In die so vorgegebenen Hohlräume dieser Struktur erfolgt regelhaftdas Ein- und Durchwachsen durchbluteten Knochengewebes, was zu einersicheren Knochenverankerung der Implantate führt. Im Jahre 1990 erfolgtedie Patentierung des Spongiosa Metall 2 ® (Abb. 3), welches durch eine regelmäßigeund stetig reproduzierbare Tripodenoberfläche gekennzeichnet ist.Die Implantate werden dabei <strong>als</strong> jeweils ein singuläres Werkstück im Gussverfahrenaus einer Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierung hergestellt und dieBauhöhe der Tripoden kann den Erfordernissen angepasst werden. SolcherArt Implantate werden mit Erfolg seit 1990 sowohl in der Endoprothetikgroßer und kleiner Gelenke <strong>als</strong> auch in der Extremitäten erhaltendenTumorchirurgie eingesetzt. Die hohe Verlässlichkeit dieser Endoprothesenhinsichtlich ihrer ossären Integration beruht dabei auf der tatsächlichendreidimensionalen knöchernen Durchdringung der Tripodenstruktur mitder sich daraus ergebenden Erhöhung der Kontaktfläche zwischen Implantatund Knochengewebe um ein Vielfaches gegenüber glatten oder lediglichangerauten Oberflächen. Diese innige Verzahnung lässt nur noch minimaleRelativbewegungen zwischen Knochen und Metall zu. Darüber hinaus führtdie Geometrie der Tripodenstruktur zu einer Fraktionierung unidirektionaleingeleiteter Kraftvektoren in den Metallstiel in nunmehr multidirektionalgerichtete Kraftvektoren. Diese Umstände werden <strong>als</strong> maßgeblich dafürangesehen, dass die Ausbildung eines bindegewebigen Interfaces zwischenImplantat und Knochen unterbleibt, was wiederum <strong>als</strong> Voraussetzung für eineinfektresistente Versiegelung des Markraumes angesehen wird (Abb. 4).Die Forderung einer verlässlichen Vermeidung aufsteigender Infektionen,ausgehend von der Hautdurchtrittstelle des Implantates in den Markraumdes Knochens hinein erscheint <strong>als</strong>o eng mit der dreidimensionalen Oberflächenstrukturder Implantate und dem daraus resultierenden räumlichenKnochenwachstum in und durch die Struktur verknüpft. Entsprechendtraten zu Beginn der Anwendung der EEP zwar vermehrt relevante Weichteilirritationenim Bereich der Durchtrittstelle des Implantates auf, hierausergaben sich jedoch in keinem Fall intramedulläre Infektionen. Wohl zwangendie z.T. heftigen und langwierigen Weichteilinfektionen zu einer Anzahlnicht geplanter operativer Revisionen, ein hierauf basierender endgültigerImplantatverlust wurde jedoch nicht beobachtet. Allerdings zwangen dieanfänglich gehäuften Weichteilprobleme im Bereich des Stoma zu Korrekturenund Designänderungen an den die Haut durchdringenden Bauteilen derEEP. Zusammengefaßt hat sich gezeigt, dass, entgegen der ursprünglichenVermutung, Länge und Durchmesser des Weichteilkan<strong>als</strong>, der vom äußerenHautrand bis zum distalen Knochenrand reicht, auf ein Minimum begrenztbleiben sollte. Anzustreben ist die Epithelisierung dieser mit „Inner lining“


176 177GLIEDMASSENAMPUTATIONVON DER STELZE ZUM INTRAMEDULLÄREN KRAFTTRÄGERbeschriebenen inneren Wundfläche dieses Kanales, der das nach außenführende Metallbauteil umschließt, dessen Oberflächenbeschaffenheitwiederum glatt und poliert sein sollte.Rehabilitationszeitraumes zwingen. Die Einzelheiten der Op-Vorbereitung,der Op-Technik und des postoperativen Managments wurden bereits ananderer Stelle ausführlich beschrieben [11].Praktisches Vorgehen und ErgebnisseBei den Amputationen von großen Gliedmaßen bilden Oberschenkelamputationenmit Abstand das größte Kontingent, gefolgt von Unterschenkel-,Oberarm- und Vorderarmamputationen. Ein datensicheres Registerüber die jeweilige Indikation zur Amputation existiert nicht, es wirdjedoch geschätzt, dass von den jährlich etwa 25.000 Oberschenkelamputationenmaximal 5-10% zu Lasten einer traumatischen Genese gehen, bei denübrigen Gliemaßen ergeben sich deutlich geringere Fallzahlen. Patientenmit Gliedmaßenverlusten auf dem Boden arterieller Verschlußkrankheitenoder <strong>als</strong> Folge einer Diabetes-Erkrankung wurden von vornherin wegen dergenuin <strong>als</strong> erhöht angesehenen Komplikationsgefahr <strong>als</strong> mögliche Endo-Exo-Probanden excludiert, ebenso Patienten mit mangelnder Complianceoder einer psychischen Begleiterkrankung. So erstaunt es nicht, dass dieersten Endo-Exo-Anwendungen nach traumatisch bedingtem Oberschenkelverlustdurchgeführt wurden; erst im Laufe der vergangenen 18 Monatewurden bisher auch 4 Unterschenkelamputationen an 3 Patienten mittelsEndo-Exo-Tibiaprothesen (EETB) versorgt.Die Implantation des Endomoduls der Prothese und die Stomaeröffnung mitAndockung der die Haut durchdringenden Bauteile werden zweizeitig ausgeführt.Zwischen den beiden Operationsschritten wird in der Regel eine6-wöchige Ruhephase abgewartet, um eine störungsfreie Osseointegrationdes Implantates im Markraum zu ermöglichen. In Abhängigkeit von derintraoperativ zu beurteilenden Knochenfestigkeit kann dann nach dem2. Operationsschritt innerhalb weniger Tage mit einem aufsteigenden Belastungstrainingbegonnen werden, so dass Vollbelastung 8-10 Wochen nachdem Ersteingriff erreicht wird. Allerdings kann eine extrem entkalzifizierteKnochensubstanz mit ausgedünnter Corticalis auf Grund langjährigerEntlastung des Femurstumpfes hier zu einer deutlichen Ausweitung desDie Erstimplantation einer EEFP (Abb. 5 u. 6) erfolgte im Jahre 1999.Mittlerweile sind in Lübeck 47 Patienten auf diese Weise versorgt worden,3 Patienten davon mittels EETP, in einem Fall nach hoher Unterschenkelamputationmittels gleichzeitigen endoprothetischen Kniegelenksersatzes undangedockten Endo-Exo-Bauteils (Abb. 7 u. 8), in einem weiteren Fall nachbilateraler Unterschenkelamputation (Abb. 9 u. 10). Des weiteren wurden2 Patienten nach bilateraler Oberschenkelamputation mittels EEFP versorgt(Abb. 11). 10 Jahre nach Erstimplantation einer EEP hat es bisherlediglich einen gesicherten Fall eines intramedullären Prothesenlagerinfektesgegeben. Wohl aber treten immer wieder revisionspflichtige Weichteilinfektionenim Stomabereich am distalen Pol des Oberschenkelstumpfes auf.Die Entstehung solcher Infekte ist eo ipso abhängig von der Ausdehnung derGrenzfläche zwischen den Weichteilen und den extraossär liegenden Anteilendes Implantates. Vermehrte Relativbewegungen an dieser Grenzschichtdurch vermehrte Mobilität führen regelhaft zu gesteigertem Sekretfluss bishin zur inflammatorischen Weichteilinfektion. Erst durch Versiegelung dieserGrenzfläche infolge Vernarbung und Ephitelisierung tritt eine endgültigeBeruhigung dieser Problematik ein.Hinsichtlich Handhabung und Tragekomfort der EEFP beschrieben allePatienten deutliche Vorteile gegenüber der schaftumfassenden Prothese.Die im Rahmen einer Promotion über Ganganalysen bei oberschenkelamputiertenPatienten mit schaftumfassenden Prothesen und EEFP-Trägernversus gesunden Probanden erhobenen Daten konnten zeigen, dass sichGangsicherheit und Gangsymmetrie der TrägerInnen einer EEFP weniger vonder einer gesunden Person unterscheiden <strong>als</strong> dies bei herkömmlich versorgtenPatienten der Fall war [12]. Interessante erste Hinweise aus dem Ganglaborgibt es hinsichtlich des Energieverbrauchs ausgewählter Probanden.Dabei erfolgte die Bestimmung der Energiebilanz der jeweiligen Patienten


178 179GLIEDMASSENAMPUTATIONVON DER STELZE ZUM INTRAMEDULLÄREN KRAFTTRÄGERmittels Sauerstoffverbrauchsmessung, sowohl vor <strong>als</strong> auch nach Versorgungmittels EEFP bei definierten Geschwindigkeiten und Zeiten auf einem Laufband.Offensichtlich lässt sich der benötigte Energieaufwand zur Bewältigungeiner bestimmten Strecke in einer bestimmten Zeit mittels derknochengeführten Prothese im Vergleich zur Schaftprothese signifikant senken.Diese Untersuchungen stehen jedoch noch am Anfang, weitere Ergebnissestehen aus.45 von 47 operierte Patienten würden rückblickend der Versorgung mittelsEEFP gegenüber einer schaftumfassenden Prothese erneut den Vorzuggeben.Diskussion und AusblickFür die Patienten stellt die EEP einen deutlichen Vorteil hinsichtlich dessubjektiven Tragekomforts und objektiver Stumpfsituation dar. Die leichterhöhte Aufmerksamkeit, die der Weichteil- und Stomapflege zu widmenist, wird durch Vorteile wie die deutlich verkürzte Anlegezeit, die Unabhängigkeitvon bestehenden Narben, wechselndem Körpergewicht und darausresultierender veränderter Stumpfform, ausbleibenden Hautirritationenund Druckschäden durch die Abstützung des Prothesenschaftes aufgewogen.Alle Patienten beschreiben eine deutlich verbesserte Mobilität, längereBelastungszeiten und eine erhöhte Gangsicherheit im Vergleich zur Schaftprothese.Letzteres erklärt sich durch die Wiedergewinnung der osseoperceptivenFähigkeiten mittels Knochenführung der Prothese. Hierausresultiert zum einen ein verbessertes Gangbild, zum anderen ein verminderterenergetischer Aufwand bei der Bewältigung definierter Wegstrecken.Nicht zuletzt berichten alle Patienten über einen entscheidend verbessertenKomfort beim Sitzen durch Wegfall des störenden Köchers der schaftumfassendenProthese. Dieser Vorteil hat bei mehreren unserer Patienten zumErhalt bzw. zur Wiedergewinnung eines Arbeitsplatzes geführt. Soweit unsbekannt, ist in Schleswig-Holstein der bundesweit einzige Busfahrer imöffentlichen Nahverkehr nach Oberschenkelamputation beschäftigt.Die Infektsituation an der Grenzzone kann <strong>als</strong> beherrschbar angesehenwerden. Regelhaft ist eine Keimbesiedlung im Stomabereich zu beobachten,überwiegend finden sich Keime der natürlichen Hautflora. InterventionsbedürftigeInfekte sind seit der Einführung hochglanzpolierter Oberflächenim Weichteilbereich zur Ausnahme geworden. <strong>Das</strong> häufig diskutierteRisiko intramedullärer Infekte ist unter Betrachtung der bisherigen Ergebnisse<strong>als</strong> vernachlässigbar anzusehen. Durch die dreidimensionale Osseointegrationdes Prothesenstiels erfolgt bereits 2-3 Wochen postoperativ einesuffiziente Versiegelung des Markraums gegen aufsteigende Infekte. DieseThese wird dadurch gestützt, dass auch bei den ersten Patienten, derenVerlauf teilweise durch ausgedehnte Weichteilinfekte (teils mit MRSA)geprägt war, keine Prothesenlockerungen oder intramedulläre Infekte zubeobachten waren.Hinsichtlich der Indikationsstellung hat sich gezeigt, dass insbesonderePatienten, die auf Grund von Begleitverletzungen, des Lokalbefundes o.ä.mit einer herkömmlichen Schaftprothese nur unbefriedigend bis gar nichtversorgt werden können, am meisten von diesem neuartigen Konzeptprofitieren. Die weitere Ausdehnung der Indikation auf Patienten mit Gliedmaßenverlustender oberen Extremität wird nur eine Frage der Zeit sein,insbesondere in Anbetracht der sich hieraus ergebenden high-tech-Möglichkeitenhinsichtlich der exoprothetischen Versorgung. So ist bei fester Verbindungder Ellenbogen-Vorderarm-Prothese zum intramedullären Kraftträgerim Humerus eine kabelfreie Steuerung der peripheren Erfolgsorgane übermyoelektrische Transducer vorstellbar.Weltweit befassen sich Arbeitsgruppen in Schweden, Großbritannien undDeutschland mit dieser Thematik und können vergleichbare Ergebnisse beiallerdings sehr unterschiedlichen Implantaten vorweisen. Ohne Zweifel sindauch die Nordamerikaner angesichts ihres hohen Patientenaufkommensaus dem Irakkrieg an dem Konzept der EEP interessiert. Im Bone and JointResearch Lab der Universität von Utah beschäftigt man sich derzeitintensiv mit der Grenzzonenproblematik und ist auf der Suche nach einem


180 181GLIEDMASSENAMPUTATIONVON DER STELZE ZUM INTRAMEDULLÄREN KRAFTTRÄGERWerkstoff, der Implantat und Weichteilmantel an der Durchtrittstelle gleichermaßenzu einer infektresistenten, biologischen Einheit verschweißt.Bis zur Lösung dieses Problems erscheint der Lübecker Gruppe der obenbeschriebene Weg allerdings am gangbarsten.<strong>Das</strong> im Jahre 2006 durch Zertifizierung nach dem Medizinproduktegesetzzur Marktreife gelangte Implantat wurde im selben Jahr auf Antrag derSana Kliniken Lübeck bei der „InEK GmbH“ (Institut für das Entgeltsystemim Krankenhaus) <strong>als</strong> NUB (Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode)zugelassen – <strong>als</strong> Vorbereitung zur Schaffung einer für die EEFP gültigenDRG. Dieser Schritt wurde mit Aufnahme der EEFP in das systematischeVerzeichnis des Operations- und Prozedurenschlüssels OPS 2009 imOktober 2008 vollzogen [13]. Angesichts der Besonderheit des Verfahrensund des ohnehin beschränkten Patientenaufkommens sollten die Implantationder EEP und die Nachsorge zumindest mittelfristig nur von hierfürspezialisierten Zentren durchgeführt werden. Die Schaffung einer elektronischenDatenvernetzung der an diesem Verfahren beteiligten Kliniken istderzeit in Vorbereitung; nur die enge Kooperation der Zentren gewährleistetdie Sicherstellung der jeweils optimalen Lösung für die uns anvertrautenPatienten.


182 183CHRONISCHE OSTEITIS –VON DER EPISODE ZUM CHRONISCHEN INFEKTGESCHEHENG. O. HofmannA. H. TiemannDefinitionenOsteitis / OsteomyelitisDer Terminus Osteitis/Osteomyelitis beschreibt eine erregerinduzierteInfektion des Knochens (Myelon und Kortikalis). Je nach Ausdehnung derErkrankung (zeitlich und räumlich) werden die den Knochen umgebendenWeichteile in diesen entzündlichen Prozess einbezogen.EpisodeIn der Medizin das Auftreten von Krankheitszeichen mit einer Wiederherstellungder Gesundheit in einem periodischen Krankheitsverlauf (die Zeitspanneder Krankheitserscheinungen bei einer völlig rückbildungsfähigen akutenErkrankung).Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Gunther O. HofmannDirektor der Kliniken für Unfall-,Hand- und WiederherstellungschirurgieFriedrich Schiller – UniversitätErlanger Allee 10107747 JenaDirektor der Klinik für Unfall- und WiederherstellungschirurgieBG-Kliniken Bergmannstrost Halle (Saale)Merseburger Str. 165, 06112 HalleKo-Autor:Priv. Doz. Dr. med. Andreas Heinrich TiemannLeitender Arzt der Abteilung für Septische und Rekonstruktive ChirurgieBG – Kliniken BergmannstrostMerseburger Str. 16506112 HalleKlassifikationDiese wird in der Literatur unterschiedlich vorgenommen. Grundsätzlichkann die Unterscheidung erfolgen nach:• der Ausbreitungsrichtung• der AkuitätAusbreitungsrichtung• Bei der Osteomyelitis ist zunächst das „Myelon“ befallen. Die Infektionbreitet sich vom Mark nach außen aus (zentrifugaler Infektionsweg) [23].Die Osteomyelitis entsteht regelhaft durch eine „hämatogene Keimverschleppung“.• Bei der Osteitis ist der Infektionsweg umgekehrt. Keime dringen vonaußen in Richtung Myelon vor (zentripetaler Infektionsweg) [23]. DieseErkrankung entsteht regelhaft durch eine exogene Noxe, z.B. posttraumatischoder im Anschluss an operative Eingriffe.Die Termini „Osteitis“ und Osteomyelitis“ werden in der Literatur nichtstringent benutzt. Während im angloamerikanischen Raum generell vonder Osteomyelitis gesprochen wird, wird im deutschsprachigen Bereich


184 185CHRONISCHE OSTEITIS – VON DER EPISODE ZUM CHRONISCHEN INFEKTGESCHEHENAbb. 1 / Chronische Osteitis nach distaler UnterschenkelfrakturAbb. 2 / Infektsanierung am Knochen.Z.n. Resektion des distalen 1/4 der Tibia.Einliegender PMMA - SpacerAbb. 3 / Knochenrekonstruktion. Hier: Orthograder Segment-Transport im Ilizarov-Hybrid –Fixateur. Proximal sichtbar die „Transportkortikotomie“. Transportgeschwindigkeit:1mm/Tag in 4 Portionen. a. Projektionsradiographischer Befund, b. Klinischer Befundzwischen der Osteomyelitis und der Osteitis unterschieden. Grundlage hierfürist die oben beschriebene Infektausbreitungsrichtung. Durch verschiedeneAdjektive wie primär, sekundär, kontinuierlich etc. wird versucht, dieoben beschriebenen grundsätzlichen Entitäten präziser zu charakterisieren[3, 25].Letztlich sind die Spätformen beider Erkrankungen häufig nicht mehr voneinanderzu diskriminieren, da Myelon, Kortikalis und umgebende Weichteilein gleicher Weise in das Krankheitsgeschehen involviert sein können. ZurVereinfachung wird in diesem Artikel immer dann von einer Osteitis gesprochen,wenn die Erreger von außen eindringen (exogen/posttraumatisch/postoperativ). In den Fällen der Infektion von innen (hämatogene Aussaat)sprechen wir von der Osteomyelitis.AkuitätNeben der Infektausbreitungsrichtung kann auch die Zeit bis zum Auftretenerster Symptome zur Definition des Krankheitsbildes herangezogen werden.Mit Blick auf stattgehabte Operationen (Osteosynthesen o.ä.) ist bekannt,dass in einem frühen Stadium der Knocheninfektion (Akutphase) unterbestimmten Voraussetzungen die Erhaltung einer zuvor eingebrachtenOsteosynthese möglich ist, während dieses in einem späten Stadium regelhaftnicht der Fall ist. Insofern besteht bezüglich der zeitlichen Zuordnungder Erkrankung in der Literatur Einigkeit, von einer akuten und einer chronischenPhase zu sprechen. Uneinigkeit herrscht jedoch in Bezug auf dieAbgrenzung zwischen akuter und chronischer Erkrankung. Während Autorenwie Schnettler (2004) nach einer willkürlich festgelegten Zeit von 4 Wochenvon einer chronischen Erkrankung sprechen, liegt diese nach Auffassungvon Hofmann erst nach 8 Wochen vor [14, 22]. Eine medizinisch definiertezeitliche „Benchmark“ existiert bislang nicht.Bei der in diesem Beitrag betrachteten chronischen Erkrankung unterscheidenwir zwei Krankheitsbilder [8]:• die primär chronische Erkrankung (über die Zeitgrenzevon 4 bis 8 Wochen hinaus dauernde symptomatische Infektion),• die sekundär chronische Infektion, die sich nacheinem asymptomatischen Intervall erneut manifestiert.Grundsätzlich aber muss an dieser Stelle die Frage erlaubt sein, ob daschronische Stadium der Erkrankung nicht bereits wesentlich früher <strong>als</strong> nach4 Wochen eintritt, ist doch bekannt, dass bereits Stunden nach der Inokulationbeispielsweise von Staph. aureus am Knochen irreversible (sprich chronische)Veränderungen eintreten.


186 187CHRONISCHE OSTEITIS – VON DER EPISODE ZUM CHRONISCHEN INFEKTGESCHEHENAbb. 4 / Abgeschlossener Transport. Z.n. Entfernung des Fixateurs.a. Projektionsradiographischer Befundb. Klinischer BefundVorliegens einer Osteitis/Osteomyelitis eingeschätzt werden kann [21].Grundsätzlich basiert die Diagnose einer Osteitis auf folgenden Kriterien[21]:• Anamnese (bzgl. des Lokalbefundes sowie systemischer Risikofaktoren)• Klinischem Befund und Labor• Bildgebender Diagnostik (Sonographie, Projektionsradiographie, CT,MRT, nuklearmedizinische und Hybridverfahren)• Bakteriologie• Feingeweblicher UntersuchungInzidenzInzidenzraten werden in der Literatur kaum und dann unterschiedlich angegeben[7, 11, 12, 14]:Für die Osteitis im Allgemeinen gilt:• Geschlossene Frakturen: 0.5 bis 3.0%• Offene Frakturen: 2.6 bis 10%• Nach Osteosynthese: 0.6 bis 3.4%Für die chronische Osteitis:• Jährliche Neuerkrankungen: Ca. 1500• Kosten pro Fall: Ca. 700.000 €Ambulante, stationäre Behandlung, Reha., Berentung, Arbeitsausfall• Die benötigten Ressourcen zur Behandlung entsprechen denen derTherapie von Rückenmarkläsionen. Der gesamte volkswirtschaftlicheSchaden liegt in Milliardenhöhe.DiagnostikDie Problematik der korrekten Einordnung vorliegender Symptome undBefunde zur Diagnose „Osteitis/Osteomyelitis“ wird anhand der Tatsachedeutlich, dass Schmidt et al. im Jahr 2010 einen Osteitis Definitions-Scoreentwickelten, anhand dessen durch die Wertung verschiedener, im Rahmender Erkrankung auftretender Symptome die Wahrscheinlichkeit desDie Anamnese dient der möglichst exakten Erfassung des spezifischenKrankheitsverlaufes und, wenn möglich, der Ursache der Erkrankung(„Starterverletzung“, Rezidive etc.). Insbesondere der zeitliche Verlauf(Diskriminierung akute/chronische Osteitis) ist wesentlich. Ebenso solltenCo-Morbiditäten erfasst werden. Sie können <strong>als</strong> Promotoren des Infektgeschehenswirken. Die klinischen Zeichen und der klinische Verlauf vonKnocheninfektionen sind nicht immer eindeutig oder pathognomonisch.Natürlich sind die klassischen Entzündungszeichen ebenso wie Fieber vonwesentlicher Bedeutung. Problematisch ist jedoch die Tatsache, dass diesetypischen Zeichen nicht immer vorliegen bzw. die Klinik laviert sein kann.Als Faustregel kann gelten [2, 5, 9, 14]:• Je jünger der Betroffene und je akuter die Infektion,umso wahrscheinlicher ist das Vorliegen aller Entzündungszeichen.• Je älter der Betroffene und je chronischer die Infektion, umsoweniger wahrscheinlich ist das Vorliegen aller Entzündungszeichen.• Fisteln (+/- putride/purulente Sekretion), freiliegender Knochen oderfreiliegende Osteosynthese gelten <strong>als</strong> sichere Infektzeichen.Für die Beurteilung der Paraklinik (Laborparameter) relevant sind dieBestimmung der Leukozytenzahl und des C-reaktiven Proteins (CRP).Bekanntermaßen sind diese Parameter nicht die einzigen, die zur Beurteilungvon Infektgeschehen herangezogen werden können, jedoch untermonetären Gesichtspunkten stellen sie die optimale Kombination dar.


188 189CHRONISCHE OSTEITIS – VON DER EPISODE ZUM CHRONISCHEN INFEKTGESCHEHENNeben den absoluten Werten sind insbesondere die Verläufe dieser Werteüber die Zeit wesentlich. Normalisieren sich beispielsweise nach einer OsteosyntheseLeukozytenzahlen und CRP-Wert nach einigen Tagen nicht, so istdies ein verdächtiges Zeichen.Die bildgebende Diagnostik dient der Suche nach dem morphologischen Korrelatzu den vorliegenden klinischen Infektzeichen. Zu unterscheiden sindfolgende Verfahren:• Projektionsradiographieo erster radiologischer Schritto Überblick über die Situation in der Zielregion (Knochenstruktur,Osteosynthesen, Prothesen, pathologische Fraktur etc.)o Grobbeurteilung der Weichteileo Keine Aussage zu Infektaktivität und nur bedingtzur Infektausbreitungo Verzögertes Auftreten der radiologischen Veränderungen(Knochen + ca. 14 Tage)• Schnittbildverfahren (CT, MRT)o CT: Präzise Darstellung der Knochenstruktur, d.h. Destruktionbzw. Reparation (Ausdehnung der Knochendestruktion, Nachweisvon Sequestern, Nachweis von Knochenkonsolidierung im Rahmender Frakturheilung, Beurteilung von Pseudarthrosen), Darstellungparaossaler Abszesse mit der Möglichkeit der interventionellenDrainageo MRT: Beurteilung der paraossären Weichteile (Infektausdehnung)Beurteilung der Infektausdehnung im MarkraumBeurteilung der „Akuität“Cave: MRT neigt zur „Übertreibung“. Die Wertung der Befundemuss im Kontext mit den anderen Untersuchungen erfolgen• Nuklearmedizinische Verfahren (Szintigraphie, PET)o Tracer – diagnostische Verfahren zur Detektion von Entzündungs-herden. Sowohl lokal <strong>als</strong> auch im Sinne der Ganzkörperdarstellung <strong>als</strong>Fokus-Screenings [4, 5, 16].• Kombinationsverfahren (PET – CT)o Insbesondere die Kombination von CT und PET hat dieMöglichkeiten der sensitiven und validen Bildgebung bei derFokussuche und – darstellung an Knochen und umgebendenWeichteilen deutlich verbessert.o Die Kombination von szintigraphischer mit computertomographischerDarstellung im Sinne der SPECT-CT (= single photonemission computed tomography) hat für die Entzündungsdiagnostikkeine wesentlichen Vorteile erbracht, da die räumlicheAuflösung zwischen Knochen und umgebendem Weichteilgewebein aller Regel schwer gelingt.• Sonographieo Nachweis von Flüssigkeitsansammelungen in den Weichteileno Differenzierung der Flüssigkeitsqualitäten (Pus, Serom,Blut eingeschränkt)o Hoher Stellenwert bei der Diagnostik im SäuglingsundKindesaltero Geringer Stellenwert beim Erwachseneno Detektion von implantatassoziiertem Flüssigkeitsverhalten(z.B. infizierte Totalendoprothese) möglichDie Bakteriologie dient der Erregerbestimmug. Die Gewinnung von Probenzur mikrobiologischen / bakteriologischen Untersuchung ist ein unverzichtbarerBestandteil der Diagnostik im Rahmen der Behandlung von Knocheninfektionen.Allen Infektionen am Skelettsystem ist eines gemeinsam: Siezeichnen sich durch eine geringe Erregerzahl in den gewonnenen Probenaus. Häufig ist auch bei eindeutiger Klinik, Paraklinik sowie dem Vorliegenvon radiologisch pathognomonischen Zeichen ein Keimnachweis nicht zuführen.


