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PDF-Ausgabe - Verantwortung Zukunft

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<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Jahresabonnement 25,00 Euro<br />

Das Magazin<br />

Ernährung<br />

Global sichern<br />

Im Gespräch: Jochen Zeitz<br />

Grüne Gentechnik<br />

Rio und die Enkel<br />

Werkstoff Carbon<br />

Den Umweltkosten Rechnung<br />

tragen in Euro und Cent<br />

Bessere Ernten – mit Hightech<br />

gegen den Hunger<br />

<strong>Verantwortung</strong> organisatorisch<br />

und institutionell verankern<br />

Das Auto der <strong>Zukunft</strong><br />

entsteht am Webstuhl


Die Batterie – ein Schlüsselfaktor für die Energiesicherheit<br />

Praxisforum am Mittwoch, 27. Juni, 9.45 Uhr<br />

BMZ GmbH, Karlstein bei Frankfurt am Main<br />

Es diskutieren:<br />

• Sven Bauer, BMZ GmbH<br />

• Dr. Jochen Mähliß, batteryuniversity.eu GmbH<br />

• Ulrich Spaetling, E.ON Innovation Center Energy Storage<br />

Bildnachweise: Auto: © Henrik Jonsson/iStock; Batterien: © zettberlin/photocase; Windräder und Solarzellen: © thinkstock<br />

Mit Unterstützung von<br />

Teilnahmegebühr 95,– Euro zzgl. MwSt.<br />

Weitere Informationen und Anmeldung: Telefon (0 69) 75 91-32 09,<br />

anmeldung@faz-institut


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Editorial<br />

Technikfreundlich, innovationsbegeistert, konstruktiv<br />

Wohl jeder Bürger bekennt sich heute<br />

spontan zu Nachhaltigkeit und verantwortungsvollem<br />

Handeln. Wohl jeder würde im<br />

Rahmen seiner Möglichkeiten gern noch<br />

mehr für Gesellschaft und Umwelt tun.<br />

Doch welche Ziele sind erstrebenswert,<br />

welcher Weg ist der richtige<br />

Die einen wollen „den grundlegenden<br />

Wandel“ – sofort und radikal. Klimawandel,<br />

Hunger oder Finanzsysteme machen sie<br />

ängstlich, wütend oder betroffen. Wachstum,<br />

Globalisierung und Leistungsdruck sind<br />

für sie negative Auswüchse der modernen<br />

Leistungsgesellschaft. Manche bekämpfen<br />

neue Straßen, Bahnhöfe, Windparks, demonstrieren<br />

gegen Flughäfen oder zerstören<br />

Maisfelder. Große Infrastrukturprojekte wie<br />

neue Stromtrassen sind manchen suspekt,<br />

selbst wenn sie für die von ihnen geforderte<br />

Energiewende zwingend erforderlich sind.<br />

Allein – viele dieser Menschen stehen nicht<br />

in der <strong>Verantwortung</strong>, schon gar nicht an der<br />

Spitze eines Unternehmens. Und da lässt es<br />

sich leichter reden.<br />

Andere wiederum begrüßen den kontrollierten<br />

Wandel. Konstruktiv und engagiert<br />

stellen sie sich den Herausforderungen und<br />

wollen die <strong>Zukunft</strong> aktiv gestalten. Viele dieser<br />

Menschen sehen in technischen Innovationen<br />

die Lösung für Probleme. Sie nehmen<br />

den Wettbewerb an und sehen in seiner<br />

kreativen Kraft den Schlüssel zum Wohlstand<br />

für alle.<br />

„<strong>Verantwortung</strong> <strong>Zukunft</strong>“ versucht mit<br />

diesem Heft erneut, konkrete Ansätze für<br />

praktikable und zielführende Lösungen vorzustellen:<br />

technikfreundlich, innovationsbegeistert,<br />

konstruktiv. Auf unserer Konferenz<br />

„Mit Green Technology auf der Überholspur“<br />

haben wir kürzlich in Unternehmen hineingehört<br />

und erfahren, wie sie ihrer <strong>Verantwortung</strong><br />

im produktiven, unternehmerischen<br />

Sinne gerecht werden. Vertreter großer und<br />

mittlerer Firmen haben in Hannover gezeigt,<br />

wie sie die Herausforderungen als Chance<br />

und nicht als Bedrohung verstehen. Ihr<br />

Ansinnen ist es, ihr Unternehmen fit für die<br />

<strong>Zukunft</strong> zu machen und den langfristigen<br />

Geschäftserfolg zu sichern.<br />

Profitieren auch Sie davon:<br />

auf www.verantwortungzukunft.com.<br />

Und auch in diesem Magazin präsentieren<br />

wir Ihnen einige interessante Lösungsansätze.<br />

Ein wunderbares Beispiel ist der Werkstoff<br />

Carbon, mit dem BMW eine Revolution im<br />

umweltfreundlichen Automobilbau plant.<br />

Schaffen es die Münchner, die industrielle<br />

Produktion kostenvertretbar umzusetzen,<br />

könnten sie mit ihren neuen Fahrzeugkonzepten<br />

den Markt verändern.<br />

In unserem Schwerpunkt Ernährung werden<br />

Fakten und Lösungen zum Thema Hunger in<br />

der Welt vorgestellt. Dazu drucken wir ein<br />

Plädoyer für die grüne Gentechnik. Aus Sicht<br />

unseres Autors wird sie in Europa zu Unrecht<br />

verteufelt – und damit eine große Chance vergeben,<br />

nämlich den Armen der Welt zu helfen.<br />

Gabriele Kalt, Verantwortliche Redakteurin<br />

// Internationale Fachkonferenz „Mit Green Technology auf der Überholspur“


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Inhalt<br />

6 8<br />

IM GESPRÄCH<br />

6 Jochen Zeitz<br />

„Unternehmen müssen vorangehen“<br />

22 Georg Fahrenschon<br />

„Die Energiewende muss sich rechnen“<br />

40 Dr. Reiner Korthauer<br />

„Deutschland zum Leitmarkt für<br />

Elektromobilität entwickeln“<br />

48 Ulrich Kranz<br />

„Nachhaltigkeit über die gesamte<br />

Wertschöpfungskette“<br />

MEGATRENDS<br />

8 Hightech gegen den Hunger<br />

Grüne Gentechnik wird zu Unrecht<br />

bekämpft<br />

12 Überfluss war gestern<br />

Das globale Ernährungssystem ist an<br />

einem Wendepunkt angekommen<br />

16 Rio und die Enkel<br />

<strong>Verantwortung</strong> für die <strong>Zukunft</strong><br />

institutionell verankern<br />

MEGATRENDS<br />

20 Hunger – ein lösbares Problem<br />

21 Nachhaltig wachsen<br />

und Armut verringern<br />

26 Fachkräfte sichern<br />

Wie der Mittelstand dem demographischen<br />

Wandel begegnet


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Inhalt<br />

16<br />

26 44<br />

AUS DER PRAXIS<br />

30 „Ungewöhnlicher Sprung“<br />

Puma legt die erste Ökobilanz der Welt<br />

vor und übernimmt die Vorreiterrolle<br />

32 Der Informationsanspruch steigt<br />

Der deutsche Nachhaltigkeitskodex<br />

im Kontext von EU-Entscheidungen<br />

und Compliance-Richtlinien<br />

AUS DER FORSCHUNG<br />

36 Alles heiße Luft<br />

<strong>Zukunft</strong>smarkt erneuerbare Energien<br />

44 Das Auto der <strong>Zukunft</strong> entsteht<br />

am Webstuhl<br />

Carbon macht Autos leichter und<br />

reduziert den Energieverbrauch<br />

50 Gut zu wissen<br />

52 Facts & Figures<br />

54 Impressum


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Im Gespräch<br />

„Die Unternehmen müssen vorangehen“<br />

Interview mit Jochen Zeitz, langjähriger Vorstandsvorsitzender der Puma AG<br />

und Verwaltungsratsmitglied des französischen Luxuskonzerns PPR<br />

Fotoquelle: © PUMA AG<br />

Was hat Sie ermutigt, für Puma als erstes Unternehmen<br />

eine Ökobilanz zu veröffentlichen<br />

Vor einigen Jahren wurde mir klar, dass wir<br />

als Unternehmen für die Umweltkosten, die<br />

die Nutzung von natürlichen Ressourcen<br />

wie Wasser, saubere Luft und fruchtbares<br />

Land innerhalb von PUMAs Produktions- und<br />

Vertriebsprozess verursacht, keine Rechnung<br />

tragen. Das wollte ich ändern, denn ohne<br />

diese Ressourcen kann kein Unternehmen<br />

existieren, und trotzdem wurden sie bislang<br />

weder bewertet noch in die Rechnungslegung<br />

von Unternehmen integriert. Diese Betrachtung<br />

muss natürlich auch die Umweltschäden<br />

mit berücksichtigen und zwar in Euro und<br />

Cent, denn das ist viel aussagekräftiger und<br />

verdeutlicht den signifikanten Wert dieser<br />

Ressourcen im Vergleich zu Angaben in Kubikmeter<br />

und Hektar. Und zum Dritten war es mir<br />

ein Anliegen, einer potentiellen Besteuerung<br />

von CO 2 -Emissionen zuvorzukommen. Denn<br />

ich bin der Meinung, dass eine entsprechende<br />

Gesetzgebung in naher <strong>Zukunft</strong> auf Unternehmen<br />

zukommen sollte.<br />

Immerhin bescheinigt Puma sich selbst, die<br />

Umwelt zu schädigen. War das Risiko für die<br />

Reputation nicht zu groß<br />

Die Aussage, dass sich unsere Umweltschäden<br />

für das Jahr 2010 auf 145 Millionen<br />

Euro belaufen, hört sich in der Tat zunächst<br />

negativ an. Aber hier geht es nicht um<br />

Schönrednerei. Mit der PUMA-Gewinn-und-<br />

Verlust-Rechnung wollen wir das Bewusstsein<br />

für den immensen Wert der natürlichen<br />

Ressourcen schaffen und deutlich machen,<br />

dass jedes Unternehmen diesen Wert für sein<br />

operatives Geschäft erfassen und integrieren<br />

sollte, um dann Lösungsansätze zu finden,<br />

wie man den Einfluss auf die Natur signifikant<br />

reduzieren kann. Meiner Auffassung<br />

nach können wir breit angelegte Lösungen<br />

nur dann finden, wenn wir transparent mit<br />

dem Thema umgehen.<br />

Lassen sich die „soft facts“ überhaupt angemessen<br />

quantifizieren, sprich: Wie kann<br />

Natur als betrieblicher „Produktionsfaktor“<br />

berechnet werden<br />

Seite 6 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Im Gespräch<br />

Unserer Gewinn-und-Verlust-Rechnung liegen<br />

verschiedene Bewertungsmodelle für Treibhausgasemissionen,<br />

Wasser, Landnutzung,<br />

Luftverschmutzung und Abfall zugrunde, die<br />

von uns in Zusammenarbeit mit PricewaterhouseCoopers<br />

und Trucost entwickelt wurden.<br />

Dabei haben wir anerkannte ökologische und<br />

ökonomische Verfahren verwendet und auf<br />

zahlreiche Arbeiten in den Bereichen Umweltund<br />

Ressourcenökonomie zurückgegriffen.<br />

Natürlich ist die Bewertung externer Umwelteffekte<br />

ungenau, weshalb wir unsere Methodik<br />

im Laufe der Zeit weiter verbessern müssen.<br />

Aber ist denn eine Gewinn-und-Verlust-<br />

Rechnung nicht auch eine Vereinfachung, und<br />

ist nicht ein Unternehmenswert von viel mehr<br />

Dingen als einer Statusbetrachtung abhängig<br />

Die ökologische PUMA-Gewinn-und-Verlust-<br />

Rechnung gibt Erkenntnisse darüber, welche<br />

Auswirkungen unsere Geschäftsentscheidungen<br />

auf die Umwelt haben. Heutzutage sind<br />

große und kleine Unternehmen gleichermaßen<br />

abhängig von internationalen Beschaffungsketten.<br />

Häufig ist ihnen daher nicht bewusst,<br />

wie groß ihr ökologischer Fußabdruck tatsächlich<br />

ist. Ich hätte auch nicht damit gerechnet,<br />

dass 94 Prozent der gesamten Umweltauswirkungen<br />

der Beschaffungskette von PUMA<br />

zuzurechnen sind und allein 57 Prozent bei<br />

der Produktion von Rohstoffen anfallen. Aber<br />

dadurch, dass wir den monetären Gegenwert<br />

dieser Umweltauswirkungen ermittelt haben,<br />

haben wir Daten erhalten, mit denen wir<br />

auch Fragen hinsichtlich Beschaffungsrisiken,<br />

Einsparmöglichkeiten oder Effizienzsteigerungen<br />

beantworten können. Denn es gilt die<br />

vereinfachte Regel: Nur was in Unternehmen<br />

gemessen werden kann, wird auch gemanagt.<br />

Sie sind Mitglied im Rat für Nachhaltige<br />

Entwicklung, der die Bundesregierung berät.<br />

Hier haben Sie einen Ideenwettbewerb<br />

ausgerufen. Was ist das Ziel<br />

Ziel des Ideenwettbewerbs ist es, eine breite<br />

Allianz für nachhaltige Unternehmensführung<br />

zu schmieden. Unternehmensführung<br />

kann nur dann nachhaltig sein, wenn man<br />

die ökologischen und sozialen Auswirkungen<br />

der Unternehmenstätigkeit kennt und<br />

ganzheitlich versteht. Wo ist sie mit gesamtgesellschaftlichen<br />

Gewinnen verbunden, zum<br />

Beispiel durch Arbeitsplatzsicherung und<br />

konkrete Lösungen für die Herausforderungen<br />

der <strong>Zukunft</strong> Wo entstehen Schäden,<br />

zum Beispiel durch CO 2 -Emissionen, Wasser-<br />

oder Landverbrauch bei der Rohstoffgewinnung<br />

Wo fängt unternehmerische<br />

<strong>Verantwortung</strong> überhaupt an Das sind<br />

Fragen, die wir mit dem Ideenwettbewerb an<br />

Wissenschaftler und Unternehmen gestellt<br />

haben. Wir hoffen, damit Impulse für die<br />

Umsetzung zu bekommen – gleichzeitig aber<br />

auch Forschungsbedarf aufzuzeigen.<br />

Das Projekt „<strong>Verantwortung</strong> <strong>Zukunft</strong>“ möchte<br />

