Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der ... - Amazon S3
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AWMF onl<strong>in</strong>e - <strong>S3</strong>-Leitl<strong>in</strong>ie Anästhesiologie: <strong>Analgesie</strong>, <strong>Sedierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Delirmanagement</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Intensiv...<br />
Anwendungsdaten<br />
Propofol ist das <strong>in</strong> Deutschland am häufigsten e<strong>in</strong>gesetzte Medikament für die Kurzzeitsedierung bis 24 St<strong>und</strong>en (83<br />
Prozent <strong>der</strong> befragten Kl<strong>in</strong>iken) <strong>und</strong> für den Entwöhnungsprozess von <strong>der</strong> masch<strong>in</strong>ellen Beatmung (75 Prozent) [53]. Im<br />
<strong>Sedierung</strong>s<strong>in</strong>tervall zwischen 24 <strong>und</strong> 72 St<strong>und</strong>en erfolgte <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz bei 67 Prozent <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase über 72 St<strong>und</strong>en bei<br />
23 Prozent <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iken [53].<br />
Kosten<br />
Der E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es analgestischen Regimes <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Propofol ist zum<strong>in</strong>dest kostenneutral durch E<strong>in</strong>sparung von<br />
Personalkosten, Reduzierung <strong>der</strong> Beatmungsdauer <strong>und</strong> Reduktion <strong>der</strong> Intensivbehandlung [14].<br />
B.II.3.2.2 Benzodiazep<strong>in</strong>e<br />
Von den zur Verfügung stehenden Benzodiazep<strong>in</strong>en wird nach <strong>der</strong> Umfrage von Mart<strong>in</strong> J et al. [53] <strong>in</strong> Deutschland im<br />
<strong>in</strong>tensivstationären Bereich hauptsächlich Midazolam mit <strong>der</strong> vorrangigen Indikationsstellung <strong>der</strong> Langzeitsedierung (> 72<br />
St<strong>und</strong>en) e<strong>in</strong>gesetzt (92 Prozent aller Kl<strong>in</strong>iken). Die Anwendung von Midazolam zur Kurzzeitsedierung erfolgte 2006 bei 35<br />
Prozent <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iken, dies ist e<strong>in</strong>e signifikante Abnahme gegenüber 2002 von 11 Prozent. Zur mittellangen <strong>Sedierung</strong> (24 -<br />
72 St<strong>und</strong>en) wurde mit 62 Prozent signifikant seltener Midazolam verwendet als 4 Jahre zuvor (77 Prozent). Im Wean<strong>in</strong>g<br />
erfolgte <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz zu 32 Prozent ([53]). Für e<strong>in</strong>e <strong>Sedierung</strong>sdauer über 7 Tagen kann Midazolam verwendet werden.<br />
Propofol weist bei <strong>der</strong> Langzeitsedierung ke<strong>in</strong>en Vorteil bezüglich <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> Entwöhnung vom Respirator gegenüber<br />
Midazolam auf (Mart<strong>in</strong> J et al. 2007).<br />
Benzodiazep<strong>in</strong>e wirken anxiolytisch, antikonvulsiv, zentral relaxierend sowie sedierend-hypnotisch. Sie besitzten e<strong>in</strong>e große<br />
therapeutische Breite, bieten aber auch e<strong>in</strong>en Ceil<strong>in</strong>g-Effekt. E<strong>in</strong> Abhängigkeitspotential besteht auch bei therapeutischen<br />
Dosierungen <strong>und</strong> führt zur Gefahr <strong>der</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>er Entzugssymptomatik. Benzodiazep<strong>in</strong>e haben häufig aktive<br />
Metabolite mit längerer Halbwertszeit als die Gr<strong>und</strong>substanz selbst, was die Kumulationsgefahr erhöht, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei<br />
<strong>in</strong>tensivmediz<strong>in</strong>isch behandlungspflichtigen Patienten mit Organfunktionsstörungen, [107]. Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> praktischen<br />
Anwendung ergeben sich auch aus <strong>der</strong> Möglichkeit paradoxer Reaktionen, die vorrangig bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> älteren Patienten<br />
auftreten können, <strong>und</strong> <strong>der</strong> zum Teil erheblich verlängerten Wirkdauer im Alter (Diazepam - Verlängerung <strong>der</strong> Elim<strong>in</strong>ations-<br />
Halbwertszeit bis 200% <strong>und</strong> Midazolam - Wirkungsverstärkung <strong>und</strong> Kumulation) [48]; [50] [41]; [103]. Das Hauptkriterium für<br />