190 191CHRONISCHE OSTEITIS – VON DER EPISODE ZUM CHRONISCHEN INFEKTGESCHEHENNach Frommelt untergliedert sich die Mikrobiologische Untersuchung in dreiAbschnitte [10, 14]:• Präanalytische Phase• Analytische Phase• Postanalytische PhaseFür den behandelnden Chirurgen ist verständlicherweise die präanalytischePhase besonders wichtig. Hier werden die mikrobiologischen Proben gewonnenund in die Mikrobiologie verbracht. Die technische Durchführung undKenntnis der besonderen Problematik hat entscheidenden Einfluss auf dieweitere Bearbeitung der Proben (i.e. die Qualität der Analyse und die Aussagenzu möglichen Antibiotika).• Die Probeentnahme muss an repräsentativen Orten,am besten intraoperativ, erfolgen (mehrere Orte im Op. – Situs).• Alleinige Wundabstriche (auch intraoperativ), Abstriche von Fisteln, Untersuchungvon Drainageflüssigkeit sind ungeeignet (zu große Möglichkeitder Kontamination der Proben – keine sichere Erregerbestimmung).• Eine ausreichende Zahl (im eigenen Vorgehen nicht < 6!) muss entnommenwerden.• Auf ein ausreichendes Probenvolumen muss geachtet werden(ca. 1 cm 3 ).• Rascher Probentransport in das Labor.• Verwendung geeigneter Medien (sterile Probenröhrchen).Die feingewebliche Untersuchung gehört heute zum Standard. Sie leisteteinen wesentlichen Beitrag bei der Beantwortung der Frage nach derInfektausdehnung und der Resektion „in sano“ und beeinflusst somit dasResektionsausmaß.TherapieZiele der Behandlung sind:• Die Infektberuhigung• Der Erhalt oder die Wiederherstellung eines tragfähigen Knochens• Der Erhalt oder die Wiederherstellung einessuffizienten Weichteilmantels• Der Erhalt oder die Wiederherstellung einesfunktionsfähigen Skelettsystems• Der Erhalt oder die Wiederherstellung einerakzeptablen LebensqualitätIn den letzten Jahren hat sich der Begriff „Infektberuhigung“ gegenüberdem Terminus „Infekteradikation“ durchgesetzt. Dieses ist dem Umstandzuzuschreiben, dass auch nach konsequenter Behandlung und reiz-/ infektfreierSituation die Möglichkeit besteht, dass Infekterreger persistieren, diemanchmal nach Jahren eine Osteitis wieder anfachen können.Die chirurgische Therapie der Knochen-/Weichteilinfektion basiert auf5 Prinzipien:• Chirurgische Sanierung des Infektherdes am Knochen• Chirurgische Sanierung des Infektherdes an denumgebenden Weichteilen• Stabilisierung des Knochens• Rekonstruktion des Weichteilmantels• Rekonstruktion des KnochensDie chirurgische Infektsanierung an Knochen und Weichteilen stellt einetherapeutische Einheit dar! In Anlehnung an die Onkochirurgie ist die oberstechirurgische Zielsetzung eine postoperative „Residualinfektfreiheit“(entsprechend einer RO-Resektion in Anlehnung an die Residualtumor (R)– Klassifizierung) durch En-bloc-Resektion, d. h. Resektion des Infektherdesin allen drei Dimensionen der Infektausdehnung bei Einhaltung einesadäquaten Sicherheitsabstandes [26]. Letztlich ist der Leitsatz „ubi pus,ibi evacua“ unverändert die Grundlage der Infektsanierung am Knochen.Parallel zur Sanierung des Infektherdes muss mechanische Stabilität derbefallenen Knochen erzielt werden. Für die Stabilisierung des Knochensstehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, die in Abhängigkeit von der


192 193CHRONISCHE OSTEITIS – VON DER EPISODE ZUM CHRONISCHEN INFEKTGESCHEHENindividuellen Situation zur Anwendung kommen. Als Grundregel lässt sichfesthalten, dass es sich bei diesen Verfahren zumeist um externe Fixateursystemehandelt. In seinem Artikel von 2002 empfiehlt Schmidt die Anwendungvon Ringfixateuren insbesondere dann, wenn zu einem späteren Zeitpunktrekonstruktive Maßnahmen am Knochen notwendig werden [22].Die Infektsanierung wirft verschiedene Fragen auf:A. Umgang mit einliegendem Osteosynthesematerial. Hier hat sich bei derBehandlung der chronischen Osteitis folgendes Prozedere durchgesetzt:Generelle Entfernung des Osteosynthesemateri<strong>als</strong>, konsequentes Debridement,Stabilisierung mittels Fixateur externe.B. Häufigkeit der Revisionseingriffe. Hier existieren verschiedene Modelle:• Etappenlavage:In 2 – 5 tägigem Abstand erfolgen programmierte Revisionen. Diese beinhaltenjeweils die Gewinnung von mikrobiologischen und histologischenProben sowie ein konsequentes Debridement („R0“) [12, 14]. Ziel ist dieInfektfreiheit oder besser der nicht mehr zu führende Keimnachweis.• 3-Eingriffs – Modell:Dieses beinhaltet die Infektsanierung in drei Schritten: Schritt 1 =Operation 1 dient zur konsequenten Resektion des Infektherdes im Sinneder R0 – Resektion (die histopathologische Überprüfung der Herdränderist hier eine conditio sine qua non). Schritt 2 = Operation 2 geplantnach einer Woche dient zur Befundkontrolle. Nur bei persistierendenInfektzeichen (klinisch/paraklinisch) wird nach einer weiteren Woche einedritte Operation durchgeführt. Die Wichtung bei diesem Modell liegt inder nachgewiesenen klinischen und paraklinischen Infektberuhigung.Dieses Modell basiert auf den Überlegungen von Bühler und Kirschner(2004). Nach den Erfahrungen dieser Autoren ist bei der Behandlungperiprothetischer Infektionen nach zwei Eingriffen keine Verbesserungdes Lokalbefundes mehr zu erreichen [6].Es versteht sich von selbst, dass die dargestellten Konzepte individuell andie jeweils vorliegende Situation angepasst werden.C. Einsatz der Jetlavage. Diese hydromechanische Reinigungsmethode desSitus kommt nach dem chirurgischen Debridement zum Einsatz und sollzu einer weiteren Verminderung der Keimzahl führen (Dilution). Obwohlstandardmäßig gebraucht, ist die Anwendung durchaus nicht unumstritten(Problematik der Keimverschleppung in den frisch eröffneten spongiösenKnochen. Problematik der Osteoblastenschädigung durch Drücke> 500 kPa) [14].D. Wahl der korrekten Spüllösung. Bei der Jetlavage wird ausschließlichphysiologische Kochsalzlösung benutzt. Auf die spezifischen Gefahrenspezieller desinfizierender Lösungen wurde in der Literatur in den letztenJahren nachhaltig verwiesen [13, 15, 19].Weichteil-RekonstruktionFür die Rekonstruktion der Weichteile steht in Abhängigkeit von der Lok<strong>als</strong>ituationdie ganze Breite der plastischen Defektdeckungsmöglichkeiten zurVerfügung, beginnend bei der Meshgraft – Deckung bis hin zu freien myokutanenLappen mit mikrovaskulären Anastomosen. Eine Sonderstellungnimmt in diesem Zusammenhang sicherlich der mikrovaskularisierte Knochenspanmit anhängendem Haut – Muskel – Lappen ein. Diese Technik kannin ausgewählten Fällen dazu dienen, Knochen und Weichteile simultan undin einem einzigen Eingriff zu rekonstruieren. An dieser Stelle sei deutlichdarauf verwiesen, dass septische Knochenchirurgie nur dann seriös durchgeführtwerden kann, wenn die Möglichkeiten der plastischen Deckung inall ihren Spielarten unmittelbar zu Verfügung steht. Die Rekonstruktion derKnochen erfolgt in der Regel nach der der Weichteile, da der suffizienteWeichteilmantel mit einem guten Regeneratlager Voraussetzung für dieerfolgreiche Knochenrekonstruktion ist. Ein „offener Transport“ ist heutedie Ausnahme in „ultima ratio“-Situationen.


194 195CHRONISCHE OSTEITIS – VON DER EPISODE ZUM CHRONISCHEN INFEKTGESCHEHENAls Faustregel für die Methode der Rekonstruktion kann (bei mechanischerStabilität) folgendes gelten [20]:• Defekt bis zu 3 – 4 cm: Spongiosaplastik• Defekt größer: Segmenttransport (Verschiebung eines Knochensegmentesin den Knochendefekt. Verschluss des Defektes und Osteoneogenesein der Distraktionszone). Analog der Weichteilrekonstruktion muss derbehandelnde Chirurg auch hier über ausreichende Erfahrungen imUmgang mit den einzelnen Methoden verfügen.AntibiotikaDie Applikation von Antibiotika (lokal und systemisch) stellt eine adjuvanteTherapie dar.• Lokale Antibiotika:Ihre Applikation (z.B. PMMA-Ketten oder Antibiotika-Vliese) ist unverändertin der Diskussion. Während die Anwendung zu Beginn der 80er Jahrequasi ein Muss war, ist sie heute im Licht der Zunahme beispielsweise vonGentamycin-resistenten Keimen nicht unumstritten [1, 17]. Es fehlt nachwie vor der evidenzbasierte Nachweis der Wirksamkeit lokaler Antibiotikabei der Infektbekämpfung am Knochen.• Systemische Antibiotika:Ebenso wie die lokale Antibiotika-Applikation richtet sich die systemischeTherapie nach den Erregern. Dafür entscheidend ist der korrekte Erregernachweis(s.o.). Grundsätzlich werden zwei Typen der systemischenAntibiotika-Therapie unterschieden:o Kalkulierte / empirische Therapie: Der Patient leidet an einerhochakuten Infektion, der Keim ist (noch) nicht bekannt. Inderartigen Fällen wird die Therapie mit denjenigen Substanzenbegonnen, die gegen die zu erwartenden Erreger wirksam sind.Nach Eingang und Auswertung der mikrobiologischen Diagnostikist die Antibiotikatherapie ggfls. zu modifizieren.o Gezielte Therapie: Keim oder Keimspektrum sind bekannt.Von wesentlicher Bedeutung ist die Dauer der Antibiotikagabe. Basierendauf Untersuchungen von Mader aus dem Jahr 1988 ist bekannt, dassder Zeitraum bis zur vollständigen Revaskularisierung eines Knochensz.B. nach Osteotomie oder Fraktur nach einer initialen Hyperzirkulationsphaseca. 4 Wochen beträgt. In dieser Zeit liegt eine lokale Minderversorgungvor [18]. Grundsätzlich sollte dieser Tatsache mit einer Therapiedauervon 4 bis 6 Wochen Rechnung getragen werden [12]. Die Langzeitgabe ist,ähnlich wie die lokale Antibiotikagabe, nicht unumstritten. Frommelt zeigte2004 zahlreiche Nachteile auf [10]:• Infektionswechsel, d.h. Superinfektion mit resistenten Erregern(Pilze, Clostridium difficile, ...).• Arzneimittelfieber, Allergie• Toxische Reaktionen• Immunsuppressive Wirkung fast aller AntibiotikaHofmann et al. ordnen die Dauer der Antibiotikatherapie spezifischen Indikationenund Strategien zu [14].Neben der Antibiotikabehandlung, die, wenn auch in ihrer spezifischenDurchführung unterschiedlich beschrieben, heutzutage allgemein akzeptiertist, existieren noch weitere adjuvante Verfahren, die einen positivenEffekt auf den Verlauf der Behandlung von Knocheninfektionen haben können.<strong>Das</strong> bekannteste unter ihnen ist die hyperbare Sauerstofftherapie [24].Aber auch die Zuführung von Spurenelementen und Vitaminen kann denKrankheitsverlauf positiv beeinflussen.Fazit• Infektionen des Knochens und der umgebenden Weichteilesind schwerwiegende Erkrankungen.• Die Diagnosestellung ist aufgrund der nicht immereinheitlichen Symptomatik oftm<strong>als</strong> schwierig.• Die Diagnostik basiert auf einem präoperativen (Anamnese, Labor, Bildgebung)und einem intraoperativen (Mikrobiologie, Histologie) Part.


196 197CHRONISCHE OSTEITIS – VON DER EPISODE ZUM CHRONISCHEN INFEKTGESCHEHEN• Die Behandlung beruht auf der chirurgischen Fokussanierung und deradjuvanten Gabe von Antibiotika, ggfls. sind weitere adjuvante Maßnahmenzu prüfen.• Die fundierte Kenntnis der rekonstruktiven Maßnahmen an Knochenund Weichteilen und ihre Durchführbarkeit in der entsprechendenAbteilung sind Grundvoraussetzungen für den Therapiebeginn.• Selbst die konsequente Einhaltung und Durchführung der hiergeschilderten Maßnahmen ist kein Garant für die erfolgreicheTherapie. Insofern kann die chronische Osteitis nur im Idealfallim medizinischen Sinne des Wortes eine Episode sein.


198 199VON DER HEISSLUFTBEHANDLUNGZUR KOMPLEXEN FRÜHREHABILITATIONA. WentzensenWiedererlangung von FunktionenAls die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> im Jahre 1993 eineSektion für Physikalische Therapie einrichtete, erfolgte dies unter der Überlegung,dass eine wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong>, die sich schwerpunktmäßigmit dem Trauma beschäftigt, sich aus vielerlei Gründen mit dem wichtigenBereich Begleit- und Nachbehandlung befassen müsse. Dabei stand dasBemühen um die Wiedererlangung von Funktionen schon immer imMittelpunkt der Rehabilitation von Unfallverletzten, wenngleich der BegriffRehabilitation vor 60 Jahren keinesfalls geläufig war bei der „Nachbehandlung“Unfallverletzter.Der zeitliche AblaufVor 60 Jahren, zum Zeitpunkt der Wiedergründung unserer wissenschaftlichenFachgesellschaft nach dem Kriege, wurden fast alle Unfallverletztenmit ruhigstellenden Verbänden oder Extensionen konservativ behandelt.Die anschließende „Nachbehandlung“ war eine Mischung aus allen Teilender physikalischen Therapie, wobei häufig Verordnungen wie „10 x Heißluftund Massage“ zu den Standardanwendungen gehörten. In den Kliniken undKrankenhäusern, wo die <strong>Unfallchirurgie</strong> bis auf wenige Ausnahmen in dieChirurgische Klinik integriert war, befanden sich zu dieser Zeit die sogenannten Nachbehandlungsbereiche zumeist im Garten- oder Kellergeschoß,das Personal bestand häufig aus sehr kräftigen Männern, die eineSportanamnese <strong>als</strong> Ringer oder Kraftsportler hinter sich und anschließendden Beruf des Medizinischen Bademeisters und Masseurs erlernt hattenund diese Kenntnisse und ihre Kräfte bei der Nachbehandlung von Unfallverletzteneinsetzten, gelegentlich waren sie auch noch für das Gipszimmerzuständig.Prof. Dr. med. Andreas Wentzensenem. Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik LudwigshafenMarbacher Str. 2067071 LudwigshafenPhysiotherapeuten, die dam<strong>als</strong> von ihrer Entstehungsgeschichte her nochKrankengymnasten hießen und den Namen Physiotherapeuten erst mit derNovellierung der Berufsgesetze 1994 erhielten, waren in diesen Einrichtungenselten vertreten und stammten aus den wenigen Schulen für Krankengymnastik,an denen dam<strong>als</strong> vorwiegend höhere Töchter ausgebildet


200 201VON DER HEISSLUFTBEHANDLUNG ZUR KOMPLEXEN FRÜHREHABILITATIONAbb. 2a-b / Assistierte und selbständige Übungsbehandlung nach operativer Versorgung einer Wirbelkörperfraktur /Foto: Th. Albrecht, DGPh, DresdenAbb. 1 / Unmittelbar postoperative physiotherapeutische Beübung im Bett / Foto: Th. Albrecht, DGPh, Dresdenwurden. Heute sind in den Akutkliniken medizinische Bademeister und Masseureverschwunden, Krankengymnasten heißen Physiotherapeuten und dieNeugründungen von Schulen für Physiotherapie hatten vorübergehend exponentiellzugenommen, nicht immer zum Vorteil der Ausbildungsqualität.Der Bereich Physiotherapie wurde ausgebaut und in einigen Kliniken habenzusätzlich Ergotherapeuten Einzug gehalten. Die systematische Entwicklungder Begleit- und Nachbehandlung in der <strong>Unfallchirurgie</strong>, später <strong>als</strong>Rehabilitation bezeichnet, ging auch Hand in Hand mit der Entwicklungund Verbreitung der operativen Knochenbruchbehandlung, deren Primates war, die langen Ruhigstellungszeiten mit ihren nachteiligen Folgen fürden Stütz- und Bewegungsapparat zu verhindern und gerade auch bei denGelenk- und gelenknahen Frakturen eine Verbesserung des Ausheilungsergebnisses,d.h. der Funktion zu erreichen.Von den ersten Anfängen einer systematischen Begleit- und Nachbehandlungkann somit bis auf wenige Ausnahmen – vornehmlich in denBG-Unfallkliniken – erst nach der flächendeckenden Einführung deroperativen Knochenbruchbehandlung gesprochen werden, wobei raschdeutlich wurde, dass die gelungene Operation nur einen Teil der Erfolgsgarantiedarstellt und dass einer sorgsamen Begleit- und Nachbehandlunggerade bei der operativen Versorgung eine entscheidende Rollezukommt. An Kliniken, an denen diese unmittelbar postoperativ beginnen-de Begleit- und Nachbehandlung im Sinne des heutigen Begriffs Akutrehabilitationdurchgeführt werden konnte, wurden in Zusammenarbeit zwischenPhysiotherapeuten und Ärzten Behandlungsprogramme für die Begleit- undNachbehandlung erstellt. Dieser interdisziplinäre Dialog, so er denn stattfand,war für die Entwicklung der Rehabilitation in der <strong>Unfallchirurgie</strong> vongroßer Bedeutung.Die Behandlungen begannen unmittelbar nach der operativen Versorgungam ersten postoperativen Tag, sie waren ganzheitlich ausgerichtet undbeschränkten sich nicht nur auf das verletzte Organ. Die Vorgaben derÄrzte gründeten sich auf die vermutete Belastbarkeit im Rahmen der Gewebeheilung,während die Physiotherapie aus diesen Vorgaben heraus nachgeeigneten Techniken suchte, von denen sie glaubte, dass sie für die erforderlicheBehandlung geeignet seien. Die Auswahl der jeweiligen krankengymnastischenTechniken nahm in der Regel der Physiotherapeut patientenbezogennach empirischen Gesichtspunkten vor.Einen wichtigen Fortschritt stellte die Einführung des Prinzips der ContinousPassive Motion (CPM) in der <strong>Unfallchirurgie</strong> dar, wissenschaftlich gestütztauf die Untersuchungen von Salter, der den günstigen Einfluss der CPMauf die Knorpelheilung nach Defektbildung im Tierversuch nachgewiesenhatte. Aber auch der positive Einfluss der CPM auf das parallelfaserig kollagene


202 203VON DER HEISSLUFTBEHANDLUNG ZUR KOMPLEXEN FRÜHREHABILITATIONAbb. 3 / Frühe postoperative passive Beübung auf der Bewegungsschienenach Osteosynthese einer Sprunggelenksfraktur / Foto: Th. Albrecht, DGPh, DresdenAbb. 4 / Die rasche postoperative Mobilisation älterer Patienten ist entscheidend fürdie Wiedererlangung der individuellen Lebensqualität / Foto: Th. Albrecht, DGPh, DresdenGewebe der Kapselbandstrukturen einschließlich der Propriozeption wurdeerkannt, experimentell nachgewiesen und gegen anfänglichen Widerstandder Krankengymnasten in die klinische Behandlung übernommen. Die Physiotherapieerfolgte <strong>als</strong> Einzel- und Gruppenbehandlung, allmählich auchunter Zuhilfenahme von Bewegungsschienen, die zunächst noch manuell,später dann motorisch angetrieben wurden. Physikalische Leistungen wieMassagen wurden <strong>als</strong> schädlich angesehen und verschwanden zunehmendaus der Akutphase der Begleit- und Nachbehandlung Unfallverletzter.Ein wiederkehrendes Phänomen war, dass die Behandlungstechniken in derPhysiotherapie nicht validiert waren, es gab so gut wie keine Evidenzen undjeder Physiotherapeut stellte sich seine Behandlungstechniken nach Rücksprachemit dem behandelnden Arzt und einer Befundaufnahme selbstzusammen. Bei der Begleit- und Nachbehandlung wurden von Ärzten undKrankengymnasten Begriffe wie Übungsstabilität, Teilbelastung etc. verwendet,es gab sehr unterschiedliche Auffassungen zu diesen Begriffen und esist der Sektion Physikalische Medizin der DGU zu danken, dass sie im interdisziplinärenGespräch zur Klärung der Begriffe beitragen konnte undz u g l e i c h L e i t l i n i e n f ü r d i e P h y s i o t h e r a p i e i n d e r U n f a l l c h i r u r g i e e r a r b e i t e t e .Der RehabilitationsbegriffMit dem Begriff Rehabilitation konnte man in der <strong>Unfallchirurgie</strong> zunächstwenig anfangen und suchte eine zeitliche Zuordnung zur Unfallbehandlung,wobei auch Häufigkeit und Intensität der Anwendungen zur Diskussionstanden. Eine nützliche Beschreibung für die <strong>Unfallchirurgie</strong> stellt dieAussage „Rehabilitation beginnt an der Unfallstelle und endet mit der Wiedereingliederungin Beruf und <strong>Gesellschaft</strong>“ dar. Hier wird ein universellerganzheitlicher Rehabilitationsgedanke beschrieben, der unterstreichensoll, dass Rehabilitation mehr ist <strong>als</strong> nur medizinische Wiederherstellungund Heilung, sondern dass dazu in der modernen Rehabilitationslehreauch die Ermöglichung zur Überwindung von Behinderung und Teilhabe gehörtund dass letztere wichtige messbare Größen für die Beurteilung einesRehabilitationsergebnisses im ganzheitlichen Sinne darstellt. Dabei sind indieser Definition zwar noch nicht die Ergebnisse enthalten, die die Rehabilitationswissenschaftenmittels moderner Instrumente und Messverfahrenheute bewerten können; diese entwickelten sich parallel, durch die Einbeziehungder Wiedereingliederung wurde aber bereits deutlich, dass Rehabilitationmehr ist <strong>als</strong> nur Wiederherstellung der körperlichen Unversehrtheit.Der unfallchirurgische RehabilitandWir erkennen auch, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten Kranke undVerletzte verändert haben. Bei den Schwerverletzten stellen wir heute nichtmehr so sehr die Frage, ob, sondern wie sie überleben und welchen Einflusswir mit unseren Rehabilitationsanstrengungen nehmen können. Dazu


204 205VON DER HEISSLUFTBEHANDLUNG ZUR KOMPLEXEN FRÜHREHABILITATIONAbb. 5 / Die Möglichkeiten der Messung objektiver klinisch-funktioneller Parameter, wie die dynamische Kraftmessung einzelnerMuskelgruppen mit dem Biodex-Gerät (a) oder die Ermittlung der Latenzzeit der Peronealmuskulatur nach Eigenrefl extrainingauf einer Kippplattform (b), müssen mit patientenorientierten Ergebnisparametern ergänzt werden, um das globaleRehabilitationsergebnis einschätzen zu können / Foto: Th. Albrecht, DGPh, DresdenUnfallversicherung die größten Anstrengungen unternommen hat, dieRehabilitation von Unfallverletzten gerade in Bezug auf die Begleit- undNachbehandlung zu verbessern. Sie ist <strong>als</strong> einzige a priori nicht nur für dieBehandlungskosten von Unfallverletzungen, sondern auch für die Folgenletzterer, die Unfallrenten zuständig. So wurden unterschiedliche Behandlungsformenetabliert und der Kreis der am Patienten Tätigen erweitert.Neben der Entwicklung komplexer Rehabilitationsverfahren wie EAP, BGSW,KSR, MBO, bei denen es sich um abgestufte Verfahren handelt, ist es inAbhängigkeit von den funktionellen Problemen möglich geworden, die Intensitätder Behandlung durch Steigerung oder Rückführung anzupassendurch ambulante oder stationäre Leistungen zu balancieren und zusätzlicheinen arbeitsplatzspezifischen Ansatz zu berücksichtigen. Die arbeitsplatzorientierteRehabilitation ist <strong>als</strong> Ausdruck eines erhöhten Qualitätsanspruchsan die Rehabilitation zu sehen, die praxisnah und leistungsorientiert amVerletzten stattfindet. Nachdem gerade in der gesetzlichen UnfallversicherungAnstrengungen unternommen wurden, die „Qualität“ der Rehabilitationsmaßnahmenzu verbessern und effizienter zu machen unddie Rehabilitationsergebnisse zu messen, wurde auch erkennbar, dassdie alleinige klinische Beurteilung des Behandlungsergebnisses demGesamtanspruch der modernen Rehabilitation mit dem Endziel einergesundheitsbezogenen Lebensqualität nicht mehr gerecht wurde,unabhängig auch von der wiederkehrend beobachteten Diskrepanz,die zwischen dem objektiv klinisch messbaren Behandlungsergebnisund der Wahrnehmung durch den Patienten bestand. Dieses Phänomenist in leichter Abwandlung auch aus dem anglo-amerikanischen Schrifttumbekannt, in welchem empfohlen wird, Patienten mit einem Kompensationsanspruchgegenüber einem Versicherungsträger aus Studienzu Rehabilitationsergebnissen herauszunehmen, weil auch dieser Sachverhaltdie Ergebnisse in eine f<strong>als</strong>che Richtung lenken kann.Aus all dem Gesagten folgt, dass eine Messung des REHA-Ergebnissesdurchaus nicht so einfach ist, wie wir dies in der <strong>Unfallchirurgie</strong> lange glaubten.So hat in den letzten Jahren auch in der unfallchirurgischen Rehabilibedarfes aber auf Grund der vielfältigen und komplexen Probleme bei dieserVerletztengruppe möglichst homogener Messinstrumente und Messverfahren,die zu entwickeln sind. Eine zweite große Gruppe stellt die größerwerdende Zahl älterer Menschen mit den typischen Altersverletzungen dar.Wenn man auch hier die gesundheitsbezogene Lebensqualität <strong>als</strong> Ergebniskriterium(Outcome) heranziehen möchte, so scheint es in diesem Fallauf Grund der vorhandenen Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) sinnvoll,krankheits- und körperregionenspezifische Messverfahren zusammen anzuwenden.Die Kostenträger <strong>als</strong> Akteure und die Diversifizierung der VerfahrenDer Druck zur Kostenersparnis ist bei allen Sozialversicherungsträgerngegeben. Veränderungen ergaben sich v. a. durch die Neuorientierung amG-DRG-System. Die Vergütung in Fallpauschalen sollte zu einer Reduzierungder stationären Aufenthaltsdauer in der Akutrehabilitationsphase führen.Es gibt derzeit keine verlässlichen Daten, die belegen, dass die Verletztenmit geringerer Belastbarkeit und geringerer Eigenständigkeit in denpoststationären Behandlungsverlauf entlassen werden. Genauso wenig gibtes bestätigte Daten darüber, dass sich einer kürzeren Akutphasenzeitlängere Rehabilitationsphasen anschließen.Es verwundert nicht, dass von den Sozialversicherungen die gesetzliche


206 207VON DER HEISSLUFTBEHANDLUNG ZUR KOMPLEXEN FRÜHREHABILITATIONtation ein Wechsel der Betrachtungsweise hin zu einem multidimensionalenVerständnis von Krankheit, Gesundheit und Behinderung stattgefunden,weg von einer ausschließlich strukturbezogenen Betrachtung klinischerParameter wie Bewegungsausmaß, muskulärer Kraft und Schmerzreduktionhin zu einem mehrdimensionalen Verständnis von Unfall (Krankheit),Gesundheit und Behinderung und weiter zu einer mehr evidenz- und patientenorientiertenSichtweise, die neben spezifischen funktionellen Aspektenauch psychologische und soziologische Dimensionen mit in die Beurteilungtherapeutischer Interventionen integriert.SchlussfolgerungenEs ist ein weiter Bogen von den starken Männern in den Gartengeschossender Krankenhäuser vor 60 Jahren hin zur modernen Frührehabilitation undRehabilitationswissenschaft heute.Der Entwicklungsprozess ist dynamisch. Durch Studien, die rehabilitationswissenschaftlichbegleitet werden, sollen nicht nur eine den modernenOutcome-Kriterien angepasste gesundheitsbezogene Lebensqualität in der<strong>Unfallchirurgie</strong> gemessen, sondern auch die dazu notwendigen Messinstrumenteüberprüft und weiter entwickelt werden.Diese Studien werden die klinische Rehabilitation in den nächsten Jahrenbeinflussen. Auch die Zusammensetzung der am und für den UnfallverletztenTätigen wird sich erweitern. In Europa ist Deutschland das letzteLand, in dem die Akademisierung der Physiotherapie noch nicht einheitlichgeregelt und abgeschlossen ist; auch hier werden neue Ergebnisse in dieinterdisziplinäre Rehabilitation einfließen. Die Unfallchirurgen sind aufgerufensich damit zu beschäftigen, weil natürlich auch ihr Anteil am Rehabilitationsprozessmitbewertet werden wird.


208 209FORT- UND WEITERBILDUNGSKURSE DER DGUProf. Dr. med. Wolf MutschlerDirektor der Chirurgischen Klinik und PoliklinikKlinikum der Ludwig-Maximilians-Universität MünchenCampus InnenstadtNußbaumstr. 2080336 MünchenW. MutschlerB. BouillonDie Geschichte der Gestaltung eigenständiger Fort- und Weiterbildungskursedurch die DGU ist kurz: 10 Jahre. Und sie beginnt mit der Gründungder Akademie für <strong>Unfallchirurgie</strong> (AUC) im Jahr 2000. Natürlich warenUnfallchirurgen immer schon regional, national und international sehraktiv in der Fort- und Weiterbildung tätig. So führte S. Weller beispielsweiseab 1965 den ersten deutschen AO-Kurs an der Freiburger Uniklinik, derersten deutschen AO-Klinik (1961), durch. Seither waren und sind alle namhaftendeutschen Unfallchirurgen in den verschiedenartigsten Aktivitätender Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen weltweit <strong>als</strong> Kursorganisatoren,Instruktoren und Referenten tätig. Sie stellten und stellen sich<strong>als</strong> Seminarleiter und Vortragende bei den Basischirurgieseminaren undden sog. Schwerpunkt- bzw. Säulenseminaren des BDC zur Verfügung undsind z. B. in der Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik in gleicher Weise engagiert.Nur: Bei allen diesen Aktivitäten waren und sind wir zwar <strong>als</strong> Unfallchirurgenund Mitglieder der DGU präsent und repräsentieren damit unserewissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong>, aber nur implizit. Explizit traten wir außerhalbdes Jahreskongresses erst nach dem Jahr 2000 mit den wissenschaftlichenKursen der AUC, den ATLS-Kursen und dem Weiterbildungsformat„Fit after Eight“ unter dem Logo der DGU in Erscheinung.Bereits 1966 schlug H. Junghanns die Gründung einer „Academia Traumatologica“vor. 2000 war es dann soweit. Auf der Präsidiumssitzung der DGUin Hannover wurde einstimmig auf Vorschlag von Mutschler und Claes sowieStürmer und Lob die „Akademie für unfallchirurgische Forschung und Fortbildung“gegründet mit dem ZielProf. Dr. med. Bertil BouillonDirektor der Klinik für <strong>Unfallchirurgie</strong>/OrthopädieLehrstuhl der Universität Witten-HerdeckeKliniken der Stadt KölnKlinikum Köln-MerheimOstmerheimer Str. 20051109 Köln1. durch Vermittlung von methodischem Wissen, durch Forschungsförderung,durch nationale Koordination und nationale Darstellung derwissenschaftlichen Aktivitäten der DGU die unfallchirurgische Forschung zuunterstützen und zu verbessern und2. Inhalte der spezifischen unfallchirurgischen Weiter- und Fortbildung zuvermitteln und zu organisieren.


210 211FORT- UND WEITERBILDUNGSKURSE DER DGUAbb. 2Abb. 3Abb. 1 / Kurs „Von der Idee zur Publikation“Die AUC wurde dem Vorstand unterstellt und bald in eine GmbH mitGeschäftsführung und Büro in München umgewandelt. Um die neu geschaffeneStruktur mit Leben zu erfüllen, wurden seinerzeit der Wissenschaftsausschussfür die Gestaltung der wissenschaftlichen Kursformate, derBildungsausschuss für die Fortbildung und die AG Notfallmedizin für ATLSverpflichtet.Die wissenschaftlichen Kurse der AUCDie Grundidee für diese Kurse war es, eine nationale und damit standortübergreifendeAktivität zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchsesin der <strong>Unfallchirurgie</strong> zu entwickeln. Es sollten dasjenige Wissen unddiejenigen Fertigkeiten vermittelt werden, die für die Forschung in unseremFachgebiet von grundlegender Bedeutung sind. Die Kurse sollten ferner dieMotivation für anspruchsvolle Forschung fördern und zur Netzwerkbildung(dam<strong>als</strong> noch ein neuer Begriff!) der Nachwuchsforscher untereinanderbeitragen. Folglich war es didaktisch sinnvoll, Kurse mit 15-20 Teilnehmernund 5-10 Dozenten über zwei bis vier Tage zu konzipieren, um die Inhalteausführlich genug abzubilden, eine individuelle und fachkompetente Betreuungzu gewährleisten und Theorie und Praxis intensiv zu verbinden. DieDozenten wurden zur Anwesenheit während des gesamten Kurses verpflichtet,eine kontinuierliche Evaluation vereinbart und das Prinzip der Kostendeckungbeschlossen. Letztlich wurden vier jeweils jährlich abgehalteneKurse etabliert, die inhaltlich so aufeinander abgestimmt wurden, dassein Teilnehmer innerhalb eines Jahres das Rüstzeug erwerben konnte, umerfolgreich „unfallchirurgisch“ zu forschen.Der Kurs „Von der Idee zur Publikation“ (Köln: Claes, Neugebauer, Mutschler)lehrt – wie es der Titel ausdrückt – die Grundlagen wissenschaftlichenArbeitens mit dem Ziel, am Ende des Seminars einen Antrag für ein wissenschaftlichesProjekt formulieren, durchführen und publizieren zu können.Die Inhalte dazu wurden 2004 in <strong>Buch</strong>form niedergelegt.Im Biomechanik-Kurs (Ulm: Claes, Ignatius), mittlerweile in Englisch abgehaltenund europäisch ausgeschrieben, werden die Gesetze der Biomechanik,die mechanischen Eigenschaften des Stütz- und Bewegungsorganes undbiomechanische Testmethoden in Theorie und Praxis gelehrt.Der Kurs „Skelettbiologie und Skeletterkrankungen“ (Hamburg: Amling,Meenen, Rueger, Schieker) ist der Knochenzellbiologie, molekular- und zellbiologischenMethoden, der Genetik und Kleintiermodellen gewidmet.<strong>Das</strong> Kursangebot rundet der Intensivworkshop „Regenerative Medizin,Mesenchymale Stammzellen und Tissue Engineering“ (München: Amling,Mutschler, Schieker) ab.