Manager ermutigen, ihre gesellschaftliche<br />

und ökologische <strong>Verantwortung</strong> noch stärker<br />

wahrzunehmen. Wo sehen Sie noch Entwicklungspotential<br />

bei deutschen Unternehmen<br />

Viele Unternehmen kennen ihre Stoffströme<br />

und veröffentlichen fleißig Nachhaltigkeitsberichte.<br />

Einige Unternehmen optimieren<br />

beispielsweise ihren Energieverbrauch oder<br />

ganze Managementprozesse. Wir brauchen<br />

aber mehr Unternehmen, die die Wirkung<br />

ihrer Geschäftstätigkeit entlang der gesamten<br />

Lieferkette kennen und diese Analyse in<br />

den Gesamtkontext der Unternehmensführung<br />

einordnen. Erst dann wird klar, welche<br />

Rolle die Nachhaltigkeit bei der strategischen<br />

Ausrichtung des Kerngeschäfts spielt und<br />

wie wir dadurch nicht nur effizienter werden,<br />

sondern auch effektiver, indem wir ganz<br />

neue Ansätze finden. Erst dann können wir<br />

damit rechnen, dass nachhaltige Produktionsweisen<br />

auch zur Unternehmenspraxis<br />

werden. Diese Forderung gilt allerdings nicht<br />

nur für deutsche Unternehmen, sondern<br />

weltweit.<br />

Sind uns andere Länder in puncto Nachhaltigkeit<br />

voraus<br />

Es kommt natürlich immer auf den Blickwinkel<br />

des Betrachters und den entsprechenden<br />

Bereich an. Aus deutscher Sicht<br />

ist es begrüßenswert, dass in Frankreich<br />

jetzt erstmals auch nichtbörsennotierte<br />

Unternehmen dazu verpflichtet sind, einen<br />

eigenen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen.<br />

Global betrachtet liegt der Ball<br />

aber nicht allein bei der Politik, sondern<br />

insgesamt auch bei der Wirtschaft selbst.<br />

Die Unternehmen müssen jetzt vorangehen<br />

und das Tempo machen.<br />

Im Juni findet in Rio die dritte Nachfolgekonferenz<br />

der Vereinten Nationen statt.<br />

Welche Bedeutung messen Sie der Konferenz<br />

bei, und welche Ergebnisse erwarten Sie<br />

Ich versuche, Optimist zu sein und mit<br />

Lösungsansätzen meinen Beitrag zu leisten.<br />

Deswegen setze ich mich für Nachhaltigkeit<br />

ein und bin überzeugt, dass die Rio+20-<br />

Konferenz etwas Positives bewirken kann.<br />

Mit meiner Teilnahme will ich vor allem der<br />

Wirtschaft eine Stimme geben in der Debatte<br />

um den Klimawandel, die über viele Jahre<br />

ohne sie geführt wurde. Dabei sind es doch<br />

in erster Linie die Unternehmen, die einerseits<br />

in erheblichem Maße für die fortschreitende<br />

globale Verknappung der natürlichen<br />

Ressourcen verantwortlich sind, andererseits<br />

aber einen immer größeren Einfluss auf<br />

Regierungen und ihre Umweltgesetzgebung<br />

haben. Deshalb müssen wir uns alle gemeinsam<br />

an einen Tisch setzen und im Schulterschluss<br />

zwischen Unternehmen, Regierungen<br />

und der Gesellschaft Antworten auf die<br />

drängenden Fragen zum Schutz unserer<br />

Ökosysteme finden.<br />

Die Fragen stellte Gabriele Kalt<br />

// Seite 7


HIGHTECH<br />

GEGEN DEN HUNGER


Fotoquelle: © table/Photocase.de<br />

Die grüne Gentechnik wird<br />

zu Unrecht bekämpft //<br />

Bessere Ernten<br />

Von Winand von Petersdorff<br />

Nachhaltig sein bedeutet auch, mit<br />

der <strong>Zukunft</strong> zu rechnen: Es wird mehr<br />

Menschen geben, die mehr und besser<br />

(Fleisch) essen wollen. Wenn für ihre<br />

Ernährung weder die letzten Wälder und<br />

Naturreservate geopfert werden sollen<br />

noch die Vielfalt der Fauna, zwingt die<br />

Arithmetik zu der schlichten Erkenntnis:<br />

Die Welt muss bessere Ernten von<br />

vorhandenen Ackerflächen einfahren,<br />

ohne die Umwelt zu stark zu belasten<br />

mit Pestiziden und Dünger.<br />

Die Zeit drängt jetzt schon: Während im<br />

Laufe des 20. Jahrhunderts die Weltmarktpreise<br />

für Nahrungsmittel deutlich<br />

gesunken sind, hat sich der Trend in den<br />

vergangenen zehn Jahren umgekehrt, berichtet<br />

der Göttinger Agrarwissenschaftler<br />

Matin Qaim. Die hohen Preise signalisieren<br />

nicht in erster Linie Spekulation,<br />

sondern Knappheit. Essen wird teurer.<br />

Was ist Europas Antwort auf diese<br />

Entwicklung Man konzentriert sich auf<br />

die Beschimpfung der Spekulanten in<br />

Agrargütern. Dabei hätte Europa mehr zu<br />

bieten. Zum Beispiel im globalen Vergleich<br />

extrem fruchtbare Böden, Know-how und<br />

Kapital. Der konventionelle Landbau mit<br />

klassischer Pflanzenzüchtung, Agrartechnik,<br />

Kunstdünger, Herbiziden und Pestiziden<br />

hat in den vergangenen 50 Jahren<br />

wahre Wunder bewirkt und die Nahrungsmittelproduktion<br />

verdreifacht. Doch jetzt<br />

kommt er an seine Grenzen. Mehr Einsatz<br />

bringt hier kaum noch mehr Ertrag.<br />

Eine Hoffnung für bessere Ernten birgt<br />

die grüne Gentechnik. Doch in Deutschland<br />

wird die grüne Gentechnik gehasst.<br />

Rund hundert Versuchsfelder sind von<br />

militanten Gegnern der Gentechnik in<br />

den vergangenen 15 Jahren zerstört<br />

wurden. Die Folgen sind spürbar: Europa<br />

hat die grüne Gentechnik erfolgreich<br />

verbannt. Als letztes Land leistet sich<br />

Spanien noch den Anbau von Genmais<br />

in flächendeckendem Stil. Schuld an der<br />

Vertreibung der manipulierten Pflanzen


ist ein Potpourri europäischer Ängste:<br />

Angst um die Gesundheit, um die Natur,<br />

vor multinationalen Konzernen und vor<br />

dem zornigen Schöpfer.<br />

Zudem hat ein neues Denken die Elitezirkel<br />

Europas erobert. Die Lebensmittelproduktion<br />

soll nachhaltig sein. „Das<br />

heißt übersetzt: lokal, ökologisch, fair,<br />

gesund, langsam und klein“, spottet der<br />

Harvard-Politologe Robert Paarlberg. In<br />

gewisser Weise soll alles so sein wie früher.<br />

Gut 200 Jahre nachdem Justus von<br />

Liebig den Kunstdünger erfunden hat,<br />

soll eines in der Landwirtschaft keine<br />

Rolle mehr spielen: die Größe der Ernten,<br />

die schiere Quantität.<br />

Das einflussreichste Argument der<br />

Gentechnikgegner lautet: Wir kennen<br />

die Risiken dieser Technik nicht. Dieses<br />

Argument ist so wirkungsvoll, weil es<br />

stimmt. Aber so ist das eben mit neuer<br />

Technik. Die gesellschaftspolitische Frage<br />

an technologischen Schwellen kann<br />

deshalb nur lauten, ob die Gesellschaft<br />

bereit ist, gewisse Risiken zu tragen. Sie<br />

ist es immer weniger. Der alte Optimismus,<br />

technischer Fortschritt könne breite<br />

Schichten der Bevölkerung reicher machen<br />

und ihr Leben verbessern, ist einer<br />

allgemeinen Verkniffenheit gewichen.<br />

Restrisiko, Nachhaltigkeit und Technikfolgenabschätzung<br />

sind die Wortblüten<br />

einer Denkart, die Risiken betont.<br />

So erleben wir die Romantisierung der<br />

präindustriellen Landwirtschaft, die<br />

konsequenterweise keinen Platz lässt für<br />

Methoden wie die grüne Gentechnik, die<br />

Ackerfrüchte auf Effizienz trimmen. Der<br />

Nutzen der neuen Methoden erschließt<br />

sich dem Verbraucher, der durch die<br />

Gemüsezone heimischer Supermärkte<br />

flaniert, einfach (noch) nicht. Hier sind ja<br />

schon alle satt. Umso langlebiger sind die<br />

Ängste der Käufer. Sie verdrängen das Mitleid<br />

mit denen, die dringend auf ertragreiche<br />

Landwirtschaft angewiesen sind.<br />

Und so feiert die bunte Liste der Gen-<br />

Widerständler aus Antikapitalisten,<br />

Naturschützern, Imkern und Kirchengruppen<br />

ihre Erfolge auf ganz unterschiedlichen<br />

Ebenen: Sie siegen auf<br />

dem Versuchsfeld, wenn die Pflanzen in<br />

nächtlichen Überfällen ausgerupft werden,<br />

oder auf der Kanzel, wenn wackere<br />

Pastoren die Pflanzenzüchtungsmethode<br />

verteufeln. Sie siegen auch vor Gericht,<br />

wo Richter mehr Herz für Imker zeigen<br />

als für Forscher, und sie siegen in Berlin<br />

oder Brüssel, wo Bürokraten administrative<br />

Hürden erhöhen.<br />

Dass BASF angesichts des Widerstandes<br />

resigniert und die Erforschung der<br />

grünen Gentechnik in die Vereinigten<br />

Staaten verlegt, ist konsequent. „Das ist<br />

ein Erfolg, der ohne die Verbraucher nicht<br />

möglich gewesen wäre“, jubelt Greenpeace.<br />

Die satten Verbraucher, muss man<br />

ergänzen. Sie können sich als Idealisten<br />

gebärden, solange sie die Folgen nicht<br />

spüren.<br />

Doch damit nicht genug: Europa exportiert<br />

seine Haltung in die Welt, beschreibt<br />

Harvard-Forscher Paarlberg. Gentechnikgegner<br />

nehmen Einfluss auf Anbauregeln<br />

armer Länder, vor allem in Afrika, und sie<br />

verhindern über Handelsbeschränkungen<br />

die Einfuhr gentechnisch veränderter<br />

Früchte. Auch die Angst wirkt ansteckend<br />

über Grenzen hinaus. Als in Deutschland<br />

der Anbau einer Maissorte des meistgehassten<br />

Unternehmens Monsanto verboten<br />

wurde, kommentierte eine Zeitung in<br />

Kenia, Afrika solle nicht zur Resterampe<br />

werden für landwirtschaftliche Methoden,<br />

die die Europäer verschmähen.<br />

Der Widerstand gegen die grüne Gentechnik<br />

ist in Europa erfolgreich, weil es<br />

den Wortführern gelingt, die Gefahren zu<br />

überzeichnen, die Erfolge der landwirtschaftlichen<br />

Anbaumethode zu bagatellisieren<br />

und den Megatrend zu ignorieren:<br />

mehr Menschen mit Hunger.<br />

Was hat Europa mit seinen im globalen<br />

Vergleich fruchtbaren Böden zu bieten<br />

Der in Europa gepriesene ökologische<br />

Landbau hat zwar viel mehr Potential, weil


er die Umwelt schont. Aber er hat auch<br />

noch dramatisch viel Forschungsarbeit<br />

vor sich, weil die Ernten zu schlecht sind.<br />

Der Rest der Welt bewahrt sich die gentechnische<br />

Option. Eines von mehreren<br />

Mitteln zur Verbesserung der Ernten ist<br />

nun einmal die grüne Gentechnik. Trotz<br />

des europäischen Boykotts sind seit Mitte<br />

der neunziger Jahre genetisch veränderte<br />

Pflanzen auf dem Markt. Inzwischen<br />

liefern sie knapp ein Zehntel der globalen<br />

Ernten. Ihr Einsatz konzentriert sich auf<br />

Mais, Soja, Reis und Baumwolle in den<br />

Regionen Nordamerika, Brasilien und<br />

Argentinien, in China und in Indien –<br />

überall dort, wo Europa nicht (mehr)<br />

prägend ist.<br />

Forschung über die Folgen liegt vor. Sie<br />

sieht Qaim zufolge etwa so aus: Die<br />

Ernten werden besser, oder die Kosten für<br />

die Feldbestellung schrumpfen. Für manche<br />

genmodifizierten Saaten allerdings<br />

verlangen die privaten Unternehmen wie<br />

Monsanto eine Technologie-Gebühr, die<br />

in reichen Ländern hoch und in armen<br />

niedrig oder gar nicht durchsetzbar ist.<br />

Bauern in Argentinien schneiden besser<br />

ab als ihre amerikanischen Kollegen. Der<br />

Nettoeffekt bleibt zumeist positiv, in<br />

Ländern wie Indien sogar dramatisch.<br />

„Wenn die institutionellen Rahmenbedingungen<br />

stimmen, dann helfen<br />

genetisch modifizierte Nutzpflanzen bei<br />

der Reduktion der Armut“, ergänzt Matin<br />

Qaim. Die genveränderten Pflanzen<br />

helfen Großen wie Kleinen: Landwirte,<br />

die schon kapitalintensiv wirtschaften,<br />

profitieren von herbizidtoleranten<br />

Pflanzen. Sie verzichten aufs Pflügen und<br />

spritzen mehr Unkrautvernichter auf den<br />

Acker. Für Kleinbauern, die oft von Hand<br />

jäten und Unkraut hacken, kommen diese<br />

Nutzpflanzen nicht in Frage. Ganz anders<br />

ist das Bild bei Genpflanzen, die gegen<br />

bestimmte Insekten resistent sind. Sie<br />

eignen sich gut für Kleinbauern, die in<br />

Südafrika, Indien oder China genetisch<br />

veränderte Baumwolle anbauen und laut<br />

Qaim ihr Einkommen deutlich verbessern.<br />

Die grüne Gentechnik zeigt sogar<br />

Gesundheits- und Umwelteffekte: Die<br />

oft ungebildeten Kleinbauern kommen<br />

weniger mit toxischen Insektenvertilgern<br />

in Berührung. Insgesamt landet weniger<br />

Chemie auf dem Acker oder immerhin<br />

weniger giftige Chemie. Mittelfristig<br />

kann sich der Trend freilich drehen:<br />

Andere Insekten kommen zum Zuge<br />

und vergrößern ihre Populationen. Dann<br />

braucht der Bauer wieder mehr Chemie.<br />

Dazu kommt die Gefahr der Resistenzbildungen:<br />

Insekten widerstehen den<br />

Nutzpflanzen und fressen die Ernte.<br />

Andererseits erleichtert die Methode<br />

auch die Züchtung regional angepasster<br />

Pflanzen und beendet so die global<br />

befürchtete Monokultur.<br />

Und was ist mit den Multis Werden<br />

sie über Patente die Landwirtschaft in<br />

neue Abhängigkeiten zwingen In vielen<br />

Ländern sind die Patentrechte schwer<br />

durchsetzbar, so dass die Macht der<br />

Multis fragil bleibt und auf der Mitwirkung<br />

des Bauern basiert. Außerdem<br />

hilft gegen Monopole die Diversifizierung<br />

der Forschung, etwa an besser<br />

ausgestatteten Universitäten. Doch ihre<br />

Versuchsfelder werden in Deutschland<br />

zerstört.<br />

Insgesamt stellen sich Bauern und ihre<br />

Arbeiter also etwas besser, wenn sie genmodifizierte<br />

Nutzpflanzen anbauen, sagt<br />

die Fachwelt. Sie leben etwas gesünder,<br />

die Versorgungslage verbessert sich, und<br />

die Umwelt profitiert.<br />

Europa will das noch nicht wissen. Die<br />

Fachwelt rechnet damit, dass Europa die<br />

grüne Gentechnik erst wieder eingemeindet,<br />

wenn Genpflanzen der neuen<br />

Generation ihren Bürgern spürbaren<br />

Nutzen stiften: gesündere Nahrung oder<br />

pharmazeutische Substanzen. Vielleicht<br />

zwingt aber auch der Preis des Getreides<br />

den Kontinent noch zum Umdenken.<br />

Winand von Petersdorff, stellvertretender<br />

Ressortleiter Wirtschaft sowie „Geld & Mehr“<br />

der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />

Rohstoffkrise – Überfluss war gestern<br />

Das globale Ernährungssystem ist an einem Wendepunkt angekommen // Für die Unternehmen der Branche ist<br />