den bevorzugten E<strong>in</strong>satz von Midazolam im europäischen Bereich ist dessen im Vergleich zu Lorazepam kürzere kontextsensitive<br />
Halbwertszeit <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene bessere Steuerbarkeit [100]. Bei jüngeren Erwachsenen mit e<strong>in</strong>er<br />
<strong>Sedierung</strong>sdauer über 72 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> beg<strong>in</strong>nen<strong>der</strong> Entzugssymptomatik können längerwirksame Benzodiazep<strong>in</strong>e<br />
aufgr<strong>und</strong> des pharmakodynamischen Effekts gegeben werden [41].<br />
Zu bevorzugen ist e<strong>in</strong>e Co-<strong>Sedierung</strong> von Midazolam mit e<strong>in</strong>em Opioid. Für die kont<strong>in</strong>uierliche Cosedierung von Midazolam<br />
<strong>und</strong> Fentanyl konnte gezeigt werden, dass sie e<strong>in</strong>facher <strong>und</strong> zielgenauer zu titrieren war als Midazolam alle<strong>in</strong> ohne<br />
signifikanten Unterschied <strong>der</strong> Nebenwirkungen wie Ileus [1].<br />
B.II.3.2.3 Etomidate<br />
Etomidate soll zur Langzeitsedierung nicht verwendet werden [60], [20], [21]. Auch die E<strong>in</strong>malgabe von Etomidate führt zu<br />
e<strong>in</strong>er 24-48-stündigen signifikanten Suppression <strong>der</strong> Cortisolproduktion. Der E<strong>in</strong>satz von Etomidate als<br />
E<strong>in</strong>leitungshypnotikum zur Intubation sollte daher auf Patienten mit schwerer kardiovaskulärer Insuffizienz beschränkt<br />
bleiben [22]. Hier hat es die Vorteile e<strong>in</strong>er guten hämodynamischen Stabilität, e<strong>in</strong>es schnellen Wirke<strong>in</strong>tritts <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er<br />
ger<strong>in</strong>gen Atemdepression.<br />
Nebenwirkungen<br />
Etomidate bewirkt e<strong>in</strong>e Depression <strong>der</strong> Nebennierenr<strong>in</strong>den-Steroidsynthese durch Inhibition <strong>der</strong> 11beta-Hydroxylase [22].<br />
Etomidate ist, wie bereits oben beschrieben, daher nur nach sorgfältiger Nutzenabwägung anzuwenden. E<strong>in</strong>e<br />
möglicherweise bereits vorbestehende Nebennierenr<strong>in</strong>den<strong>in</strong>suffizienz, z.B. im Rahmen e<strong>in</strong>es septischen Schocks, kann<br />
aggraviert werden [118]. Bereits e<strong>in</strong>e Intubationsdosis Etomidate könnte durch die Suppression <strong>der</strong> Steroidsynthese das<br />
Outcome septischer Patienten verschlechtern [118] [20] Dagegen fand e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Studie mit 159 septischen Patienten<br />
ke<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen dem E<strong>in</strong>leitungshypnotikum <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vasopressorgabe, sowie ke<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e<br />
kl<strong>in</strong>ische Verschlechterung o<strong>der</strong> dem Nutzen e<strong>in</strong>er Steroidgabe nach Intubation mit Etomidate [21].<br />
B.II.3.2.4 Barbiturate<br />
Barbiturate wirken hypnotisch <strong>und</strong> antikonvulsiv [119]. Ihre vorrangige Indikationsstellung liegt im neurochirurgischen <strong>und</strong><br />
neurotraumatologischen Bereich, wenn e<strong>in</strong>e Reduktion des Hirnstoffwechsels (CMRO2) durch Senkung des Sauerstoff<strong>und</strong><br />
Glukoseverbrauchs erzielt werden soll. Barbiturate besitzen e<strong>in</strong>en hirndrucksenkenden Effekt (ICP), sie können<br />
jedoch auch schwere Hypotensionen auslösen mit Reduktion des cerebralen Blutflußes (CBF). Ihr hyperalgetischer Effekt<br />
macht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die Komb<strong>in</strong>ation mit e<strong>in</strong>em Opioid erfor<strong>der</strong>lich [120]. Thiopental ist e<strong>in</strong> kurzwirksames Barbiturat, jedoch<br />
kommt es bei kont<strong>in</strong>uierlicher Anwendung zur Akkumulation im Fettgewebe, daher sollte es nur zur Bolusgabe verwendet<br />
werden [119]. Phenobarbital ist lang wirksam <strong>und</strong> daher am ehesten zur antikonvulsiven Therapie e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
Generell werden Barbiturate nur selten zur kont<strong>in</strong>uierlichen <strong>Sedierung</strong> e<strong>in</strong>gesetzt. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> langen (effektiven)<br />