212 213FORT- UND WEITERBILDUNGSKURSE DER DGUAbb. 4 aAbb. 4 bBisher haben über 500 Teilnehmer die Kurse absolviert und durchwegpositiv evaluiert. Stellvertretend sei hier die Globalbewertung des Kurses„Von der Idee zur Publikation“ über 10 Jahre gezeigt (Abb. 1). Aus diesenKursen sind – wie erhofft – wissenschaftliche Kooperationen bis hin zu einerDFG-Forschergruppe („Mechanismen der Frakturheilung und Knochenregenerationbei Osteoporose“) entstanden. Letztlich geht auch die Gründungdes Netzwerkes Experimentelle <strong>Unfallchirurgie</strong> (N.E.U.) der DGU auf dieseKurse und ihre Leiter zurück.Die Erfolgsgeschichte ATLS ®Bereits Ende der 90er Jahre wurde in der AG Notfallmedizin der DGUunter Leitung von J. Sturm diskutiert, ob die DGU nicht Kurse zum Schockraummanagementbei Schwerverletzten durchführen solle. Hintergrundwar, dass sich die AG intensiv mit Algorithmen und deren Umsetzung in derAkutversorgung beschäftigte, indem erste Analysen von potentiellen Fehlernim Schockraum zeigten, dass rund 60% der Fehler im Bereich des Managementszu finden waren. Einige Mitglieder der AG hatten bereits imAusland ATLS ® Kurse absolviert und berichteten begeistert von dem didaktischenKonzept. Andere waren eher skeptisch, ob dieses ausländischeFormat auf die deutschen Bedingungen zu übertragen sei. Letztlich warenes vor allem der klare prioritätenorientierte Ablauf, das didaktische Konzept,die Interdisziplinarität und Internationalität sowie die Option, bei den regelmäßigenÜberarbeitungen der Kursinhalte andere Erkenntnisse aus Deutschlandeinzubringen und damit in der Welt zu verbreiten, die das Projekt„ATLS ® Deutschland“ auf den Weg brachten.Der Vorstand der DGU stimmte dem Projekt zu und stellte die notwendigenfinanziellen Mittel zur Verfügung. Damit konnte die DGU die Lizenzfür ATLS vom American College of Surgeons (ACS) erwerben und so nachintensiven Vorbereitungen den ersten ATLS ® Kurs in Deutschland 2003unter US-amerikanischer und niederländischer Beteiligung starten. Seitdemwurden in Deutschland in mehr <strong>als</strong> 160 ATLS ® Kursen 2400 Teilnehmererfolgreich ausgebildet. Ursprünglich entstand das Konzept aus einempersönlichen Schicks<strong>als</strong>schlag: 1976 waren der Chirurg Dr. James Stynerund seine Familie beim Absturz seines Kleinflugzeuges in Nebraska (USA)schwer verletzt worden. Seine Frau starb noch an der Unfallstelle. DieErstversorgung, die er und seine Familie in der nächsten Klinik erhielten,war aus seiner Sicht vollkommen inadäquat. Nach 2 Jahren intensiverEntwicklungsarbeit stand das Advanced Trauma Life Support (ATLS ® )Kursformat <strong>als</strong> erstes systematisches Trainingsprogramm für ein frühesklinisches Traumamanagement. Bereits 1980 übernahm das AmericanCollege of Surgeons (ACS) das Kurskonzept und entwickelte es weiter.30 Jahre danach ist dieser Kurs weltweit ein Eckpfeiler der modernen


214 215FORT- UND WEITERBILDUNGSKURSE DER DGUUnfallversorgung. Mehr <strong>als</strong> 1.000.000 Ärzte in 52 Ländern wurden nachdiesem Konzept geschult.Der ATLS ® Anwenderkurs richtet sich interdisziplinär an alle Ärzte, die ander akuten klinischen Versorgung von Traumapatienten beteiligt sind. DieInhalte sind auf Ärzte der Grund- und Regelversorgung ebenso abgestimmtwie auf ärztliche Mitarbeiter aus Kliniken der Schwerpunkt- und der Maximalversorgung.Die Teilnehmerzahl ist pro Kurs auf 16 Ärzte limitiert, dieAnzahl der speziell zertifizierten Instruktoren beträgt mindestens 5. AlleIstruktoren werden in speziellen „teach the teacher“ Kursen systematischausgebildet und werden kontinuierlich evaluiert.ATLS ® lehrt ein standardisiertes, prioritätenorientiertes Schockraummanagementvon Traumapatienten. Ziele sind die schnelle und genaue Einschätzungdes Zustandes des Traumapatienten, die prioritätenorientierteBehandlung „treat first, what kills first“ und die Entscheidung, ob dieeigenen Ressourcen zur Behandlung des Patienten ausreichen oder besserein Transfer des Patienten erfolgt. Über allem steht der Gedanke Sekundärschädenzu vermeiden, die Zeit nicht aus den Augen zu verlieren undeine gleichbleibende Qualität der Versorgung zu sichern. Der Kurs vermittelthierzu systematisches Wissen, Techniken, Fertigkeiten und Verhalten inDiagnostik und Therapie. Neben der Vermittlung von theoretischem Wissenund praktischen Fertigkeiten ist vor allem das pädagogische Konzept desproblemorientierten Lernens innovativ. ATLS ® legt den Schwerpunkt auf denTransfer des vermittelten Wissens in konkrete Handlungsabläufe am Patienten.In einer Zeit von „high tech medicine“ führt ATLS ® den Teilnehmerzunächst wieder an eine sorgfältige klinische Untersuchung mit prioritätenorientiertendiagnostischen und therapeutischen Konsequenzen zurück. Eswerden klare Handlungsabläufe fast nach „Drillcode“ geübt und die Wichtigkeiteiner permanenten Reevaluation des klinischen Zustandes betont.Dabei werden die 5 <strong>Buch</strong>staben A, B, C, D, E immer wieder für Checklistennicht nur zur Beurteilung der Vitalfunktionen, sondern auch zur Evaluationvon Röntgenbildern und Verletzungsmustern genutzt. Diese 5 <strong>Buch</strong>stabenwerden im Verlauf des Kurses zur Grundlage einer gemeinsamen Sprache,die alle Beteiligten im Schockraum sofort verstehen. ATLS ® lehrt den Teilnehmerlaut zu denken, um Denkabläufe transparent zu machen und ermöglichtso den Instruktoren frühzeitig modulierend einzugreifen. Die ATLS ® Inhaltewerden regelmäßig von einem internationalen Gremium überarbeitetund dem neuen medizinischen Wissen angepasst. Bisher ist das ATLS ® Konzeptnicht evidenzbasiert. Es wird daher ausdrücklich betont, dass ATLS ® einensicheren Weg für die frühe klinische Versorgung von Polytraumen darstellt,aber nicht der einzige ist.Ein neues „Baby“ ... DSTCMitglieder der Sektion NIS (Notfall-, Intensiv- und Schwerverletztenversorgung)widmeten sich dem Problem, dass die persönliche Erfahrung mit deroperativen Versorgung von Abdominal- und Thoraxverletzungen in Deutschlandimmer mehr abnimmt. Selbst in großen Traumazentren in Deutschlandliegt nach Analysen des Traumaregisters die jährliche Zahl der Trauma-Laparotomien bei nur 8-10. Bei 5 Oberärzten einer Klinik bedeutet dies fürjeden 1-2 Trauma-Laparotomien pro Jahr. Wie <strong>als</strong>o kann man die notwendigenTechniken insbesondere des Konzeptes „damage control“ trainieren undvertiefen?Engagierte Kollegen der International Association for Trauma and SurgicalIntensive Care (IATSIC) haben dafür einen DSTCTM-Kurs (DefinitiveSurgical Trauma Care) konzipiert, der seinen Fokus auf die operativeErstbehandlung lebensbedrohlicher Höhlenverletzungen legt. Der Kurslehrt sowohl chirurgische Techniken zur operativen Versorgung <strong>als</strong> auchEntscheidungsfindung im Rahmen des Schockraummanagements. Der2,5-Tage-Intensivkurs setzt sich zusammen aus interaktiven Vorlesungen,Fallbesprechungen und vielen praktischen Übungen am Kadaver und amnarkotisierten Großtiermodell. Neben deutschen Tutoren sind auch internationaleExperten aus USA, Südafrika und Europa eingebunden, die eine hoheExpertise in der chirurgischen Behandlung der akuten traumatologischenNotfälle haben. DSTC TM richtet sich an alle Fachärzte der Chirurgischen


216 217FORT- UND WEITERBILDUNGSKURSE DER DGUFachdisziplinen (Unfallchirurgen, Allgemeinchirurgen, Viszeralchirurgen,Thoraxchirurgen) und in der Weiterbildung fortgeschrittene Kolleginnen undKollegen, die an der Versorgung schwerverletzter Patienten beteiligt sind,unabhängig davon, ob sie im Traumazentrum oder in der Basisversorgungoder im Auslandeinsatz tätig sind.Seit 2008 veranstaltet die AUC die DSTC „Definitive Surgical Trauma Care“Kurse. Es fanden bisher 4 Kurse mit großem Erfolg in Essen, Berlin undHomburg statt.Fit after Eight„Fit after Eight“ ist das Motto für das DGOU-Angebot einer berufsbegleitendenWeiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>: Inacht 2-tägigen Seminaren werden die Grundlagen unseres Faches mit modernen,aktivierenden Lehrmethoden vermittelt. Anlass für „Fit after Eight“war die Verabschiedung der Musterweiterbildungsordnung 2002 mit derZusammenführung von Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>. Daraus ergab sichdie Notwendigkeit, die Satzungsziele der wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>enDGU und DGOOC, aber auch des BVO bezüglich der Aktivitäten in derWeiter- und Fortbildung zu überdenken und zusammenzuführen. In Vorgesprächen2005 waren wir (Gradinger, Götte, Mutschler) uns rasch einig, dieeingeführten Vorbereitungskurse auf die alte und die neue Facharztprüfungnicht in Frage zu stellen, sondern ein Ergänzungsangebot, eben berufsbegleitendwährend der 4-jährigen Weiterbildungszeit zum neuen Facharzt, zuentwickeln. 2006 befürwortete der Vorstand der DGU auf seiner Strategieklausurdiese Initiative und so konnten wir die „Task force“ beim Jahreskongress2006 aus der Taufe heben und 2008 mit dem Modul 1 starten.In den zwei Jahren dazwischen gab es viel tun, mussten doch erst eine lehrbegeisterteGruppe aus mittlerweile rund 20 Hochschullehrern, Chefärzten,niedergelassenen Fachärzten und Assistenten in der Weiterbildung sichzusammenfinden und parallel der Entwicklung zur DGOU auch zusammenraufen,medizindidaktischer Sachverstand eingeworben und für diespeziellen Inhalte unseres Faches umgesetzt und schließlich in eine adäquateForm gebracht werden. An 12 Wochenend-Sitzungen entstand folgendesKonzept:1. Die Fülle des Stoffes im gemeinsamen Fach ist so groß, dass selbst ineinem guten Crash-Kurs bei weitem nicht mehr alle Inhalte und Zusammenhängezu vermitteln sind. Daher erscheint exemplarisches Lernensinnvoller. Exemplarisches Lernen aber erfordert neue Lehrmethoden.Denn,- der bislang gewohnte Frontalunterricht zur Vermittlung von Faktenwissenist nicht sehr effektiv, überlässt dem jeweiligen Dozenten die Festsetzungder Lernziele und übergeht wesentliche chirurgische Kernkompetenzen.- Aktivierende Lehrmethoden wie das problemorientierte Lernen an realistischenEinzelfällen und Alltagssituationen werden zu selten eingesetzt,obwohl sie die beste Motivation erzeugen und zu den besten Lernerfolgenführen.2. Zielgruppen sind Assistenzärzte/innen in der Weiterbildung, in zweiterLinie aber auch Weiterbilder und Prüfer.3. <strong>Das</strong> exemplarische Lernen orientiert sich an den Richtlinien: „Wichtiges-Häufiges-Lebensfährlichesvermitteln“ und „eher in die Tiefe <strong>als</strong> indie Breite lernen“ und dann „das Erarbeitete analog anwenden können“.Durch eine Befragung erfahrener Weiterbilder und von Assistenten inder Weiterbildung wurden die für wesentlich erachteten Inhalte unseresFaches ermittelt und in 300 Lernziele eingearbeitet, die wiederum auf dieacht Module verteilt wurden.4. Jedes Modul hat ein Leitthema und ein Querschnittsthema (Abb. 4aund b). Sie sind inhaltlich aufeinander abgestimmt, aber in sich geschlossengestaltet, so dass man jederzeit einsteigen kann. Alle 8 Modulewerden innerhalb von 2 Jahren einmal angeboten. Die Module werdenkontinuierlich weiter entwickelt.


218 219FORT- UND WEITERBILDUNGSKURSE DER DGU5. In kleinen Gruppen werden unter der Anleitung erfahrener und speziellgeschulter Tutoren und mit ausführlichem und getestetem Lehrmaterialrealistische Fälle und Alltagssituationen aktiv bearbeitet.6. Die Dozenten und Tutoren sind während des gesamten Seminars anwesend.Eine Prüfung und eine Evaluation sind obligat. Die Teilnehmererhalten das eingesetzte Lehrmaterial und weiterführende Literatur inPapierform.Wo stehen wir heute?Die ersten fünf Module sind inzwischen durchgeführt worden, die verbleibendendrei Module sind fertig geplant und terminiert, Wiederholungender ersten Module stehen für den Herbst 2010 an. Die Organisation liegt inden bewährten Händen der AUC-Geschäftsstelle. Wer sich für die Stimmungwährend der Seminare oder für Details zu den Inhalten und für die Evaluationdurch die Teilnehmer interessiert, möge dies auf der Website www.dgoufit-after-eight-detun. Er wird dann bestätigt finden, dass das Konzept sehrgut ankommt und das übergeordnete Motto „Lernen und Lehren soll Freudemachen“ zum Tragen kommt.Zu wünschen bleibt, dass die Weiterbildungsverantwortlichen an den Orthopädischenund Unfallchirurgischen Kliniken noch mehr <strong>als</strong> bisher ihrenMitarbeitern die Teilnahme an „Fit after Eight“ ermöglichen.


220VOM SCHUTZSTIEFEL ZUR AUTOMATISCHEN UNFALLMELDUNGPRÄVENTION VON VERLETZUNGEN IM WANDEL DER ZEIT221M. RichterG. LobUnfallforschung hat in Deutschland eine lange Tradition. 1934, 50 Jahrenachdem Bismarck das Unfallversicherungsgesetz verkündet hatte, wurdenerstm<strong>als</strong> umfassende Unfallverhütungsvorschriften erlassen: Seitdem istjeder Arbeitsunfall meldepflichtig und wird hinsichtlich Entstehung undVermeidbarkeit analysiert. Aus den Ergebnissen wurden und werden Schutzmaßnahmenabgeleitet, die für die Betriebe bindend sind. Ein wichtigesBeispiel dafür sind Schutzstiefel, die die sehr häufigen Fußverletzungendeutlich reduzieren konnten (Abb. 1). Daraus entwickelten sich dann Sicherheitsschuheund -stiefel für verschiedene Bereiche. Neben weiteren speziellenSchutzkleidungen wie etwa Helmen wurden auch Räume, Maschinen undArbeitsabläufe überprüft und sicherer gemacht. Durch diese auf Ergebnissender jahrzehntelangen Unfallforschung basierenden Maßnahmen konntedie Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle von 4.893 im Jahre 1960 auf unter600 im Jahre 2008 gesenkt werden (ca. -90%) [5].Prof. Dr. med. Martinus RichterLeiter Arbeitsgemeinschaft Prävention von Verletzungen der DGU / 2004 – 2009Chefarzt der II. Chirurgischen Klinik <strong>Unfallchirurgie</strong>, Orthopädie und FußchirurgieKlinikum CoburgKetschendorfer Str. 3396450 CoburgProf. Dr. med. Günter LobLeiter der Arbeitsgemeinschaft Prävention von Verletzungen der DGU / 2000 – 2003Leiter der Abt. <strong>Unfallchirurgie</strong> Klinikum Großhadern der LMUEhrwalder Str. 8281377 MünchenVor 50 Jahren wurde der Anschnallgurt erstm<strong>als</strong> in einen PKW eingebaut.Die Einführung der – zunächst mit keiner Sanktion im Falle der Zuwiderhandlungbewehrten – Gurtpflicht auf Vordersitzen in der Bundesrepublikim Jahre 1976 traf auf großen Widerstand vieler Autofahrer. Diesem solltedurch die vorausgehende aufwendige und erfolgreiche Kampagne „Klick –Erst gurten, dann starten“ begegnet werden (Abb. 2). Die anfangsweitverbreitete Ablehnung der Gurtpflicht kann auf den „Fluchtinstinkt“ desMenschen zurückgeführt werden – die Autofahrer wurden augenscheinlichnur schwer damit fertig, dass sie sich selbst fesseln und gleichsam wehrlosmachen mussten, um wirksamer die Unfallgefahren bewältigen zu können.Die Studie „Psychologische Forschung zum Sicherheitsgurt und Umsetzungihrer Ergebnisse“ kam 1974 zu dem Ergebnis, dass der Sicherheitsgurtprimär mit den Gefahren eines Unfalls und seinen Folgen assoziiert wurdeund erst sekundär mit seiner eigentlichen technischen Funktion, nämlichvor diesen Gefahren zu schützen. Deshalb gerieten die Betroffenen beimStichwort Anschnallen „psychologisch“ in die Klemme. Einerseits sahensie ein, dass sie mit Gurten sicherer fahren, andererseits aktualisierte der


222VOM SCHUTZSTIEFEL ZUR AUTOMATISCHEN UNFALLMELDUNGPRÄVENTION VON VERLETZUNGEN IM WANDEL DER ZEIT223Abb. 1 / Sicherheitsstiefel der Klasse S3Abb. 2 / Plakat aus der Kampagne des <strong>Deutsche</strong>nVerkehrssicherheitsrats (DVR) 1974-75Abb. 3 / Einer der weltweit ersten kommerziell erhältlichenAirbags in einem 1975er Buick Electra LimitedAbb. 4 / Webbasierte Darstellungsform des AutomatischenUnfallmelders eACN: Im dargestellten Beispiel wird das„risk of severe injury“ bestätigt, sodass von einem hohenRisiko für eine schwere Insassenverletzung (MaximumAbbreviated Injury Severity - MAIS3+) auszugehen ist.(Mit freundlicher Genehmigung der BMW Group Deutschland)Sicherheitsgurt bei ihnen Angst, die sie vermeiden wollten. Angstvermeidungwirkte so einer effektiven Gefahrenvermeidung entgegen. Erst <strong>als</strong> das Fahrenohne Gurt am 1. August 1984 mit einem Bußgeld von 40 DM bestraftwurde, stieg die Anschnallquote von 60 auf 90 Prozent an.Seit 1970 ist die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland von 21.332 auf4.467 im Jahre 2008 reduziert worden, wobei der Anschnallgurt einentscheidender Faktor war [5]. Eine weitere wichtige Errungenschaft derpassiven Fahrzeugsicherheit war die Einführung des Airbags 1975, die zueiner deutlichen Verringerung der Insassenbelastung beim Crash führte(Abb. 3). Aktuell ist in der automatischen Unfallmeldung (AUM) eine derwirkungsvollsten Verbesserungen der Insassensicherheit zu sehen; im Falleeines Unfalles werden automatisch relevante Daten zu Unfallort, -hergang,Insassenbelastung, Gurt- und Airbagstatus und andere Informationen denentsprechenden Leitstellen übermittelt (Abb. 4). Durch die AUM könnendie Rettungszeit verkürzt, Triageentscheidungen unterstützt und somit dasOutcome der Behandlung von Schwerverletzten optimiert werden [3]. Dieeuropaweite Ausrüstung von Neufahrzeugen mit AUM wurde daher von derEuropäischen Union bis 2014 terminiert. Hauptprobleme werden voraussichtlichdie Synchronisierungsprozesse der europaweiten Kommunikationssystemesein, wie die Vereinheitlichung der nationalen Notrufnummern. Dievolle Effektivität der Notrufsysteme wird somit erst mit der Implementierungder Datenempfangstechnologie in die lokalen Rettungsmittel erzielt werden.Durch die Verbesserungen der passiven Fahrzeugsicherheit konnte auchunter Berücksichtigung anderer präventiver Maßnahmen (Tempolimit, Kreisverkehr,Trennung von Fahrspuren etc.) eine relevante Verringerung derVerletzungsinzidenz und -schwere bei vergleichbarer Unfallrasanz erreichtwerden [4].Verkehrsunfallforschung wird in Deutschland von verschiedenen Institutionenwie Hochschulen, Bundeseinrichtungen, Automobilclubs, Fahrzeugindustrieund anderen mit jeweils unterschiedlichen Interessen betrieben(Abb. 5, 6). Untersuchungen direkt am Unfallort kurz nach demUnfall werden seit 1973 durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)gefördert. Daneben werden auch an der erstversorgenden medizinischenInstitution Daten über die Unfallfolgen erhoben. Die Unfallforschung derMedizinischen Hochschule Hannover begann mit dieser Methode bereits1973 Daten zu sammeln und auszuwerten. Unter dem Begriff „German InDepth Accident Survey (GIDAS)“ arbeiten seit 1999 die Medizinische HochschuleHannover und die Universität Dresden zusammen. Derzeit sindüber 40.000 Unfallanalysen gespeichert und ausgewertet. Die Datenauswertungenwerden für Straßenbau, Verkehrsführung sowie zu Analysender unfallbeteiligten Personengruppen (PKW-Insassen, Motorradaufsassen,Fahrradfahrer, Fußgänger und andere) öffentlich genutzt. Seit 1999 beteiligt


224VOM SCHUTZSTIEFEL ZUR AUTOMATISCHEN UNFALLMELDUNGPRÄVENTION VON VERLETZUNGEN IM WANDEL DER ZEIT225Abb. 5 / Unfallanalyse der Unfallforschung derMedizinischen Hochschule Hannover um 1985.Abb. 6 / 3-D-Scannerbild (links) eines Unfallorts zur späterenUnfallrekonstruktion (rechts) der Unfallforschung der MedizinischenHochschule Hannover um 2006.Abb. 7 / Standardwerk zur Präventionvon Verletzungen der Arbeitsgemeinschaft„Prävention von Verletzungen“ der <strong>Deutsche</strong>n<strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> (DGU) [2].Abb. 8 / Riesenküche beim Jahreskongress der DGU 2007zur Veranschaulichung des Gefährdungspotenti<strong>als</strong> von Kindernin Küche und restlichem Haushalt.sich die Forschungsgemeinschaft Automobiltechnik (FAT) an der Unfallforschung.Die einzelnen Autohersteller haben spezifische Forschungsprogramme,um ihre eigenen Fahrzeuge gezielt sicherer zu machen. So hat z.B.die BMW-Unfallforschung eine Analyse von Unfällen von BMW-Fahrzeugenmit Personenschäden durchgeführt. Die Schäden am Fahrzeug werden durchIngenieure vermessen und analysiert. Die Unfallverletzten werden durchunabhängige Ärzteteams befragt und deren Verletzungsmuster ausgewertet.Beide Datensätze, von Fahrzeug und Ingenieur sowie Arzt und Patient,werden gemeinsam dahingehend untersucht, welche Unfallmechanismenwelche Unfallverletzungen bedingen. Die gewonnenen Erkenntnisse fließenin die zukünftigen Fahrzeugprojekte ein, um den Insassenschutz und denSchutz von ungeschützten Verkehrsteilnehmern (Fußgänger und Fahrradfahrer)weiter zu verbessern.Zahlreiche weitere Institutionen betätigen sich mit unterschiedlichen Zielsetzungenin der Verkehrsunfallforschung. So betreibt der ADAC eine eigeneCrashtest-Anlage im Sinne seiner Mitglieder <strong>als</strong> “Verbraucherschutz“. NeueFahrzeuge werden unabhängig vom Fahrzeughersteller mittels standardisierterCrashsimulation auf Sicherheit für Insassen und andere Verkehrsteilnehmergetestet. Trotz aller Errungenschaften der Unfallforschungerleiden auch heute noch mehr <strong>als</strong> 9 Millionen Personen in Deutschlandjährlich eine Verletzung und mehr <strong>als</strong> 30.000 sterben an Verletzungen [5].Schätzungsweise könnte durch Präventionsmaßnahmen die Hälfte allerUnfälle verhindert und die andere Hälfte so beeinflusst werden, dass leichtereVerletzungen entstehen. Im internationalen Vergleich sind die Bemühungenum Unfallprävention in Deutschland, mit der vorbildlichen Ausnahmedes Arbeitsunfallgeschehens, immer noch gering ausgeprägt [1]. DieThemenfelder mit unzureichender Prävention sind vielfältig: Verletzungenim Verkehr von ungeschützten Verkehrsteilnehmern (Fußgänger undFahrradfahrer), im häuslichen Bereich, beim Sport, durch Gewalt, im Kinder-/Jugendalter,im höheren Lebensalter sowie die besondere Situationder Schwerverletzten. Weiterhin sind ökonomische Aspekte und auch derinternationale Vergleich wichtige Arbeitsgebiete der Prävention von Verletzungen.Der heutige Informationsstand über Umfang und Entwicklung derUnfallproblematik ist noch unzureichend. Dies betrifft besonders dieUrsachenforschung. Präventionsprogramme existieren nur wenige, unddiese laufen meist isoliert voneinander ab.<strong>Das</strong> Ziel einer Initiative der im Jahre 2000 gegründeten ArbeitsgemeinschaftPrävention von Verletzungen der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong>(DGU) war, eine möglichst umfassende Bestandsaufnahme bestehenderPräventionsprogramme verschiedenster Expertengruppen und eineZusammenfassung der Erkenntnisse <strong>als</strong> Basis für weitere interdisziplinärePräventionsbemühungen zu schaffen. Besonderes Merkmal sollte eine


226VOM SCHUTZSTIEFEL ZUR AUTOMATISCHEN UNFALLMELDUNGPRÄVENTION VON VERLETZUNGEN IM WANDEL DER ZEIT227konsequent interdisziplinäre Ausrichtung unter Einbeziehung der Fachgebiete<strong>Unfallchirurgie</strong>, Orthopädie, Kinderchirurgie, Kinder- und Jugendmedizin,Epidemiologie und Public Health, Soziologie, Rechtsmedizin, Psychologie,Sportmedizin, Geriatrie und Gerontologie und anderer sein. SpeziellesAugenmerk wurde auch auf das Kindes- und Jugendalter und das höhereLebensalter gelegt (Abb. 7).Die Aufarbeitung dieser breiten Thematik führte zu folgenden praxisrelevantenFeststellungen:- Es existieren eindeutige und wissenschaftlich basierte Empfehlungen zurKinderunfallprävention in Deutschland. Insbesondere durch die Bundesarbeitsgemeinschaft„Mehr Sicherheit für Kinder“ werden vielversprechendeAktionen zur Verbesserung der Prävention durchgeführt, z.B. dasöffentliche Zeigen der sog. Riesenküche (Abb. 8).- Durch Informationen und Schulungen bekannter Risikogruppen könnendas Bewusstsein für die alltäglichen Unfallgefahren geweckt und dieBereitschaft zur Vorsorge gefördert werden.- Im Straßenverkehr sind PKW-Insassen im normalen Unfallschwerebereichheute gut geschützt; erhebliches Verletzungspotential besteht immer nochbei den ungeschützten Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern und Fahrradfahrern.Dies betrifft vor allem das Kindes- und Seniorenalter.- Aggression in der Familie ist in unserer <strong>Gesellschaft</strong> die am häufigstenausgeübte Gewaltform. Gerade im Kindesalter sind die Folgen besondersdramatisch. Gewalt im höheren Lebensalter wird unterschätzt und stelltein wachsendes Problem dar.- In der sportpsychologischen Unfall- und Verletzungsprävention stehenneben der sportpsychologischen Diagnostik Verfahren der AktivierungsundStressregulation, der Motivationsregulation, der Optimierung vonBewegungs- und Handlungsabläufen sowie komplexe Methoden im Vordergrund.Trainingsprogramme mit propriozeptiven und koordinativenÜbungen liefern präventive Ansatzpunkte.- Die Unfallverhütung im Bereich der gewerblichen und landwirtschaftlichenBerufsgenossenschaften war in der Reduktion von Arbeits- und Wege-unfällen wirksam, bedarf jedoch im Bereich der Schul- und Schulwegeunfälleeiner verstärkten Arbeit.- Die Vermeidung von Stürzen und sturzbedingten Verletzungen ist vonerheblicher Bedeutung für die Gesundheit im Alter. Folge von Stürzensind Verletzungen und Behinderungen und daneben auch die Angst vorerneuten Stürzen.- Über die Inzidenz schwerer Mehrfachverletzungen ist immer noch zuwenig bekannt. Aus einer repräsentativen Untersuchung ergibt sich eineInzidenz von 25 schweren Mehrfachverletzungen pro 100.000 Einwohner.Die Chronik der Unfallforschung zeigt, dass Unfallchirurgen seit jeheraufgrund ihrer klinischen und wissenschaftlichen Expertise die Spezialistenfür alle Aspekte der Prävention von Verletzungen sind. Obwohl die Senkungder Verletztenzahlen und die Verringerung der Verletzungsschwereausgewiesene Ziele der Präventionsarbeit sind, steht dies nicht im Widerspruchzu den Interessen klinisch tätiger Unfallchirurgen. Vielmehr kannnur durch die Kombination präventiver und therapeutischer Maßnahmen einoptimales Ausheilungsergebnis bei möglichst vielen Unfallverletzten erreichtwerden. Tumorvorsorge und Rückenschule gelten <strong>als</strong> Beispiele erfolgreicher,weil systemweit praktizierter Prävention. Breite gesellschaftliche Akzeptanz,gesichertes wissenschaftliches Fundament und nachweisliche Effizienz sindprägende Eigenschaften solcher Modelle.Die Prävention von Verletzungen basiert auf drei Grundüberzeugungen:1. Prävention von Verletzungen kann Gesundheit erhalten und Lebensqualitätbewahren2. Prävention von Verletzungen kann Kosten senken und den Nutzen erhöhen3. Prävention von Verletzungen braucht eine messbare WirkungZukünftige Fortschritte in der Präventionsforschung und -medizin könnennur durch Schaffung eines starken Bewusstseins für diese erreicht werden.Die Kooperation von Interessensvertretern aus Klinik, Wissenschaft, Politikund Industrie ist dazu notwendig.