„Business as usual“ keine Option mehr<br />

Von Andreas Knoch<br />

Die Märkte für Agrarrohstoffe haben sich in<br />

den vergangenen beiden Dekaden dramatisch<br />

verändert. Im Rückblick gelten insbesondere<br />

die Jahre 2007/08 als markanter<br />

Wendepunkt: Nach Jahrzehnten unbegrenzt<br />

und billigst verfügbarer Nahrungsmittel mit<br />

sehr stabilen Strukturen entstand plötzlich –<br />

und eigentlich nicht ganz unerwartet – eine<br />

gefährliche Verknappung. Damit einher ging<br />

eine dramatische und in diesem Ausmaß<br />

bei vielen Agrarrohstoffen nicht gekannte<br />

Verteuerung. Selbst multinationalen Brauern<br />

gingen damals Hopfen und Malz aus, und<br />

die Beschaffung von vermeintlichen Standardprodukten<br />

wie Butter oder Mehl wurde<br />

plötzlich zu einer ernsthaften Herausforderung.<br />

Nur ein Jahr später war dieser Preisschub<br />

komplett ausradiert.<br />

Inzwischen blicken wir bereits auf den zweiten<br />

Preisschock binnen fünf Jahren zurück.<br />

Die Gründe dafür liegen in fundamentalen<br />

Verschiebungen in der Angebots- und Nachfragestruktur<br />

auf den Märkten für Agrarrohstoffe.<br />

Einer stetig anziehenden Nachfrage<br />

steht eine unflexible Angebotsseite gegenüber.<br />

Die über Jahrhunderte zu beobachtenden<br />

Ausgleichsmechanismen bei Nachfrageüberhöhungen<br />

sind außer Kraft. Die Fähigkeit<br />

des Systems, die Produktion anzupassen,<br />

um einer wachsenden Nachfrage gerecht zu<br />

werden, ist nicht mehr gegeben. Das globale<br />

Ernährungssystem ist an einem Wendepunkt<br />

angekommen. Eine Ära des Überflusses wird<br />

von einer Ära der Knappheit abgelöst.<br />

Neue Herausforderungen<br />

Die Auswirkungen sind für Unternehmen,<br />

Politik und Verbraucher dramatisch. Die<br />

beiden Preisschocks der vergangenen Jahre<br />

haben heftige Turbulenzen ausgelöst – angefangen<br />

bei Störungen in den Lieferketten der<br />

globalen Nahrungsmittelindustrie bis hin zu<br />

politischen Unruhen in zahlreichen Ländern.<br />

Die Ereignisse sind ein Vorgeschmack auf<br />

das, was kommt: Agrarrohstoffe – und darüber<br />

herrscht inzwischen Konsens – werden<br />

teurer und die Preisbewegungen immer<br />

volatiler. Neben den veränderten Fundamentaldaten<br />

sorgt dafür auch der Zufluss spekulativer<br />

Gelder in die relativ engen Märkte für<br />

Agrarrohstoffe. Aufgrund des überwiegend<br />

kurzfristigen Anlagehorizonts verstärken<br />

Investoren Trends und Volatilität, so dass sich<br />

die Preise zumindest kurzfristig von ihren<br />

Fundamentaldaten abkoppeln können. Die<br />

Wahrscheinlichkeit ernsthafter Krisen ist<br />

deutlich gestiegen. „Früher oder später erlebt<br />

die Agrarbranche ihr Lehman“, prophezeit<br />

Stefan Riphaus, Senior Risk Manager<br />

Ernährung und Konsum bei der UniCredit in<br />

München.<br />

Vor dem Hintergrund der neuen Rahmenbedingungen<br />

in der Agrar- und Nahrungsmittelbranche<br />

wird die Unsicherheit über<br />

die mittelfristige Entwicklung künftig eher<br />

Normalität als Ausnahme. Worauf sich<br />

die Unternehmen einstellen müssen, sind<br />

schnelle Wechsel von heftigen Einbrüchen<br />

und steilen Wachstumsraten. Das stellt neue<br />

Herausforderungen an die Unternehmen<br />

aus der Agrar- und Nahrungsgüterbranche.<br />

Künftig geht es vor allem darum, eine qualitativ<br />

und quantitativ ausreichende Versorgung<br />

zu garantieren, Preisrisiken effizient<br />

zu managen und den finanziellen Spielraum<br />

sicherzustellen.<br />

Nach den Erfahrungen der vergangenen<br />

Jahre sind inzwischen immer mehr Unternehmen<br />

bereit, für Qualitäts- und Liefersicherheit<br />

strategische Prämien zu zahlen.<br />

„Wir arbeiten ausschließlich mit Vertragsbauern<br />

zusammen, mit denen wir eine<br />

bestimmte Anbaufläche über Saisonkontrakte<br />

vereinbaren. In der vergangenen Dekade<br />

haben wir zwar nur in zwei Jahren unter<br />

Marktpreis gezahlt, hatten aber Versorgungssicherheit.<br />

Unsere Wettbewerber waren nicht<br />

bereit, diese strategische Prämie zu zahlen“,<br />

sagt der Finanzchef eines großen Kartoffelchipproduzenten.<br />

Andere, wie der Duft- und Aromenhersteller<br />

Symrise, gehen in Sachen Versorgungssicherheit<br />

noch weiter und integrieren vorgelagerte<br />

Stufen der Wertschöpfungskette.<br />

Diese „Rückwärtsintegration“ praktiziert<br />

Seite 12 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />

das Holzmindener Unternehmen beispielsweise<br />

auf Madagaskar, dem bedeutendsten<br />

Anbaugebiet der begehrten Bourbonvanille.<br />

„Wir sind die Ersten und die Einzigen, die<br />

das Geschäft mit natürlicher Vanille nicht<br />

über Zwischenhändler oder Broker betreiben,<br />

sondern vor Ort eine Produktion aufgebaut<br />

haben“, sagt Symrise-CFO Bernd Hirsch.<br />

Die Geschäftszahlen scheinen ihm recht zu<br />

geben: Während der Wettbewerb mit hohen<br />

Rohstoffpreisen hadert und deutliche Rückgänge<br />

bei der operativen Marge hinnehmen<br />

musste, hat Symrise weniger Profitabilität<br />

verloren.<br />

Und beim Süßwarenhersteller Griesson – de<br />

Beukelaer stellt man sich den neuen Realitäten<br />

mit einer radikal veränderten Einkaufspolitik:<br />

In der Vergangenheit mit stabilen,<br />

tendenziell sinkenden Preisen war es durchaus<br />

möglich, spekulativ am Spotmarkt zu<br />

agieren. Das Unternehmen konnte abwarten,<br />

ob der Preis nicht noch weiter sinkt.<br />

Ware war immer genug am Markt;<br />

die Gefahr einer Unterversorgung bestand<br />

nicht. Das geht inzwischen nicht mehr.<br />

Jetzt wickelt Griesson – de Beukelaer ein<br />

Drittel des Einkaufsvolumens über langfristige<br />

Lieferverträge ab. Für alle kritischen Rohstoffe<br />

werden privilegierte Partnerschaften<br />

mit den Lieferanten angestrebt. Die Strategie<br />

weg vom Spotmarkt hin zur Partnerschaft<br />

bedeutet auch, dass die Lieferzuverlässigkeit<br />

und die Qualität der Ware höher gewichtet<br />

werden als der früher maßgebliche Preis.<br />

„Es ist zu beobachten, dass sich multinationale<br />

kapitalstarke Unternehmen die<br />

jederzeitige Verfügbarkeit von Ressourcen,<br />

wie Rohstoffe oder Liquidität, sichern und<br />

dabei Opportunitätskosten in signifikantem<br />

Ausmaß oder Anpassungen des Geschäftsmodells<br />

nicht scheuen. Doch ausgerechnet<br />

mittelgroße und weniger kapitalstarke<br />

Unternehmen, wie sie für Deutschland typisch<br />

sind, hinken hier mehr oder weniger<br />

weit abgeschlagen hinterher“, berichtet<br />

Riphaus, der ein Kreditportfolio<br />

von Unternehmen der Agrarund<br />

Nahrungsmittelbranche<br />

im Volumen<br />

von 13 Milliarden Euro<br />

verantwortet. Vor allem<br />

für Veredelungsbetriebe<br />

ist die Situation prekär. Sie<br />

sind in einer Sandwichposition<br />

zwischen Landwirtschaft<br />

und Einzelhandel<br />

gefangen und leiden<br />

unter teils kräftigem<br />

Margendruck.<br />

Fotoquelle: © iStockphoto


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />

HSH Corporate Finance schätzt, dass jeder<br />

vierte Lebensmittelhersteller den Preiskampf<br />

nicht überleben wird.<br />

Kampf um Kapital<br />

Kapital und Liquidität machen einigermaßen<br />

unverwundbar. Doch genau hier liegt<br />

vielerorts das Problem: Nur wer die Herausforderungen<br />

steigender Preis-, Qualitäts- und<br />

Verfügbarkeitsrisiken meistert, wird künftig<br />

im Wettbewerb um Kapital bestehen. Dieser<br />

Wettbewerb wird massiv an Bedeutung<br />

gewinnen, denn das Kreditangebot wird<br />

knapper, tendenziell teurer und trifft wegen<br />

steigender Agrarrohstoffpreise und des<br />

volatileren operativen Geschäfts noch dazu<br />

auf eine höhere Nachfrage. Heute müssen<br />

Kreditnehmer aus der Agrar- und Nahrungsmittelbranche<br />

mehr denn je Fragen über die<br />

Risikotragfähigkeit und die Nachhaltigkeit<br />

ihres Geschäftsmodells beantworten. Das<br />

zunehmend volatile operative Geschäft bringt<br />

es mit sich, dass die Unternehmen auch mehr<br />

Eigenkapital zur Verlustabsorption vorhalten<br />

müssen. „Nicht wenige Unternehmen mussten<br />

in den vergangenen Jahren ihr Geschäftsvolumen<br />

sogar reduzieren, da sich das Risikoprofil<br />

schneller verschlechterte, als sich Eigenkapital<br />

thesaurieren ließ“, erzählt Riphaus.<br />

Beim Agrarhändler Agravis beispielsweise ist<br />

mit den anziehenden Weltmarktpreisen für<br />

Weizen zwischen 2006 bis 2008 der Liquiditätsbedarf<br />

explodiert. Damals hatten sich die<br />

Terminmarktnotierungen am Chicago Board<br />

of Trade in der Spitze fast verfünffacht. „Phasenweise<br />

war unsere Kreditlinie mit knapp<br />

500 Millionen Euro fast komplett ausgelastet.<br />

Das war grenzwertig“, sagt Ralf Gebler,<br />

Bereichsleiter Finanzen bei Agravis. Bei der<br />

Neuverhandlung des Konsortialkredits im<br />

Jahr 2011 wurde das Volumen der Betriebsmittellinie<br />

wegen der volatilen Preisentwicklungen<br />

und eines Puffers von mindestens<br />

10 Prozent für mögliche „Rekordernten“ deshalb<br />

auf 600 Millionen Euro hochgefahren.<br />

Deutlich mehr Kapital verschlingt mittlerweile<br />

auch die Absicherung von Marktpreisrisiken<br />

an Warenterminbörsen. Ein Beispiel:<br />

Für Kaffee werden aktuell Einschusspflichten<br />

– sogenannte Initial Margins – von 5.400 US-<br />

Dollar pro Kontrakt verlangt. Vor eineinhalb<br />

Jahren lag dieser Betrag noch bei rund 1.000<br />

US-Dollar. Einem Unternehmen, das seine<br />

Preisrisiken absichern will, erwächst dadurch<br />

temporär ein immenser Liquiditätsbedarf,<br />

der entweder durch Eigenkapital oder durch<br />

höhere Kreditlinien gedeckt werden muss.<br />

Die Einschüsse werden zwar wieder ausgezahlt,<br />

doch liegen die Zinskosten für die<br />

Absicherung heute um ein Vielfaches höher.<br />

Weit gehender Konsens herrscht in der<br />

Branche, dass „Business as usual“ keine<br />

Option mehr ist, um den neuen Herausforderungen<br />

zu begegnen. Ohne ausreichende<br />

Vorbereitung, vor allem agrarnaher Veredelungsbetriebe,<br />

scheint es kaum möglich, die<br />

zukünftigen Entwicklungen zu steuern oder<br />

zumindest angemessen auf sie zu reagieren.<br />

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der<br />

vergangenen Jahre haben sich einige Marktteilnehmer<br />

neu aufgestellt. Andere scheinen<br />

noch immer unzureichend vorbereitet. Bei<br />

einer weiteren Häufung von „Ausnahmesituationen“<br />

– möglicherweise sogar in bisher<br />

ungekanntem Ausmaß – sind heute aber<br />

tatsächlich nur die wenigsten ausreichend<br />

gerüstet. Viele Unternehmen, ja die Branche<br />

als Ganzes, stehen vor erheblichen Investitionen<br />

und Veränderungen.<br />

Andreas Knoch, Redakteur, Financial Gates GmbH<br />

Paradigmenwechsel in der<br />

Agrarwirtschaft<br />

Die strategischen<br />

Herausforderungen für<br />

Unternehmen in der<br />

Foodbranche hat<br />

FINANCE gemeinsam<br />

mit der UniCredit<br />

untersucht.<br />

Unter www.finance-research.de können Sie<br />

die Studie beziehen.<br />

Seite 14 //


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<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />

Rio und die Enkel<br />

<strong>Verantwortung</strong> für die <strong>Zukunft</strong> von Mensch und Umwelt organisa torisch und institutionell verankern // Das deutsche Beispiel<br />

