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BEITRÄGE 123<br />

VI. Zahlen<br />

In keiner der zum Thema „Flucht und Vertreibung” herangezogenen<br />

Darstellungen fand ich belastbare Zahlen zur<br />

Anzahl der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen. Man<br />

ist also auf Schätzungen angewiesen. Die meisten Schätzungen<br />

bewegen sich zwischen 10 und 14 Mio. Bei dieser<br />

Sachlage kann man nur auf die Seriosität der Schätzer abstellen.<br />

Bei dem deutschen Historiker Hans-Ulrich Wehler<br />

und dem amerikanischen Historiker R.M. Douglas fand ich<br />

die Angaben: rund 14 Mio Deutsche und „Volksdeutsche<br />

(Wehler: Die Flucht, S. 10) und die Zahl 12 bis 14 Mio bei<br />

Douglas (Ordnungsgemäße Überführung, S. 13). Zur Verteilung<br />

fand ich über Google (Wikipedia) folgende geschätzte<br />

Zahlen: SBZ 4,4 Mio, amerikanische Besatzungszone<br />

knapp 3 Mio, britische Besatzungszone 3,3 Mio und französische<br />

Besatzungszone 0,06 Mio. Ob dabei auch Wanderungsbewegungen<br />

zwischen den Zonen – also z.B. wie in<br />

unserem Fall 1946 von der SBZ in die amerikanische Zone<br />

– berücksichtigt worden sind, kann nicht gesagt werden.<br />

VII. Zusammenfassung<br />

1. Douglas kommt zu dem Ergebnis, dass fiir den Rest der<br />

Welt außerhalb Deutschlands die Geschichte der Vertreibungen<br />

„das am besten gehütete Geheimnis des Zweiten<br />

Weltkriegs ist.” (Ordnungsgemäße Überführung, S.14). Das<br />

hängt auch damit zusammen, dass die Vertreibungsländer<br />

ausschließlich als Opfer und nicht auch als Täter gesehen<br />

werden möchten.<br />

2. Es handelte sich um die größte Zwangsumsiedlung in der<br />

Menschheitsgeschichte (Douglas, S.17). Zusammen mit den<br />

weiteren, von Hitler und Stalin Zwangsumgesiedelten, Deportierten<br />

und Gefangenen bildete dies einen traurigen Rekord<br />

in der Geschichte.<br />

3. Nicht zuletzt durch den Aufbauwillen und die Leistungsbereitschaft<br />

der Vertriebenen ist das deutsche Wirtschaftswunder<br />

ermöglicht worden. Dabei geschah die Aufnahme<br />

im Reichsgebiet diesseits der Oder/Neiße u.a. in weitgehend<br />

zerstörten Großstädten.<br />

4. „Deportation” war ein Anklagepunkt bei den Nürnberger<br />

Kriegsverbrecherprozessen. Dazu Bertrand Russel: „Sind<br />

Massendeportationen Verbrechen, wenn sie von unseren<br />

Feinden während des Krieges durchgeführt werden, und gerechtfertigte<br />

Maßnahmen sozialer Anpassung, wenn unsere<br />

Verbündeten sie im Frieden veranlassen” (zit. nach Douglas,<br />

a.a.O. S. 357).<br />

5. Die Vertreibungen sind Teil der unsäglichen europäischen<br />

Geschichte der Kriegs- und Nachkriegszeit. So ist es besonders<br />

hervorzuheben, dass zwei Generationen später Vertreiber<br />

wie Vertriebene in der Europäischen Union zusammengeschlossen<br />

sind. Möglicherweise war der absolute<br />

Tiefpunkt der Schlüssel für die heutige Lösung. <br />

Jenseits von Oder und Neiße<br />

Das alte Ostdeutschland im Spiegel der DDR-Literatur<br />

GEORG K. SCHMELZLE<br />

Erst ein Jahr nach dem Mauerfall wurde bekannt, dass<br />

allein vier Millionen ehemalige Ost- und Sudetendeutsche<br />

auf dem Gebiet der ehemaligen DDR mit<br />

ihren Nachfahren lebten. Weitere zwei Millionen waren<br />

von 1945 bis zum 13. August 1961 (Mauerbau in Berlin)<br />

weiter nach Westen geflohen. Auch von den Schriftstellern<br />

und Dichtern der DDR sind genau ein Viertel jenseits von<br />

Oder/Neiße und südlich des Erzgebirges geboren, wenn wir<br />

in der DDR-offiziellen Sammlung DICHTER IM FRIE-<br />

DEN von 1986 nachlesen.<br />

Natürlich sind dabei die zwei Dutzend Literaten unberücksichtigt,<br />

die man mit der Zeit aus dem „Arbeiter- und<br />

Bauernstaat” herausgeekelt hatte, weil sie nicht linientreu<br />

schrieben. Nur sieben Schriftsteller waren im Westen und<br />

Süden Deutschlands geboren und stellten sich nach<br />

Kriegsende den Sowjets zur Verfügung, darunter so bedeutende<br />

wie Anna Sehgers (Mainz), Berthold Brecht<br />

(Augsburg) und die Gebrüder Hermann und Uwe Kant<br />

(Hamburg). Sie wollten helfen, den Sozialismus auf deutschem<br />

Boden in den Kommunismus überzuleiten und sahen<br />

bewusst keine Internierungslager, Vergewaltigungen<br />

oder andere Übergriffe der „sowjetischen Befreier”. Diejenigen,<br />

die aus dem Deutschen Osten stammten, hatten es<br />

sehr schwer aus ihrer Jugendzeit zu schöpfen, sie konnten<br />

höchstens von der Ausbeutung der Arbeiter und Bauern<br />

durch die adeligen Gutsbesitzer und „Kapitalisten” schreiben.<br />

Geschickt gelöst hat dieses Problem Johannes<br />

Bobrowski in seinen LITAUISCHE CLAVIERE, die das<br />

Lokalkolorit von Preußisch-Litauen östlich von Gumbinnen<br />

schilderte mit der Benachteiligung dieser „Litauer”<br />

durch die „deutschen Kolonisten”. Darum wurde er auch<br />

im Westen Deutschlands verlegt, weil er einen Gegenpol zu<br />

der umfänglichen Vertriebenenliteratur in den Westzonen<br />

und später in der Bundesrepublik darstellte, die die<br />

Schönheit der alten Heimat verklärt schilderte und Flucht<br />

und Vertreibung drastisch beschrieb. Günter Grass tat das<br />

aber erst 2001 in KREBSGANG!<br />

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass im<br />

Kommunismus nur parteiliche Schriftsteller gebraucht und<br />

geduldet wurden. Anna Sehgers hat das schon in dem<br />

Geleitwort im aufwendigen Bildband DICHTER IM FRIE-<br />

DEN (1986) formuliert: „Denn es begann mit dem Frieden<br />

der Anteil des Buches am friedlichen, antiimperialistischen<br />

Denken. Viel ist getan. Als ich aus der Emigration zurück-

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