228 SCHOCK- UND TRAUMAFORSCHUNG229VON DER FETTEMBOLIE ZUR PATHOPHYSIOLOGISCH BASIERTENSCHOCK- UND POLYTRAUMABEHANDLUNGUniv.-Prof. Dr. med. Ingo MarziDirektor der Klinik für Unfall-, Hand und WiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum der Johann-Wolfgang-Goethe-UniversitätTheodor-Stern-Kai 760590 Frankfurt am MainI. MarziH. C. PapeM. LehnertJ. A. SturmGrundsätzeDie Behandlung schwerverletzter Patienten stellt höchste Anforderungenan die ärztliche und medizinische Versorgung. Diese Behandlung erfordertgrundlegende Kenntnisse der Pathophysiologie von Verletzungen, dergesamten Notfallmedizin, des primären Traumamanagements inkl. derDiagnostik, der chirurgischen Intensivmedizin, der speziellen operativenChirurgie praktisch sämtlicher Verletzungen wie auch der rehabilitativenBehandlung. Gerade die Versorgung schwerverletzter Patienten unterBerücksichtigung aller dieser Aspekte stellt eine Besonderheit der <strong>Unfallchirurgie</strong>in Deutschland dar, die es sich zum Ziel gesetzt hat, polytraumatisiertePatienten vom Unfallort bis zur Rehabilitation auf hohem fachlichenNiveau zu begleiten.Univ.-Prof. Dr. med. Hans-Christoph Pape, FACSDirektor der Klinik für <strong>Unfallchirurgie</strong>Universitätsklinikum AachenPauwelsstraße 3052074 AachenPD Dr. med. Mark LehnertOberarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum der Johann-Wolfgang-Goethe-UniversitätTheodor-Stern-Kai 760590 Frankfurt am MainIn verschiedenen Behandlungsstufen existieren selbstverständlich interdisziplinäreTherapieansätze. Dennoch ist es aus medizinischen und organisatorischenGründen sinnvoll, die Behandlung des polytraumatisiertenPatienten in einer Hand – der des Unfallchirurgen – zu koordinieren. Dieerheblichen Vorteile eines solchen Behandlungskonzeptes ergeben sich ausder Fürsorgepflicht für den verletzten Patienten, der nicht Schritt für Schrittweitergegeben werden muss, sondern dessen Behandler den gesamtenHeilungsverlauf mitgestaltet. Diese integrierte Behandlung des polytraumatisiertenPatienten hat zu einer erheblichen Änderung des gesamten Krankheitsverlaufeswie auch der Überlebensrate und der funktionellen Endzustände,der umfassenden Rehabilitationschancen insgesamt geführt, wieunschwer aus der positiven Entwicklung des Traumaregisters der DGU zuerkennen ist.Prof. Dr. med. Johannes A. SturmGeschäftsführer der AUC-Akademie der <strong>Unfallchirurgie</strong> GmbHLangenbeck-Virchow-HausLuisenstr. 58/5910117 BerlinHistorische Entwicklung der Trauma-und SchockforschungDie Entwicklung der Schock- und Traumaforschung hat in den letzten60 Jahren erhebliche Fortschritte in der Therapie polytraumatisierterPatienten erbracht. Diese Forschungsaktivitäten beeinflussen die Polytraumatherapiesowohl auf der Grundlagen-, <strong>als</strong> auch der Management- undDiagnostikebene sowie gleichermaßen auf der Behandlungsebene. Die


230 231SCHOCK- UND TRAUMAFORSCHUNGVON DER FETTEMBOLIE ZUR PATHOPHYSIOLOGISCH BASIERTEN SCHOCK- UND POLYTRAUMABEHANDLUNGAbb. 1 / Pathophysiologische Ursachen des posttraumatischen Organversagens und Phasen der posttraumatischenInfl ammationsreaktionen. Die gestörte Balance zwischen immunstimulierenden und antiinfl ammatorischen Mechanismenist wesentliche Ursache der posttraumatischen Zelldysfunktion und damit Wegbereiter des Organversagens.(aus Burchardi, Larsen et al. Die Intensivmedizin, Springer, 2007)Swan-Ganz-Katheter-Messung in Verbindung mit Lungenwasser-Bestimmunweiterunten besprochenen Teilaspekte der Schockforschung (Pathophysiologiedes Organversagens, Stufenkonzept der Polytraumaversorgung, Monitoringder posttraumatischen Inflammation etc.) waren bis in die 1950/60erJahre unbekannt. Es wurde ausschließlich nach klinischer Symptomatikvorgegangen, die einzige bekannte – und gefürchtete – Komplikation beiprimär überlebenden Patienten mit Frakturen war das Fettemboliesyndrom.Dieses wurde für verschiedene klinische Organfunktionsstörungen verantwortlichgemacht, z.B. Lungenversagen, Gerinnungsstörungen, Somnolenzund renale Dysfunktion. <strong>Das</strong> Fettemboliesyndrom <strong>als</strong> wesentliche Komplikationsteuerte die operative Behandlung dieser Patienten. Deswegen wurdenregelhaft Verletzte, die mehrere Frakturen erlitten hatten, keiner operativenVersorgung unterzogen, bis die Symptome des Fettemboliesyndroms abgeklungenwaren – eine erhebliche Zahl von ihnen verstarb, während sie auf dieoperative Frakturstabilisierung wartete.Die ubiquitär in post-mortem-Analysen nachgewiesenen Fettpartikel wurden<strong>als</strong> pathogenetisch bedeutsam und kausal für das Organversagen, an dem diePatienten nach ca. 1 Woche verstarben, angesehen. Aufgrund mangelnderBeurteilbarkeit des Volumenstatus war dies zunächst das Nierenversagen;eine mehrtägige oder sogar längerfristige Beatmung war zu diesemZeitpunkt technisch nicht möglich. Selbst bei der am meisten zitiertenStudie zur Bedeutung der operativen Frakturbehandlung waren noch mehrAbb. 2 / Änderung des Organversagens in Abhängigkeit von der Therapie über die letzten Jahrzehnte.(aus Tscherne H, Regel G; 1997)<strong>als</strong> die Hälfte der Mehrfachverletzten in nicht ventiliertem Zustand.Erst 1967 beschrieben Ashbaugh et al. das Lungenversagen <strong>als</strong> eigenständigeEntität. In den folgenden 2 ½ Dekaden galten der Bekämpfung desLungenversagens die wesentlichen Anstrengungen, da die Mortalitätzunächst weit über 50% betrug und das Vollbild des ARDS gleichsam einTodesurteil bedeutete. Obgleich sich technische Neuerungen der Beatmungentwickelten, hinkte das Verständnis der Pathogenese hinterher.Eine wesentliche klinische Fragestellung bestand in der Kausalität der Gasaustauschstörung.Die radiologisch nachweisbaren Verdichtungen, welche vorher<strong>als</strong> Fettembolie oder aber <strong>als</strong> Infektion fehlgedeutet worden waren, standenwesentlich im Mittelpunkt des Interesses. Die intrapulmonale Blockade,welche durch invasive Messungen nachweisbar wurde, konnte mit pulmonalarteriellenKathetern nachgewiesen werden. Anders <strong>als</strong> bei Pneumonie oderanderen Infiltraten wurde hierdurch eine rechts-cardiale Stauung bei guterlinksventrikulärer Funktion nachgewiesen. Diese galt in Verbindung mitdem Nachweis eines vermehrten interstitiellen Volumens <strong>als</strong> diagnostischrelevant für das ARDS. Es ist zu beachten, dass dam<strong>als</strong> ein radiologischerNachweis anderer Ursachen interstitieller Stauung oder differentialdiagnostischeNachweise von Lungenkontusionen versus Aspiration technisch aufgrundnoch unzureichender Qualität der CT unmöglich war. Somit wurde die


232 233SCHOCK- UND TRAUMAFORSCHUNGVON DER FETTEMBOLIE ZUR PATHOPHYSIOLOGISCH BASIERTEN SCHOCK- UND POLYTRAUMABEHANDLUNGAbb. 3 / Stufenkonzept der Polytraumaversorgung mit Übersicht über die Operationsphasen(aus Scharf, Rüter et al. Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>, Elsevier GmbH, Urban und Fischer Verlag, 1. Aufl age, München, 2009)gen zur Diagnose des ARDS herangezogen. Die pathogenetisch-klinischenUntersuchungen zeigten dann eindeutig, daß die Zunahme des interstitiellenVolumens der Lunge unmittelbare Ursache der Rechtsherzbelastung unddas interstitielle Ödem letztlich für die Oxygenierungsstörung verantwortlichwar. Weitergehende Untersuchungen wiesen nach, daß diese durch inflammatorischeSekundärreaktionen entstanden. Diese im Wesentlichendurch Leukozyten und Makrophagen innerhalb der Lunge getriggerte Reaktionkonnte wiederum unmittelbar mit dem Schockgeschehen in Verbindunggebracht werden.Wissenschaftlich wurden – ähnlich dem klinischen Vorgehen – interstitielleMessungen der Lunge herangezogen, welche zur Etablierung des Grosstiermodellsim Schaf führten. Dieses Modell ermöglichte durch isolierteGewinnung die Quantifizierung des interstitiellen Lungenvolumens, dieBestimmung der rechtsventrikulären Belastung hierdurch und auch inflammatorischeMessungen. Darüber hinaus wurde es zur Messung der Einflüssechirurgisch bedingter Volumenveränderungen verwandt. U. a. konntenauch Effekte chirurgischer Maßnahmen nachgewiesen werden, wie dieWechselwirkungen zwischen hämorrhagischem Schock, Stabilisierung eineslangen Röhrenknochens und der Lungenfunktion. Klinisch entwickelte sichzunächst eine Forschungsgruppe, welche – zeitgemäß – auf die kardiovaskulärenVeränderungen während und nach dem Schockgeschehen fokussier-te. Unter der Leitung von O. Trentz und H.J. Oestern wurden zum erstenMal klinische Parameter im Verlauf dokumentiert, welche die Pathophysiologieder systemischen und auch der pulmonalen Makro- und Mikrozirkulationbeschreiben halfen. Danach kam es zu einer beispielhaften Kooperation vondrei deutschen Zentren (Essen, Hannover, München), die zur Pathogenesedes ARDS klinische Parameter von Schwerverletzten engmaschig dokumentiertenund parallel die Laborparameter bestimmten. Es handelte sich umdie engmaschigsten Messbedingungen, die in diesem Patientengut erhobenwurden. Bedeutsam waren insbesondere die inflammatorischen Messungen.Diese belegten eindrücklich, daß die interstitielle Flüssigkeitsansammlungdurch eine Kombination von Faktoren zu erklären ist, welche insgesamt zumVersagen der endothelialen Barriere und somit zur Ansammlung innerhalbder Lunge führen. Die wesentliche Auswirkung eines Schockgeschehens aufLeukozyten und Makrophagen konnte durch die über 6 Jahre geförderteStudie eindeutig belegt werden.Mit der in den folgenden Jahren verbesserten Überlebensdauer (mittlererTodeszeitpunkt 1980: 6 Tage, 1995: 13 Tage) änderte sich das Spektrumder pathogenetischen Überlegungen, das Multiple Organversagen rücktein den Vordergrund. Um die Pathogenese dieser Komplikation zu untersuchen,war es notwendig, andere tierexperimentelle Ansätze zu entwickeln.Hierzu wurden Kleintiermodelle verwendet, die auch differenziertereMessungen ermöglichten. Mit der Entwicklung der Theorie des intestinalenVersagens zeigte sich, dass auch Funktionsstörungen des Darmes undder Leber messbar gemacht werden mussten. Die Intravitalmikroskopie derLeber wurde durch I. Marzi in Homburg eingesetzt und belegte, dass die fürdie Lunge beschriebenen Veränderungen auch in anderen Organen stattfinden.Diese Thematik diente anderen wissenschaftlich tätigen Fachdisziplinen– insbesondere Transplantationschirurgen – <strong>als</strong> Vorbild zur Beurteilungder Abstoßungsreaktion nach Transplantation. In den folgenden Jahren rücktenspezielle Verletzungsmuster und deren Auswirkungen auf den Organismusin den Vordergrund. Auch hier spezialisierten sich bestimmte Zentrenhinsichtlich der Fragestellungen. In Ulm wurde besonderes Augenmerk auf


234 235SCHOCK- UND TRAUMAFORSCHUNGVON DER FETTEMBOLIE ZUR PATHOPHYSIOLOGISCH BASIERTEN SCHOCK- UND POLYTRAUMABEHANDLUNGdie Inflammationsreaktion nach Lungenkontusion gelegt und hierzu eineigenständiges Kleintiermodell entwickelt. In Köln fokussierte man aufdie Auswirkungen des Schädel-Hirntraumas auf andere Organe und führtehierzu tierexperimentelle Studien und klinische Kooperationen durch.Aktuell sind verschiedene Schwerpunkte der Schock- und Traumaforschungzu nennen:• Pathophysiologie des Organversagens• Präklinische Polytraumaversorgung• Stufenkonzept der Polytraumaversorgung• Monitoring der posttraumatischen Inflammation• Rehabilitation und Outcomebzw. auf humoraler Ebene (Marzi/Frankfurt, Pape/Hannover) und auf Organebene(Gebhard/Ulm) beschäftigt haben. Gleichwohl ist heute bekannt,dass unmittelbar mit Beginn der überschießenden Inflammationsreaktionbereits die gegenläufigen Mechanismen aktiviert werden. Die multiplen Studienkonnten diesbezüglich zeigen, dass in der Phase der Hyperinflammationkeine additiven iatrogenen Insulte hinzugefügt werden sollten („2nd hit“).Die in der o. g. Abbildung dargestellten inflammatorischen Mechanismenhaben zur Konsequenz, dass nach Primärversorgung eines Polytraumapatientenin den nächsten fünf Tagen keine aufwändigen Operationen durchgeführtwerden sollten, da dies zu einer weiteren Triggerung der systemischenInflammation und weiteren Organschädigungen führen würde. Dieser Aspektwird weiter unten unter dem Damage Control-Konzept dargelegt.Pathophysiologie des OrganversagensEin akutes Trauma mit Frakturen, Weichteilverletzungen, Blutverlust undOrganminderperfusion führt zu einer lokalen und systemischen Inflammation.Abb. 1 zeigt, dass jeder einzelne dieser Verletzungsmechanismen zueiner lokalen und systemischen Inflammation führt. Bei Überschießen derlokalen Inflammation oder bei Interaktion verschiedener lokaler Inflammationsreaktionen,z. B. nach Blutverlust, Weichteiltrauma, Schädel-Hirn-Trauma,Fraktur, kommt es zu einer überschießenden systemischen Inflammation,die zunächst <strong>als</strong> ein proinflammatorischer, aber im Gegenzug auch<strong>als</strong> antiinflammatorischer (immunsuppressiver) Stimulus wirkt. An diesensystemischen Entzündungsreaktionen sind sowohl humorale (Zytokine) <strong>als</strong>auch zelluläre Mechanismen beteiligt, wobei die Gesamtinflammationsreaktionhier am ehesten zweiphasig zu verstehen ist. Weiterhin zeigt dieAbbildung 1, dass die posttraumatische Inflammationsreaktion mehrphasischverläuft, wobei eine erhebliche initiale Hyperinflammation gefolgt voneiner Hypoinflammation und einer Antiinflammation, teilweise überlappend,abgelöst wird. Diese systemischen Inflammationen sind in zahlreichen Untersuchungender unfallchirurgischen Universitätskliniken in Deutschland ausführlicherforscht worden, wobei die einzelnen Arbeitsgruppen sich mit derüberschießenden Inflammation auf zellulärer (Faist/München, Flohé/Essen)Während die systemische Reaktion insgesamt klinisch gut zu untersuchenist, ist die lokale Inflammation lokal relativ schwierig adressierbar. Nur imBereich der Lunge ist dies durch bronchoalveoläre Lavage partiell möglich,im Bereich der anderen Organe nur indirekt. Ein weiterer wesentlicherParameter, der sich im letzten Jahr <strong>als</strong> wichtig herausgestellt hat, ist diegerichtete lokale Reparation und Regeneration, die durch eine systemischeInflammation beeinträchtigt werden kann. Hier gibt es praktisch keinerelevanten klinischen Modelle, so dass diese Arbeiten, was die Knochen- undWundheilung (München, Frankfurt/M) betrifft, im Wesentlichen Zusammenhängemit experimentellen Ansätzen untersuchenDie besondere Bedeutung des hämorrhagischen SchocksEin polytraumatisierter Patient erleidet in aller Regel neben den charakteristischenindividuellen Organ- und Extremitätenverletzungen durch dengroßen Blutverlust auch einen hämorrhagischen Schock. Die pathophysiologischenAuswirkungen von Schock und Trauma führen zu interaktivenpathophysiologischen Reaktionen, wobei neben der erfolgreichen Therapieder Organ- oder Extremitätenverletzungen initial auch die Bekämpfung deshämorrhagischen Schocks im Vordergrund steht. Die primären Todesursachensind dementsprechend akutes Verbluten durch den hämorrhagischen


236 237SCHOCK- UND TRAUMAFORSCHUNGVON DER FETTEMBOLIE ZUR PATHOPHYSIOLOGISCH BASIERTEN SCHOCK- UND POLYTRAUMABEHANDLUNGSchock, schweres Schädelhirntrauma mit Verlust der Gehirnfunktion undGehirndurchblutung und spezifische Organverletzungen. Ein besonderesCharakteristikum eines schweren Polytraumas ist denn auch die Entwicklungvon Schockfolgeschäden.Wie zu erkennen ist, gehörte bis zu den 1950er Jahren das akute Verblutendurch das Schockgeschehen zur Haupttodesursache nach multiplem schwerenTrauma. Um die 60er Jahre stand das Nierenversagen im Vordergrund,in den 70er Jahren das akute respiratorische Distress-Syndrom (ARDS), <strong>als</strong>odas Lungenversagen, und erst ab den 90er Jahren das Multiorganversagen.Aktuell stehen <strong>als</strong> Polytraumafolge das Multiorgandysfunktionssyndrom undin 10 % auch das Multiorganversagen an vorderster Stelle nach Schädelhirntraumaund akutem Verbluten (Abb. 2)Wie kam es zu dieser Änderung der Schockfolgeerkrankungennach hämorrhagischem Schock?Durch primäre Therapie und Blutstillung ist es in den 50er Jahren zueinem Rückgang des akuten Verblutens gekommen. Dies resultierte auseiner besseren Blutstillung, ohne dass jedoch adäquat Volumen zusätzlichzugeführt wurde. In deren Folge kam es zwar zu einer Verbesserung desakuten Schockgeschehens, jedoch zu einer erheblichen Steigerung des Nierenversagens,was gemeinhin <strong>als</strong> unzureichende Flüssigkeitsversorgung despolytraumatisierten Patienten gesehen werden kann. Durch besseres Monitoringund der damit verbundenen differenzierteren Volumentherapie undauch durch die Verfügbarkeit von Nierenersatzverfahren konnte die Rate desNierenversagens deutlich gesenkt werden. Dies führte zu einer verbessertenÜberlebensrate innerhalb der ersten Tage nach dem Unfall, ging jedochnicht mit einer Gesamtverbesserung einher, da viele Patienten ein sekundäresLungenversagen entwickelten, an dem sie innerhalb der nächsten Wocheverstarben. Änderungen der Beatmungstechniken (PEEP, Begrenzung desmax. Atemwegsdrucks, inverse Beatmungsdauer etc.) führten in Verbindungmit einer differenzierten Volumentherapie dazu, dass das Lungenversagenzunehmend überlebt wurde. Die wesentliche Todesursache verschob sichhinsichtlich des multiplen Organversagens (MOV) in die dritte Woche nachTrauma. Während man zunächst annahm, dass infektiöse Ursachen (Sepsis)der wesentliche Trigger seien, zeigte sich dann, dass inflammatorische Veränderungenbedeutsam für die Entwicklung des MOV waren; in der letztenDekade des Jahrhunderts rückte letzteres zunehmend in den Vordergrund.Mit einer gezielteren Volumentherapie, z. B. durch die Verwendung vonhypertonen, hyperonkotischen Lösungen bei Limitierung der isotonischenLösung, konnte die ARDS-Rate durch „Trockenfahren“ der Patienten wiederumdeutlich reduziert werden. Hinzu kamen neuere Erkenntnisse, auchim Vergleich verschiedener Traumasysteme, vor allem in den nordamerikanischenStaaten und Europa, die darauf hinwiesen, dass eine restriktiveVolumentherapie in der Anfangsphase initial zwar zu schlechteren pathophysiologischenParametern führt, jedoch insgesamt zu einer Verringerung desakuten Blutverlustes und zu einer Verminderung der interstitiellen Ödeme.Diese Entwicklung scheint derzeit mit der pathophysiologischen Beschreibungdes Multiorgandysfunktionssyndroms (MODS) und der wegen derdaraus resultierenden Fälle von Multiorganversagen den aktuellen Standdarzustellen.Präklinische PolytraumaversorgungDie Entwicklung der präklinischen Traumaversorgung hat die verschiedenenPhasen der Volumentherapie in den letzten zehn Jahren durchschritten. Nebender restriktiven und der großzügigen hat sich mittlerweile die blutungsadaptierterestriktive Volumengabe bei polytraumatisierten Patienten durchgesetzt.Man geht davon aus, dass eine Übertherapie ebenso schädlich istwie die Untertherapie in den Anfängen der Schwerverletztenbehandlung unddass eine limitierte Volumengabe vor Verdünnung von Gerinnungsfaktorenschützt. Eine zu aggressive Volumentherapie wird für die Aufrechterhaltungvon weiteren Blutungen verantwortlich gemacht. Bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma ohne akute Blutungsquelle soll initial durch kombinierte Volumengabemit Kolloiden und Kristalloiden eine bessere cerebrale Mikrozirkulationerreicht werden.


238 239SCHOCK- UND TRAUMAFORSCHUNGVON DER FETTEMBOLIE ZUR PATHOPHYSIOLOGISCH BASIERTEN SCHOCK- UND POLYTRAUMABEHANDLUNG<strong>Das</strong> Problem bestand lange Jahre darin, zu erkennen, welcher Patienteiner eher restriktiven oder einer eher großzügigeren Volumentherapie zugeführtwerden muss. Diese Einschätzung muss vom Notarzt aufgrund desVerletzungsmechanismus festgestellt werden, das Problem der Black Boxdes Abdomens war jedoch jahrzehntelang groß, da gerade abdominelle Blutungenvon wesentlicher Bedeutung für einen akuten Blutungsschock sind.Mit der Einführung der abdominellen Sonographie im Schockraum und mitder großzügigen Anwendung der mobilen Ultraschallgeräte in der präklinischenDiagnostik und in fast allen Luftrettungsmitteln scheinen bessere diagnostischeMöglichkeiten vorzuliegen. Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrensist die zusätzlich mit dem Gerät durchführbare Echokardiographie (FEER =Focused Echocardiographic Evaluation in Resuscitation); sie gibt darüber hinausAuskunft über die Auswurfleistung des Herzens und den Volumenbedarf,so dass hier zusätzlich die Entwicklung zu einer Therapiesteuerung derAuswurfleistung gehen kann.zept wurde „Early Total Care“ genannt. Dies bedeutete, dass alle relevantenVerletzungen unmittelbar nach Eintreffen des Patienten definitiv versorgtwurden, um vermeintlich eine rasche Rehabilitation herbeizuführen. Vergleichsuntersuchungenzeigten jedoch, dass in diesen Early Total Care-Konzepten insbesondere bei langen, aufwändigen und transfusionsrelevantenOperationsphasen die Mortalitätsrate nicht gesenkt wurde, sondernin bestimmten Fällen sogar stieg. Vor diesem Hintergrund hat sich danndas Damage Control Surgery- und Damage Control Orthopedics-Konzeptetabliert, das in Deutschland aber auch frühzeitig <strong>als</strong> gestuftes Behandlungskonzeptder Traumaversorgung eine rasche Verbreitung fand („Damage ControlOrthopedics“, Stufenkonzept der Polytraumaversorgung). Nach Befolgungdieser Konzepte konnte festgestellt werden, dass eine Stabilisierung derrelevanten Frakturen in der Initialphase notwendig ist, um die systemischeInflammationsreaktion zu minimieren. Diese Entwicklungen sind maßgeblichan den deutschen Universitätskliniken mitgetragen worden.SchockraumdiagnostikIm Rahmen der Schockraumdiagnostik hat sich über die Etablierung derUltraschalluntersuchung im Schockraum zwischenzeitlich die computertomographischeUntersuchung des Kopfes und des Körperstammes durchgehendetabliert; damit ist eine enorm verbesserte Primärdiagnostik möglich,wobei hier insbesondere auch auf die Lungenkontusion eingegangen werdenmuss. Zwischenzeitlich ist umfassend bekannt, dass primäre Lungenkontusionenzu einer Prognoseverschlechterung führen und ausgedehnte Operationendaher zu vermeiden sind.Stufenkonzept der Frakturbehandlungim Rahmen der PolytraumaversorgungZahlreiche Untersuchungen zeigen, dass eine frühe Stabilisierung vonFrakturen zur Abmilderung pathophysiologischer Inflammationskaskadendringlich erforderlich ist. In den 80er und 90er Jahren ging man davonaus, dass diese eine Komplettversorgung aller Frakturen umfasse, das Kon-<strong>Das</strong> aktuelle Konzept der gestuften Polytraumaversorgung ist in der folgendenTabelle nochm<strong>als</strong> dargelegt (Abb. 3). Neben den pathophysiologischenErrungenschaften der Verringerung des ARDS und des MOV hat dasStufenkonzept noch einen weiteren großen Vorteil für die verletztenPatienten. Durch die Primärstabilisierung können die einzelnen Verletzungenje nach technischen Möglichkeiten auch minimal-invasiven Verfahrenzugeführt werden. Am prägnantesten ist dies bei BWS- und oberen LWS-Verletzungen darzulegen, bei denen initial mit einem Fixateur interne dieWirbelsäule stabilisiert wird und bei denen im Intervall nach Normalisierungder Inflammationsreaktion, teilweise endoskopisch minimal-invasiv, die ventraleFront der WS rekonstruiert werden kann. <strong>Das</strong> Gleiche gilt für minimalinvasiveund navigierte Osteosyntheseverfahren.Monitoring der postraumatischen Inflammationsreaktion<strong>Das</strong> Monitoring des polytraumatisierten Patienten auf der Intensivstationbestand bereits seit den 70er Jahren mit Anwendung eines Swan-Ganz-Katheters,um die systemischen Widerstände und die Herzindices zu steuern.


240 241SCHOCK- UND TRAUMAFORSCHUNGVON DER FETTEMBOLIE ZUR PATHOPHYSIOLOGISCH BASIERTEN SCHOCK- UND POLYTRAUMABEHANDLUNGDiese Katheter waren weit verbreitet, mit Berichten über Komplikationsratenvon Pulmonaliskathetern wurden neuere Techniken, die die lokalen undsystemischen Widerstände genau darstellen, entwickelt (PiCCO-Monitoru. a.). Diese nutzen den Effekt der transkardiopulmonalen Thermodilution mitder arteriellen Pulskonturanalyse, um über die Stewart-Hamilton-GleichungInformationen zum Herzzeitvolumen und den peripheren Widerständen zuliefern. Neben diesen technischen Monitoringverfahren und der Einführungvon immer moderneren Nierenersatzverfahren (kontinuierliche venovenöseHämofiltration) wurde zunehmend auch die Hämofiltration zur Eliminationvon Mediatoren, zur Kühlung bzw. zur Aufwärmung von Patienten und zurFlüssigkeitsbilanzierung eingesetzt. Diese Verfahren haben sich <strong>als</strong> schonendehämodynamisch stabilisierende Verfahren etabliert.Zukünftige EntwicklungDie zukünftige Entwicklung zielt im Wesentlichen auf ein besseres Verständnisder Bedeutung systemischer Inflammationsmechanismen. Auch sinddie gleichzeitige Aktivierung pro- und antiinflammatorischer Mechanismen,die Bedeutung der Apoptose und die Interaktion der systemischen Inflammationmit der Wund- und Frakturheilung aktuell Gegenstand intensiverUntersuchungen. Es ist zu hoffen, dass auch Inflammationsmechanismendifferenziert beeinflussbar sein werden und dies einen positiven Einfluss aufden klinischen Verlauf haben wird.Neben dem apparativen Monitoring haben sich die Bestimmungen vonInflammationsparametern weiter etabliert. Zu nennen sind u.a. das Il-6 undProkalzitonin. Die Il-6 Verläufe beeinflussen zumindest partiell die zeitlicheAbstimmung von Operationen der 2. und 3. Versorgungsphase (siehe Stufenkonzeptder Polytraumaversorgung, Abb. 3); das Prokalzitonin gewinnt <strong>als</strong>Indikator für eine bakterielle Infektion beim klinisch z.T. nur schwer einzuschätzendenIntensivpatienten zunehmend an Bedeutung.Rehabilitation und OutcomeDie frühzeitige Steuerung von Rehabilitationsmaßnahmen und die funktionellenOperationsverfahren führten folgerichtig zu einer frühen Rehabilitationsmöglichkeitfür polytraumatisierte Patienten und damit zu derenbesseren sozialen und beruflichen Wiedereingliederung. Langzeitnachuntersuchungenhaben eindeutig gezeigt, dass nach Ablauf des zweiten Jahresnach Trauma eine wesentliche Änderung des Gesamtzustandes kaumerreicht werden kann. Alarmierend ist eine deutlich erhöhte Mortalitätehem<strong>als</strong> Schwerverletzter von 30 % und auch eine große Zahl von psychischenStörungen im Sinne einer PTSD (posttraumatic stress disorder).