als Option für die Green Economy<br />

Von Dr. Günther Bachmann<br />

Wie geht eigentlich <strong>Zukunft</strong> Früher hieß es:<br />

Unsere Enkel fechten‘s besser aus. Da war die<br />

Welt noch überschaubar. Interessengegensätze<br />

und Probleme schienen immer gleich zu<br />

bleiben, so dass ihre Lösung nur eine Frage<br />

der Zeit war. Heute gilt das nicht mehr. Heute<br />

ist die Zeit selbst ein Teil der hochkomplexen<br />

Probleme. Kaum etwas lässt sich hoffnungsfroh<br />

oder berechnend einfach auf zukünftige<br />

Generationen abschieben. Über das, was<br />

kommt, wenn nichts geschieht, haben die<br />

Menschen heute mehr Daten, Informationen,<br />

Wissenschaftsprojekte als je zuvor. Und die<br />

sind nicht sonderlich beruhigend: Mehr Menschen<br />

denn je zuvor werden auf diesem einen<br />

Planeten Fleisch essen, auf vielen Quadratmetern<br />

Fläche wohnen, große Autos fahren,<br />

Gesundheit und sozialen Zusammenhang<br />

durch krankmachenden und individualisierten<br />

Konsum ersetzen – und das, was sie als Wohlstand<br />

empfinden, verteidigen wollen. In einer<br />

Welt mit bald neun (heute sieben) Milliarden<br />

Menschen haben immer mehr Menschen das<br />

demokratische Recht und zunehmend auch<br />

die wirtschaftlichen Mittel, diese Art von<br />

Wohlstand zu schaffen. Rechnerisch wären<br />

dafür zwei oder drei Planeten nötig.<br />

Welche Schlussfolgerungen ziehen wir<br />

Wofür sind wir verantwortlich und nicht<br />

irgendjemand anders, nicht erst irgendwann<br />

„Nachhaltigkeit“, das wird an dieser<br />

Frage deutlich, meint in aller erster Linie die<br />

Haltung, sich diesem Problem zu stellen.<br />

Nachhaltigkeit ist nicht durch eine bestimmte<br />

Technik oder durch ein ambitioniertes Ziel<br />

zur Energieversorgung definiert. Es ist eine<br />

Frage der Haltung, mit der wir uns der <strong>Verantwortung</strong><br />

stellen und wie die eigene und<br />

die fremde <strong>Verantwortung</strong> interpretiert wird.<br />

Endliche Rohstoffe<br />

Die Welt, wie wir sie kennen, wird sehr<br />

grundlegend anders funktionieren, wenn<br />

endliche Rohstoffe ausgehen respektive<br />

sehr teuer werden. Im Englischen drückt<br />

die Formulierung „carbon constraint“ die<br />

Herausforderung aus, Gesellschaften ohne<br />

Klimagase lebensfähig zu halten. Geopolitisch<br />

ändert sie sich schon jetzt rasend<br />

schnell, indem die wesentlichen und wirkungsvollsten<br />

wirtschaftlichen und – wenig<br />

später auch – politischen Entscheidungen<br />

irgendwann auch dort getroffen werden, wo<br />

die meisten Menschen sind. All diese Veränderungen<br />

sollte man antizipieren, denn sie<br />

sind nicht weit entfernt. Sie beschreiben die<br />

Welt, in der unsere Kinder Familien gründen,<br />

berufstätig sind und <strong>Verantwortung</strong> für die<br />

Fotoquelle: © thinkstock


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />

Gemeinschaft übernehmen. Politisch ist das<br />

ein klares „Jetzt“.<br />

Teufelskreis durchbrechen<br />

Und jetzt sehen wir einer Nachhaltigkeits-<br />

Konferenz der Vereinten Nationen entgegen,<br />

die Mitte Juni im brasilianischen Rio<br />

de Janeiro stattfinden wird. Sie ist eine<br />

Wiederholung. 1992 fand dort bereits die<br />

erste, legendäre Nachhaltigkeitskonferenz<br />

aller Staaten der Welt statt. Ihre politische<br />

Strahlkraft war groß. Sie war die Geburtsstunde<br />

der ersten Regelwerke zum globalen<br />

Umweltschutz. Ein neues Kapitel der<br />

internationalen Politik wurde aufgeschlagen.<br />

Viele Aktionen gingen vom Erdgipfel in „Rio“<br />

aus. Aber nach zwanzig Jahren ist die Bilanz<br />

nicht positiv. Zu vieles ist im Interessengestrüpp<br />

des politischen Nordens und Südens,<br />

zwischen Vorreiterstaaten und Bremsern<br />

liegengeblieben. Zu wenig haben die Industriestaaten<br />

ihre Versprechung eingelöst, die<br />

Armut in der Welt zu bekämpfen. Zu wenig<br />

hat sich der Gedanke Bahn gebrochen, dass<br />

Umweltschutz und Armutsbekämpfung in<br />

vielen Ländern Hand in Hand gehen. Stattdessen<br />

hat die wirtschaftliche Globalisierung<br />

mit ihrem Diktat des Immerschneller und<br />

Immermehr ihre eigenen Regeln aufgestellt.<br />

Letztlich verleiteten sie zu einem gigantischen<br />

Schuldenmachen. Diese Schulden sind<br />

ökonomisch-fiskalischer und ökologischer<br />

Art. Letztere werden oft fahrlässig vernachlässigt<br />

– sie werden erst gar nicht bilanziert.<br />

Seit dem Ausbruch der Wirtschafts- und<br />

Finanzkrise 2008 macht das Stichwort „Green<br />

Economy“ Karriere. Es steht für das Anliegen,<br />

den Teufelskreis der multiplen Wirtschaftkrisen<br />

durch eine andere Art des Wirtschaftens<br />

zu durchbrechen. Dafür ist die systematische<br />

Integration von Einzelaspekten nötig, mit<br />

anderen Worten: eine an Nachhaltigkeit<br />

orientierte Wirtschaft, die von der Politik<br />

durch Schaffung der geeigneten Rahmenbedingungen<br />

in einer sozialen Marktwirtschaft<br />

begleitet wird. Green Economy weltweit – sie<br />

fragt nach einer klimaverträglichen und<br />

ressourcenerhaltenden Wirtschaftsweise,<br />

die nicht einfach nur Masse und Tonnage,<br />

sondern die qualitative Befriedigung von<br />

Bedürfnissen der Menschen im Blick hält und<br />

sich <strong>Zukunft</strong>soptionen belässt und erweitert.<br />

Eine Wiederholung ist also sicher nicht das,<br />

was in Rio 2012 stattfindet. Es geht nicht<br />

um eine Jubiläumsfeier. Es geht um die neue,<br />

erweiterte und hochbrisante Agenda einer<br />

„Green Economy“ sowie um die lange schon<br />

ausstehende Reform der UN-Institutionen,<br />

die sich um Umwelt und Entwicklung sowie<br />

die Nachhaltigkeit kümmern sollen. Sie arbeiten<br />

ineffektiv und weitgehend ohne durchschlagenden<br />

Erfolg. Zu Recht erwartet man<br />

von Rio 2012, dass hier mehr <strong>Verantwortung</strong><br />

für die <strong>Zukunft</strong> von Mensch und Umwelt<br />

organisatorisch und institutionell verankert<br />

werden kann.<br />

Wettbewerbsvorteil für Deutschland<br />

Für Deutschland steht viel auf dem Spiel. Es<br />

wird nach einer <strong>Zukunft</strong>svision des „Made in<br />

Germany“ gefragt und dabei kommt natürlich<br />

zuallererst die Energiewende ins Visier. Die<br />

Entscheidung zur Energiewende Deutschlands<br />

wird international sehr interessiert verfolgt.<br />

Wird es Deutschland als Hochindustrieland<br />

gelingen, die Energieversorgung so radikal<br />

und schnell umzubauen, ohne die industrielle<br />

Leistungsfähigkeit zu beeinträchtigen Im<br />

Ausland herrscht Skepsis vor. Aber oft wird<br />

diese von der Befürchtung begleitet, dass ein<br />

potentiell mögliches Gelingen der Energiewende<br />

Deutschland einen großen Wettbewerbsvorteil<br />

bescheren würde. Ausschließen<br />

mag das niemand. Eine Sustainability „made<br />

in Germany“ ist zuallererst eine Frage von


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />

wissensbasierten Innovationen und des systemischen<br />

Integrierens von Einzellösungen.<br />

Praktisch gesagt: Photovoltaikanlagen auf<br />

Dächern installieren können weltweit viele.<br />

Aber die Integration der Systeme des Bauens,<br />

der Gebäudetechnik, der Energienetze, des<br />

Endkonsums und der Industriestrombedarfe,<br />

von installierter Leistung und tatsächlich<br />

genutzten Kilowattstunden ist eine andere,<br />

neue, größere Herausforderung.<br />

Alternativen gefragt<br />

„Grünes Wachstum“ versieht das immer gleiche<br />

Wirtschaftswachstum nicht einfach mit<br />

einem modisch-farbigen Vorzeichen. Es fragt<br />

nach Alternativen zu einem auf Verbrauch,<br />

Verdrängen und Wegwerfen ausgerichteten<br />

Wachstum.<br />

Ein Beispiel: In Deutschland gibt es Silber<br />

und Gold, Indium und Gallium, wertvolle<br />

Mineralien und lebenswichtige Nährstoffe<br />

in Hülle und Fülle – nur dass wir sie nicht<br />

als Rohstoffe ansehen. Sie landen im Müll<br />

oder verbleiben in Schubladen. Zwar ist die<br />

industriepolitische Bedeutung der seltenen<br />

Erden als sogenannte strategische Rohstoffe<br />

unbestritten; und heftig wird über die<br />

Geopolitik der Rohstoffsicherung nachgedacht.<br />

Aber eben nicht strategisch. Das wäre<br />

es erst, wenn eine Recyclingwirtschaft dieser<br />

Ressourcen aufgebaut würde. Aber einstweilen<br />

navigieren wir fahrlässig an diesen<br />

Schatzkästen vorbei. Nicht anders sieht es<br />

im Feld der Ernährungssicherheit aus. Frisch,<br />

makellos und formvollendet soll die Ware<br />

sein. Aber mehr als 11 Millionen Tonnen<br />

Lebensmittel werden jährlich zu Abfall.<br />

Kein Unternehmen und keine Institution,<br />

ob öffentlich oder privat, ist von dem<br />

schrittweisen Wandel hin zu einer auf den<br />

Prinzipien und Prozessen der Nachhaltigkeit<br />

gründenden Marktwirtschaft ausgenommen.<br />

International wird diskutiert, wie die<br />

<strong>Verantwortung</strong> von Unternehmen gestärkt<br />

und verstärkt werden kann. Neben Finanzkennzahlen<br />

brauchen öffentliche wie private<br />

Finanzinstitutionen verlässliche Angaben,<br />

um die Nachhaltigkeit von Produktion und<br />

Produkten, von <strong>Zukunft</strong>sstrategien von<br />

Unternehmen und der Unternehmensführung<br />

ermessen und bewerten zu können.<br />

Auf nationaler Ebene in Deutschland zeigt<br />

die zweijährige Erarbeitung des Deutschen<br />

Nachhaltigkeitskodex, dass eine erfolgreiche<br />

Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen<br />

Partnern wie Investoren, Analysten, Unternehmensvertretern<br />

und zivilgesellschaftlichen<br />

Akteuren möglich ist. Erste Entsprechenserklärungen<br />

der Unternehmen zum<br />

Nachhaltigkeitskodex liegen jetzt vor. Der<br />