Halbwertzeit s<strong>in</strong>d sie schwer zu titrieren <strong>und</strong> daher nicht zur rout<strong>in</strong>emäßigen <strong>Sedierung</strong> von <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
neurochirurgischen Patienten zu empfehlen, da die neurologische Beurteilbarkeit erschwert wird (siehe auch Kapitel<br />
Spezielle Patientengruppen).<br />
B.II.3.2.5 Alpha2-Adrenozeptoragonisten<br />
Wie die Umfrage von Mart<strong>in</strong> J et al. [53] zeigte, fand sich auf nahezu allen deutschen Intensivstationen e<strong>in</strong>e verbreitete<br />
Anwendung von Clonid<strong>in</strong> als adjuvante Substanz <strong>in</strong> allen <strong>Sedierung</strong>sphasen. Clonid<strong>in</strong> wurde von 34 Prozent <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Sedierung</strong>sphase bis 24 St<strong>und</strong>en, von 50 Prozent bei <strong>Sedierung</strong> zwischen 24 <strong>und</strong> 72 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> von 53 Prozent bei<br />
Langzeitsedierung > 72 St<strong>und</strong>en e<strong>in</strong>gesetzt. Im Rahmen des Wean<strong>in</strong>gprozesses vom Respirator nutzten 59 Prozent <strong>der</strong><br />
deutschen Kl<strong>in</strong>iken Clonid<strong>in</strong>.<br />
Die Relevanz <strong>der</strong> -2-Adrenozeptoragonisten hat <strong>in</strong> den letzten Jahren sowohl unter kl<strong>in</strong>ischen als auch ökonomischen<br />
Aspekten zugenommen. Kl<strong>in</strong>isch zeichnen sich diese Substanzen vorrangig durch e<strong>in</strong>e analgosedative, anxiolytische <strong>und</strong><br />
antihypertensive Wirkung aus. Der Sympathikotonus wird gesenkt. Clonid<strong>in</strong> kann bei folgenden Indikationsstellungen<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden: Basissedierung (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei hypertensiven Intensivpatienten), Therapie sympathikoadrenergstimulierter<br />
<strong>und</strong> paradoxer Aufwachreaktionen, Prophylaxe <strong>und</strong> Behandlung von Entzugssyndromen nach<br />
Langzeitanalgosedierung o<strong>der</strong> bei vorbestehendem Alkoholabusus, sowie Reduktion des postoperativen Shiver<strong>in</strong>gs. E<strong>in</strong>e<br />
adjuvante Therapie mit Alpha2-Adrenozeptoragonisten kann e<strong>in</strong>e Dosisreduktion von Sedativa <strong>und</strong> Analgetika <strong>in</strong>duzieren<br />
<strong>und</strong> damit <strong>der</strong>en Nebenwirkungen (z.B. Atemdepression durch Opioide <strong>und</strong> Benzodiazep<strong>in</strong>e) reduzieren sowie zu e<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>sparung teurer Medikamente führen [24] [121] [122] [123] [124]. Folgende Nebenwirkungen begrenzen den E<strong>in</strong>satz von<br />
Clonid<strong>in</strong>: bradykarde Herzrhythmusstörungen durch Verlängerung <strong>der</strong> Refraktärzeit des AV-Knotens, Blutdruckabfall durch<br />
Reduktion des peripheren Wi<strong>der</strong>standes <strong>und</strong> Hemmung <strong>der</strong> gastro<strong>in</strong>test<strong>in</strong>alen Motilität jedoch ohne Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>der</strong><br />
Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt.<br />
E<strong>in</strong> weiterer -2-Agonist mit günstigen Eigenschaften für die <strong>Sedierung</strong> ist Dexmedetomid<strong>in</strong>, allerd<strong>in</strong>gs ist es <strong>in</strong><br />
Deutschland noch nicht zugelassen [85]. Riker et al wiesen unter E<strong>in</strong>satz von Dexmedetomd<strong>in</strong> im Vergleich mit Midazolam<br />
e<strong>in</strong>e kürzere Beatmungsdauer <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Delirprävalenz nach [125] (LoE 2a).<br />
B.II.3.2.6 Ketam<strong>in</strong><br />
Ketam<strong>in</strong> wird auf deutschen Intensivstationen, wie die Umfrage von Mart<strong>in</strong> J et al. ([53] zeigt, vorzugsweise adjuvant zur<br />
<strong>Sedierung</strong> e<strong>in</strong>gesetzt mit Schwerpunkt <strong>in</strong> den <strong>Sedierung</strong>sphasen 24 bis 72 St<strong>und</strong>en (26% aller Kl<strong>in</strong>iken) <strong>und</strong> größer 72<br />
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12.01.2010