242 243VON DER EXPERIMENTELLEN CHIRURGIEZUR MUSKULOSKELETALEN FORSCHUNGL. ClaesG. N. DudaDie VorgeschichteIn den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde anden Universitätskliniken mit unfallchirurgischen Lehrstühlen experimentelleForschung überwiegend durchgeführt, um die Verbesserung chirurgischerTechniken zu erreichen. Es gab zu dieser Zeit keine etablierten Forschungslaborein Deutschland und die ersten Möglichkeiten, experimentell in einemspeziellen Forschungsumfeld zu arbeiten, bestanden darin, nach Davos indas AO-Forschungsinstitut oder in ein Forschungsinstitut in die USA zu gehen.1977 wurde das erste Forschungslabor in Deutschland gegründet, dassich speziell unfallchirurgischen Fragestellungen widmete. Durch C. Burriin Ulm wurde das Labor für experimentelle Traumatologie eingerichtet undmit L. Claes <strong>als</strong> Leiter besetzt. Diese Einrichtung wurde 1990 zum Institutausgebaut und L. Claes zum ersten Lehrstuhlinhaber für UnfallchirurgischeForschung und Biomechanik berufen.Prof. em. Dr. biol. hum. Lutz E. Claesem. Direktor Institut für Unfallchirurgische Forschung und BiomechanikUniversitätsklinikum UlmHelmholtzstr. 1489081 UlmProf. Dr. med. Georg N. DudaJulius Wolff Institut und Centrum für Muskuloskeletale ChirurgieBerlin-Brandenburg Center for Regenerative TherapiesCharité – Universitätsmedizin BerlinAugustenburger Platz 113353 BerlinSeit den achtziger Jahren hat sich die unfallchirurgische Forschung stetigweiterentwickelt. Heute gibt es drei unabhängige Lehrstühle in der unfallchirurgischenForschung, Berlin (G.N. Duda), Hamburg (M. Amling) und Ulm(A. Ignatius) in eigenständigen Instituten. Hinzu kommen einige Lehrstühle,die der Forschung gewidmet, aber in Kliniken angesiedelt sind. Darüberhinaus gibt es auch eine sich rege entwickelnde orthopädische Forschung,z.B. in Heidelberg (W. Richter), Würzburg (F. Jakob) und Regensburg(S. Grässel). Die muskuloskeletale Forschung wird komplettiert durch dieAktivitäten in den uns benachbarten Gebieten (z.B. in der Rheumatologie)und in der außeruniversitären Forschung. Diese Auflistung zeigt, dassunsere Forschung interdisziplinärer und professioneller geworden ist. Essind neue Forschungsschwerpunkte hinzugekommen und neue Forschungsmethodenvor allem auf dem Gebiet der grundlagennahen, biologischenForschung etabliert worden. Die Komplexität der Forschungsthemen hatnicht nur innerhalb der Forschergruppen die Interdisziplinarität gefördert,sondern auch die Zusammenarbeit mehrerer Forschungsinstitutionen aufregionaler und überregionaler Ebene erforderlich gemacht.


244 245VON DER EXPERIMENTELLEN CHIRURGIE ZUR MUSKULOSKELETALEN FORSCHUNGAbb. 1 / Abb. 2 /Neben den Themen Schock und Trauma lag der Schwerpunkt unfallchirurgischerForschung überwiegend auf den skeletalen Verletzungen.Da es schon immer Überschneidungen mit den Forschungsmethoden undFragestellungen der orthopädischen Forschung gab, war die Vereinigungder beiden Fachgesellschaften für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> für dieexperimentell tätigen Forscher ein logischer Schritt. Als gemeinsamer Überbegriffunserer Forschungsschwerpunkte hat sich die Formulierung „muskuloskeletaleForschung“ oder „Forschung zu muskuloskeletalen Erkrankungenund Verletzungen“ durchgesetzt. Die heute erreichte Positionierungmuskuloskeletaler Forschung, zum Teil sogar <strong>als</strong> Forschungsschwerpunkte anmedizinischen Fakultäten (in Berlin, Ulm und Würzburg), ist Ergebniseines komplexen Prozesses, der sich auf erfreuliche Entwicklungen in denvergangenen 60 Jahren zurückführen lässt. Im Folgenden sollen wesentlicheFaktoren für diese Positionierung skizziert werden.Von der Forschung des Chirurgen zur interdisziplinären Forschung<strong>Das</strong> Skelettsystem hat primär die Stützfunktion und muss Bewegung desmenschlichen Körpers ermöglichen. Weitere Aufgaben sind Schutzfunktionenfür z.B. das Immunsystem und das neuronale System. Die Wiederherstellungvon verletzten Knochen, Gelenken und Bändern muss – entsprechendder primären Funktion – biomechanischen Grundregeln folgenbzw. gerecht werden. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass Ingenieureund Physiker die ersten Nichtmediziner waren, die zur Bewältigung vonForschungsproblemen von forschungsorientierten Klinikern eingebundenwurden. Häufig konnten Versorgungen von Verletzungen nur unter Zuhilfenahmevon synthetischen Materialien erreicht werden (Osteosynthese-Implantate, Knochenersatz, Bandersatz). Ingenieure und Chemiker aus derMaterialforschung und später auch Biologen aus der Zellforschung warenwesentliche Partner für die Entwicklung neuer Biomaterialien. In den achtzigerund neunziger Jahren waren die häufigsten Forschungsschwerpunktebiomechanische Fragestellungen, Konzepte zum Knochenersatz, allgemeineFragestellungen zum Themenfeld Biomaterialien und die Forschung zurFrakturheilung. Betrachtet man die aktuellen Forschungsschwerpunkte, sowerden durch die unfallchirurgisch Forschenden die Themen Biomechanikund Biomaterialien immer noch am häufigsten genannt, aber andere Schwerpunktthemensind hinzu gekommen. Die Versorgung systemisch erkrankterPatienten (z.B. Osteoporose), die Regenerative Medizin mit der Stammzellforschungund immunologische Aspekte der Erkrankungen und Verletzungendes Bewegungsapparates werden komplettiert durch Forschung an technischenEntwicklungen wie der Navigation, der Planung bzw. Simulation undbiotechnologischen Entwicklungen im Bereich Diagnostika. Hinzu kommtweiterhin das besondere Feld der Polytrauma-Forschung. Für die qualifizierteBearbeitung dieser Forschungsthemen sind Zell- und Molekularbiologen


246 247VON DER EXPERIMENTELLEN CHIRURGIE ZUR MUSKULOSKELETALEN FORSCHUNGgenauso wie Biotechnologen essentiell. Dabei ist es häufig erforderlich, dieGrundlagen der erkrankten oder verletzten biologischen Systeme besser zuerforschen. Dies ist Basis, damit die Reaktionen des Skelettsystems oderz.B. der Entzündungsantwort nach Polytrauma verstanden und letztlichzielgerichtet Therapieverfahren konzipiert werden können.Neue Forschungsmethoden wie die Verwendung genetisch veränderterMäuse oder Computersimulationsmodelle von Heilungsvorgängen eröffnenneue Möglichkeiten, brauchen aber auch ein entsprechend qualifiziertesForscherteam. Die großen muskuloskeletalen Forschungszentren habendeshalb neben Medizinern und Tiermedizinern häufig Wissenschaftler ausden genannten Disziplinen unmittelbar in die Projekte eingebunden, umkompetent Grundlagenaspekte der Forschung adressieren zu können.Von der „Feierabendforschung“zur strukturierten Ausbildung zum Clinical ScientistÜber viele Jahrzehnte war unfallchirurgische Forschung „Feierabendforschung“des klinisch tätigen Chirurgen, meist motiviert durch den Wunschzur Habilitation. Mit der Notwendigkeit zur interdisziplinären Forschungmusste sich die Forschung professionalisieren und entwickelte sich <strong>als</strong> eigenesTätigkeitsfeld sowohl der Kliniker (Clinical Scientist) <strong>als</strong> auch der Grundlagenforscherneben der eigentlichen Hauptaufgabe, der Krankenversorgung.Zuerst an nur wenigen Universitätskliniken, aber in den letzten Jahren –erfreulicherweise – an immer mehr Standorten, erfolgte die Etablierung vonForschungslaboren mit professioneller Leitung und qualifiziertem Mitarbeiterstamm.Heute gibt es neben den drei Lehrstühlen für unfallchirurgischeForschung (Berlin, Hamburg, Ulm) eine Reihe von Laboren mit Forschungsprofessurenund etablierten Forscherteams. Damit hat ca. 1/3 der 31 UnfallchirurgischenUniversitätskliniken eine professionelle Forschungsstruktur.Dies umfasst zwar noch nicht alle Lehrstühle – der Ausbau der Forschungverläuft auch parallel zur Diskussion des Zusammengehens der FelderOrthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> – ist aber ein enormer Fortschritt gegenüberder Situation vor dem Jahr 2000.Sicher bleibt die Sorge, gerade vor dem Hintergrund der Arbeitszeitregelungund der handwerklichen Anforderungen der Ausbildung, genug qualifizierteund motivierte klinische Kollegen für eine Extraverantwortung in derForschung zu motivieren. Gerade weil es zu einer Professionalisierung derunfallchirurgischen Forschung gekommen ist, ist es zwingend nötig, auchhinreichend viele klinische Kollegen für den Weg des Clinical Scientist, <strong>als</strong>odes wissenschaftlich interessierten Klinikers, zu begeistern. Hier fehlen oftdie nötigen Anreizsysteme, damit sich unter den geänderten BedingungenKlinik und Forschung weiterhin eng zusammen entwickeln können. Zwar gibtes an einzelnen Stellen entsprechende Ausbildungsprogramme (im Rahmender Exzellenzinitiative in Berlin in der BSRT www.bsrt.de), aber diese sindderzeit immer noch eher die Ausnahme <strong>als</strong> die Regel.Vom Forschungslabor zu ForschungsverbündenProfessionell geleitete Forschungslabore mit guter Infrastruktur könnenspezielle und überschaubare Forschungsprojekte effektiv bearbeiten. Komplexemedizinische Problemstellungen sind jedoch häufig nur durch dieZusammenarbeit vieler Forschergruppen mit Aussicht auf Erfolg zu lösen.<strong>Das</strong> haben auch die großen Forschungsförderungsinstitutionen wie die DFG,das BMBF und die Europäische Gemeinschaft erkannt. So bieten die DFGdie Unterstützung von Forschergruppen und Sonderforschungsbereichen,das BMBF auf nationaler und die EU auf internationaler Ebene die Förderungvon Forschungsverbünden an. Im Bereich der unfallchirurgischen Forschungwerden diese Möglichkeiten in zunehmendem Maße genutzt. 1993 gelanges in Ulm, die erste DFG-Forschergruppe einzuwerben, 2000 eine klinischeForschergruppe in Berlin, eine weitere folgte in 2008 wieder in Ulm. Wennan einem Standort nicht genügend Kompetenz zu einem Forschungsthemavorhanden ist, kann auch ein überregionaler Verbund gefördert werden.Solch ein Beispiel ist die DFG-geförderte Forschung zum Thema derosteoporotischen Fraktur, die in Hamburg, Würzburg, München und Ulmzusammen bearbeitet und gefördert wird. Sonderforschungsbereiche mitüber 10 Forschungsprojekten, die dann auch Max-Planck- oder Helmholtz-Institute umfassen, sind eher die Ausnahme. In Berlin wurde der erste SFB


248 249VON DER EXPERIMENTELLEN CHIRURGIE ZUR MUSKULOSKELETALEN FORSCHUNGin der <strong>Unfallchirurgie</strong> 2006 eingerichtet, es folgte vor kurzem ein weitererTransregio in Gießen 2010.der Forschungsnetzwerke der Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> kann dazuauch einen Beitrag zur Stärkung der Fächer leisten.Andere Forschungsförderungsinstitutionen wie das BMBF und die EU sindüberwiegend auf Verbundforschung ausgerichtet. Auch hier haben unfallchirurgischeForschungseinrichtungen mit Erfolg mehrfach Förderungenerhalten. Eine eigene Förderlinie konnte bisher bei der EU aber nicht initiiertwerden. Oftm<strong>als</strong> finden sich die Fragestellungen der <strong>Unfallchirurgie</strong>in Ausschreibungen der Regenerativen Medizin, der Biomaterialforschung,der Computersimulation oder der Navigation wieder. All diese Verbundförderungenhaben das forschungspolitische Ziel, professionelle Forschungsstrukturenzu stärken. Letztlich soll dies die Möglichkeit schaffen, deminternationalen Wettbewerb besser gerecht werden zu können. In dermuskuloskeletalen Forschung ist Deutschland derzeit sicher in einerSpitzenposition.Die Vergabe der Förderungen ist, unabhängig von den Förderinstitutionen,heute hoch kompetitiv und wird <strong>als</strong> Bewertungsmaßstab in den Universitätenbenutzt (siehe Leistungsorientierte Mittelvergabe). Gemeinsammit den Publikationswertungen und zum Teil gewichtet nach Förderinstitutionenwerden die Mitteleinnahmen <strong>als</strong> wesentliches Bewertungskriteriumauch für die Leistungsfähigkeit von Themenfeldern herangezogen. Dies giltauch für die unfallchirurgische Forschung, die, gemeinsam mit der orthopädischenForschung, in einem Wettkampf mit den anderen medizinischenDisziplinen steht. Diesem Wettkampf der medizinischen Disziplinen kannman mit ausgebauten und durch Vorarbeiten ausgewiesenen Forschungsinstitutionenleichter gerecht werden. Auf dem Weg zu einer solchen Professionalisierungund auch bei der Vertretung unfallchirurgischer Interessen <strong>als</strong>universitäres Fach können lokale Zentren für muskuloskeletale Forschung,lokale Forschungsverbünde, aber auch nationale Zusammenschlüsse helfen.Beispiele dafür sind neben dem Netzwerk Experimentelle <strong>Unfallchirurgie</strong>(NEU) auch die gerade durch das BMBF geförderten Forschungsverbünde zueinzelnen Aspekten muskuloskeletaler Forschung. Der ZusammenschlussVom festen Forschungsbudgetzur leistungsorientierten Bewertung von ForschungHeute mag es nach paradiesischen Zuständen klingen: Über Jahrzehntewurden die Forschungsgelder von Universitätskliniken <strong>als</strong> ein Prozentanteilam Budget für die Krankenversorgung bestimmt. Große Kliniken hattendamit erhebliche Forschungsmittel zur Verfügung. Wie eine Analyse desWissenschaftsrates ergab, resultierte dies jedoch nicht in einer entsprechendenForschungsaktivität, weil große Teile der Forschungsgelder letztlich fürdie Krankenversorgung ausgegeben wurden. Diese Zeiten sind lange vorbeiund sowohl auf internationaler, nationaler <strong>als</strong> auch auf regionaler Ebenewerden Leistungen auch in der Wissenschaft jederzeit evaluiert. Fakultätengeben diesen oftm<strong>als</strong> von außen kommenden Budgetdruck über dieMechanismen der Evaluation weiter und nutzen die Methoden der LeistungsorientiertenMittelvergabe. Die Höhe dieses Budgets variiert starkzwischen den Bundesländern und kann 5-6 % der eingeworbenen Drittmittelin Berlin oder bis zu 20% in Baden-Württemberg umfassen. Da die eingeworbenenDrittmittel zum Großteil gewichtet werden (z.B. DFG 3-fach, BMBF2-fach und Industrie 1-fach) und mit den Publikationsleistungen zusammendie Leistungskenndaten ergeben, sind letztlich keine allgemeinen Aussagenzum Mechanismus möglich. Grundsätzlich gilt aber, dass durch guteForschungsleistungen an vielen Universitätskliniken das Forschungsbudgeterhöht werden kann. Eine wesentliche Neuerung wird noch sein, dassauch, mit der Einführung der vollständigen Trennungsrechnung, die RessourcenRaum und sonstige Nebenkosten in die LOM-Vergabe aufgenommenwerden. In die Leistungsdaten gehen auch die Publikationsleistungen inForm von Impaktfaktoren ein. Man kann darüber diskutieren, ob die Impaktfaktorsummeder Publikationen für operative Fächer, wie die <strong>Unfallchirurgie</strong>,ein gerechter Maßstab für die Forschungsleistung ist. Da es bisher aber keinMaß für den Impakt, den eine Forschungsarbeit auf die Patientenversorgunghat, gibt, werden wir mit dem „Impakt auf das Forschungsfeld“ (z.B. der


250 251VON DER EXPERIMENTELLEN CHIRURGIE ZUR MUSKULOSKELETALEN FORSCHUNGZitierhäufigkeit) <strong>als</strong> einzig bisher verfügbarem Bewertungskriterium fürPublikationen zurückgreifen müssen.Insgesamt lässt sich feststellen, dass die leistungsorientierte Forschungsmittelvergabeeinen Leistungsdruck ausgelöst hat, dem sich die Fächer stellenmüssen und meist mit einer Professionalisierung der Forschung versuchenzu beantworten. Dies ist auch in der <strong>Unfallchirurgie</strong> der Fall. Es sprichtvieles dafür, dass die Einrichtung von erfreulich vielen Forschungsprofessurengerade in den letzten 5 Jahren auch auf diesen Leistungsdruck und dieEinsicht zurückzuführen ist, dass eine „Feierabendforschung“ in der heutigenZeit nicht in der Lage ist, die gewünschten Leistungen zu erbringen.Zusammenfassung und AusblickDie experimentelle unfallchirurgische Forschung hat vor allem in den letzten30 Jahren eine sehr gute und dynamische Entwicklung genommen. Es kamzu einer Professionalisierung der Forschung, die an einigen Universitätsklinikendie Entwicklung von international hervorragend ausgewiesenen Forschungsinstitutenermöglicht hat. Darüber hinaus gibt es einige erfolgversprechendeneue Professuren, die die Chance auf eine weitere Verbesserungder Forschungslandschaft in sich bergen.Allerdings ist auch festzustellen, dass im Vergleich zu anderen Fächern undmedizinischen Versorgungsfragen die <strong>Unfallchirurgie</strong> – im Verhältnis zuihrer Bedeutung für das gesamte Gesundheitssystem – deutlich unterrepräsentiertist! Dies wird sich aber nicht allein durch Appelle ändern lassen,sondern erfordert eine weitere Professionalisierung der Forschung aufbreiter Basis. Neben der internationalen Konkurrenzfähigkeit der einzelnenForschungsprojekte (und damit der Qualität der Forschung) ist auchweiterhin eine entsprechende Unterstützung durch die Fachgesellschaftzwingend nötig. Die unfallchirurgische Forschung braucht enge Nähe zurklinischen Anwendung. Dabei wird es die wesentliche Aufgabe sein, demUnfallchirurgen, der sich temporär oder langfristig in der Forschung engagierenwill, auch Anerkennung auszusprechen und damit gleichzeitig auchentsprechende, oft besondere Möglichkeiten im Rahmen seiner klinischenAusbildung einzuräumen. Dies ist nicht nur wichtig, um Forschung undKlinik bei sich jeweils professionalisierenden Ansätzen auf beiden Seitender einen Medaille „zusammenzuhalten“, sondern auch das Fach langfristigund selbstverständlich im Kanon der medizinischen Fächer im universitärenKontext zu positionieren. Die Alternative wäre eine rein klinische Versorgung,die auch für den Nachwuchs gegenüber den anderen medizinischen Disziplinendann weniger attraktiv wirken würde.Der harte nationale und internationale Wettbewerb um Forschungsmittelwird es erforderlich machen, die regionalen und überregionalen Forschungsverbündeauszubauen, Zentren zu gründen und auch wissenschaftspolitischsich stärker zu positionieren, um das Fach weiterhin wettbewerbsfähigzu halten bzw. die Möglichkeiten weiter auszubauen. Dies ist sicher nichtzuletzt auch eine Forderung der Patienten an die Chirurgie an sich. Die Chance,muskuloskeletale Kompetenz auf diesem Weg zu bündeln, um gemeinsamstärker auftreten zu können, wird durch das Zusammengehen mit derOrthopädie erleichtert. Nun gilt es, mit diesem Kapital zu „wuchern“, umdie Möglichkeiten sowohl für die Forschung <strong>als</strong> auch für das Fach an sich zumaximieren. Die Positionierung in muskuloskeletalen Zentren an den Fakultätenist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg!


252 253VON DER SPONGIOSAPLASTIK ZUM GENTRANSFERJ. M. RuegerS. FlohéJ. M. Rueger dankt OA Dr. med. J. P. Petersenfür die Unterstützung bei der Rohfassung des ManuskriptsHistorieDefektfüllungen bei Knochendefekten, die durch Infektionen, Tumore/Metastasen,traumatische Substanzverluste oder durch die Resektion von Pseudarthrosenbedingt sein können, spielen im klinischen Alltag nach wie voreine große Rolle. Trotz der Entwicklung von Knochenersatzmaterialien, welchesowohl biologisch <strong>als</strong> auch strukturell immer mehr dem natürlichenKnochengewebe und dessen lokaler Aktivität angepasst werden, gilt dieAnwendung von autologem Knochen weiterhin <strong>als</strong> Goldstandard. Dieses isthauptsächlich durch die Ausgewogenheit der biologischen Eigenschaftendes körpereigenen Materi<strong>als</strong> bedingt.Professor Dr. med. J. M. RuegerÄrztl. Direktor Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, spine centerUniversitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf (UKE)Martinistrasse 5202046 HamburgProfessor Dr. med. Sascha FlohéStr. Direktor Klinik für Unfall- und HandchirurgieUniversitätsklinikumMoorenstrasse 540225 Düsseldorf<strong>Das</strong> Bewusstsein um die Qualität von Knochentransplantaten ist seit demAltertum vorhanden. Schon nach dem Alten Testament entnahm Gott Adameine Rippe und schuf hieraus dessen Frau Eva. Symbolisch handelt es sichhierbei, wenn auch nur im weitesten Sinne und <strong>als</strong> Anekdote berichtet, umeine allogene Transplantation von Knochen zum Aufbau, eben von Eva.Auch in anderen Religionen werden xenogene Transplantationen von Knochenbzw. Knochenersatzmaterial wie Elfenbein beschrieben. So erhielt inder griechischen Mythologie Pelops, der Sohn Tantalus’ eine Schulter ausElfenbein, nachdem diese von Demeter verspeist worden war. Eine wissenschaftlichbelegbare Knochentransplantation zeigen die Untersuchungeneines etwa 4000 Jahre alten Schädels aus Armenien. Hier wurde in einenknöchernen Defekt ein Tierknochen implantiert. Der Patient überlebte dieProzedur, was aus der Knochenneubildung um den Defekt abzuleiten ist.Die erste in der Neuzeit bestätigte Transplantation wurde 1668 durch denholländischen Chirurgen Jop van Meekeren an einem Soldaten durchgeführt.Hierbei therapierte er dessen Schädelfraktur durch die Implantationeines Knochenfragmentes aus einem Hundeschädel. Die später gewünschteExplantation des xenogenen Transplantates konnte nicht durchgeführtwerden – es war eingeheilt.Es war der <strong>Deutsche</strong> Philip von Walther, der im Jahre 1820 die ersteautologe – und orthotope – Re-Transplantation von Knochen an einem


254 255VON DER SPONGIOSAPLASTIK ZUM GENTRANSFERPatienten durchführte, indem er nach einer Schädeleröffnung den entnommenenKnochendeckel wieder an seinen Ursprung brachte. Im weiteren Verlaufbeschäftigten sich viele namhafte Chirurgen mit den Eigenschaftenvon Knochentransplantaten. Ollier wies 1867 durch Tierexperimente an Kaninchenund Hunden nach, dass autologe Transplantate überleben und ineiner entsprechenden Umgebung sogar wachsen können. Der deutsche ChirurgBarth beschrieb das Remodelling von Knochentransplantaten, welcheser <strong>als</strong> „schleichenden Ersatz“ des eingebrachten Gewebes beschrieb.Der Durchbruch und damit die Etablierung von autologen Knochentransplantatenin der Therapie von Knochendefekten erfolgte ab 1915 durch denamerikanischen Chirurgen Fred Albee, der in mehreren Publikationen seineErgebnisse nach autologer Knochentransplantation veröffentlichte und diesesVerfahren insbesondere bei der Behandlung von Soldaten, die sich imersten Weltkrieg knöcherne Verletzungen zugezogen hatten, anwendete.Zur gleichen Zeit beschäftigte sich in Deutschland Erich Lexer (1867 – 1937)intensiv mit den Möglichkeiten der allogenen Transplantation und sogar derallogenen Gelenktransplantation. Bereits im Jahr 1920 konnte er rückblickendüber „20 Jahre Transplantationsforschung in der Chirurgie“ berichten.Auf Lexer gehen – neben weiteren wichtigen Beiträgen – die auch heute nochgebrauchten Definitionen des „ersatzstarken“, des „ersatzschwachen“ unddes „ersatzunfähigen Lagers“ zurück.KnochentransplantationSchon die Pioniere der Chirurgie formulierten, welche die drei idealenEigenschaften eines Knochentransplantates sind. Hierzu zählt erstens dieOsteogenität. Diese bedeutet, dass das Material lebende Stammzellenenthält, welche zu Knochenzellen differenzieren können. Um dieses zuerreichen, muss das Material zweitens osteoinduktive Eigenschaften haben,welche für die Differenzierung der Stammzellen – transplantierte, am Ortvorhandene oder über eine Chemoattraktion an den Implantationsort herangelockte– essentiell sind. Die dritte geforderte Eigenschaft ist die Osteokonduktivität.Diese beschreibt eine geeignete Oberfläche, an der neuerKnochen in einen Defekt einwachsen, reifen, sich anlagern kann. Nebendiesen drei Kardinaleigenschaften sind weitere wichtige Eigenschaften dieSterilität und die Immunkompatibilität des Transplantates. Alle genanntenEigenschaften findet man beim frisch transplantierten autologen Knochen,sei dieser <strong>als</strong> spongiöses oder <strong>als</strong> kortikospongiöses Transplantatverwendet. Allerdings gehen schon bei der temporären Lagerung, z.B. <strong>als</strong>gefrorenes Material in einer Gewebebank, einige dieser Eigenschaften,insbesondere die Osteogenität und die Osteokonduktivität, teilweise oderganz verloren. Zudem übersteigt häufig der Bedarf an autologem Material –aufgrund der Ausweitung chirurgischer Eingriffe – das Angebot. Aus diesemerhöhten Bedarf, bei begrenzter Menge und der Komorbidität an der Entnahmestellehaben sich Alternativen entwickelt, deren Anwendung bis heutekontrovers diskutiert wird. Biologisch vergleichbar und in deutlich größererMenge vorhanden ist der allogene Knochen. Um allerdings alle erwünschtenbiologischen, biomechanischen und strukturellen Eigenschaften des Knochenszu erhalten, muss dieser frisch und unbehandelt transplantiert werden.Aufgrund der hierbei bestehenden unkalkulierbaren Infektionsgefahr,insbesondere durch virale Erreger wie das HIV und das Hepatitisvirus auf dereinen und der immunologischen Probleme des Fremdknochens auf der anderenSeite, ist diese Anwendung ethisch und medizinisch zunehmend schwerzu vertreten. Erfreulicherweise können durch bestimmte physikalische oderchemische Behandlungen die genannten Probleme (weitestgehend) umgangenwerden. Durch dieses Prozessieren wird allerdings die Biologie des allogenenTransplantates derart verändert, dass in letzter Konsequenz nur deranorganische Anteil verbleibt, die zellulären und die essentiellen Proteinanteileaber zerstört und somit nicht mehr transplantiert werden.Ähnlich verhält es sich bei den xenogenen Transplantaten. Hierbei spieltallerdings neben der infektiösen auch die immunologische sowie dieethische Komponente eine Rolle. Zudem sind die biomechanischen undstrukturellen Eigenschaften nur bedingt auf die Anforderungen an einenhumanen Knochen übertragbar. So ist zum Beispiel die Porosität einesbovinen Knochens um ein vielfaches höher <strong>als</strong> die eines humanen.