Nachhaltigkeitskodex macht den Unterschied<br />

zu gesetzlichen Regeln deutlich. Seine<br />

Anwendung ist freiwillig, sein qualitatives<br />

Niveau ist hoch, er wird regelmäßig evaluiert,<br />

und seine Implementierung funktioniert über<br />

den Markt. International und europäisch wird<br />

nach Modellen gesucht, die Unternehmensverantwortung<br />

stärker an Regeln zu binden.<br />

Das deutsche Beispiel ist eine gute Option für<br />

die Green Economy.<br />

Veränderung vor Ort<br />

Woran man sieht: Die Geschichte der Nachhaltigkeit<br />

ist nicht nur eine Geschichte von<br />

Konferenzen und Papieren. Konferenzen wie<br />

die kommende in Rio haben ihre Bedeutung.<br />

Die Welt wird aber vor Ort verändert, konkret<br />

und mit der Kompetenz des verantwortlichen<br />

Handelns. Und wir müssen damit nicht auf<br />

die Enkel warten.<br />

Dr. Günther Bachmann, Generalsekretär des Rates für<br />

Nachhaltige Entwicklung


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />

Rat für Nachhaltige Entwicklung<br />

Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) ist<br />

ein Beratungsgremium mit Mandat der Bundesregierung.<br />

Dem Rat gehören 15 Persönlichkeiten<br />

des öffentlichen Lebens an. Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel hat die aktuellen<br />

Ratsmitglieder im Juni 2010 für drei Jahre be-<br />

berufen. Erstmals berufen wurde der der Rat Rat im im Ap-<br />

April 2001 2001 vom vom damaligen Bundeskanzler Ger-<br />

Gerhard Schröder.<br />

Die Aufgaben des Rates sind die Entwicklung<br />

von Beiträgen für die Umsetzung der nationalen<br />

Nachhaltigkeitsstrategie, die Benennung<br />

von konkreten Handlungsfeldern und Projekten<br />

sowie Nachhaltigkeit zu einem wichtigen<br />

öffentlichen Anliegen zu machen. Vorsitzende<br />

des Rates ist seit dem 29. Februar 2012 Marlehn<br />

Thieme, Mitglied des Rates der Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland und Direktorin<br />

im Bereich CSR der Deutschen Bank AG. Sie<br />

folgt auf Hans-Peter Repnik, der dieses Amt<br />

kürzlich aus gesundheitlichen Gründen niederlegen<br />

musste. Olaf Tschimpke, Präsident<br />

des Naturschutzbundes Deutschland (NABU),<br />

ist stellvertretender Vorsitzender des Nachhal-<br />

Nachhaltigkeitsrates.


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012<br />

Hunger – ein lösbares Problem<br />

Hunger ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit: Jeder siebte Mensch, das sind<br />

knapp 1 Milliarde Menschen, auf der Welt hungert. Neben den unmittelbaren Folgen beeinträchtigt<br />

Hunger auch den Fortschritt – sei es im Bereich der Gesundheit oder der Bildung.<br />

Laut World Food Programme (WFP) würde<br />

es knapp 2,65 Milliarden Euro kosten, um<br />

alle hungernden Schulkinder der Welt<br />

zu unterstützen. Das Wissen, die Mittel<br />

und die Strategien, die wir heute haben,<br />

würden zusammen mit politischem Willen<br />

ausreichen, das Problem zu lösen.<br />

Die Fortschritte, die Brasilien in den vergangenen<br />

Jahren gemacht hat, sind ein<br />

Beweis dafür. Im vergangenen Jahrzehnt<br />

konnte das Land den Anteil der hungernden<br />

Menschen um ein Drittel verringern<br />

und Mangelernährung um 25 Prozent<br />

reduzieren. 24 Millionen Menschen sind<br />

aus der extremen Armut befreit worden.<br />

Sechs Methoden, die sich für das WFP<br />

nach mehr als 50 Jahren Erfahrung als<br />

die effektivsten erwiesen haben:<br />

1. Ernährungshilfe in Notfällen<br />

Nothilferationen können nach einer<br />

Naturkatastrophe oder von Menschen<br />

verursachten Desastern Tausende<br />

Leben retten. Sie sichern zudem die<br />

physische und geistige Entwicklung<br />

von Kindern, indem Mangelernährung<br />

vorgebeugt wird.<br />

2. Ernährung für unter 2-Jährige<br />

Die Versorgung von schwangeren und<br />

stillenden Müttern mit nährstoffreichen<br />

Nahrungsmitteln sichert eine<br />

gesunde physische und geistige Entwicklung<br />

von unter 2-Jährigen.<br />

3. Schulspeisungen für Kinder<br />

Schulmahlzeiten bedeuten für Kinder,<br />

dass sie genug Nahrung erhalten, um<br />

sich auf den Unterricht konzentrieren<br />

zu können. Außerdem ermöglicht es<br />

vielen Kindern, Armut und Hunger zu<br />

entkommen.<br />

4. Unterstützung von Kleinbauern<br />

Indem man Kleinbauern zum Beispiel<br />

durch Trainings unterstützt, erhalten<br />

sie Zugang zu den Märkten und helfen<br />

Gemeinden dabei, ihre Nahrungsmittelproduktion<br />

so zu stärken, dass sie<br />

gegen Krisen gewappnet sind.<br />

5. Nahrungsmittel für Trainings<br />

Indem das WFP armen Frauen Nahrungsmittelrationen<br />

für die Teilnahme<br />

an Trainingsprogrammen wie Gartenanbau<br />

oder Bienenhaltung gibt,<br />

bekommen sie die Möglichkeit, für sich<br />

und ihren Familien eine langfristige<br />

Lebensgrundlage zu schaffen.<br />

6. Nahrungsmittelgutscheine<br />

Wenn es Nahrungsmittel auf den<br />

Märkten gibt, die Menschen sich<br />

diese jedoch nicht leisten können,<br />

dann sind Gutscheine ein besonders<br />

wirkungs volles Mittel, damit Hungernde<br />

sich selbst mit der Nahrung<br />

versorgen können, die sie benötigen.<br />

Nebenbei wird die lokale Wirtschaft<br />

unterstützt.<br />

Quelle: Vereinte Nationen, World Food Programme, 20. März 2012/Copyright: WFP/Alejandro Chicheri<br />

Seite 20 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012<br />

Nachhaltig wachsen und Armut verringern<br />

Am 21. Januar 2012 trafen sich Agrarminister aus 65 Ländern zum 4. Berliner Agrarministergipfel „Ernährungssicherung<br />

durch nachhaltiges Wachstum. Landwirtschaftliche Nutz ung knapper Ressourcen“. Zum Abschluss formulierten sie ein Papier<br />

zur Vorbereitung der Rio+20-Konferenz der Vereinten Nationen im Juni 2012. Darin heißt es unter anderem:<br />

Knappe Ressourcen, die zunehmenden Auswirkungen<br />

des Klimawandels und die wachsende<br />

Nachfrage nach Nahrungsmitteln<br />

und Agrarrohstoffen machen es unbedingt<br />

erforderlich, den Prozess des Schutzes der<br />

biologischen Vielfalt und der effizienteren<br />

und nachhaltigeren Bewirtschaftung der<br />

landwirtschaftlichen Nutzflächen und<br />

Böden zu beschleunigen.<br />

Für die <strong>Zukunft</strong> der Menschheit wird<br />

es entscheidend darauf ankommen, die<br />

Wasserwirtschaft in gefährdeten Regionen<br />

nachhaltig zu gestalten, Wasser zu recyceln<br />

und effizient zu verwenden.<br />

Der sichere Zugang von Kleinbauern, marginalisierten<br />

Gruppen und jungen Menschen<br />

zu Land und Wasser zur landwirtschaftlichen<br />

Nutzung ist eine wesentliche Voraussetzung<br />

für deren Ernährungssicherung.<br />

Die Agrarproduktion muss nachhaltig gesteigert<br />

werden, um Ernährungssicherheit<br />

zu gewährleisten und die Einkommen der<br />

Landwirte zu steigern.<br />

Zur Lösung des Problems der Ernährungssicherung<br />

müssen standörtlich angepasste,<br />

nachhaltige landwirtschaftliche Produktionssysteme<br />

entwickelt und umgesetzt werden.<br />

Es müssen ausreichend öffentliche und<br />

private Investitionen in die Agrarforschung<br />

getätigt werden, insbesondere in die Pflanzen-<br />

und Nutztierforschung, in Beratungsdienstleistungen<br />

in ländlichen Gebieten, die<br />

den Schwerpunkt auf die Ausbildung junger<br />

Menschen legen.<br />

Die Nutzung traditionellen Wissens, insbesondere<br />

indigenen Wissens, ist gemeinsam<br />

mit neuen Forschungserkenntnissen und<br />

innovativen Produkten und Verfahren in<br />

Erzeugung, Verarbeitung, Vermarktung und<br />

Infrastruktur entscheidend für die Linderung<br />

der Armut und die Verbesserung der<br />

weltweiten Ernährungssicherung.<br />

Die Kapitalausstattung des Agrarsektors<br />

muss verbessert und Investitionen in ländliche<br />

Räume gesteigert werden.<br />

Investitionen in nachhaltige landwirtschaftliche<br />

Produktionssysteme, Infrastruktur,<br />

Forschung sowie Ausbildung und Beratung<br />

sind erforderlich, um nachhaltiges Wachstum<br />

anzukurbeln und zu erhalten.<br />

Ländliche und urbane Räume müssen durch<br />

eine effiziente Infrastruktur stärker vernetzt<br />

werden, um die Lebensbedingungen und<br />

den Zugang zu Märkten (lokal, regional und<br />

global) zu verbessern.<br />

Der Ausbau von Partnerschaften zwischen<br />

dem öffentlichen und dem privaten Sektor<br />

muss vorangetrieben werden.<br />

Ein beträchtlicher Teil der weltweit erzeugten<br />

Nahrungsmittel geht auf dem Weg<br />

von der Erzeugung bis zum Verbraucher<br />

verloren; es bedarf angepasster Technologien<br />

und Maßnahmen zur Verminderung<br />

dieser Verluste.<br />

Der verantwortungsbewusste und sorgsame<br />

Umgang mit Nahrungsmitteln<br />

muss vorangetrieben werden, um insbesondere<br />

Verschwendung zu reduzieren<br />

und so den Einsatz knapper Ressourcen<br />

auf allen Stufen der Lebensmittelkette<br />

zu vermindern.<br />

Nachhaltige Verfahren müssen auch in<br />

der Erzeugung nachwachsender Rohstoffe<br />

eingesetzt werden, um schädliche Auswirkungen<br />

auf die biologische Vielfalt und den<br />

Naturhaushalt zu vermeiden.<br />

Die Kriterien fü r den nachhaltigen<br />

Anbau und die Nutzung nachwachsender<br />

Rohstoffe aus der Landwirtschaft<br />

müssen beachtet und deren Einhaltung<br />

muss durch Infrastruktur, Technologie<br />

und politische Konzepte gefördert<br />

werden.<br />

Fotoquelle: © thinkstock<br />

Quelle: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Berlin 2012<br />

// Seite 21


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Im Gespräch<br />

„Die Energiewende muss sich auch für die Investoren rechnen“<br />

Förderprogramme sollten mehr genutzt werden // Energieeffizienz als Kriterium für die Kreditwürdigkeit<br />

