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AlltAg im RheinlAnd - Institut für Landeskunde und ...

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essen<br />

der Kinder spielt eine Rolle, auch das Geschlecht<br />

– die Jungen sitzen auf der einen<br />

Seite, die Mädchen auf der anderen. Die<br />

Geschlechtertrennung orientiert sich klar<br />

an religiösen Vorbildern, ob Kreuzigungsszenen<br />

oder die Darstellung des Jüngsten<br />

Gerichts, stets gilt die rechte Seite als männliche,<br />

die linke war den Frauen vorbehalten.<br />

Die hier dargestellte symbolische Ordnung<br />

der Geschlechter ist <strong>im</strong> vormodern- religiös<br />

f<strong>und</strong>ierten Denken mit moralischen Kategorien<br />

verb<strong>und</strong>en: Nach rechts gehen die<br />

Erlösten ins Paradies, auf der linken Seite<br />

wartet der Höllenschl<strong>und</strong>, rechts sitzen<br />

die „Gerechten“, links die Verdammten. 14<br />

Damit erhält die dargestellte Rechts-Links-<br />

Ordnung am Esstisch einen moralischen<br />

Unterton – die Sitzordnung repräsentiert<br />

die Bewertung <strong>und</strong> Hierarchisierung der<br />

Geschlechter.<br />

Auch die bäuerliche Tafel in Abb. 5 zeigt in<br />

ihrer Sitzordnung die soziale Ordnung: Geschlecht,<br />

sozialer Status, Alter, Rechte, Rollen<br />

– all diese Kategorien spiegeln sich be<strong>im</strong><br />

Einnehmen der gemeinsamen Mahlzeit<br />

oder auch der Ausgrenzung vom Esstisch.<br />

Zur Entstehung der „bürgerlichen<br />

Küche“: Raum <strong>und</strong> Speisesystem<br />

des 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

Tisch <strong>und</strong> Herd als Elemente der Küche<br />

werden räumlich spätestens <strong>im</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

zunehmend getrennt. Der bürgerliche<br />

Haushalt orientiert sich in seinen räumlichen<br />

Konfigurationen an den ausdifferenzierten<br />

Raumordnungen des Adels – <strong>im</strong><br />

Bürgerhaus findet sich also das Essz<strong>im</strong>mer<br />

getrennt von der Küche, die zum reinen Arbeitsraum<br />

wird. Wobei die Dame des Hauses<br />

nach Möglichkeit nicht selbst am Herd<br />

14 Vgl. Jezler: Jenseitsmodelle.<br />

50<br />

steht, sondern nur noch Köchin <strong>und</strong> Hausmädchen<br />

überwacht. 15<br />

Die technischen Entwicklungen dieser Zeit<br />

führen auch <strong>im</strong> Haushalt zu Veränderungen.<br />

Der neue Herd ist deutlich kleiner als<br />

die alten Kochstellen, die gußeisernen Exemplare<br />

werden Kochmaschine genannt,<br />

die auch mit Kohle befeuert werden können.<br />

16 Als „Sparherd“ sorgten sie gleichzeitig<br />

mit ihren Strukturen <strong>für</strong> eine Veränderung<br />

des Mahlzeitensystems. 17 Die unterschiedlichen<br />

Kochfelder, integrierte Backröhre <strong>und</strong><br />

leichte Bedienung machten es einfacher, in<br />

mehreren Pfannen <strong>und</strong> Töpfen gleichzeitig<br />

zu kochen, d. h., die Nahrungsmittel getrennt<br />

voneinander zuzubereiten. Damit<br />

wurde die Eintopf- <strong>und</strong> Breiküche abgelöst<br />

vom „bürgerlichen Menue“, klassisch aus<br />

Fleisch, Kartoffeln <strong>und</strong> Gemüsebeilage auf<br />

dem Teller. Wie der Name aber schon sagt,<br />

zunächst eine statusträchtige Mahlzeit des<br />

wohlhabenden Bürgertums.<br />

Schon Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts waren die<br />

ersten Gasherde auf dem Markt <strong>und</strong> um<br />

1900 der erste Elektroherd, der sich allerdings<br />

erst nach dem 2. Weltkrieg durchsetzte.<br />

Derartig exklusive Lebensbedingungen<br />

mit differenzierten Mahlzeiten <strong>und</strong> technisch<br />

aufgerüsteten Küchen waren einer<br />

kleinen Bevölkerungsgruppe vorbehalten.<br />

Der größte Teil der Bevölkerung lebte <strong>im</strong><br />

19. Jahrh<strong>und</strong>ert anders: die Arbeiter in den<br />

Städten <strong>und</strong> die ländliche Bevölkerung.<br />

Arbeiterwohnungen waren klein <strong>und</strong> eng,<br />

neben der Familie wurden oftmals so ge-<br />

15 Vgl. Irene Schicker-Ney: Die ‚Erfindung‘ von<br />

Hausfrau <strong>und</strong> Hausarbeit. In: Andritzky: Oikos, S.<br />

172-181.<br />

16 Vgl. Tränkle: Geschichte des Herdes.<br />

17 Ingrid Ehrensperger: Gutbürgerliche Küche.<br />

Sparherd statt offener Feuerstelle. In: Ueli Gyr (Hg.):<br />

Soll <strong>und</strong> Haben. Alltag <strong>und</strong> Lebensformen bürgerlicher<br />

Kultur. Zürich 1995, S. 229-242.

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