256 257VON DER SPONGIOSAPLASTIK ZUM GENTRANSFERKnochenersatzmaterialien Calziumphosphate, -keramiken, -zementeZur Vermeidung der immunologischen und infektiösen Probleme von allogenembzw. xenogenem Material und aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeitvon autogenem Knochen wurden schon 1920 von Albee (1876 – 1945)Versuche mit synthetischem Knochenersatzmaterial durchgeführt. Aber erstAnfang der 70er Jahre erfolgt die klinische Anwendung von synthetischenCalciumphosphaten, zunächst vornehmlich in Form von Hydroxylapatit.Calciumphosphate bestehen aus Calciumoxid und aus Diphosphorpentoxidin unterschiedlichen stöchiometrischen Verhältnissen. Zum einenfinden diese Calciumphosphate Anwendung <strong>als</strong> sogenannte Knochenzemente.Hierbei wird nach Verbindung mit einer Starterlösung das meistpulverförmige Ausgangsmaterial des Knochenzementes <strong>als</strong> Paste in denDefekt eingebracht und härtet vor Ort aus.Knochenzemente besitzen aufgrund ihrer fehlenden Makroporosität keineosteokonduktiven Eigenschaften und können somit nur vom Randbereichaus auf zellulärer Ebene abgebaut werden. Hierdurch kommt es zu einersehr langsamen Resorption. Ein weiterer Nachteil der fehlenden Porosität istdie ausbleibende Osteointegration, d.h. die vollständige Durchbauung desImplantates durch reparierenden autogenen Knochen. Um eine erwünschteMakroporosität zu erhalten, muss das pulverförmige Ca-/P-Ausgangsmaterialdurch Druck und Hitze (in Anwesenheit eines Makroporenbildners)gesintert werden. Durch diese Sinterungsprozesse entstehen Calciumphosphatkeramikenin unterschiedlicher Porosität und mit differenten stöchiometrischenCalcium-Phosphat-Verhältnissen. Dieses Ca-/P-Verhältnis ist(mit-)entscheidend für das spätere Verhalten nach der orthotopen Implantationin den Knochen. Hydroxylapatit (HA, Ca5(PO4)3OH) mit einem stöchiometrischenVerhältnis von Calcium zu Phosphat von 1:1,67 hat eine hohechemische (im biologichen Milieu) und mechanische Stabilität; aufgrundseiner geringen Wasserlöslichkeit kann dieses daher nur über zelluläre Prozesseabgebaut werden. Dieses geschieht sehr langsam, in Abhängigkeit vonder Größe des Implantates kann dies Jahre bis Jahrzehnte dauern. Andersverhält es sich bei ß-Tricalciumphosphat (ß-TCP, ß-Ca3(PO4)2) mit einemstöchiometrischen Verhältnis von Calcium zu Phosphat von 1:1,5. Dieseszeigt weder die hohe chemische noch mechanische Stabilität, kann aber aufgrundseiner guten Wasserlöslichkeit deutlich besser resorbiert werden. Beiallen Calciumphosphatkeramiken kommt es – auch in Abhängigkeit von dervorhandenen Makroporengröße und deren Interkonnektion, <strong>als</strong>o aufgrundihrer Fähigkeiten osteokonduktiv zu sein – zu einer guten Integration in denumgebenden Knochen. Somit erfüllen diese Keramiken eine der drei obengenannten Anforderungen an ein gutes Knochenimplantat.Bone Morphogenetic Protein und WachstumsfaktorenDen osteoinduktiven Anspruch an ein Knochenersatzmaterial erfüllen dieBone morphogenic proteins (BMPs), hier insbesondere das BMP-2 und-7. Diese zur transforming growth factor (TGF) ß Superfamilie gehörendenProteine können die sogenannte osteoinduktive Kaskade anstossen. Diesbedeutet, dass nach ihrer Implantation zum Beispiel in die Muskulatur vonRatten de novo Knochen entsteht. Spezifisch sind sie in der Lage, im Osteoblastendie Produktion von alkalischer Phosphatase zu induzieren.Der Grundstein für die Charakterisierung von Proteinen, welche das Knochenwachstumstimulieren, wurde bereits 1965 von Marshall Urist gelegt.Dieser erkannte, dass das Einbringen von demineralisiertem Knochen in Muskulatureine Bildung von Knorpel und Knochen zur Folge hat. Auf der Basisdieser Entdeckung formulierte er, dass es eine Substanz geben müsse, dienach einer heterotopen Implantation die Knochenbildung de novo induzierenwürde. Urist ging davon aus, dass diese Substanz ein Protein sei undbezeichnete sie <strong>als</strong> „bone morphogenetic protein“. Durch aufwendigeExtraktionsverfahren gelang es Urist schließlich 1984, das erste BMP aufzureinigenund die Proteinsequenz zu entschlüsseln. Weitere 4 Jahrespäter konnten 1988 Wozney und Rosen den genetischen Code von BMP1-3 entschlüsseln. Schließlich wurde 1990 durch Wang et al. humanesBMP-2 erstmalig rekombinant hergestellt und mit diesem rhBMP-2 eineektope Knochenbildung im Tierexperiment ausgelöst. Nach einer Fülleweiterer tierexperimenteller und später klinischer Studien, die unter


258 259VON DER SPONGIOSAPLASTIK ZUM GENTRANSFERanderem im Tierexperiment eine Beschleunigung der Frakturheilung durchdie Anwendung von BMPs nachwiesen, konnte durch die Verbindung derheute gentechnisch produzierbaren Substanzen mit geeigneten Trägermedien(z.B. kollagene Vliese oder flüssige, injizierbare Kalziumphosphate) derklinische Einsatz ermöglicht werden.Inzwischen gibt es eine Reihe weiterer Untersuchungen, die die Wirksamkeitvon rhBMP-2 und rhBMP-7 sowohl im Tierversuch <strong>als</strong> auch in der klinischenAnwendung bestätigen. Allerdings unterliegt der Einsatz dieser Wachstumsfaktoreneiner strengen Reglementierung und ist nur bei speziellen Indikationenzulässig. So darf rhBMP-2 in der <strong>Unfallchirurgie</strong> nur bei Patientenmit frischen offenen Tibiafrakturen nach Marknagelung eingesetzt werden.Darüber hinaus besteht für dieses BMP eine Zulassung für lumbale Wirbelkörperfusionen.Dagegen hat rhBMP-7 lediglich eine Zulassung für dieTherapie von Pseudarthrosen der Tibia. Alle weiteren Applikationen derbeiden BMPs beruhen auf Einzelfallentscheidungen. Ursache für diesenUmstand ist zum einen die Tatsache, dass bisher nicht abschließend eineNutzen/Risiko-Profile Bewertung durchgeführt wurde. Zum anderen ist diesdurch die hohen Kosten der Produkte im Vergleich zu einer autologen Spongiosaplastikbedingt. In der Summe ist es daher nicht verwunderlich, dasszwischen dem ersten experimentellen Wirkungsnachweis von BMP-2 im Jahre1990 und der europäischen Zulassung von rhBMP-2 im Jahr 2002 zwölfJahre vergingen, dass auch heute die klinische Anwendung begrenzt ist undin vielen Bereichen noch Phase1-Studien durchgeführt werden. Die Unsicherheitüber die Wirksamkeit spiegelt auch ein akuteller Cochrane LibraryReview aus dem Jahr 2010 wider. Zusammenfassend kommt dieser zu demSchluss, dass die Rolle von BMPs bei ausbleibender Frakturheilung noch unklarist. Hier ist <strong>als</strong>o weiterhin Bedarf für fundierte klinische Forschung, auchgut 25 Jahre nach der Charakterisierung und fast 10 Jahre nach der europäischenZulassung der Substanz gegeben.Platelet Rich PlasmaHeute sind über 30 BMPs bekannt und eine Vielzahl von weiteren, die Kno-chenbruchheilung/-regeneration regulierenden Faktoren sind beschrieben.Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, dass ein Cocktail von Faktoren,die synergistisch, im Sinne eines Netzwerkes zusammenwirken, demEinsatz einer Einzelsubstanz bei der Therapie einer Knochenheilungsstörung,eines Knochendefektes wahrscheinlich überlegen ist. Ein möglichesBeispiel für ein solches, noch nicht komplett charakterisiertes Netzwerkfindet sich <strong>als</strong> Überständ von aktivierten Thrombozyten. Thrombozyten, dieunter physiologischen Bedingungen Wachstumsfaktoren speichern, stellendaher eine weitere, viel umforschte Alternative für die Beeinflussungund Optimierung der Knochenheilung dar. Sie werden <strong>als</strong> thrombozytenreichesPlasma (platelet rich plasma) eingesetzt. Die ersten Beschreibungender Verbesserung der Knochenheilung durch über Zentrifugationsschritteangereichertes Plasma aus dem Überstand von aktivierten Blutplättchenkamen aber nicht aus dem unfallchirurgischen oder orthopädischen Fachgebiet,sondern wurden 1998 im Bereich der Zahn-, Mund- und Gesichtschirurgiebeobachtet (Marx 1998). Aber viele Unfallchirurgen und Orthopädenerlaubten sich den Blick über den Tellerrand, so dass es nicht erstaunlichist, dass dieses einfache und vermeintlich auch billige Instrument desTissue-Engineering inzwischen für viele Indikationen in der <strong>Unfallchirurgie</strong>und Orthopädie angewandt wird. Als zugrunde liegender Wirkmechanismuswird eine Anreicherung von verschiedenen Wachstumsfaktoren postuliert,zu denen neben Tissue-Growth Factor und BMPs ebenfalls vaskuläre Wachstumsfaktorenwie VEGF zählen. Die experimentellen und klinischen Anwendungenreichen von der Therapie von Pseudarthrosen über den Einsatz beiWirbelkörperfusion bis zur Auffüllung von Knochenzysten.Vielversprechende klinische Ergebnisse mit PRP sind vor allem bei derBehandlung von Problemregionen und -indikationen – wie bei der Therapievon Tibiapseudarthrosen – erzielt worden. Auf der Basis der aktuellverfügbaren Studien kann bis heute aber kein eindeutiger Vorteil dieserangereicherten Plasmen gegenüber dem alten Goldstandard, der Spongiosaplastik,für viele Indikationen gezeigt werden. Somit bleibt zunächst die Erkenntnisaus zahlreichen, überzeugenden tierexperimentellen Versuchen und


260 261VON DER SPONGIOSAPLASTIK ZUM GENTRANSFERklinischen Anwendungen, dass ein Cocktail aus Wachstumsfaktoren einwirksamer therapeutischer Ansatz für die Kontrolle und Beschleunigung derKnochenbruchheilung sein kann. Darüber hinaus belegen einige aktuelle experimentelleStudien die Bedeutung von vaskulären Wachstumsfaktoren wieVEGF bei der Beeinflussung der (gestörten) Knochenheilung. Somit schließtsich auf molekularer Ebene der Kreis zur biologischen Osteosynthese mit derenPrämisse der Schonung der Durchblutung des Knochens, um eine optimaleKnochenheilung zu erzielen.StammzelltherapieWie bereits oben beschrieben, gibt es zumindest drei Wege, die Knochenheilungund insbesondere die Knochendefektheilung zu beeinflussen. Dererste dieser Wege war das gezielte Einbringen von (potentiell) knochenbildungsfähigenZellen an den Ort, an dem die Knochenreparation/-regenerationstattfinden soll. Neben Osteoblasten können inzwischen für dieseTherapie – zumindest im Tierexperiment – auch sogenannte Stammzellenverwendet werden. Stammzellen stellen einen hoch interessanten Bereichder medizinischen Forschung dar, in dem mehrere Institute deutscherUniversitäten mit unfallchirurgischem oder orthopädischem Hintergrundentscheidend zum Erkenntnisgewinn beitragen konnten. Der Wunsch nachder zellulären Wunderwaffe „Stammzelle“ erweckt natürlich nicht nur beiMorbus Alzheimer, dem kranken Herzen oder der Querschnittlähmung dieFantasien der medizinischen Forscher, sondern es liegt ebenso nahe, wenndie normale Biologie versagt oder überfordert ist, d.h. bei der ausbleibendenKnochenbruchheilung oder dem größeren Knochendefekt, eine zelluläreTherapie anzuwenden. Zelltherapeutische Ansätze haben zum Ziel,osteoblastäre Zellen am Ort der Knochenheilung zu vermehren, z.B. überdie örtliche Anreicherung von Vorläuferzellen. Osteoblastäre Vorläuferzellen(Progenitorzellen) können aus multipotenten Progenitorzellen des Knochenmarksoder auch des Fettgewebes gewonnen werden. (Die Anwendungvon totipotenten embryonalen Stammzellen beschränkt sich auf wenigeexperimentelle Ansätze und ist aktuell aus ethischen Gründen für die patientennaheForschung nicht von vorrangigem Interesse.) Experimentel-le Arbeiten an aussagekräftigen Tiermodellen, die meistens die knöcherneÜberbauung von Defektstrecken am Femur oder der Tibia in verschiedenenSpezies untersuchen, haben mehrfach die Ergebnisse nach derImplantation von mesenchymalen Stammzellen unterschiedlicher Herkunftverglichen, ohne dass festgestellt werden konnte, welcher Zellursprungder Progenitorzellen für diesen Einsatz optimal ist. Stammzellen könnenprimär aus Knochenmark oder alternativ aus Fettgeweben mit etabliertenVerfahren isoliert und aufgrund ihrer Eigenschaft der Oberflächenadhärenzan Trägermaterialen gekoppelt werden, um sie dann direkt in den Defektbzw. die Frakturregion einzubringen. Dieser Ansatz hat sich tierexperimentell<strong>als</strong> erfolgreich gezeigt und teilweise sind die Ergebnisse denen derisolierten Anwendung von osteoinduktiven Faktoren überlegen. In der Konsequenzgibt es jetzt erste Versuche des Einsatzes solcher Konstrukte beiPatienten. Diese Therapieformen sind Phase-1-Studien und erlauben esnicht, über die klinische Wirksamkeit eine sichere Auskunft zu machen.Zelltherapie, Tissue EngineeringInteressanter noch <strong>als</strong> die vor-Ort-Applikation von Stammzellen, wo siezunächst proliferieren und differenzieren müssen, erscheint der Ansatz derKultivierung und der Vermehrung von Stammzellen in vitro, bevor sie am Ortdes Geschehens, in vivo, hoch konzentriert und zum Teil differenziert implantiertwerden können. Dieses Vorgehen erlaubt die Differenzierung derStammzellen zu osteoblastären Zellen ex vivo, so dass, wenn sie mit einemTrägermaterial kombiniert simultan den verfügbaren osteoinduktiven Faktorenausgesetzt werden, das Tissue Engineering des Knochens schon relativweit fortgeschritten erscheint. Da die letztgenannte Vorgehensweise imVersuchstier erfolgreich ist, steht der Schritt zu klinischen Studien bevor.Damit hätte man für die Therapie von knöchernen Defekten eine Analogiezu den heute möglichen Knorpeldefekttherapien (matrixgestützte autologeChondrozyten-Transplantation) geschaffen.GentherapieNeben experimentellen Umsetzungsschwierigkeiten besteht jedoch ein


262 263VON DER SPONGIOSAPLASTIK ZUM GENTRANSFERprinzipielles Problem, welches die experimentelle Forschung zu lösenversucht: Stammzellen altern in der in vitro-Kultivierung und verlierendadurch einen Teil ihrer Potenz; unerfreulicherweise ist das identischePhänomen ebenso in vivo zu beobachten, was bedeutet, dass primärgewonnene Stammzellen alter Menschen oder alter Versuchstiere einegeringere Potenz <strong>als</strong> die von jungen Patienten oder Versuchstieren haben.Erfreulicherweise scheinen sich aber für dieses Problem in der aktuellen ForschungLösungen aufzutun; denn die Alterung der Stammzellen kann durchsomatischen Gentransfer beeinflusst werden. Zellalterung bedeutet u.a. eineVerkürzung der Endstücke der Chromosomen, der sogenannten Telomere.Diesem Prozess kann durch die Telomerase – ein Enzym, das die Länge derTelomere wiederherstellt und so die Zellalterung verhindert – entgegengewirktwerden. Folgerichtig gibt es experimentelle Ansätze, in denen mesenchymaleStammzellen aus dem Knochenmark mit Telomerase mittels viralenGentransfers transfeziert (umgestimmt) wurden. Solche „verjüngten Stammzellen“haben sich experimentell <strong>als</strong> interessante Perspektive in Knochendefektmodellenerwiesen. Der Übergang zur immortalisierten Zelle, ggf. aucheiner mit Entartungspotential, ist aber in solchen Versuchen sehr leicht, sodass der Schritt in die klinische Anwendung dieser Technik noch weit entferntist. Alternativ zu diesem Ziel des Gentransfers können Zellen im Defektspezifisch transfeziert werden, um die Bildung osteoinduktiver Faktoren oderanderer Wachstumsfaktoren zu intensivieren und somit die Knochenbruch-/-defektheilung zu beeinflussen. So erzielen zumindest im Tiermodelleines Knochendefektes Stammzellen, die mit Vektoren für BMPs oder VEGFviral transfeziert wurden, die beste Heilung. Eine Steigerung wurde durch diesimultane Transfektion für BMP und VEGF erzielt.AusblickIn den letzten Jahrzehnten ist es zu einer kontinuierlichen Entwicklungund Verbesserung der Therapie in allen Bereichen der <strong>Unfallchirurgie</strong> gekommen.So wurden nicht nur die Osteosynthese-Techniken immer „biologischer“,sondern auch die angewandten und experimentellen Ansätze zurVerbesserung der Knochenheilung haben eine deutliche Fortentwicklungdurchlaufen, von der Standardisierung der Transplantation von autologemGewebe bis zum Gentransfer. Es bleibt zu hoffen, dass der Zeitraum zwischenErkenntnissen in der Grundlagenforschung und der Routine-Anwendung inder Patientenversorgung in Zukunft verkürzt werden kann, damit die Ergebnisseder forschenden <strong>Unfallchirurgie</strong> möglichst rasch dem Patienten mitder nicht heilenden komplexen Unterschenkelfraktur zugute kommen. Auchwenn wir – noch – nicht mit einem Material, einer Materialkombination miteiner ähnlichen Potenz wie Adams Rippe therapieren (und es wahrscheinlichauch nie werden) können, so haben unsere Kenntnisse über die Mechanismender Knochenbruch- und der -defektheilung in den letzten drei Jahrzehntenexplosionsartig zugenommen. Wir sind überzeugt, dass in der Zukunftzahlreiche, unsere Patienten deutlich beeinträchtigende Verläufe sichervermieden oder zumindest abgekürzt werden könnenWie der Knochen heilt<strong>Das</strong> Auftreten einer Störung der Knochenbruchheilung oder die Notwendigkeitder Überbrückung eines Knochendefektes stellen Herausforderungenin der <strong>Unfallchirurgie</strong> dar. Somit ist es nicht erstaunlich, dass genau dieseAspekte auch die unfallchirurgische Forschung über deren gesamte Entwicklungbegleitet haben und unmittelbar mit der Identität des Faches verbundensind. Die Frage, wie der Knochen heilt bzw. wie man erreichen kann,dass er besser heilt, wenn die Rahmenbedingungen gestört sind, sindzentrale Fragen des unfallchirurgischen Handelns. In diesem Beitrag werdendie historischen Anfänge der Knochendefekttherapie dargestellt, weiterhinwird die „Transplantation“ von autologem, allogenem und xenogenemKnochen beschrieben. Da diese Materialien in vielfältiger Weise für den klinischenEinsatz nicht hinreichend sind, wurde weltweit nach einem Ersatzfür das körpereigene oder nach Fremdknochenmaterial gesucht, d.h. dieSuche nach einem geeigneten Knochenersatzstoff begann. Diese führte zueiner nahezu dichotomischen Entwicklung, nämlich einerseits zur Entstehunganorganischer, azellulärer Therapieansätze, z.B. in der Form der Ca-PZementen und Ca-P Keramiken für die Defektfüllung; andererseits wurdedas biologische Prinzip verfolgt, d.h. zunächst die Suche nach und die


264 265VON DER SPONGIOSAPLASTIK ZUM GENTRANSFERIdentifizierung eines knochenmorphogentischen Proteins, des „bone morphogeneticprotein“ (BMP), das – nach Extraktion, Identifizierung undschließlich rekombinater Herstellung – <strong>als</strong> lokaler Einzelfaktor die Knochenbruchheilung/-Formationbeeinflussen kann. Später dann <strong>als</strong> alternativerTherapieansatz die Verwendung des Überstandes von Blutplättchen, dereine Vielzahl von die Knochenheilung beeinflussenden Wachstumsfaktorenenthält. Als Zukunftsmusik für die Knochenbruch- und Knochendefektheilungim 21. Jahrhundert werden die Möglichkeiten der Stammzelltherapieinklusive des Tissue Engineerings skizziert.


266 267VOM ÜBERFLUSS ZUR MANGELVERWALTUNG?R. HoffmannA. EkkernkampDie deutsche <strong>Unfallchirurgie</strong> befindet sich inmitten grundlegender Veränderungs-und Anpassungsprozesse, die sowohl das Selbstverständnis desFachgebietes <strong>als</strong> auch die Wahrnehmung des gesundheitspolitischen Versorgungsauftragsnachhaltig beeinflussen werden.Professor Dr. med. Reinhard HoffmannÄrztlicher Geschäftsführer und Ärztlicher DirektorChefarzt <strong>Unfallchirurgie</strong> und Orthopädische ChirurgieBerufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am MainFriedberger Landstraße 43060389 Frankfurt am MainProfessor Dr. med. Dr.h.c. Axel EkkernkampÄrztlicher Direktor und GeschäftsführerUnfallkrankenhaus BerlinWarener Str. 712683 BerlinIn der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts konnte eine rasanteund erfolgreiche Entwicklung der <strong>Unfallchirurgie</strong> unter zurückblickendweitgehend konstanten wirtschaftlichen und strukturellen Rahmenbedingungenerfolgen. Die Einrichtung von selbstständigen unfallchirurgischenLehrstühlen an den Universitäten mit praxisorientierten und behandlungsrelevantenForschungsprojekten beförderte diesen Prozess positiv. Zudemrichtete die Mehrzahl der Versorgungskliniken eigene unfallchirurgischeKliniken oder Versorgungsschwerpunkte ein. Auch eine selbstständige Tätigkeitin einer Praxisniederlassung <strong>als</strong> Durchgangsarzt war bei entsprechendemWunsch relativ problemlos möglich und durchaus wirtschaftlich auskömmlich.Die Fallerlöse waren, da primär nicht festgeschrieben, für die Klinikendurch die Steuerung der Klinikverweildauern bei tagesgleichen Pflegesätzenrelativ gut abzubilden. Mit den Berufsgenossenschaften und den berufsgenossenschaftlichenHeilverfahren standen und stehen der <strong>Unfallchirurgie</strong>zudem exklusive, sozialgesetzlich verbriefte Versicherungsträger zur Seite,die Arbeits- und Wegeunfälle ausschließlich und unter hohen Qualitätsanforderungeneiner speziellen unfallchirurgischen Behandlung zuleiten undzudem eigene große Unfallkliniken <strong>als</strong> Schwerpunkt- und Kompetenzzentrenin der Behandlung von Unfallverletzten betreiben. Die kontinuierlichenFortschritte der Diagnoseverfahren, Osteosynthesetechniken und Rehabilitationsverfahrenfestigten die Reputation der <strong>Unfallchirurgie</strong> ebenso wie dieumfänglichen Expertisen in der Unfallprävention, der präklinischen Notfallmedizinund dem boden- und luftgestützten Rettungswesen. Die Managementkompetenzder Schwerverletztenbehandlung lag eindeutig und fachlichunbestritten bei der <strong>Unfallchirurgie</strong> und fand neben einer Vielzahl von auchinternational beachteten, hochkarätigen wissenschaftlichen Aufsätzen ihrennachvollziehbaren, sichtbaren Ausdruck im einzigartigen Traumaregisterder <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong>. Die deutsche <strong>Unfallchirurgie</strong>


268 269VOM ÜBERFLUSS ZUR MANGELVERWALTUNG?Abb. 1 / Anforderungen der befragten Ärztinnen und Ärzte an ihre Arbeitsstelle (Aus: Matthes G, Rixen D, Tempka A,Schmidmaier G, Wölfl C, Ottersbach C, Schmucker U (2009) Ärzte in der <strong>Unfallchirurgie</strong>. Unglücklich und vom Aussterbenbedroht? Ergebnisse einer Umfrage. Unfallchirurg 112: 218-222)galt international <strong>als</strong> vorbildliches und nachahmenswertes Erfolgsmodell.<strong>Das</strong> angesichts dieser äußerst erfolgreichen Entwicklungen nachvollziehbareund berechtigte Selbstbewusstsein der <strong>Unfallchirurgie</strong> war entsprechendausgeprägt und wurde gestützt durch eine für das Fachgebiet günstigeZukunftsperspektive in Anbetracht der demographischen Entwicklung unddes Sport- und Freizeitverhaltens der Bevölkerung. Die Nachfrage und dasInteresse des chirurgischen Nachwuchses an der <strong>Unfallchirurgie</strong> sowie dessenberufliche Zukunftschancen schienen gesichert zu sein.Wenn auch nicht in allen Belangen im Überfluss – und selbstverständlichauch seinerzeit bereits unter dem Wirtschaftlichkeitsgebot stehend – wardoch analog zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung für eine unfallchirurgischganzheitliche Patientenversorgung von der Unfallstelle bis hin zursozialen und beruflichen Wiedereingliederung weitgehend alles Erforderlichevorhanden – sowohl an Material <strong>als</strong> auch an den an der Behandlungbeteiligten hoch motivierten Ärzten, Schwestern und Pflegern sowie Therapeuten.Die im Einzelfall einzusetzende stationäre Behandlungszeit war beigerade schwierigen Behandlungsverläufen und schwerstverletzten Patienten„ungedeckelt“ und somit individuell anpassbar. Wie konnte es vor demHintergrund dieser doch günstigen Ausgangsbedingungen geschehen, dass– etwa seit der Jahrtausendwende – innerhalb weniger Jahre für die imBeruf stehenden Unfallchirurgen sich die Einschätzungen zur Zukunft ihresAbb. 2 / Veränderung der Bewerberqualifi kation (2004-2007) (Aus: Bonk AD, Hoffmann R, Siebert H, Wölfl C (2009)Zur Versorgungsrealität unfallchirurgischer Kliniken in Deutschland. Eine Umfrage des Berufsständischen Ausschussesder <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong>. Unfallchirurg 112: 906-920)Fachgebietes und ihrer beruflichen Perspektiven unsicher bis tendenziell negativentwickelten? Ist diese Sichtweise berechtigt oder spiegelt sie nur denvielleicht sehr „deutschen Trend“ eines zukunftsängstlichen Pessimismuswider? Unbestreitbar ist, dass die <strong>Unfallchirurgie</strong> trotz ihrer großen Erfolgeund der günstigen Umstände in der Vergangenheit es nur schwer schaffte,in der öffentlichen Wahrnehmung aus dem Schatten der Chirurgie undder Orthopädie herauszutreten und <strong>als</strong> eigenständiges Fachgebiet und eigenständigeSäule der Gesamtchirurgie wahrgenommen zu werden. Der verletztePatient ging entweder zum Orthopäden oder zum Chirurgen – allenfallsnoch zum Durchgangsarzt oder zum relativ unspezifischen „Unfallarzt“.In der allgemeinen Sprachregelung und Berichterstattung wurde der Unfallchirurg<strong>als</strong> solcher eher ausnahmsweise wahrgenommen.Woran <strong>als</strong>o – wenn überhaupt – mangelt es derzeit der deutschen <strong>Unfallchirurgie</strong>?Und falls dies so sein sollte, wie können mögliche Lösungsvorschlägeaussehen? Diese Fragen sollen im Folgenden schlaglichtartig – ohneAnspruch auf Vollständigkeit – beleuchtet werden.Mangel an Herausforderungen?Richter beschrieb 2006 in einem visionären Aufsatz in „Der Unfallchirurg“vier Megatrends im deutschen Gesundheitswesen, die in den kommendenJahren die Weiterentwicklung der deutschen <strong>Unfallchirurgie</strong> wesentlich


270 271VOM ÜBERFLUSS ZUR MANGELVERWALTUNG?prägen werden. Als zentraler Megatrend wurde der zunehmende Kostendrucksowohl für Kostenträger <strong>als</strong> auch für die Leistungserbringer identifiziert.Hier gilt es zukünftig verstärkt, Effizienzpotentiale zu heben, um mitden knapper werdenden Mitteln weiterhin eine bestmögliche Versorgungzu erzielen. Unter wirtschaftlichen Druck geraten hier in erster Linie teureHigh-Tech-Implantate und innovative Versorgungskonzepte, deren Vorteilefür die individuelle Therapie und den gesamtvolkswirtschaftlichen Nutzen inVergleichsstudien noch nicht bewiesen werden konnten und die daher nichtrefinanziert werden.Dieser Kostendruck führt auch zum zweiten Megatrend, der Veränderungder Versorgungsstrukturen. Eine scharfe Trennung zwischen ambulantemund stationärem Sektor ist bereits jetzt nicht mehr möglich. Die derzeit nochdoppelt existierenden Facharztstrukturen werden sich zunehmend auflösen.Der derzeit rein ambulante Unfallchirurg wird zukünftig auch verstärkt aneine Klinik angebunden werden. Eine gleichzeitige Tätigkeit im ambulantenund stationären Sektor wird für die meisten Fachärzte die Regel werden.Dies wird die bestehenden Abteilungsstrukturen, Führungs- und Organisationskonzepteder Klinikabteilungen fundamental verändern und das tradierteChef- und Oberarztsystem auflösen. Unfallchirurgische Kliniken werdenin Zentren für operative Medizin oder Zentren für muskuloskelettale Chirurgieaufgehen. Der bisher auf die Schwerverletztenversorung spezialisierteUnfallchirurg wird zumindest ein zusätzliches elektives Standbein benötigen,um seine eigene Position in einem derartigen Zentrum abzusichern.Ein weiterer Megatrend ist die Neudefinition der Facharztstrukturen. Besondersder neue Facharzt für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> konfrontiert dietraditionelle <strong>Unfallchirurgie</strong> mit erheblichen Veränderungen. Eine basischirurgischeAllgemeinausbildung (Visceral-, Gefäß-, Thoraxchirurgie) ist zurErlangung dieses Facharztes nicht mehr erforderlich. Der übergreifendeAnsatz einer bisher ganzheitlichen Traumaversorgung wird dadurch potentiellin Frage gestellt. Die <strong>Unfallchirurgie</strong>, die sich aus der Verantwortungfür die Intensivmedizin schon weitgehend hat verdrängen lassen, ist in Ge-fahr zur reinen Extremitäten-<strong>Unfallchirurgie</strong> zu mutieren. Damit wird auchihre bisher unbestrittene Führerschaft in der Managementkompetenz derPolytraumaversorgung von anderen Fachgebieten zunehmend nicht mehrunwidersprochen akzeptiert. Der sich anbahnende Ärztemangel wird die <strong>Unfallchirurgie</strong>besonders hart treffen. Ungünstige Arbeits- und Bereitschaftsdienstzeiten,gepaart mit einer körperlich sehr anstrengenden Tätigkeit beidurchschnittlicher Vergütung, kollidieren mit dem vorherrschenden Work-Life-Balance Verständnis der nachwachsenden Chirurgengeneration. EineUmfrage des Berufsständischen Ausschusse der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für<strong>Unfallchirurgie</strong> 2009 ergab, dass in 38% der Kliniken freie Arztstellen nichtbesetzt waren. Die Anzahl promovierter Bewerber war ebenso rückläufig wiediejenige von Bewerbern mit klinischer oder Forschungserfahrung oder garmit Facharztstatus. Der Kostendruck und der Ärztemangel werden dazu führen,dass vermehrt delegierbare ärztliche Tätigkeiten auf speziell geschultesPersonal übertragen werden müssen. An anspruchsvollen Herausforderungenmangelt es der deutschen <strong>Unfallchirurgie</strong> daher keineswegs.Mangel an Bedarf?Die Zahl der bei Verkehrsunfällen schwerverletzten oder getöteten Menschenist konstant rückläufig und erreicht jedes Jahr neue Rekordtiefs. Auchdie Anzahl der Berufs- und Wegeunfälle ist kontinuierlich auf dem Rückgang.Präventions- und Unfallforschung unter Beteiligung der <strong>Unfallchirurgie</strong>tragen hier ebenso Früchte wie verbesserte aktive und passive Sicherheitsausstattungenvon Fahrzeugen sowie eine allgemeine Zunahme undVerdichtung des Straßenverkehrs. Hingegen steigt die Anzahl der osteoporosebedingtenund geriatrischen Frakturen rasant an. Demographiebedingtist in den nächsten Jahren mit einer massiven Steigerung hüftgelenksnaherFrakturen zu rechnen. Auch die Sport- und Freizeitunfälle nehmeninfolge vermehrt risikobehafteter Sportarten zu. Der Bedarf an unfallchirurgischerVersorgung und Kompetenz befindet sich daher in einemWandel. Diesem Wandel muss durch eine verstärkte Spezialisierung undKonzentrierung von Verletzungsmustern in adäquat ausgewiesenen undausgestatteten Zentren Rechnung getragen werden. So muss die