Interview mit Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV)<br />

Die Bundesregierung setzt auf<br />

eine Senkung des Energieverbrauchs<br />

und eine drastische<br />

Erhöhung des Anteils erneuerbarer<br />

Energien. Welchen Beitrag<br />

können die Sparkassen<br />

zum Prozess der Energiewende<br />

leisten<br />

Für die Energiewende wird<br />

die Finanzierungsfrage ein<br />

entscheidender Erfolgsfaktor<br />

sein. Die Sparkassen verstehen<br />

sich als der Finanzierungspartner<br />

für Privat- und<br />

Firmenkunden ebenso wie für<br />

die Kommunen, wenn es um<br />

Investitionen in Energieeffizienz<br />

und erneuerbare Energien geht.<br />

Dafür werden eigene Kreditmittel<br />

vergeben, aber auch<br />

Förderkredite der KfW.<br />

Hier haben unsere Institute<br />

einen Anteil von<br />

gut 40 Prozent<br />

bei der Vergabe - über alle Förderkredite<br />

hinweg von 2009 bis 2011 über 22 Milliarden<br />

Euro.<br />

Wie muss die staatliche Förderung gestaltet<br />

werden, um Energieeinsparung zu<br />

forcieren<br />

Die Energiewende ist ein gesamtgesellschaftliches<br />

Anliegen. Sie muss sich aber<br />

auch für die Investoren rechnen. Bei<br />

Maßnahmen zur Energieeffizienz ist es<br />

sehr häufig möglich, durch die Einsparungen<br />

die Investitionen zu refinanzieren. In<br />

vielen Fällen sind aber Förderprogramme<br />

ein notwendiger Anreiz. Hier gibt es sehr<br />

gute Programme, die aber stärker bekanntgemacht<br />

und genutzt werden sollten. Wir<br />

sehen einen großen Bedarf bei der energetischen<br />

Sanierung von Gebäuden. Denn<br />

Energie, die gar nicht erst verbraucht wird,<br />

muss weder produziert noch über größere<br />

Strecken transportiert werden. Leider wird<br />

derzeit jährlich nur rund 1 Prozent des<br />

Gebäudebestands energetisch saniert. Das<br />

ist viel zu wenig, wenn der Primärenergieverbrauch<br />

bis 2020 um 20 Prozent gesenkt<br />

werden soll.<br />

Welche Bedeutung wird der Energieeffizienz<br />

eines Unternehmens bei der Beurteilung<br />

der Kreditwürdigkeit beigemessen<br />

Allein die elektrischen Antriebe in Industrie<br />

und Gewerbe verbrauchen fast zwei Fünftel<br />

des gesamten Stroms in Deutschland. Energieeffizienz<br />

ist dort künftig ein Schlüsselfaktor.<br />

Zum einen werden die Energiekosten<br />

in den nächsten Jahren deutlich steigen.<br />

Sich darauf durch gezielte Maßnahmen<br />

rechtzeitig vorzubereiten ist eine wesentliche<br />

Frage für die Wirtschaftlichkeit von<br />

Unternehmen. Zum anderen zeigen solche<br />

Unternehmen ihre Innovationskraft und<br />

verbessern ihre Reputation im Markt. All<br />

das spielt künftig für die Beurteilung der<br />

Kreditwürdigkeit eine große Rolle.<br />

Ihre Kunden sind zumeist lokale Unternehmen<br />

und Handwerksbetriebe. Welche Rolle<br />

Fotoquelle: © Peter Himsel<br />

Seite 22 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Im Gespräch<br />

kommt dem Mittelstand bei der Lösung der<br />

Probleme zu<br />

Drei Viertel aller deutschen Unternehmen<br />

sind unsere Kunden. Darunter sind sehr<br />

viele mittelständische und familiengeführte<br />

Unternehmen, durchaus nicht nur lokal<br />

tätige, sondern in vielen Fällen Weltmarktführer<br />

in ihrem Bereich. Diese Unternehmen<br />

und ihre Eigentümer sind es gewohnt,<br />

langfristig zu denken und zu handeln. Sie<br />

sind deshalb sehr gut für Maßnahmen der<br />

ökologischen Nachhaltigkeit zu gewinnen.<br />

Und ohne Handwerksbetriebe sind weder<br />

energetische Sanierungen noch Energieeffizienzmaßnahmen<br />

praktisch umsetzbar. Für<br />

sie ist das auch ein großes Geschäftsfeld.<br />

Mittelständische Unternehmen sind deshalb<br />

natürliche Verbündete für eine rasche und<br />

wirtschaftlich vernünftige Umsetzung der<br />

Energiewende.<br />

Welche Vorteile bietet die dezentrale<br />

Struktur Ihrer Institute für die Energiewende<br />

Die Energiewende wird nur gelingen, wenn<br />

sie durch die Bürgerinnen und Bürger sowie<br />

die Unternehmen breit getragen wird. Es<br />

muss uns gelingen, für diese Herkulesaufgabe<br />

privates Kapital und Engagement vor Ort<br />

zu mobilisieren. Sparkassen arbeiten nach<br />

dem Prinzip „Geld aus der Region für die Region“.<br />

Damit können Sparkassen lokale Aktionen<br />

für mehr Energieeffizienz starten, häufig<br />

zusammen mit Handwerksunternehmen. Sie<br />

beteiligen sich in vielen Fällen an regionalen<br />

Initiativen, deren Zielsetzungen die Umsteuerung<br />

in regenerative Energien, Klimaneutralität<br />

oder bessere regionale Wertschöpfung<br />

sind. Und vor allem können sie helfen, finanzielle<br />

Beteiligungen von Bürgerinnen und<br />

Bürgern bei Anlagen mit regenerativer Energie<br />

oder der Übernahme lokaler Energienetze<br />

zu organisieren. Möglich ist dies etwa durch<br />

Geldanlagen in Umwelt- und Klimasparbriefe,<br />

deren Aufkommen in solche Maßnahmen<br />

investiert werden. Die Menschen spüren,<br />

dass sie damit etwas für die eigene Region<br />

tun. Das schafft Vertrauen und erhöht die<br />

Akzeptanz der Energiewende.<br />

Welches Potential sehen Sie in der Umstellung<br />

der Energieversorgung von zentral auf<br />

dezentral Großprojekte wie Windparks<br />

oder oberirdische Trassen stoßen in der<br />

Bevölkerung zunehmend auf Widerstand.<br />

Einige Stadtwerke engagieren sich beispielsweise<br />

wieder in der Energieproduktion.<br />

Sehen Sie für die Sparkassen in dieser<br />

Tendenz Wachstumschancen<br />

Die Energiewende mit ihren ambitionierten<br />

energiepolitischen Zielen wird sicher nicht<br />

ohne Großanlagen gelingen. Offshore-<br />

Windanlagen sind dabei ein Element, um<br />

diese Ziele zu erreichen. Diese Technologie<br />

hat aber das Problem, dass bei ihr der Strom<br />

über weite Strecken transportiert werden<br />

muss. Gegen die dafür geplanten oberirdischen<br />

Höchstspannungsleitungen regt sich<br />

schon jetzt Bürgerprotest. Es sollte deshalb<br />

möglichst viel Energie dort produziert<br />

werden, wo sie verbraucht wird – also vor<br />

Ort in den Kommunen. Allerdings sehen<br />

wir auch, dass es dort vielfach noch an<br />

den intelligenten Netzinfrastrukturen fehlt,<br />

die eine dezentrale Einspeisung und den<br />

bedarfsgerechten Abruf von Strom ermöglichen.<br />

Das ist neben der Speicherung von<br />

Energie die größte Herausforderung, die ich<br />

sehe.<br />

Die Energiewende bedarf erheblicher<br />

Investitionen. Wie hoch schätzen Sie den<br />

Finanzierungsbedarf ein<br />

Nach Schätzungen des DSGV müssen für<br />

die Realisierung von Einsparpotentialen,<br />

die Erschließung alternativer und vor allem<br />

erneuerbarer Energien und den Aufbau neuer<br />

Netzinfrastrukturen bis 2020 rund 370<br />

Milliarden Euro investiert werden. Allein das<br />

Volumen der Investitionen in die regionalen<br />

Verteilernetze dürfte bei über 22 Milliarden<br />

Euro liegen, eine gewaltige Summe, die vor<br />

allem von Kommunen und Stadtwerken<br />

gestemmt werden muss.<br />

Für Deutschland als exportorientiertes<br />

Industrieland wird es eine große Herausforderung,<br />

die Energiewende zu realisieren,<br />

// Seite 23


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Im Gespräch<br />

ohne die Energieversorgung zu teuer und in<br />

Bezug auf die Versorgungssicherheit unkalkulierbar<br />

zu machen.<br />

Die staatlichen Förderprogramme reichen<br />

dafür nicht aus. Wie wollen Sie noch mehr<br />

Kapital mobilisieren<br />

Angesichts der enormen Investitionen, die<br />

für die Energiewende benötigt werden, reichen<br />

staatliche Förderungen in der Tat nicht<br />

aus. Es muss deutlich mehr privates Kapital<br />

mobilisiert werden. Höchstspannungsnetze<br />

oder Großanlagen im Gas- oder Solarsektor<br />

werden wohl nur durch institutionelle<br />

Anleger bewältigt werden können. Darauf<br />

konzentriert sich derzeit die Aufmerksamkeit.<br />

Die ambitionierten Ziele zur Energieeinsparung<br />

und Umsteuerung auf regenerative<br />

Energien werden aber nur zu erreichen sein,<br />

wenn jeder in seinem Umfeld das Mögliche<br />

tut. Wir müssen deshalb Bürgern und Unternehmen<br />

helfen, die richtigen Investitionen<br />

bei sich selbst durchzuführen. Und wir müssen<br />

dafür sorgen, dass auch privates Kapital<br />

in kleinen Volumina vor Ort in Bürgerbeteiligungsmodellen<br />

investiert wird. Das mobilisiert<br />

das notwendige Kapital, macht das<br />

Thema Energiewende aber auch zu einem<br />

Anliegen der Bürger selbst. Ich sehe darin<br />

auch eine große Chance für bürgerschaftliches<br />

Engagement und damit eine Belebung<br />

der kommunalen Selbstverwaltung.<br />

Können Sie uns ein Beispiel für eine<br />

gelungene Finanzierung geben<br />

Im vergangenen Jahr hat die Sparkasse<br />

Mainz zusammen mit einem Solarmodulhersteller<br />

sowie den Mainzer Stadtwerken den<br />

Bürgern erstmals die Möglichkeit gegeben, in<br />

Solarenergie zu investieren – auch wenn sie<br />

nicht über ein eigenes Hausdach verfügen.<br />

Um Mainzer Solarbürger zu werden, genügte<br />

eine Mindesteinlage von 1.000 Euro in den<br />

„Bürger-Solarsparbrief“. Über eine Laufzeit<br />

von fünf Jahren werden attraktive Zinsen<br />

gewährt. Dabei ist der Zinsertrag nicht an<br />

den Ertrag der Photovoltaikanlage gebunden.<br />

Das limitierte Kontingent des Sparbriefs<br />

entspricht dem Investitionsvolumen der<br />

Photovoltaikanlagen und bietet damit eine<br />

wirklich nachhaltige Geldanlage.<br />

Wie sollte Ihrer Ansicht nach die Energiepolitik<br />

der <strong>Zukunft</strong> aussehen<br />

Die Energiepolitik sollte nach meiner<br />

Einschätzung drei große Ziele verfolgen:<br />

Erstens müssen wir den Ehrgeiz entwickeln,<br />

Energie so sparsam wie möglich<br />

einzusetzen. Dabei geht es um die bessere<br />

Energieeffizienz. Zweitens müssen wir auf<br />

solche Energieträger umstellen, die umwelt-<br />

und klimapolitisch vertretbar sind. Wo<br />

immer möglich, sollten wir das Ziel einer<br />

Klimaneutralität verfolgen. Und drittens<br />

muss es darum gehen, die Energieabhängigkeit<br />

Deutschlands zu verringern. Diese drei<br />

Zielsetzungen stehen in inneren Konflikten<br />

zueinander. Die Kunst wird sein, möglichst<br />

viel von allen drei Zielen zu erreichen.<br />

Welche Ziele wollen Sie in der Zeit Ihrer<br />

Präsidentschaft erreichen<br />

Die Sparkassen verstehen sich seit über<br />

200 Jahren als Mitgestalter grundlegender<br />

Umbruchprozesse. Sie sind in der Zeit der<br />

Industrialisierung gegründet worden. Damals<br />

ging es darum, industrielle und soziale<br />

Verwerfungen abzufedern und zu gestalten.<br />

Nach zwei Weltkriegen und der Deutschen<br />

Einheit haben die Sparkassen wesentliche<br />

Leistungen für den Wiederaufbau und<br />

wirtschaftlichen Wohlstand erbracht. Ich<br />

sehe in der Energiewende eine der ganz<br />

großen wirtschaftlichen, ökologischen und<br />

sozialen Herausforderungen unserer Zeit.<br />

Wir müssen dieses Vorhaben so gestalten,<br />

dass wir den Anforderungen an ökologische<br />

Nachhaltigkeit entsprechen, ohne<br />

Unternehmen und Bürger wirtschaftlich zu<br />

überfordern. Bezahlbare Energie ist nicht<br />

zuletzt auch eine soziale Frage. Die Aufgabe<br />

ist so bedeutsam, dass die Sparkassen ihr<br />

wirtschaftliches Know-how und ihre lokale<br />

Verankerung unbedingt einbringen müssen.<br />

Die Fragen stellte Gabriele Kalt<br />

Seite 24 //


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2012


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />

Fachkräfte sichern<br />

Wie Mittelständler in Deutschland mit dem demographischen Wandel umgehen<br />

Von Karl-Heinz Schulz<br />

Eigentlich erstaunlich: Immer noch gibt es<br />

Stimmen, die bezweifeln, dass es in unserem<br />

Land einen Fachkräftemangel gibt; Stimmen,<br />

die argwöhnen, hier handele es sich um<br />

Arbeitgeberpropaganda mit dem Ziel, durch<br />

Zuwanderung ein komfortables Überangebot<br />

auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Solche<br />

Zweifler müssten nur einmal in ein x-beliebiges<br />

mittelständisches Unternehmen gehen;<br />

zum Beispiel zur ixetic GmbH in Bad Homburg.<br />

Der Automobilzulieferer ist mit seinen 1.400<br />

Beschäftigten, davon 95 Prozent Fachkräfte,<br />

ein heimlicher Weltmarktführer für Hydraulik–<br />

und Vakuumpumpen. Schon heute weiß<br />

er, dass der Anteil der Mitarbeiter im Alter<br />

50+ bis 2020 auf weit mehr als die Hälfte der<br />

Beschäftigten anwächst. Die Anteile der jüngeren<br />

Altersgruppen dagegen nehmen zum<br />

Teil dramatisch ab – wenn man nichts tut.<br />

Dabei sind die älteren Beschäftigten an sich<br />

nicht das Problem. Im Gegenteil: Mit ihrer<br />

Erfahrung, ihrer Weitsicht und ihrer Sozialkompetenz<br />

leisten sie einen hochgeschätzten<br />

Beitrag zum Unternehmenserfolg.<br />

Doch um eine gesunde Personalstruktur zu<br />

erhalten, braucht es auch die Jüngeren. Und<br />

an der Stelle, sagt der Personalleiter Stefan<br />

Urbach, sind kleinere, weniger bekannte<br />

Unternehmen nicht nur mit den schrumpfenden<br />

Jahrgängen konfrontiert, die von<br />

den Schulen und Hochschulen kommen. Sie<br />

haben obendrein ein spezifisch mittelständisches<br />

Problem: Viele der begehrten Fachkräfte,<br />

so Urbachs Erfahrung, entscheiden sich<br />

gezielt für die großen Namen innerhalb ihrer<br />

jeweiligen Branche. Diese höhere Arbeitgeberattraktivität<br />

hat eine Reihe von Gründen.<br />

Sei es die Strahlkraft der Marke, sei es, dass<br />

man dort dem demographischen Wandel mit<br />

großangelegten Projekten begegnen kann<br />

wie etwa BMW in seinem Werk Dingolfing<br />

(<strong>Verantwortung</strong> <strong>Zukunft</strong>, <strong>Ausgabe</strong> 1-2011).<br />

Wie überall gilt auch hier: Mittelständler<br />

müssen beweglich sein und neue Wege<br />

gehen. Das Zauberwort heißt Vernetzung.<br />

Für ixetic etwa sind das Kooperationen mit<br />

anderen Arbeitgebern am Ort. Und für immer<br />

mehr KMU in Deutschland sind es gleich<br />

ganze Demographienetzwerke, in denen<br />

man voneinander lernt – und zwar auf allen<br />

vier Feldern der Fachkräftesicherung, die da<br />

lauten: Mitarbeiter gewinnen, binden, bilden<br />

und gesund erhalten.<br />

„Azubi-Botschafter“<br />

So hat etwa Provadis im Industriepark<br />

Höchst unlängst auf dem Jahreskongress des<br />

Demographienetzwerks FrankfurtRheinMain<br />

einen Ansatz vorgestellt, der Schule machen<br />

kann – im wörtlichen Sinne. Seit 2010 schickt<br />

das Unternehmen eigene Auszubildende auf<br />

freiwilliger Basis in Klassen, wo sie von ihrem<br />

Berufseinstieg berichten – und so für das<br />

Ausbildungsplatzangebot werben. Auch das<br />

MINT-Projekt des Hessischen Wirtschaftsministeriums,<br />

das Schülerinnen und Schüler<br />

für die naturwissenschaftlich-technischen<br />

Disziplinen begeistern soll, setzt auf solche<br />

„Azubi-Botschafter“.<br />

Beispielhaft in Hessen ist außerdem das<br />

Demographienetzwerk in der Metropolregion<br />

FrankfurtRheinMain. Auch das Handwerk ist<br />

mit von der Partie – und zeigt den anderen<br />

Partnern, wie man heute junge Leute<br />

erreicht: mit einer erfolgreichen Nachwuchskampagne<br />

auf Facebook. Und dass auch<br />

ältere Bewerber wieder Chancen auf dem<br />

Arbeitsmarkt haben, beweisen die wachsenden<br />

Vermittlungszahlen in ganz Deutschland.<br />

So machte die ING-DiBa schon vor Jahren<br />

mit ihrem Programm „Azubi 50plus“ Schlagzeilen:<br />

eine Bankausbildung für Wiedereinsteiger<br />

in das Arbeitsleben, durchgeführt<br />

zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit<br />

und der IHK.<br />

Lebensphasenorientierung<br />

Inzwischen weiß man: Wenige Themen sind<br />

für die Zufriedenheit von Mitarbeitern und<br />

damit ihre Bindung an das Unternehmen so<br />

neuralgisch wie die viel bemühte Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie. Man weiß ferner:<br />

