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AlltAg im RheinlAnd - Institut für Landeskunde und ...

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<strong>AlltAg</strong><br />

Berichterstatter: Weiblich, Jahrgang 1952,<br />

verheiratet.<br />

Sonntag ... Langsam erwache ich. Heute<br />

klingelt kein Wecker. Köstlich, wenn der<br />

Sonntagmorgen ganz allmählich anbrechen<br />

kann. Blinzelnd schaue ich aus dem Fenster.<br />

Mein Blick wird von der Birke gefangen,<br />

deren Zweige weit ausladend über den Gartenzaun<br />

ragen. Der H<strong>im</strong>mel ist grau - niederrheingrau,<br />

geschlossene Wolkendecke.<br />

Die Menschen am Niederrhein lieben ihren<br />

grauen H<strong>im</strong>mel, die ersten Nebel <strong>im</strong><br />

Herbst, die triefende Nässe auf den dann<br />

laublosen Bäumen, aber noch ist es nicht so<br />

weit. Nach mäßigem Sommer ist die Sehnsucht<br />

auf goldene Oktobertage gerichtet.<br />

Das graue Wolkentuch bricht auf. Feine<br />

rosa Streifen werden am Horizont sichtbar.<br />

`Morgenrot, Regen droht`, meint dazu der<br />

Volksm<strong>und</strong>. Der Niederrheiner kennt zu<br />

jeder Lebenslage mindestens einen Spruch!<br />

Sonntag, der Tag des Herrn. 3. Gebot: Du<br />

sollst den Feiertag heiligen. Du wirst den<br />

Feiertag heiligen, betont moderne Theologie!<br />

Man müsste es an meinem Sonntag ablesen<br />

können, dass ich IHM die Ehre gebe.<br />

Es gibt viele Tätigkeiten, die ich sonntags<br />

ruhen lasse. Keine handwerklichen Arbeiten,<br />

kein Graben <strong>im</strong> Garten, keine Einkäufe,<br />

auch wenn die Brötchen sonntags frischer<br />

wären, ach ja, <strong>und</strong> keine Wäsche <strong>im</strong><br />

Garten (wegen der Nachbarn?)<br />

Meine Gedanken verlieren sich. Der Kirchgang<br />

wartet. Ich schwinge die Beine aus<br />

dem Bett <strong>und</strong> trotte ins Bad. Aus der Küche<br />

duftet Kaffee, der Eierkocher brummt. Leise<br />

pfeift mein Mann vor sich hin. Seine Schritte<br />

verraten mir, dass der Frühstückstisch <strong>im</strong><br />

Essz<strong>im</strong>mer gedeckt wird, wie <strong>im</strong>mer sonntags<br />

- nur sonntags. Eine Extrafreude <strong>für</strong><br />

mich, denn das gibt mir die Gelegenheit,<br />

12<br />

mich so an den Tisch zu setzen, dass mein<br />

Blick in den Garten fällt.<br />

Noch etwas schlaftrunken sitzen wir uns<br />

gegenüber, sehen uns an, genießen den warmen<br />

Kaffee <strong>und</strong> die Brötchen. Heute gibt<br />

es sogar Rührei. Wir erzählen ein bisschen,<br />

dann verebbt das Gespräch wieder. Jeder<br />

hängt seinen Gedanken nach.<br />

Später auf dem Weg zur Kirche, besser angezogen<br />

als sonst, niemals <strong>im</strong> T-Shirt! Der<br />

Kirchgang, wichtigstes Ritual des Tages,<br />

Quelle <strong>für</strong> die kommende Woche. Wir treffen<br />

auf Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannte. Es ist schön,<br />

hier nicht unter Fremden zu sein. Als wir<br />

jung waren, waren die Kinder <strong>im</strong>mer dabei.<br />

Das ist schon lange vorbei <strong>und</strong> wir kommen<br />

wieder zu zweit.<br />

Die Predigt ist wichtig! Darüber wird man<br />

sich nach dem Gottesdienst unterhalten.<br />

Am liebsten in der Espressor<strong>und</strong>e, die<br />

Fre<strong>und</strong>e als Ausklang des Gottesdienstes<br />

eingerichtet haben. Es geht auch ums Festhalten,<br />

nicht sofort auseinander laufen! Das<br />

Neueste in der Politik, das letzte Buch, der<br />

aktuelle Film <strong>im</strong> Kino, die anstehende Reise<br />

- eine St<strong>und</strong>e Zeit, um bei Pralinen <strong>und</strong><br />

Espresso darüber zu debattieren!<br />

Später auf dem Weg nach Hause. Heute<br />

steht kein Besuch an. Also Zeit, um den<br />

Tag ein wenig zu vertrödeln, viel lesen, irgendwann<br />

kochen, mit dankbarem Genuss<br />

essen - heute ist die Zeit da<strong>für</strong>, kein Termin<br />

drängt, keine Verpflichtung. Statt Nachtisch<br />

Cappuccino - das Leben ist schön.<br />

Schon Zeit <strong>für</strong> die Sportschau – aber nur<br />

<strong>für</strong> meinen Mann. Ich finde mich an meinem<br />

Lieblingsplatz wieder: mein Schreibtisch,<br />

mit Blick auf den H<strong>im</strong>mel. Be<strong>im</strong><br />

Nachdenken suchen meine Augen den<br />

Baum vor dem Fenster als Ruhepunkt. So<br />

kann ich mich am besten sammeln, um das<br />

zu tun, was ich am liebsten tue: schreiben.

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