272 273VOM ÜBERFLUSS ZUR MANGELVERWALTUNG?Polytraumabehandlung auf geeignete Traumazentren konzentriert werden.Eine vernetzte Versorgungsstruktur wie im TraumaNetzwerk D der <strong>Deutsche</strong>n<strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> ist hier beispielgebend im Sinne der Bildungsogenannter „Versorgungscluster“. Eine zukünftig engere Verzahnung vonunfallchirurgischen Versorgungskliniken mit geriatrischen Akut- und Rehabilitationseinrichtungenist ebenfalls unabdingbar. An Bedarf für eine qualifizierteunfallchirurgische Behandlungskompetenz mangelt es daher nicht.Die Anforderungsprofile ändern sich jedoch und erfordern stärkere Spezialisierungenund Strukturanpassungen. „Alles allerorts“ kompetent von„Anfang bis Ende“ zu behandeln ist zukünftig weder sinnvoll noch machbar.Mangel an Identität und Selbstverständnis?Die Etablierung des neuen Facharztes für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>übt einen erheblichen Einfluss auf die unfallchirurgische Identität unddas Selbstverständnis des Fachgebietes aus. Dies gilt für die Kollegen desehemaligen Fachgebietes Orthopädie in ähnlicher Weise. Auf einer Klausurtagungdes nichtständigen Beirats und des Grundsatz- und des Bildungsausschussesder <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> sowie derAG Lehre der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>wurde im September 2009 der Weg zum Unfallchirurgen unter den Bedingungendes neuen, gemeinsamen Facharztes diskutiert.Als wesensbildend für den zukünftigen Unfallchirurgen wurde die nach demFacharzt für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> sich anschließende Weiterbildung„Spezielle <strong>Unfallchirurgie</strong>“ erkannt. Neben der allgemeinen Facharztkompetenzzeichnet sie sich aus durch:- Behandlung von Verletzungen höherer Schwierigkeitsgradeund deren Folgezuständen- Organisation, Überwachung und Durchführungder Behandlung Schwerverletzter- Behandlung und Dokumentation im Rahmendes VerletzungsartenverfahrensDer „Spezielle Unfallchirurg“ soll in der Lage sein, eine Rundumnotfallver-sorgung in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit den am Trauma beteiligtenNachbarfächern zu organisieren und zu bewerkstelligen. Er muss nichtunbedingt auch jede definitive Behandlung durchführen können, soll aberden optimalen Versorgungszeitpunkt für eine Verletzung und das Zeitfenstererkennen, in dem die geplante Operation noch mit bestmöglichem Ergebnisvorgenommen werden kann. Im Alltag wird er langfristig Spezialist in einerbegrenzten Körperregion sein, ohne sein Wissen um die Akutversorgungzu verlieren. Aufgrund seines Wissens muss er ständig bereit sein, seinenTagesplan dem Unfallgeschehen anzupassen und umzustellen. Nur durchdie langwährende Beobachtung schwerer Verläufe und deren Ausgang kannder Spezielle Unfallchirurg seine Erfahrung sammeln und vertiefen. Hierfürsind Kenntnisse und Erfahrungen in der prioritätenorientierten Rehabilitationunabdingbar. Eingehende Kenntnisse der berufsgenossenschaftlichenHeilverfahren sind ebenso erforderlich wie gutachterliche Expertise fürVerletzungsfolgen. <strong>Das</strong> unfallchirurgische Selbstverständnis findet in diesenDefinitionen seinen deutlichen Ausdruck.Mangel an Nachwuchs?Die <strong>Unfallchirurgie</strong> in Deutschland leidet zunehmend unter einem bereitsjetzt spürbaren Nachwuchsmangel. Eine ständig steigende Arbeitsbelastungbei Arbeitsverdichtung, unbesetzte Stellen, Fachärztemangel, arztfremdeVerwaltungstätigkeiten sowie eine stetig anwachsende Dokumentationsfluttrüben die Freude an ärztlicher Tätigkeit ganz allgemein und anunfallchirurgischer Berufsausübung sehr speziell. Hinzu kommen ungünstigeArbeitszeiten, unzureichender Ausgleich für Bereitschaftsdienste undfehlende Bezahlung von Überstunden. <strong>Das</strong> Junge Forum und der Bildungsausschussder <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> führten daher2009 eine Fragebogen-Umfrage zur Arbeitsplatzzufriedenheit unter denAssistenz- und Oberärzten der deutschen <strong>Unfallchirurgie</strong> durch. 549 Fragebögenkonnten ausgewertet werden. Die mittlere Wochenarbeitszeit lagbei 61 Stunden, die Bereitschaftsdienstdichte bei 7 pro Monat. Die Work-Life-Balance wurde im Mittel <strong>als</strong> befriedigend bis mäßig bewertet. EinGroßteil der Befragten ist nicht bereit, mehr zu arbeiten, um schneller


274 275VOM ÜBERFLUSS ZUR MANGELVERWALTUNG?weitergebildet zu werden. Die meisten lehnten jedoch eine Arbeitszeitverringerungbei gleichzeitiger Einkommensreduktion ab. 78% würden den gleichenBeruf wieder wählen, 85% die gleiche Fachrichtung. Als wichtig wurdenerachtet: geregelte Arbeitszeiten, hohes Einkommen, breit gefächerte Weiterbildung,gute Karrierechancen, sichere und unbefristete Arbeitsverhältnisse.Weniger wichtig waren wissenschaftliche Arbeitsmöglichkeiten. In derBewerbungswirklichkeit der Kliniken bewerben sich seit 2007 etwa 50%weniger Fachärzte und Assistenzärzte, wobei besonders die Facharztbewerbungenrückläufig sind. Einige Kliniken haben bereits seit Jahrenkeine Bewerbungseingänge mehr. Falls Bewerbungen um Assistenzarztstelleneingehen, handelt es sich mehrheitlich um Berufsanfänger. DieAnzahl weiblicher Bewerber nimmt spürbar zu und wird in Anbetrachtder prozentualen Geschlechtsverteilung der Studierenden in den nächstenJahren weiter steigen. Da dauerhafte weibliche Berufskarrieren inder <strong>Unfallchirurgie</strong> bisher aus unterschiedlichen Gründen eher ausnahmsweiseerfolgreich waren, sind die diesbezüglichen Perspektiven für dasFachgebiet derzeit nur schwer einzuschätzen. Fest steht, dass hier einrasches Umdenken erfolgen muss, um Frauen auch nachhaltige Karriereperspektivenin der <strong>Unfallchirurgie</strong> zu eröffnen.Im weiten Feld einer beginnenden Subspezialisierung häufig schon in derFacharztweiterbildung gerät die <strong>Unfallchirurgie</strong> im Rahmen des neuen FacharztesOrthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> weiter unter Druck. <strong>Unfallchirurgie</strong>ist für die Assistenten zwar spannend, aber häufig auch körperlich undpsychisch rasch sehr anstrengend mit zeitlich ungünstigen, ungeplantenArbeitsanfällen. Hier sind die orthopädisch orientierten Subspezialitätensowohl von der Work-Life-Balance <strong>als</strong> auch von der Strukturierung und Endvergütungher gegenüber der <strong>Unfallchirurgie</strong> im Vorteil. Wie viele Kollegender Assistentenschaft sich für eine Weiterbildung im Schwerpunkt Spezielle<strong>Unfallchirurgie</strong> entscheiden werden, ist daher in Anbetracht der noch jungenGesamtentwicklungen nicht absehbar. Die Motivation, eine Zulassungzu den Berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren über die Spezielle<strong>Unfallchirurgie</strong> zu erlangen, wird in Zukunft durch geplante Zulassungs-und Leistungsneudefinitionen sowie Sonderzulassungen von Top-Spezialistenauch ohne die Weiterbildung in der Speziellen <strong>Unfallchirurgie</strong> möglicherweiseebenfalls getrübt.Ein sich entwickelnder, substantieller Nachwuchsmangel für die Spezielle<strong>Unfallchirurgie</strong> ist damit eher <strong>als</strong> wahrscheinlich anzunehmen. Exakte Bedarfsberechnungen– auch in Anbetracht sich ändernder Unfall- und Demographiedaten– gibt es derzeit jedoch nicht. Verbesserungen der Arbeitsbedingungenund der Weiterbildung sind daher ebenso wichtig wie eineverstärkte und ernstgemeinte Integration von Frauen in das Berufsbild.Bereits im Studium bei den Studierenden einsetzende, aktive Marketingmaßnahmender Fachgesellschaft müssen dies ebenso begleiten wie durchÖffentlichkeits- und Medienarbeit geprägte Imagekampagnen. Aktivitätenwie die unfallchirurgische „Summer School“ für Studenten sind hierfürbereits ein positives Beispiel. Durch die Delegation von Tätigkeiten, die nichtunter Arztvorbehalt stehen, an qualifizierte Arztassistenten (Physician Assistants)ist ebenfalls die Arbeitskraft von Unfallchirurgen zukünftig auf derenKerntätigkeit zu konzentrieren. Hier etablieren sich derzeit Kooperationsmodelleder DGOU mit der Steinbeis-Universität Berlin zur Etablierung einesentsprechenden Studiengangs mit Bachelor-Abschluss und dem SchwerpunktOrthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>.Mangel an Strukturen?Die <strong>Unfallchirurgie</strong> ist strukturell derzeit gut aufgestellt. In den meistenKliniken bestehen selbständige unfallchirurgische Abteilungen. Diese sindseit Einführung des neuen Facharztes Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>häufig gepaart mit zusätzlichen orthopädischen Schwerpunkten. Die ehemaligenKliniken für <strong>Unfallchirurgie</strong> mutierten in den letzten Jahren daherhäufig zu Kliniken für <strong>Unfallchirurgie</strong> und Orthopädie oder ähnlichenNamensgebungen. <strong>Das</strong> eigentliche Tätigkeitsspektrum wurde dabei meistwenig verändert, da ohnehin Schnittmengen mit der klassischen Orthopädie– wie in der Arthroskopie und Endoprothetik – bestanden. Die Abteilungenwurden mehrheitlich einfach „umgeflaggt“. Der unfallchirurgische


276 277VOM ÜBERFLUSS ZUR MANGELVERWALTUNG?Tätigkeitsschwerpunkt wurde einschließlich der berufsgenossenschaftlichenHeilverfahren beibehalten. Die Schwerverletzten-Behandlung unddas unfallchirurgische Selbstverständnis wurden im Weissbuch Schwerverletzten-Versorgungneu definiert. <strong>Das</strong> TraumaNetzwerk D der <strong>Deutsche</strong>n<strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> beschleunigt eine verbindliche Netzwerkbildungvon Kliniken unterschiedlicher Versorgungsstufen mit regionaler undüberregionaler Versorgungs-Clusterbildung. <strong>Das</strong> bundesweite, im SGB VIIfestgeschriebene berufsgenossenschaftliche Heilverfahren ist auf dieSpezielle <strong>Unfallchirurgie</strong> ausgerichtet und auf diese beschränkt. An denUniversitäten wurden mehrheitlich selbstständige Lehrstühle für <strong>Unfallchirurgie</strong>eingerichtet. Die deutsche <strong>Unfallchirurgie</strong> ist auch in der Katastrophenmedizinund Notfallversorgung breit vernetzt und stark aufgestellt.Also: Alles im Lot?In den Kliniken fehlen Arztstellen. Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzessind mit einer auf Notfallmedizin ausgerichteten <strong>Unfallchirurgie</strong> nurschwer in Einklang zu bringen! Hierunter leidet neben einer kontinuierlichen,ganzheitlichen Patientenversorgung vor allem auch die Weiterbildung. DieVorratshaltung für den Notfall ist sowohl von den Material- <strong>als</strong> auch von denPersonalkosten her immens und im DRG-System nicht abgebildet. ModerneImplantate sind teuer – zu teuer für die kalkulierten Sachkosten nachINEK. Die Vergütung für Polytraumen ist – trotz deutlicher Anpassungen– immer noch nicht kostendeckend. Die Abteilungs- und Organisationsstrukturenwerden durch die Öffnung sektoraler Versorgungsgrenzen unterDruck gesetzt. Honorarärzte werden von den Verwaltungen häufig ohne Einbindungund teilweise gegen den Willen der Chefärzte engagiert und vergleichsweisehoch vergütet. Die häufig systemimmanent defizitäre <strong>Unfallchirurgie</strong>erfährt unter dem Kostendruck der Kliniken ein „Downgrading“ mitStellenstreichungen und Budgetkürzungen. Hier beginnt häufig eine fataleAbwärtsspirale für die Abteilungen – und letztlich für die zu versorgendenUnfallpatienten. Der besondere Charakter der <strong>Unfallchirurgie</strong> für ihre originärenAufgaben in der Katastrophen- und Notfallmedizin bildet sich häufignur unzureichend ab und findet leider wenig öffentliche Wertschätzung.Beispielhaft stelle man sich vergleichsweise vor, die Feuerwehr würde nurpro Einsatz bezahlt. Diese Vergütung wäre aber bereits für den Einsatzselbst nicht kostendeckend, geschweige denn für die Aufrechterhaltungder Infrastruktur und Bereitschaft! Die <strong>Unfallchirurgie</strong> muss deswegen ihrebesondere gesundheitspolitische Stellung gerade im Zeitalter häufigerwerdender Umweltkatastrophen und terroristischer Bedrohungspotentialemit einem möglichen Massenanfall von Schwerverletzten aktiv im politischenUmfeld vorbringen und vertreten, um nicht einer chronischen undzermürbenden, strukturellen Unterfinanzierung zum Opfer zu fallen.Mangel an Ressourcen und „know how“?Der Kostendruck in den Kliniken führt dazu, dass der Einsatz von teurenHigh-Tech-Implantaten, wie winkelstabiler Formplatten, immer problematischerwird. Gerade in Anbetracht der rapiden Zunahme osteoporosebedingterFrakturen sind derartige Implantate jedoch häufig unverzichtbar. Einegezielte und sehr differenzierte Indikationsstellung und Implantatewahl hatdaher zunehmend auch ökonomische Aspekte zu berücksichtigen. Für dieUnfallchirurgen „alter Schule“ ist es eine neue Erfahrung, nicht mehr routinemäßigdie ihrer Meinung nach besten und modernsten Implantate verwendenzu können, sondern die allgemein für „ausreichend“ erachteten, älterenund teilweise bereits ausgesonderten Produkte wieder einsetzen zu müssen.Die Osteosynthesetechniken und anzuwendenden Prinzipien sind teilweisesehr unterschiedlich. Die erforderliche Eingriffsroutine kann hierunterdurchaus leiden. Jüngere Kollegen sind während ihrer Ausbildung mit denälteren, konventionellen Implantaten zum Teil kaum in Berührung gekommen.Ein typisches Beispiel hierfür sind die kostengünstigen Klingenplattenfür das proximale und distale Femur. Die empirische, klinische Erfahrungspricht häufig für die neuen Implantate. Dies wird den Ärzten jedoch nichtmehr unwidersprochen geglaubt. Die unter dem Kostendruck von Kostenträgernund Verwaltungen eingeforderte wissenschaftliche Evidenz für dieÜberlegenheit dieser Implantate vor allem für das endgültige Behandlungsergebniskann derzeit meist nicht erbracht werden. Es fehlen die wissenschaftlichenStudien, die dies eindeutig belegen.


278 279VOM ÜBERFLUSS ZUR MANGELVERWALTUNG?Auch der intraoperative Einsatz von High-Tech-Equipment wie Computernavigationoder 3-D-Bildgebung wird nicht refinanziert, obwohl erste wissenschaftlicheStudien zeigen, dass die Ergebnisqualität häufig deutlichverbessert werden kann. Diese Operationen dauern länger und verlängernauch die persönlichen Lernkurven der Operateure, was in einem ökonomisch,sehr zeitlich getaktet geführten OP-Bereich bei fehlender Refinanzierung aufAkzeptanz- und Umsetzungsprobleme stößt.Die am häufigsten mangelnde Ressource ist die gesetzlich stark reglementierteArbeitszeit. Eine Rundum-Versorgung von verunfallten Patientendurch einen sehr konstanten, individuellen Arzteinsatz ist praktisch nichtmehr möglich. Der Patient erlebt täglich wechselnde Stationsärzte. ErforderlicheZweit- und Revisionseingriffe können nicht mehr vom Erstoperateurdurchgeführt werden, da er arbeitszeitkonform nicht mehr zur Verfügungsteht und sich in der Ruhephase befindet. Dies ist durch formale Übergabe-Besprechungen analog zum Pflegedienst nicht zu kompensieren, da dieUnfallchirurgen wegen der allgemeinen Arztknappheit im Operationssaalgebunden sind. Die Übergaben finden daher zunehmend auf persönlicherEbene von Oberarzt zu Oberarzt und teilweise fernmündlich und nicht amPatienten statt. Dies behindert den Informationsfluss in der Klinik und hatnegative Einflüsse auf die Organisationsabläufe und die Organisationsverantwortungder Chefärzte. Nur durch meist freiwillig erbrachte und mehrheitlichnicht vergütete Überstunden aller ärztlichen Mitarbeiter lässt sichhier einigermaßen gegensteuern und die Organisationssicherheit und adäquatePatientenversorgung aufrecht erhalten. Die häufig <strong>als</strong> Alternativeeingeforderte schriftlich dokumentierte Patientenübergabe von Arzt zu Arztist angesichts der ohnehin bestehenden Dokumentationsflut praxisfremdund illusorisch. Sie kann die persönliche, kollegiale und kritische Falldiskussionunter Einbeziehung des Patienten selbst und seiner individuellenUmstände keinesfalls ersetzen. Weiterhin leidet unter diesen Bedingungeneiner personell und manchmal auch konzeptionell inkohärenten Patientenversorgungnicht nur die individuelle Behandlung, sondern auch das vertrauensvolleArzt-Patientenverhältnis. Auch die für die Weiterbildung sowichtige Beurteilung von Gesamtverläufen kann den Assistenzärzten unterdiesen Bedingungen nur noch schwerlich vermittelt werden. <strong>Das</strong> System„lebt und zehrt“ derzeit noch von der Erfahrung, der hohen Expertise sowiedem hohen persönlichen Einsatz älterer Kollegen, die ihre Ausbildung undBerufserfahrung unter aufwändigeren Bedingungen des Arbeitszeiteinsatzesdurchlaufen haben. Die gesellschaftliche und von ärztlicher Seite schrittweiseübernommene Priorisierung einer Work-Life-Balance und eines stechkartengeregeltenArbeitstages wird jedoch unter diesen Aspekten zukünftigauf die Patientenversorgung unweigerlich negative Einflüsse ausüben. Dieswird leider auch das Patientenvertrauen in die ärztliche Behandlung weitermindern und die Klagebereitschaft verstärken.Mangel an Vertrauen?Die beschriebenen Entwicklungen und die fortwährenden, in immer raschererFolge durchgeführten Gesundheitsreformen und Anpassungen der Rahmenbedingungenführen bei den Ärzten zu einem Mangel an Vertrauen inkalkulierbare gesundheitspolitische Entwicklungen, zukünftige Arbeitsbedingungenund Karrierechancen. Es ist wenig verwunderlich, dass dahergerade in einem körperlich und auch psychisch so anspruchsvollen Berufwie der <strong>Unfallchirurgie</strong> der Nachwuchs wegbricht.Die Patienten verlieren zudem, befeuert von der veröffentlichen Meinungin Print- und TV-Medien sowie Internet-Portalen mit Bewertungs- und vermeintlichenBestenlisten, das Vertrauen in eine breite und qualitativ hochwertigeärztliche Versorgung. Speziell die Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>stehen hier unter Generalverdacht, da durch relativ einfache radiologischeDokumentationen Vorwürfe vermeintlicher Behandlungsfehler besonderseinfach zu erheben sind. Ohne gegenseitiges Vertrauen und eine guteZusammenarbeit zwischen Arzt und Patient ist ein Behandlungserfolgjedoch unsicher. Die Behandlungsdurchführung bereitet dem Arzt dannwenig Freude, wenn er bereits bei Behandlungsbeginn geistige „Abwehrschlachten“gegen potentielle juristische Vorwürfe führen muss. Ebensowird der Versuch der Kostenträger, bestimmte Patientendiagnosen


280 281VOM ÜBERFLUSS ZUR MANGELVERWALTUNG?zukünftig auf selektierte Behandlungszentren zu konzentrieren – nach demMotto „Klasse durch Masse“ – dem hohen individuellen Erfahrungsschatzvieler Unfallchirurgen nicht gerecht. Eine unter der Flagge der Behandlungsqualitätgeführte Diskussion, die in Wahrheit lediglich eine Kostenkontrolleund Kostenreduktion zum Ziel hat, wird langfristig das Arzt-Patientenverhältnisweiter belasten und bewährte Versorgungsstrukturen gefährden.Mangel an Optimismus?Mangelt es den Unfallchirurgen angesichts der beschriebenen Umständeund Verschlechterung der Arbeitsbedingungen an Freude für ihre Tätigkeitund an Optimismus für die Zukunft? Dies ist keineswegs der Fall, wie dievon Matthes und Mitarbeitern 2009 publizierten Umfrageergebnisse zeigen.78% der befragten Unfallchirurgen würden den gleichen Beruf wiederwählen, 85% die gleiche Fachrichtung. Die Kolleginnen und Kollegen erkennenihren Beruf <strong>als</strong> interessant, herausfordernd und befriedigend an. Zielder Fachgesellschaft muss es sein, durch Aktivitäten im poltischen Umfelddie Versorgung der Unfallverletzten in Deutschland auf dem erreichten,international vorbildlichen Niveau zu halten. Der einzelne Unfallchirurg mussnoch mehr <strong>als</strong> früher und ganz bewusst im Sinne der Versorgungsqualitätseiner Patienten agieren. Was früher fast automatisch vorausgesetzt werdenkonnte, muss heute durch bewusstes persönliches Engagement erarbeitetund teilweise erstritten werden. Dies gilt sowohl für den erforderlichenZeiteinsatz <strong>als</strong> auch für den Einsatz innovativer, erfahrungsmedizinischbewährter Behandlungsmethoden und Implantate. <strong>Das</strong>s Aspekte der Prozessoptimierungund Kostenkontrolle hierbei implementiert werden, ist selbstverständlich,sollte jedoch nicht den Primat der individuellen, optimiertenBehandlung jedes Patienten beeinträchtigen. Eine Konzentrierung auf dieärztlichen Kernaufgaben ist daher unerlässlich.persönliches Beispiel – gegensteuern. Nur durch den unermüdlich hohenpersönlichen Einsatz für den Patienten und durch ein kontinuierliches Strebennach individueller fachlicher Weiterentwicklung ist der hohe Standardder deutschen <strong>Unfallchirurgie</strong> dauerhaft zu halten. Die enge, vertrauensvolleund kollegiale Zusammenarbeit mit den orthopädischen Kollegen desneuen gemeinsamen Facharztes wird sich hierbei <strong>als</strong> einer der Schlüsselzum Erfolg erweisen.Von daher kann die „Spezielle <strong>Unfallchirurgie</strong>“, eingebettet in den neuenFacharzt für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>, mit begründetem Optimismusin die Zukunft schauen.Zusammenfassend mangelt es nicht an Herausforderungen für die <strong>Unfallchirurgie</strong>,an Bedarf oder Identität und Selbstverständnis. Dem sich abzeichnendenNachwuchsmangel, dem drohenden Verlust von Strukturen oderRessourcen müssen sich die Unfallchirurgen stellen und aktiv – auch durch


282 283AUSBLICKEN. SüdkampD. DepewegK. DragowskyZu einem Rückblick gehört auch ein Ausblick, man könnte aber auch sagen,zu einem Ausblick gehört ein Rückblick, wie es auch schon der 1976 verstorbenefranzösische Schriftsteller und Politiker André Malraux formuliert hat:„Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern.“Prof. Dr. med. Norbert SüdkampPräsident der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong>Geschäftsführender DirektorDepartment Orthopädie & TraumatologieUniversitätsklinikum FreiburgHugstetter Str. 5579106 FreiburgDr. med. Daniela DepewegSprecherin des Jungen Forumsder <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>Fachärztin für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>Orthopädische Universitätsklinik HeidelbergSchlierbacher Landstr. 200a69118 HeidelbergDr. med. Kai DragowskySprecher des Jungen Forumsder <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>Oberarzt der Klinik für <strong>Unfallchirurgie</strong> und OrthopädieUnfallkrankenhaus Berlin (ukb)Warener Straße 712683 BerlinMit dem Beginn einer neuen Epoche für <strong>Unfallchirurgie</strong> und Orthopädie, dievor sieben Jahren einen gemeinsamen Facharzt Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>im Gebiet Chirurgie bildeten, der heute in Bezug auf Operationszahlenund Zahl behandelter Patienten eine der großen chirurgischen Säulenrepräsentiert, ist für ein ‚quo vadis’ auch ein ‚woher kommen wir’ unabdingbar,das dieses <strong>Buch</strong> festhalten will. Der Blick in die Zukunft ist aber besonderswichtig für unseren Nachwuchs, für den und mit dem wir die Zukunftgestalten wollen. Die Veränderungen im Gesundheitswesen, der europäischeBolognaprozess, Abwanderungen junger deutscher Ärzte in das außereuropäischeund europäische Ausland, das Entstehen neuer Berufe wie derArzt-Assistenten (PA O und U: Physician Assistent / Arzt-Assistent – Orthopädieund <strong>Unfallchirurgie</strong>), die Neu- bzw. Umorganisation der Chirurgie,die aufwandsadäquate Finanzierung unserer Leistungen, die sektorenübergreifendeQualitätssicherung und die Patientensicherheit, Wünsche nachweiteren Qualifikationen in der Muster – Weiterbildungsordnung wie Wirbelsäulenchirurgieoder Notfallmedizin stellen Herausforderungen an die Fachgesellschaften.Somit zeichnet sich bereits heute ab, welche Aufgaben innaher und mittelfristiger Zukunft angegangen und gelöst werden müssen.NachwuchsförderungEines der wichtigsten Ziele ist die Nachwuchsförderung. Wir müssen versuchen,junge Ärzte und Ärztinnen für unser großes gemeinsames Fachgebietzu begeistern. Hier ist neben der besseren Außendarstellung besonders eingut strukturiertes und attraktiv gestaltetes Weiterbildungscurriculum notwendig.Was erwartet ein(e) angehende(r) Facharzt/-ärztin für Orthopädieund <strong>Unfallchirurgie</strong> von einer modernen Weiterbildung? Wie könnte der Weiterbildungsgangattraktiv gestaltet werden, dass es auch in Zukunft nochKollegen und Kolleginnen geben wird, die dieses Fachgebiet mit Motivation,


284 285AUSBLICKEEngagement und Freude (in Deutschland) ausführen wollen? Befragt manden unfallchirurgisch/orthopädischen Nachwuchs, so erwartet dieser einestrukturierte und transparente Weiterbildung. Dieser Wunsch beinhaltet einfest und langfristig geplantes Rotationssystem, eine „echte Weiterbildungskultur“,ein schrittweises und profundes Anleiten zu Operationen, eine Facharztqualifikationin Mindestzeit – wenn möglich inklusive wissenschaftlicherTätigkeit. Auch vom Arbeitgeber wird erwartet, dass er geregelte Arbeitszeiten,Facharztverträge und eine ausgewogene „Work-Life-Balance“ in seinerKlinik bereitstellt.Derzeit erfolgt jedoch die Weiterbildung noch viel zu oft <strong>als</strong> Nebenproduktder Arbeitstätigkeit und häufig nicht systematisch, sondern geprägt durchdie akuten Bedürfnisse eines medizinischen Vorgesetzten und des Arbeitgebers.<strong>Das</strong> heißt, die neue Weiterbildungsordnung muss mit Inhalt, Struktur,Transparenz, Vergleichbarkeit, Reproduzierbarkeit belebt und mit Vorbildund Qualität gelebt werden. Ein Blick in andere Länder dieser Welt zeigt,dass dies durchaus möglich ist. Es ist sicher nicht ratsam, ein fremdes Weiterbildungssystem1:1 auf Deutschland anzuwenden, jedoch ist es notwendig,umzudenken. Wie dringend, zeigt die dramatische Abnahme an Interessentenfür chirurgische Fächer. Diese potentiellen Weiterbildungsassistentensind unsere Zukunft, nicht nur für uns Kolleginnen und Kollegen, sondernauch für unsere Patienten.It is time to changeDarf man Einsteins Worten Glauben schenken „Probleme kann man niem<strong>als</strong>mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“, so sollteein ernstes Umdenken in der Weiterbildung von angehenden orthopädisch/unfallchirurgischen Fachärzten erfolgen. Es sollte sich eine Weiterbildungskulturentwickeln können, in der es Freude macht, Weiterbildung zu erhaltensowie theoretisches und praktisches Wissen zu vermitteln, um so einehohe Qualität der chirurgischen Versorgung zur gewährleisten. Diese Weiterbildungskultursollte <strong>als</strong> „Wettbewerbsfaktor“ verstanden werden, um potentielleBewerber und Patienten für die verschiedenen Kliniken zu gewinnen.Hier gilt es auch vorzuleben, dass flexible und motivierte Weiterzubildendeund Arbeitgeber, für die die Qualität ärztlicher Mitarbeiter ein hohes Gutist, gebraucht werden, um eine erstklassige Versorgung der Patienten zugewährleisten.Grundsätzlich gibt es aber auch eine Reihe weiterer Fragen in diesemZusammenhang zu diskutieren und zu beantworten:• Benötigen wir so viele Weiterzubildende?• Krankt unser System auch an der im Verhältniszu anderen Staaten hohen Zahl an Weiterzubildenden?• Wie ist der zu erwartende Bedarf realistisch einzuschätzen?Diese sind Fragen, die auch am System der stationären und ambulanten‚Facharztschiene’ kratzen. Wir müssen sie aus unserer Sicht und mit unsererVerantwortung diskutieren und dürfen dieselben nicht <strong>als</strong> unkonventionelleund politisch inkorrekte Fragen ausblenden!SpezialisierungDie Spezialisierung in der unfallchirurgischen und orthopädischen Chirurgieist allgegenwärtig und auch in der Zukunft unabwendbar. Was verstehtder chirurgische Nachwuchs eigentlich unter einer Spezialisierung und wannsollte diese erworben werden? Nach der Erlangung des „Facharztes fürOrthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>“ wird die Möglichkeit zum Erwerb der„Speziellen <strong>Unfallchirurgie</strong>“ bzw. der „Speziellen orthopädischen Chirurgie“(gekoppelt an spezielle Eingriffe und Weiterbildungsstätten) bestehenbleiben. Vor dem Hintergrund einer davon abhängigen Zuerkennung derBezeichnung „D-Arzt“ (Durchgangsarzt) sollte diese Weiterbildungsstrukturnicht verändert werden. Als D-Arzt für die Berufsgenossenschaften wirdsich die Möglichkeit einer Niederlassung (eigene Praxis) einfacher umsetzenlassen und auch attraktiv bleiben. Die hohe Qualität des Heilverfahrens dergesetzlichen Unfallversicherung könnte unter Umständen ohne „SpezielleUnfallchirurgen“ abnehmen. Des Weiteren würde die fundierte und breiteWeiterbildung unter einer zu frühen Spezialisierung leiden. An den „Speziellen