Elternzeit ist nicht nur etwas für Mütter,<br />

sondern auch für Väter. Was noch nicht<br />

Allgemeingut ist: Dass in einer alternden<br />

Seite 26 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />

Gesellschaft immer mehr Beschäftigte im<br />

Alter von fünfzig aufwärts plötzlich Zeit<br />

brauchen, um ihre Eltern zu pflegen. Auch<br />

hier haben zuerst große Unternehmen Standards<br />

gesetzt: mit einer sogenannten lebensphasen-<br />

oder gar lebensereignisorientierten<br />

Personalpolitik. Gestützt auf ein ausgefeiltes<br />

Instrumentarium rund um Zeitwertkonten<br />

ermöglicht sie Beschäftigten, solchen strapaziösen<br />

Anforderungen aus dem Privatleben<br />

gerecht zu werden. Mittlerweile sind auch<br />

Mittelständler gut aufgestellt. So bietet die<br />

Taunus Sparkasse nicht nur eine Krippe für<br />

Mitarbeiterkinder unter drei und Ferienangebote<br />

für Schulkinder, sondern auch Vertrauensarbeitszeit<br />

und die Freistellung für die<br />

Pflege von Angehörigen.<br />

Freilich, zum Nulltarif geht so etwas nicht.<br />

Immerhin rechnet man bei Betriebskindergärten<br />

zum Beispiel mit Kosten von 15.000<br />

Euro pro Kind und Jahr – und ein Kindergarten<br />

trägt sich erst ab etwa 60 Plätzen. Diese<br />

Zahlen waren 2008 für ixetic der Grund, zu<br />

einem runden Tisch einzuladen – und neun<br />

Fotoquelle: © Henderson/Getty Images<br />

// Seite 27


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />

weitere Firmen kamen. 2010 hatten die zehn,<br />

unterstützt von der Stadt, alle Probleme gelöst<br />

– vom geeigneten Betreiberkonzept über<br />

pädagogische Aspekte bis hin zur passenden<br />

Immobilie. Im Oktober öffnete das Kinderhaus<br />

„Krabbelkäfer“ für Kinder im Alter von<br />

sechs Monaten bis drei Jahren. Der Erfolg ist<br />

nachhaltig: Zurzeit werden 60 Kinder betreut<br />

– und die Plätze sind heiß begehrt.<br />

Betriebliche Bildungsferne<br />

Vorsicht: Trauerspiel. So musste man über<br />

viele Jahre den Zustand der betrieblichen<br />

Weiterbildung für ältere Mitarbeiter und<br />

Mitarbeiterinnen bezeichnen. Wer investierte<br />

schon in über 45-Jährige In ein paar Jahren<br />

gingen die doch ohnehin in Frühpension. So<br />

das verbreitete Kalkül in Personalabteilungen.<br />

Doch es war nicht der einzige Grund für diese<br />

altersbezogene betriebliche Bildungsferne.<br />

Ein ebenso wichtiges Hemmnis, schildern<br />

viele Praktiker, lag in den Probanden selbst:<br />

Lernentwöhnung führte häufig zu regelrechten<br />

Weiterbildungsphobien.<br />

Zum Glück hat das Umdenken längst begonnen.<br />

Viele Unternehmen haben begriffen,<br />

dass gerade die Älteren nicht abgehängt<br />

werden dürfen. Zum einen werden sie<br />

als produktive Ressource immer wichtiger.<br />

Und angesichts des Tempos, in dem auch<br />

Wissen veraltet, bleiben sie nur beschäftigungsfähig,<br />

wenn sie tatsächlich lebenslang<br />

lernen. Zum anderen ist die damit verbundene<br />

geistige Aktivität einer der besten<br />

Treiber auch für körperliche Gesundheit.<br />

Wie es geht, darüber tauschen sich in dem<br />

Netzwerk „Community of Training Practice<br />

(CoTP)“ Bildungsverantwortliche aus 72 Unternehmen<br />

aus. Immer mehr tritt dabei ein<br />

Paradigmenwechsel zutage, sagt Charlotte<br />

Venema, Leiterin betriebliche Personalpolitik<br />

beim Arbeitgeberverband Hessen Metall,<br />

der die CoTP ins Leben gerufen hat: weg<br />

vom Seminarraum hin zum Arbeitsplatz.<br />

„Dank E-Learning“, so Venema, „gelingt es,<br />

das Wissen unmittelbar dorthin zu bringen,<br />

wo ein akuter Bedarf besteht – an die<br />

CNC-Maschine oder die Fertigungsstraße,<br />

die gerade stillsteht.“ Das stiftet nicht nur<br />

einen direkten Nutzen für alle Beteiligten,<br />

also den Mann oder die Frau vor Ort, die<br />

Firma und den Kunden. Der schnelle Erfolg<br />

motiviert überdies zu weiteren Lernanstrengungen<br />

– und das mit neuen Techniken<br />

und Medien, die im Beruf ohnehin immer<br />

wichtiger werden.<br />

Wenn Arbeit gesund macht<br />

Gesundheit wird in Deutschland gern<br />

in Fehltagen gemessen. Das betriebliche<br />

Gesundheitsmanagement dagegen, das sich<br />

zu einer neuen Disziplin der Personalarbeit<br />

entwickelt hat, fußt häufig auf einer anderen<br />

Philosophie: dem Ansatz der Salutogenese,<br />

also wörtlich: der Gesunderhaltung. Auch<br />

hier schließen sich kluge Mittelständler<br />

immer öfter zusammen, um die Selbstverantwortung<br />

ihrer Beschäftigten zu stärken. So in<br />

der Bad Homburger Initiative „mir geht’s gut“.<br />

Sie bietet Mitarbeitern unternehmensübergreifend<br />

Massagen am Arbeitsplatz an, Yoga,<br />

Nordic Walking oder auch einen monatlichen<br />

Gesundheitstipp.<br />

Und was ist mit dem sprichwörtlich gewordenen<br />

Dachdecker, der mit 65 Jahren nicht<br />

mehr über den Dachfirst laufen kann Der<br />

Gerüstbauer Jörg Westermann in Kassel hat<br />

dafür eine Lösung gefunden. Seine älteren<br />

Mitarbeiter beraten inzwischen Kunden bei<br />

der Gerüstabnahme. Häufig verändern nämlich<br />

andere Gewerke die Originalaufbauten,<br />

was bei Unfällen zur Haftung der Bauherrn<br />

führen kann. Die wissen deshalb den neuen<br />

Service zu schätzen und zahlen gern für<br />

die Expertise der erfahrenen Gerüstbauer.<br />

Eines von mehreren Beispielen, wie Westermann<br />

aus der Not eine Tugend, sprich neue<br />

Angebote und Geschäftsfelder zu machen<br />

verstand. Er steht damit prototypisch für<br />

ein Muster, das deutsche Unternehmen von<br />

jeher auszeichnete: Herausforderungen als<br />

Chancen zu betrachten. Der demographische<br />

Wandel, so neu wie er ist und historisch ohne<br />

Vorbild, macht da keine Ausnahme.<br />

Karl-Heinz Schulz, Inhaber Mandelkern Management<br />

und Kommunikation e.K.<br />

Regionale Plattform<br />

Das Demographienetzwerk FrankfurtRhein-<br />

Main wurde initiiert von: der Bundesagentur<br />

für Arbeit, Hessenmetall, der IHK Frankfurt am<br />

Main, der Handwerkskammer Frankfurt-<br />

Rhein-Main, dem IHK-Forum Rhein-Main,<br />

dem Regionalverband FrankfurtRheinMain,<br />

dem Demographie Netzwerk (ddn), der Fachhochschule<br />

Frankfurt am Main, der Stadt<br />

Eschborn, der Stadt Frankfurt am Main, der<br />

Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände<br />

und dem Verein zur Förderung der<br />

Standortentwicklung. In verschiedenen Arbeitskreisen<br />

arbeiten zahlreiche, vorwiegend<br />

mittelständische Unternehmen mit.<br />

Seite 28 //


Die Initiatoren<br />

Wie führende Unternehmen verantwortungsvoll<br />

mit globalen Herausforderungen und Megatrends umgehen<br />

In Kooperation mit<br />

Mit Green Technology auf der Überholspur<br />

Wir danken allen Referenten und Teilnehmern, die am 26. April in Hannover<br />

mit interessanten Vorträgen und Impulsen zu spannenden Diskussionen<br />

beigetragen haben.<br />

Die Strategischen Partner<br />

BMW Group<br />

Die Medienpartner<br />

Die Vortragsunterlagen und Podcasts zur Fachkonferenz finden Sie<br />

unter www.verantwortungzukunft.com


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Aus der Praxis<br />

Fotoquelle: © thinkstock<br />

„Ungewöhnlicher<br />

Sprung“<br />

Puma legte die erste<br />

Ökobilanz der Welt vor<br />

und wird zum Vorreiter<br />

für eine „ökologischere<br />

Marktwirtschaft“<br />

Ohne Ressourcennutzung geht es nicht.<br />

Ohne den Einsatz von Rohstoffen und den<br />

Verbrauch von Energie, Land oder Luft kann<br />

kein Unternehmen Produkte herstellen und bis<br />

zum Endkunden vertreiben. Doch wie genau<br />

sieht eigentlich der Fußabdruck aus, den die<br />

Unternehmen dabei hinterlassen Wie hoch<br />

sind die „ökologischen Schäden“ Bis vor<br />

kurzem traute sich kein Unternehmen, die<br />

verursachten „Schäden“ zu veröffentlichen.<br />

Die meisten dürften sie nicht einmal erfassen.<br />

Umso mutiger war es, als der deutsche<br />

Sportartikelhersteller Puma im Winter die<br />

erste Ökobilanz weltweit vorstellte und damit<br />

offenlegte, welche Umweltauswirkungen die<br />

Herzogenauracher im operativen Geschäft<br />

sowie in der gesamten Beschaffungskette<br />

verursachen.<br />

145 Millionen Euro Schaden<br />

Anhand zentraler Umweltindikatoren wie<br />

Treibhausemissionen, Wasserverbrauch,<br />

Landnutzung, Luftverschmutzung und Abfall<br />

hat Puma herausgefunden, dass seine Umwelteffekte<br />

für das Jahr 2010 insgesamt 145<br />

Millionen Euro betrugen. 32 Prozent entfielen<br />

auf den Verbrauch von Wasser, 33 Prozent auf<br />

Treibhausgasemissionen, 26 Prozent auf Landnutzung<br />

und der Rest auf Luftverschmutzung<br />

und Abfälle.<br />

Der Schluss: Etwa 8 Millionen Euro waren dem<br />

Kerngeschäft von Puma direkt zuzurechnen,<br />

entfielen also auf Büros, Lager, Läden und<br />

Logistik. Die übrigen 137 Millionen Euro oder<br />

auch 94 Prozent entfielen auf die Beschaffungskette<br />

beziehungsweise fielen bei externen<br />

Partnern an, auf die das Unternehmen<br />

nun einwirken möchte. Selbst Viehzüchter und<br />

Bauern werden mithelfen müssen. Denn rund<br />

83 Millionen Euro entfielen in der Produktion<br />

von Rohstoffen wie Leder, Baumwolle oder<br />

