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AlltAg im RheinlAnd - Institut für Landeskunde und ...

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essen<br />

die Sprache der Küche<br />

Vom lebensmittelpunkt<br />

zum hobby?<br />

von dagmar hänel<br />

Vor einigen Jahren konnte ich in <strong>im</strong> Garten<br />

eines Nachbarn folgende Szene beobachten:<br />

Die Nachbarskinder spielten <strong>im</strong> Sandkasten,<br />

aufgebaut war eine Spielküche in<br />

buntem Plastikdesign, gespielt wurde eine<br />

beliebte Episode aus dem Kinderspielklassiker<br />

„Vater, Mutter, Kind“´. Vater kommt<br />

von der Arbeit nach Hause <strong>und</strong> beginnt ein<br />

Gespräch mit Mutter.<br />

Kind 1: Hallo Mutter, was gibt‘s denn heute<br />

zu essen?“<br />

Kind 2: „Hallo Vater – Dein Essen steht in<br />

der Mikrowelle“.<br />

Kinder spielen den Alltag nach, den sie beobachten.<br />

Spielen ist eine Form der Aneignung<br />

von Verhaltensformen, von Normen<br />

<strong>und</strong> Werten, Spielen ist Enkulturation. 1 An<br />

der beschriebenen Szene sind aus kulturwissenschaftlicher<br />

Perspektive zwei Aspekte<br />

bemerkenswert.<br />

Erstens: Das die Mutter spielende Kind verortet<br />

ganz selbstverständlich das Essen in<br />

der Mikrowelle. Vielleicht lassen sich daraus<br />

Rückschlüsse ziehen auf den Stellenwert<br />

von selbst gekochtem Essen <strong>und</strong> der gemeinsam<br />

eingenommenen Mahlzeit.<br />

Zweitens: eine komplett eingerichtete Spiel-<br />

1 Vgl. Ingeborg Weber-Kellermann: Die Kinderstube.<br />

Frankfurt am Main/Leipzig 1991.<br />

44<br />

küche <strong>im</strong> Sandkasten gehört zu signifikanten<br />

Objekten der Alltagskultur, die uns über<br />

Strukturen <strong>und</strong> Funktionsweisen unserer<br />

Gesellschaft Auskunft erteilt. Diese Spielküche<br />

enthält ganz selbstverständlich eine<br />

Mikrowelle. Herd, Kühlschrank, Schränke<br />

<strong>und</strong> Schubladen gehören auch dazu.<br />

Die Spielküche ist eine zwar verkleinerte,<br />

in den Formen vereinfachte <strong>und</strong> bunt gestaltete<br />

Nachbildung einer echten Küche.<br />

Damit zeigt auch diese aktuelle Spiel- oder<br />

Puppenküche ein Charakteristikum, das<br />

dieses bis heute als typisches Mädchenspielzeug<br />

geltende Objekt schon seit 200<br />

Jahren prägt: In die Puppenküchen halten<br />

technische Neuerungen manchmal schneller<br />

Einzug als in die Küchen der Erwachsenen.<br />

So zeigen die zahlreichen Sammlungen<br />

von Puppenküchen aus dem 18. <strong>und</strong> 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert überwiegend „ein Abbild von<br />

Küchen Priviligierter“, 2 also gut ausgestattete<br />

bürgerliche oder adelige Küchen, eher<br />

selten ist die zeitgleich viel weiter verbreitete<br />

Rauchküche <strong>im</strong> Spielzeug umgesetzt.<br />

Die kleine Eingangsgeschichte zeigt, die<br />

2 Eva Stille: Von der dunklen zur hellen Küche. Geschichte<br />

von Küche <strong>und</strong> Puppenküche bis 1900. In:<br />

Michael Andritzky (Hg.): Oikos. Von der Feuerstelle<br />

zur Mikrowelle. Haushalt <strong>und</strong> Wohnen <strong>im</strong> Wandel.<br />

Gießen 1992, S. 62-76, hier S. 62.

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