286 287AUSBLICKEUnfallchirurgen“ bzw. „Speziellen orthopädischen Chirurgen“ könnten jedochweitere spezialisierende Bezeichnungen anknüpfen (z.B. Wirbelsäulen-,Becken-, Tumor-, Schulter-, Fuß-, Kniechirurgie etc.). Eine Gefahr für dieflächendeckende kompetente Versorgung, insbesondere der Notfallversorgung,liegt darin, dass in Zukunft nur wenige Kollegen/-Innen eine breitereAusbildung in der <strong>Unfallchirurgie</strong> bzw. Orthopädie, <strong>als</strong>o die Weiterbildungzur Speziellen <strong>Unfallchirurgie</strong> resp. Speziellen orthopädischen Chirurgieabsolvieren würden, da es attraktiver scheint, sich direkt nach dem „Facharztfür Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>“ zu superspezialisieren! So würdenaller Voraussicht nach attraktive und lukrative Bereiche (z.B. Knie, Schulter,Endoprothetik) einen großen Zustrom erleben, während weniger begehrteGebiete einen Mangel an Nachwuchs erleiden könnten, z.B. Becken, Wirbelsäuleund natürlich auch die eigentlichen Zusatzweiterbildungen „Spezielle<strong>Unfallchirurgie</strong>“ / „Spezielle orthopädische Chirurgie“.In diesem Kontext sind auch die europäische Entwicklung und deutsche Strömungenhinsichtlich der Rettungsstellen bzw. Notaufnahmen zu sehen sowieeine Auseinandersetzung mit dem Thema der interdisziplinären Notaufnahmenund der damit erstrebten Schaffung einer eigenen Facharztweiterbildungfür die Notaufnahme / innerklinische Notfallmedizin erforderlich, wiewir dieses gemeinsam mit verschiedenen medizinischen Fachgesellschaftendurch unser „Positionspapier zur zentralen interdisziplinären Notaufnahme2010“ angestoßen haben. Auf europäischer Ebene wurde hierzu bereits einCurriculum entwickelt. Einige Verbände in Deutschland fordern mit Hinweisauf die Verbesserung der Qualität der Versorgung dieses zu übernehmen.Wichtig bei dieser Thematik ist, dass nicht nur die Versorgungsstrukturenin den europäischen Ländern, sondern auch die Inhalte der einzelnen Weiterbildungsgängesehr unterschiedlich sind. Nicht alles bleibt bei näheremBetrachten so glänzend und sinnvoll, wie es auf den ersten Blick erscheint!Nichtärztliche Tätigkeiten – Neue Medizinische BerufeVor dem Hintergrund des zunehmenden Kostendruckes und eines sich abzeichnendenÄrztemangels werden zunehmend Wege diskutiert, ärztlicheTätigkeiten an nichtärztliche Berufsgruppen zu delegieren und damit dieArztzentriertheit abzubauen. Es geht dabei nicht um die geforderte Entlastungvon nicht primär ärztlichen Aufgaben, insbesondere administrativenTätigkeiten (Dokumentation und Kodierung zur Erlössicherung, Beantwortungvon Routineanfragen, ärztlichen Schreibarbeiten). In der aktuellenDiskussion geht es vielmehr um die regelhafte Übertragung ärztlicherTätigkeiten auf besonders geschultes Personal, z.B. den/die Arzt- Assistent/-In, der/die eigenständig spezialisierte Assistenzaufgaben im medizinischenund operationstechnischen Bereich unter Aufsicht eines Arztes durchführt.Als Argumente für die Etablierung dieses Berufsbildes werden genannt:• zeitraubende Bindung des Assistenzarztes an denOP-Tisch ohne Bezug zur Fachausbildung wird vermieden,• es werden Freiräume geschaffen für die Tätigkeiten außerhalb des OP,• der Arzt steht länger <strong>als</strong> Ansprechpartner dem Patienten zur Verfügung,• Überstunden können vermieden,• Nachwuchsmangel in den chirurgischen Fachgebieten umgangen,• chirurgische Weiterbildungsassistenten bei größeren Freiräumengezielter im Sinne ihrer angestrebten Weiterbildung eingesetzt und• Arzt- Assistenten sollen <strong>als</strong> Teampartner positiv wahrgenommen werden.Während die herkömmliche OP-Assistenz (OP Pflege) üblicherweise nichtärztlicheTätigkeiten im OP ausübt, geht es beim Berufsbild der Chirurgieassistenz„um die regelhafte Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf besondersgeschultes Personal, das eigenständig spezialisierte Assistenzaufgabenim medizinischen und operationstechnischen Bereich unter Aufsichteines Arztes durchführt“. Die Delegation an Chirurgieassistenten soll zueiner Konzentrierung, Kompetenz- und Effizienzsteigerung der ärztlichenWeiterbildung führen. Gleichzeitig verbessern sich Attraktivität, Qualifizierungs-und Karrieremöglichkeiten für die OP-Assistenz (OP Pflege). Fürdie Qualifizierung zur Chirurgieassistenz gibt es derzeit in Deutschland dieMöglichkeiten für eine grundständige Ausbildung, für eine fachspezifischeWeiterbildung und für ein Bachelorstudium („Bachelor of Science in


288 289AUSBLICKEPhysician Assistance“ (PA)). Bundesweit einziger Anbieter ist die Steinbeis-Hochschule in Berlin mit fachlicher Unterstützung der DGOU. Im Oktober2010 startet der erste Ausbildungsgang Arzt-Assistenten mit dem Angeboteiner vertiefenden Ausbildung im Schwerpunkt Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>,getragen von der DGOU und der Akademie der <strong>Unfallchirurgie</strong> derDGU.Die Aufgabenfelder umfassen Tätigkeiten auf Station und im OP. Diesekönnen folgende Bereiche umfassen:• Verwaltungs-/Dokumentationsaufgaben, vorbereitende Anamnese(Dokumentation), OP-Aufklärung (Standardeingriffe),Standardarztbriefe, Befunddokumentation,• einfache Verbandswechsel, Blutentnahmen,Legen peripher venöser Zugänge, Infusionsanlage,• Sicherstellung der Umsetzung angeordneter medizinischer Maßnahmen,Untersuchungen und Konsile,• Organisation der Nachsorge in Kooperationmit Angehörigen und Sozialdienst,• optimierende Unterstützung der Ablauforganisationund technische Assistenz,• Standardpatientenlagerung, OP-Felddesinfektion und -Abdeckung,• OP-Assistenz, Wundverschluss,• Wundverband, Lagerungsschienen und• OP-Verwaltungs-/ DokumentationsaufgabenInternational hat sich dieses Berufsbild insbesondere im englischsprachigenRaum bereits etabliert. Eine flächenweite Umsetzung ist in der Bundesrepublikjedoch noch nicht erfolgt. Dies ist möglicherweise auf erheblicheAkzeptanzprobleme bei Fachverbänden, Ärzten und OP-Personal zurückzuführen.Als Risiken gegen eine Einführung einer Chirurgieassistenzwerden diskutiert:• Qualitätsverluste in der Versorgung,• Deprofessionalisierung des ärztlichen Berufs,• ungenügend definierte Qualifikationsvoraussetzungen und offeneRechtsfragen: Delegierbarkeit und Übernahmeverantwortung, Gewährleistungdes Facharztstandards, ärztliche Überwachung, Verpflichtungzur persönlichen Leistungserbringung, Aufklärung und Haftung.Diese Vorbehalte und auch die Sorge chirurgischer Weiterbildungsassistenten,dass die <strong>als</strong> Konkurrenz empfundenen Arzt-Assistenten den interessantenTeil ihrer Tätigkeit im OP wegnehmen und ihnen nur die ungeliebteBürokratie auf Station bleiben könnte sowie Befürchtungen eines konsekutivenärztlichen Stellenabbaus, haben vielfach zu einer auch emotionalgeprägten Ablehnung dieser neuen Berufsbilder geführt. Dem stehen positiveBerichte internationaler Einrichtungen und Erfahrungen einzelnerFachgebiete mit chirurgisch-technischen Assistenten gegenüber. BesondersKliniken in privater Trägerschaft berichten über den erfolgreichen Einsatzvon Arzt-Assistenten zur Zufriedenheit aller. Erhöhte Kontinuität in der <strong>als</strong>Berufsbild definierten ausschließlichen Assistenzleistung soll eine gesteigerteQualität des gesamten Operations- und Behandlungsablaufs, aber auchvon standardisierten diagnostischen Leistungen und der Qualitätssicherungmit patientenbezogener Dokumentation ermöglichen.Die Einbeziehung nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe in chirurgischeBehandlungsteams mit unterschiedlichen Kompetenzlevels kann <strong>als</strong> eineChance für die einzelnen chirurgischen Fachgebiete gesehen werden. Insbesonderevor dem Hintergrund des bereits international etablierten Berufsbildesund angesichts des Kostendruckes ist mit einem zunehmendenEinsatz von Arzt-Assistenten in der Bundesrepublik zu rechnen. Essentiellist dabei ein Kommunizieren der Pro- und Kontra-Argumente durch diechirurgischen Fachgesellschaften und die fachlich chirurgische Mitwirkungbei der Entwicklung der Curricula für diese Berufe. Eine Stellungnahme zurFrage der „Delegation ärztlicher Leistungen“ wurde von der DGU bereits2007 verfasst. Hierdurch wird definiert, welche Aufgaben sinnvoll und vor allemunter dem Aspekt von Sicherheit und Versorgungsqualität der Patienten


290 291AUSBLICKEdelegiert werden können. Dabei müssen Tätigkeiten mit und ohne Arztpräsenzunterschieden werden. Neben externen Vorgaben wie Berufsrecht undvertragliche Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ist bei Fragen derQualifizierung und Haftung die Träger- und Chefarztebene betroffen (Aufklärungsproblematik).Pay for PerformanceHierbei handelt es sich um eine Bewegung aus den Krankenversicherungenursprünglich in Großbritannien und den USA. Nach den langjährigen Erfahrungenmit DRG‘s zur Bremsung der Kostenexplosion im Gesundheitswesengehen die Versicherungen in den USA von einer Vergütung nach Fallpauschalenzu dem weiterreichenden System des „Managed Care“ über. Leistungserbringererhalten feste Zahlungen für die Einhaltung vorbestimmter Ziele beider Erbringung von Gesundheitsleistungen. Damit handelt es sich um einefundamentale Veränderung gegenüber der ‚Zahlung für Leistungen’. Nebendem Bonussystem für die Einhaltung von Zielvereinbarungen werden auch‚Disincentives’ für Komplikationen oder andere negative Auswirkungen derBehandlung diskutiert. Diese Diskussionen werden besonders in Industrienationenmit alternder Bevölkerungsstruktur und steigenden Gesundheitskostengeführt. In Deutschland existieren schon jetzt erste Anzeichen füreine spätere Umsetzung einer integrierten Gesundheitsversorgung im Sinnevon Managed Care. <strong>Das</strong> Versicherungsrisiko wird von den Krankenversicherungenzu den Krankenhäusern verlagert. Im System „ManagedCare“ überweisen die Krankenkassen für jeden Versicherten einen monatlichenFixbetrag (sogenannte „Capitation“); dabei spielt es keine Rolle, ob diePatienten gesund oder krank sind. Gleichzeitig müssen die Krankenhäuser <strong>als</strong>Vertragspartner die Versorgung der Versicherten garantieren. Die Versichertenwiederum verzichten auf das Recht der freien Arztwahl und binden sichörtlich an die Health-Care-Provider (Krankenhäuser, Praxisnetze, Ärzte usw.)<strong>als</strong> Vertragspartner ihrer Versicherung. Die Kostenträger, in der Regel privateVersicherungsgesellschaften, werden <strong>als</strong> Health Maintenance Organizations(HMO) oder Managed Care Organizations (MCO) bezeichnet. Diseaseund Case Management und Evidenzbasierte Medizin sind Bestandteile derManaged Care Programme. Um die Qualität der Gesundheitsversorgung auchweiterhin für weite Teile der Bevölkerung unter Managed-Care-Bedingungenaufrechtzuerhalten, werden verstärkt Therapieleitlinien angewandt. Auchfür Patienten werden verständliche, vereinfachte Leitlinien auf EBM-Basisentwickelt und über elektronische Medien zugänglich gemacht. Allerdingshaben bisherige Pilotstudien in verschiedenen großen Gesundheitssystemenlediglich moderate Verbesserungen bezüglich spezifischer Ergebnisse underwarteter Steigerung der Effizienz ergeben, Kosteneinsparungen konntennicht erzielt werden, da diese durchweg durch gesteigerte Verwaltungskostenkompensiert wurden. Offizielle Stellungnahmen verschiedener ausländischerFachgesellschaften unterstützen Verbesserungsprogramme zur Steigerungder medizinischen Qualität, bewerten aber die Qualitätsindikatoren,die Autonomie der Patienten und der Ärzte sehr kritisch und den erheblichenVerwaltungsaufwand sehr negativ, Gelder könnten besser primär eingesetztwerden. Hier sind wir <strong>als</strong> Fachgesellschaften gefordert, unser Wissenund unsere Erfahrungen einfließen zu lassen, um negative Einflüsse auf dieQualität der Versorgung in Deutschland zukünftig zu verhindern.DemographieEin weiterer Aspekt, dem wir uns zu stellen haben, ist die Veränderung derBevölkerungsstruktur. Nach Berechnung des Bundesinstitutes für Bevölkerungsforschungsteigt der Anteil der 65-Jährigen und Älteren pro 100 Personenim Alter von 20 bis 64 Jahren von 1864 bis 2050 um mehr <strong>als</strong> das Siebenfache:von 7,6 auf 54,4. Die für die Alterssicherungssysteme bzw. Krankenversicherungs-und Pflegeleistungen wichtigen Größenverhältnisse zwischenden jüngeren und älteren Generationen werden in zwei verschiedenen,sogenannten Unterstützungskoeffizienten abgebildet: Der erste zeigtdas Verhältnis der 20- bis 64-Jährigen zu den 65-Jährigen und Älteren.Der zweite Koeffizient bildet die Größenordnung der schon sehr alten Menschenüber 80 Jahre zu 100 der nachfolgenden Generation zwischen 50 und64 Jahren ab. Beide Koeffizienten zeigen an, wie deutlich sich die Bevölkerungsanteilezwischen den Generationen verschieben werden. 1864 warenpotenziell noch ca. 13 Personen im Alter zwischen 20 und 64 für eine


292 293AUSBLICKEältere Person zuständig. Bis 2050 wird sich diese Relation auf 1,8:1 verringern.Ähnliche Verläufe sieht das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschungbeim sogenannten intergenerationellen Unterstützungskoeffizienten: 1864kamen auf 100 Personen im Alter zwischen 50 und 64 etwa vier 80-Jährigeund ältere. 2050 werden es ca. 60 Personen sein, von denen anzunehmenist, dass sie in dieser oder jener Form Unterstützungs- und Pflegeleistungenvon 100 Personen der nachfolgenden Generation benötigen. Die Herausforderungenliegen einerseits in den zu erwartenden großen Fallzahlen aus diesersteigenden Bevölkerungsgruppe, anderseits in einer Verbesserung vonTechniken in der Versorgung osteoporotischer Frakturen und damit in derVermeidung von Komplikationen.FinanzierungNach dem Gesundheitsbericht der Bundesrepublik Deutschland sind dieGesundheitsausgaben in den Jahren 1993 bis 2003 kontinuierlich gestiegen.Für diese Entwicklung können unterschiedliche Faktoren verantwortlichgemacht werden. Insbesondere die Einführung der Pflegeversicherungim Jahr 1995 – die im Rahmen der Gesundheitsausgabenrechnungberücksichtigt wird – hat sowohl den Leistungsumfang wie auch die Beschäftigungim Gesundheitssystem deutlich erweitert. Für das Anwachsen derGesundheitsausgaben sind nicht nur Veränderungen des Leistungsvolumens,sondern auch Preisentwicklungen, aber auch Qualitätsverbesserungen dererbrachten Gesundheitsdienstleistungen verantwortlich. Vor allem der medizinisch-technischeFortschritt führt zu kontinuierlichen Ausgabensteigerungen.Dieses gilt insbesondere für das Fachgebiet Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>.Ein Blick in die offiziellen Statistiken zeigt, dass in verschiedenenLeistungsbereichen – z. B. im Bereich der Arzneimittelversorgung – überproportionaleAusgabenzuwächse zu verzeichnen sind. Nach Meinung vonExperten sei dies überwiegend auf fehlende Wirtschaftlichkeitsanreizezurückzuführen. Den vermehrten Ausgaben für Gesundheitsgüter und-dienstleistungen stehen eine gestiegene Lebenserwartung und eine verringerteSterblichkeit gegenüber. Auch wenn die Statistiken nahelegen, dassein direkter Zusammenhang zwischen den Trends bei den Gesundheits-ausgaben und dem Gesundheitszustand der Bevölkerung bestehen könnte,ist dieses nicht eindeutig nachweisbar. Allerdings gehen höhere Ausgabenmit einer besseren Verfügbarkeit der angebotenen Gesundheitsdienstleistungeneinher. Sowohl die Höhe und Zusammensetzung der Ausgaben<strong>als</strong> auch die gesundheitliche Lage und Zufriedenheit der Bürger werdenvon verschiedenen, oftm<strong>als</strong> sozialen Faktoren bestimmt. In internationalenVergleichen wird der Anteil der Gesundheitsausgaben an der gesamten Wirtschaftsleistung,dem Bruttoinlandsprodukt, <strong>als</strong> volkswirtschaftlich bedeutsameKennziffer herangezogen. Dieser Anteil hat sich in den vergangenenJahren moderat erhöht. <strong>Das</strong> bedeutet, dass die Gesundheitsausgaben etwasschneller gewachsen sind <strong>als</strong> andere Wirtschaftsbereiche. Leider werdendie Ausgaben für die Gesundheit oft zu einseitig nur <strong>als</strong> Kostenfaktor gesehen.<strong>Das</strong>s neue und kostenträchtige Therapien und Technologien mit einersteigenden Lebenserwartung und Lebensqualität der Bevölkerung einhergehen,tritt häufig in den Hintergrund. Wenig betont wird auch die großeBedeutung des Gesundheitswesens <strong>als</strong> Arbeitsmarkt. In Deutschlandgeht etwa jeder neunte Beschäftigte, ca. 4,2 Millionen Personen, einerTätigkeit im Gesundheitswesen nach. Im Vergleich dazu arbeitet in derAutomobilindustrie nur etwa jeder fünfzigste Beschäftigte. Entsprechendder Hochrechnung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung bezüglichder zukünftigen Bevölkerungsstruktur wird sich die Personalintensitätim Gesundheitswesen aufgrund der wachsenden Zahl älterer behandlungsoderbetreuungsbedürftiger Menschen zukünftig eher noch weiter erhöhen.Schaut man die Kostenverteilung näher an, so fließt das meiste Geld inden ambulanten Sektor, <strong>als</strong>o die Arzt- und Zahnarztpraxen, die Apotheken,die Praxen sonstiger Leistungserbringer, den Hilfsmittelbereich und in dieambulante Pflege. Für diese Bereiche wurden 2003 rund 112 MilliardenEuro ausgegeben. Der Sektor Krankenhaus liegt zwar gegenüber ambulantenArztpraxen deutlich höher, beträgt aber nur ca. 60 Prozent des ambulantenSektors. Eine Aufschlüsselung nach Krankheiten zeigt, dass diemeisten Kosten durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht werden, gefolgtvon den Ausgaben für Krankheiten des Verdauungssystems. Zu diesen


294 295AUSBLICKEwerden in den Statistiken die hohen Aufwendungen für zahnärztliche Leistungenund Zahnersatz gezählt. An dritter Stelle stehen die Ausgaben fürdas ,muskuloskeletale System’. Insgesamt variieren die Krankheitskostenjedoch erheblich in Abhängigkeit von Lebensalter und Geschlecht. DerAnstieg der Gesundheitsausgaben ist allerdings kein deutsches Phänomenund lässt sich in allen westlichen Industrienationen zum Teil deutlichausgeprägter beobachten. Vergleicht man die Pro-Kopf-Ausgaben, so liegtDeutschland ähnlich wie die Schweiz und die Niederlande über dem internationalenDurchschnitt. Alle diese Länder messen der Sicherung derGesundheit ihrer Bevölkerung einen hohen Stellenwert bei. Qualitativ hochwertigeMedizin braucht ein kostendeckendes Entgelt und kann nicht zuLasten der im Gesundheitswesen tätigen Menschen erbracht werden! Deninternationalen Vergleich muss die deutsche <strong>Unfallchirurgie</strong> und Orthopädieletzteren nicht scheuen. Allerdings müssen wir Anstrengungen unternehmen,dass diese Qualität in Zukunft bezahlt wird, sonst kann sie nichtgewährleistet werden.cen (Nachwuchsmangel), gesetzliche Vorschriften (Arbeitszeitgesetz) mitErhöhung der Fehlerquellen durch Informationsdefizite (Übergabe). VielfältigeAnstrengungen zur Verbesserung der Patientensicherheit sind bereitsgemacht, weitere sind in der Planung und Umsetzung. Critical IncidenceReporting Systems (CIRS Net), Checklisten nicht nur im Routine- sondernauch im Notfallablauf helfen unbestritten, Wichtiges nicht zu vergessen oderzu übersehen. Aber auch unsere eigene Einstellung muss sich anpassen: dieBereitschaft zur Bewusstseinsschulung, Verbesserung unserer ‚soft skills’und die entstehenden Techniken der Simulationstrainings sind die Maßnahmen,die den höchsten Effekt zur Verbesserung der Patientensicherheiterwarten lassen. So verstehen wir auch unser Engagement im AktionsbündnisPatientensicherheit (APS); wir wollen durch aktive Mitarbeit in dessenArbeitskreisen und durch unsere Beiträge mit Simulationskursen – in Anlehnungan und mit Unterstützung der einschlägigen Trainingslabors derLuftfahrt – die Sicherheitskultur verbessern und das Bewusstsein schärfen,aus Fehlern zu lernen!Nachweis der Effizienz und Effektivität der TherapienWichtiger Aspekt unserer zukünftigen ärztlichen Tätigkeit <strong>als</strong> Unfallchirurgenund Orthopäden ist der Nachweis der Effizienz und Effektivität unsererMethoden. Die ‚eminenzbasierten’ Entscheidungen für Therapienwerden weniger und weniger akzeptiert werden zugunsten von evidenzbasiertenTherapieentscheidungen. Dieses fördert auch die Bereitschaft aufSeiten der Kostenträger, solche Therapien bzw. Leistungen zu bezahlen. DieHerausforderung für uns Ärzte wird es sein, Strategien und Techniken zuentwickeln, die klinische Studien in überschaubarer Zeit durchführbar undbezahlbar machen. Vor dem Hintergrund immer kürzer werdender Innovationszyklenist dieses tatsächlich eine Herausforderung und bedarf zusätzlicherUnterstützung angrenzender Disziplinen.Die <strong>Unfallchirurgie</strong> hat sich in den letzen 60 Jahren in einer dynamischenEntwicklung weltweit zu einem leistungsstarken Fach entwickelt. DerZusammenschluss mit der Orthopädie zum neuen Fach „Orthopädie & <strong>Unfallchirurgie</strong>“hat eine zusätzliche Ausweitung der Fachkompetenz ermöglicht.<strong>Das</strong> gemeinsame Fach bietet dem Weiterzubildenden und dem Facharzt fürOrthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> gleichermaßen vielfältige Möglichkeiten ärztlicherTätigkeit. Die Gelegenheit zur weiteren Spezialisierung gestattet einehohe Kompetenz im jeweiligen Teilbereich dieses großen Fachgebietes undsichert die in den vergangenen Jahrzehnten entwickelte Qualität. Es gilt dieHerausforderungen anzunehmen, Neues zu gestalten und gleichzeitig dasErreichte zu bewahren.PatientensicherheitDie wichtigste Rolle in der Zukunft spielt die Patientensicherheit. Die größtenHerausforderungen auf diesem Sektor sind mangelnde Personalressour-


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320 321GLOSSARAGArbeitsgemeinschaftCHIR-NetChirurgische NetzwerkeAKUTArbeitskreis zur Umsetzung Weißbuch/TraumaNetzwerk D DGUCIRSCritical Incidence Reporting SystemARDSAdult respiratory distress SyndromCPMConinuous Passive MotionASIDTASLSATLSAUCAUMAWMFProjektgruppe der DGU zur Analyse der Abbildungder Implementierung des TraumaNetzwerk D DGUWinkelstabiles Verriegelungssystem mit resorbierbaren HülsenAdvanced Trauma Life Support(ing)Akademie für <strong>Unfallchirurgie</strong>Automatische UnfallmeldungArbeitsgemeinschaft der WissenschaftlichenMedizinischen FachgesellschaftenCRPCTDAO o. AODAPDCPDCSDFGC-reaktives ProteinComputertomograph(ie)<strong>Deutsche</strong> Arbeitsgemeinschaft für OsteosynthesefragenInternational Dose Area ProductDynamische KompressionsplatteDynamische Kompressionsschraube<strong>Deutsche</strong> ForschungsgemeinschaftBAStBundesanstalt für StraßenwesenDFNDistaler Femur-NagelBDCBerufsverband der <strong>Deutsche</strong>n ChirurgenDFPDosisflächenproduktBESTTBMP-2 Evaluation in Surgery for Tibial TraumaDGAI<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Anästhesiologie und IntensivmedizinBfArMBundesinstitut für Arzneimittel und MedizinprodukteDGCH<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für ChirurgieBGBerufsgenossenschaftDGH<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für HandchirurgieBGSWBerufsgenossenschaftliche stationäre WeiterbehandlungDGOOC<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie und Orthopädische ChirurgieBMBFBundesministerium für Bildung und ForschungDGU<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong>BMPBone Morphogenetic ProteinDGUV<strong>Deutsche</strong> Gesetzliche UnfallversicherungBQSBundesqualitäts-SicherheitsberichtDHSDynamische HüftschraubeBVBildverstärkerDKOU<strong>Deutsche</strong>r Kongress für Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>BVOUBerufsverband Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong>DNEbM<strong>Deutsche</strong>s Netzwerk Evidenzbasierte MedizinBWKBrustwirbelkörperDSADigitale Subtraktions-AngiographieCa-PCalcium-PhosphatDSTCDefinite Surcical Trauma CourseCASChirurgische Arbeitsgemeinschaft Studien der DGCHDSTC-KursDefinitive Surgical Trauma Care-KursCFNCanulated Femur NailEAPErweiterte Ambulante Physiotherapie


322 323GLOSSAREbMEvidenzbasierte MedizinLCPLimited Contact PlateEEFPEndo-Exo-FemurprotheseLFNLateraler Femur-NagelEEPEndo-Exo-ProthetikLIFLocked International FixatorEETPEndo-Exo TibiaprotheseLIHLast Image Hold (digital gespeichertes letztes Durchleuchtungsbild)ESINElastisch-stabile intramedulläre MarknagelungLIRLast Image Run (zuletzt gespeicherte Bildserie)FATForschungsgemeinschaft AutomobiltechnikLISSLess Invasible Stabilization SystemFEERFocused Echocardiographic Evaluation in ResuscitationLMULudwig-Maximilians-Universität MünchenGCPGood Clinical PracticeLWKLendenwirbelkörperG-DRG<strong>Deutsche</strong> Diagnosis Related GroupsMAISMaximum Abbreviated Injury SeverityGGGrundgesetz für die Bundesrepublik DeutschlandMBOMusterberufsordnungGIDASGerman in Depth Accident SurveyMHHMedizinische Hochschule HannoverHIVHuman Immunodeficiency VirusMIPPOMinimal Invasive Percutaneous Plate OsteosynthesisHLMHerz-Lungen-MaschineMODSMultiorgandysfunktionssystemHWS / HWKHalwirbelsäule / H<strong>als</strong>wirbelkörperMOSMedical OutcomeIATSICInternational Assiciation for Trauma Surgical Trauma CareMOVMultiorganversagenICMJEInternational Commitee of Medical Journal EditorsMRSAMultiresistenter Staphylococcus aureus (Stämme)INEK o. InEKInstitut für das Entgeltsystem im KrankenhausMRTMagnet-Resonanz-Tomograph(ie)IQWiGInstitut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im GesundheitswesenMTOSMajor Trauma Outcome StudyISKDIntramedullary Skeletal Kinetic DistractorN.E.U.Netzwerk Experimentelle <strong>Unfallchirurgie</strong>ISSInternational Society of SurgeryNUBNeue Untersuchungs- und BehandlungsmethodeK-DrahtKIKMKSRLC-DCPKirschner-DrahtKonfidenz-IntervallKontrastmittelKomplexe stationäre RehabilitationsbehandlungLimited Contact-Dynamic Compression PlateORCHIDORIFOSGPETOpen reduction and plating versus casting forhighly comminuted intraarticular distal radial fractures in the elderlyOpen Reduction Internal FixationOberes SprunggelenkPositions-Emissions-Tomographie


324 325GLOSSARPFNProximaler Femur-NagelTRISSTrauma Injur Severity ScorePFNAProximaler Femur-Nagel AntirotationTSFTaylor special framePMMAPolymethylmetacrylatUFN /UTNUnreamed Femur Nail / Unreamed Tibia NailPOLO-ChartPolytrauma-Outcome-ChartUVMGUnfallversicherungsmodernisierungsgesetzPRPPlatelet Rich PlasmaVAVVerletztenartenverfahren der BGPTSDPosttraumatic stress disorderVEGFVascular Endothelial Growth FactorQMQualitätsmanagementR/AFNRetrograder/Antegrader Femur-NagelRISCRevised Injury Severity ClassificationROCReceiver Operating CharacteristicR0-ResektionEntfernung eines Tumors im gesunden BereichSCANTEMScandinavian Networking Group for Trauma andEmergency ManagementSDGCKoordinierungszentrum für klinische Studien HeidelbergSDGCStudienzentrum der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für ChirurgieSFBSonderforschungbereichSHSchenkelh<strong>als</strong>SMRStandardisierte Mortalitäts-RateSPECTSingle Photon Emission Computed TomographieSPLSSafety in Prehospital Life SupportTARNTrauma Audit an Research NetworkTENTibia-elastischer NagelTFGTransforming Growth Factorth/THthorcal / BrustwirbelTNWTraumaNetzwerk D DGU


326 327IMPRESSUMHerausgeber, Pressekontakt:<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> e.V.Langenbeck-Virchow-HausLuisenstraße 58 / 5910117 BerlinTel.: 030 / 20 21 - 54 90Fax. 030 / 20 21 - 54 91e-Mail: dgunfallchirurgie@dgu-online.de<strong>Buch</strong>umsetzung, Gestaltung:marinadesignAtelierblick 5330655 Hannoverwww.marinadesign.deinfo@marinadesign.deSämtliche Rechte und verantwortlich für die Herausgabe des <strong>Buch</strong>es<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Unfallchirurgie</strong> e.V.Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründetenRechte, insbesondere die des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme vonAbbildungen und Tabellen, der Funksendung oder der Vervielfältigung aufanderen Wegen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkesist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen(§ 823 BGB) das Urheberrechtsgesetzes vom 9.9.1965 (§§ 106 – 111) zulässig.Druck:www.druckpunktunger.deAuflage:1. Auflage 10/20107.000 ExemplareSchutzgebühr:10,00 EURBildnachweise:Sofern nicht anders angegeben, liegen die Nutzungsrechte für die in denBeiträgen verwendeten Bilder beim Verfasser des jeweiligen Artikels.

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