Wir machen die Musik! - Musikland Niedersachsen
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keit von Veränderungen sahen; es gab auch Bereitschaft zu Veränderungen. Nirgendwo aber<br />
wurde der Prozess methodisch verfolgt, nirgends wurden Praktiken, wie sie in der <strong>Wir</strong>tschaft<br />
tausendfach erprobt sind, angewandt. Kreativ, so hieß es, sind wir im Kulturbereich per definitionem.<br />
So hing <strong>die</strong> Entwicklung der Konzerthäuser von punktuellen Wahrnehmungen, Ideen<br />
und Initiativen ab.<br />
Wie Innovation funktionieren kann, möchte ich zum Abschluss dann doch am Beispiel der<br />
Berliner Philharmonie erläutern. Es mag tröstlich stimmen, dass trotz aller Unvollkommenheiten<br />
bei günstigen Ausgangsbedingungen und mit Glück Erfolge zu erreichen sind:<br />
Nach dem erzwungenen Rücktritt Claudio Abbados entschieden sich <strong>die</strong> Philharmoniker dafür,<br />
einen Engländer zu ihrem Chefdirigenten zu <strong>machen</strong>. Als Simon Rattle im Jahr 2002 dann<br />
kam, ersetzte er deutsche Konzepte durch englische. Anstelle unseres alten Konzepts von Erziehung<br />
sagte er education. Anstatt ein dramaturgisch ausgeklügeltes Programm zu entwerfen,<br />
versprach er, erst einmal alle food groups zu be<strong>die</strong>nen. An Stelle von Kunst redete er von<br />
community. Rattle sprach zunächst kein Deutsch und Kritiker warfen ihm vor, auch deutsche<br />
<strong>Musik</strong> verstehe er nicht. Was Rattle aber einbrachte, war ein angelsächsischer Stil von leadership<br />
in der Philharmonie. Darin erwies sich Rattles Ernennung als <strong>die</strong> folgenreichste Innovation<br />
der vergangenen Jahre in der Philharmonie. Sein Führungsstil ist weniger durch Begriffe,<br />
Konzepte oder Prinzipien bestimmt als traditionelle deutsche Modelle. Er ist pragmatisch<br />
und kommunikativ und von daher der Innovation mehr zugeneigt.<br />
Ökonomisch haben <strong>die</strong> durch Rattle und mit ihm angeregten Neuerungen einen positiven Regelkreis,<br />
einen circulus virtuosus in Gang gesetzt. Die Exzellenz des Orchesters zieht ein exzellentes<br />
Publikum an, das seinerseits das Ansehen der Organisation erhöht. Das hohe Ansehen<br />
erlaubt es, hohe Gagen auf den Tourneen zu verlangen und regt Sponsoren zu großzügigen<br />
Beiträgen an. Ihr Ansehen erlaubt es den Philharmonikern auch, Experimente mit sozialen<br />
Gruppen zu <strong>machen</strong>, <strong>die</strong> üblicherweise keinen Prestigegewinn vermitteln. Der soziale und stilistische<br />
Kontrast zwischen den Philharmonikern und ihren jungen Interaktionspartnern weckt<br />
nun das Interesse der Me<strong>die</strong>n an den Experimenten. Offenkundig ist <strong>die</strong> Mediatisierungsstrategie<br />
der Philharmonie ihrerseits eine Innovation, <strong>die</strong> symbolische Repräsentation und handfeste<br />
Ressourcengewinnung miteinander verbindet. Jedenfalls macht es der durch <strong>die</strong> Berichterstattung<br />
erhöhte Aufmerksamkeitswert der Philharmoniker wiederum Sponsoren leichter,<br />
großzügige Beiträge zu leisten – ihre eigene Sichtbarkeit erhöht sich mit jener der Philharmoniker.<br />
Das damit generierte Einkommen trägt dazu bei, exzellente <strong>Musik</strong>er anzustellen, und so<br />
weiter.<br />
<strong>Wir</strong> müssen <strong>die</strong> Berliner Philharmonie nicht in <strong>Niedersachsen</strong> kopieren. Es gibt Modelle, <strong>die</strong><br />
besser zu uns passen. Aber lassen Sie uns unsere Sache in Bewegung bringen. Lassen Sie uns<br />
viele virtuose Zirkel hier in Gang setzen.