Kautschuk an. Und auch eine regionale Verteilung<br />

wird sichtbar: 67 Prozent der Kosten<br />

entfielen in Asien an. Puma: Die Aufstellung<br />

Seite 30 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Aus der Praxis<br />

– von den Beratungsfirmen PwC und Trucost<br />

mitentwickelt – habe wichtige Hinweise<br />

geliefert, die dem Management nun helfen,<br />

den richtigen Ansatz zur Reduzierung zu<br />

wählen.<br />

Bessere Ressourcennutzung<br />

senkt Kosten<br />

Die Erhebungsmethoden mögen im Einzelnen<br />

noch nicht ganz ausgereift sein. Doch<br />

Vorstandschef Franz Koch möchte bis 2015<br />

deutliche Verbesserungen erreichen und<br />

besitzt nun einen konkreten Ausgangswert.<br />

Davon wird auch das Unternehmen profitieren,<br />

weil durch eine bessere Nutzung der<br />

Ressourcen Geld zu sparen ist. Nach Kochs<br />

Ansicht ein spannender Ansatz auch für<br />

andere Branchen wie Automobilhersteller,<br />

Chemiefirmen oder Konsumgüterhersteller.<br />

Warum ist Puma überhaupt den Schritt<br />

in die Öffentlichkeit gegangen Kommunikationschef<br />

Ulf Santjer: „Was zunächst<br />

nach negativer Berichterstattung aussah,<br />

entpuppte sich auf den zweiten Blick als<br />

völlig neuer Weg in der Nachhaltigkeitsberichterstattung.<br />

Unser Ziel war es, die gesamten<br />

Auswirkungen, die die Entwicklung,<br />

Beschaffung, Produktion und Vermarktung<br />

von PUMA-Produkten auf die Umwelt hat,<br />

zu erfassen und monetär zu bewerten. Bislang<br />

hatten wir uns mit der Datenerhebung<br />

lediglich auf unser Kerngeschäft und die<br />

direkten Lieferanten konzentriert, doch mit<br />

unserer ökologischen Gewinn-und-Verlust-<br />

Rechnung haben wir nun die Auswirkungen<br />

innerhalb der gesamten Beschaffungskette<br />

– inklusive der Rohmaterialherstellung<br />

– analysiert. Dadurch verfügen wir nun<br />

über ein Instrument, mit dem wir einerseits<br />

Veränderungen gezielt herbeiführen können<br />

– andererseits können Journalisten unsere<br />

Initiativen viel besser nachvollziehen.“ Das<br />

steigere die Glaubwürdigkeit und helfe bei<br />

der Positionierung als nachhaltiges Unternehmen.<br />

Gemischte Reaktion der Medien<br />

Die Reaktion der Medien war in der Tat<br />

zunächst durchwachsen. Zwar gab es<br />

Überschriften wie „Puma gesteht Umweltverschmutzung<br />

ein“ (Frankfurter Rundschau)<br />

oder „Sportartikel belasten Umwelt“<br />

(Hannoversche Neue Presse). Doch die<br />

meisten Journalisten erkannten den Mut<br />

an und titelten bald: „Vorreiter Puma stellt<br />

Ökobilanz auf“ (Hamburger Abendblatt),<br />

„Puma will kein Umweltschädling mehr<br />

sein“ (Badische Zeitung), „Puma wagt einen<br />

ungewöhnlichen Sprung“ (Stuttgarter Zeitung)<br />

oder „Puma schlüpft ins grüne Trikot“<br />

(Frankfurter Rundschau).<br />

In einem großen Interview mit der Wirtschaftswoche<br />

erhielt der CEO Franz Koch die<br />

Gelegenheit, sein Engagement für Nachhaltigkeit<br />

ausführlich vorzustellen. Und ihm gelang<br />

der Einstieg in eine überzeugende Neupositionierung<br />

der Marke: „Der Verbraucher<br />

ist durchaus bereit, für nachhaltige Produkte<br />

einen höheren Preis zu zahlen. Voraussetzung<br />

dafür ist, dass wir kein Greenwashing<br />

betreiben und der Kunde unser ernsthaftes<br />

Bemühen in diesem Bereich erkennt und<br />

auch wertschätzt.“<br />

Koch wagte einen mutigen Blick in die<br />

<strong>Zukunft</strong>: „Aus alten Schuhen kann ich neue<br />

machen oder etwas ganz anderes wie etwa<br />

Autoreifen. Beim biologischen Kreislauf<br />

stelle ich Schuhe und Shirts her, die kompostierbar<br />

sind. Die kann ich schreddern<br />

und im Garten verbuddeln. Wir arbeiten an<br />

Produkten, die diese Kriterien erfüllen.“ Die<br />

Ökorechnung sei nun der Leitfaden für das<br />

Ziel, bis 2015 die Hälfte der internationalen<br />

Kollektionen aus nachhaltigen und damit<br />

umweltschonenden Materialien herzustellen.<br />

Nachdem sich auch der Mutterkonzern, der<br />

französische Luxuskonzern PPR, zu einer<br />

ähnlichen Erhebung bis 2015 entschloss,<br />

mutierte Puma zum konzerninternen<br />

Vorbild: „PPR-Luxus-Marken auf den Öko-<br />

Spuren von Puma“ schrieben Wirtschaftswoche<br />

und Handelsblatt online. Und die<br />

F.A.Z. titelte: „PPR eifert mit seiner Ökobilanz<br />

Puma nach“. Die F.A.Z. bescheinigte dem<br />

langjährigen Puma-Chef Jochen Zeitz, der<br />

seit Sommer 2011 als PPR-Vorstand zuständig<br />

für Nachhaltigkeit ist, er habe „den<br />

Ritterschlag“ von PPR-Chef Francois-Henri<br />

Pinault für sein Engagement erhalten.<br />

Dass Puma nicht nur intern Pluspunkte<br />

sammeln konnte, zeigt auch das rege<br />

Interesse aus Politik und Wirtschaft. Santjer:<br />

„Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse<br />

zeigen viele Unternehmen, internationale<br />

Organisationen, Regierungen, Wissenschaftler<br />

und Medien großes Interesse an unserer<br />

Bewertungsmethodik.“<br />

Mitglied im Rat<br />

Und Jochen Zeitz, der auch durch viele<br />

Umweltprojekte profilierte Nachhaltigkeitsmanager,<br />

wurde inzwischen in den von<br />

der Bundesregierung berufenen Rat für<br />

Nachhaltige Entwicklung aufgenommen.<br />

Sein Credo, mit dem ihn die Berliner Zeitung<br />

bei einem Besuch in Afrika zitierte: „Die<br />

Übersetzung der Umwelt auf Werte soll in<br />

keinster Weise die echte Werthaltigkeit der<br />

Natur vermonetarisieren, sondern visualisieren,<br />

welche Auswirkungen Wirtschaften<br />

auf die Umwelt hat und welche enormen<br />

Leistungen unsere Natur uns täglich gibt.“<br />

Zeitz forderte die Entscheidungsträger in<br />

der Wirtschaft auf, Themen wie Umwelt und<br />

Natur „nicht länger zu negieren, sondern<br />

automatisch in unserem Kalkül zu berücksichtigen“.<br />

gk<br />

// Seite 31


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Aus der Praxis<br />

Der Informationsanspruch steigt<br />

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex im Kontext früherer Soft-Law-Ansätze und<br />

aktueller Bestrebungen auf EU-Ebene // Wichtige Rolle der Compliance<br />

Von Carsten Beisheim<br />

Der 2001 von der damaligen Bundesregierung<br />

eingesetzte Rat für Nachhaltige Entwicklung<br />

hat am 13. Oktober 2011 die vierte<br />

und endgültige Fassung des Deutschen<br />

Nachhaltigkeitskodex (DNK) verabschiedet.<br />

Der Rat empfiehlt der Bundesregierung, den<br />

DNK auf europäischer und globaler Ebene<br />

bekanntzumachen und den Kodex in die<br />

aktuelle EU-Diskussion um die Berichterstattung<br />

zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren<br />

von Unternehmen einzubringen.<br />

Worauf haben sich die Unternehmen<br />

einzustellen, und welche Rolle kann den<br />

Compliance-Einheiten in diesem Zusammenhang<br />

zukommen<br />

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK)<br />

beschreibt aus Sicht des Rates für Nachhaltige<br />

Entwicklung die Kernanforderungen an<br />

das Nachhaltigkeitsmanagement und soll<br />

angesichts der Vielzahl der einschlägigen<br />

Normenwerke Orientierung geben. Der Rat<br />

versteht unter Nachhaltigkeit die gleichrangige<br />

Berücksichtigung von ökologischen,<br />

sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />

mit dem Ziel, die Umwelt sowie<br />

den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu<br />

erhalten und die wirtschaftliche Entwicklung<br />

voranzubringen.<br />

Darüber hinaus soll der DNK den Beitrag<br />

der Nachhaltigkeit für die Wertschöpfung<br />

sichtbar machen. Er richtet sich erklärtermaßen<br />

an „große und kleine Unternehmen,<br />

kapitalmarktorientierte Unternehmen und<br />

solche, die andere Anspruchsgruppen über<br />

ihre unternehmerischen Nachhaltigkeitsleistungen<br />

informieren wollen“.<br />

Gültig für Unternehmen aller Größen<br />

In der Vorstellung des Rates soll er indes<br />

generell von Unternehmen und Organisationen<br />

gleich welcher Art und Größe genutzt<br />

werden. Der Kodex ist in seiner Anwendung<br />

freiwillig. Relativiert wird diese Freiwilligkeit<br />

indes durch die jährlich vorgesehene Abgabe<br />

einer Entsprechenserklärung („comply or<br />

explain“) in Form eines standardisierten<br />

Templates auf der Unternehmenshomepage<br />

sowie durch eine Einstellung der Erklärung<br />

im Internet und die damit verbundene<br />

Öffentlichkeitsrelevanz. Adressaten der<br />

Informationen sollen primär Finanzanalysten<br />

und Investoren sein; letztlich kommen aber<br />

auch andere Stakeholder in Betracht, z.B. die<br />

Kunden oder die Mitarbeiter.<br />

Jährlich ist eine Überprüfung des Kodex<br />

und seiner Wirksamkeit vorgesehen. Der<br />

DNK orientiert sich inhaltlich wesentlich an<br />

den Soft-Law-Ansätzen (siehe Kasten), das<br />

Berichtsinstrumentarium knüpft an die<br />

GRI- und EFFAS-Standards an.<br />

Der Kodex sieht 20 Nachhaltigkeitskriterien<br />

vor, wobei diese teilweise mit Leistungsindikatoren<br />

unterlegt sind. Die Kriterien sind<br />

vier Kategorien zugeordnet: I. Strategie, II.<br />

Prozessmanagement, III. Umwelt und IV.<br />

Gesellschaft. Inhaltlich geht es beispielhaft<br />

darum darzulegen, wie die Verantwortlichkeit<br />

für die Nachhaltigkeit im Unternehmen<br />

geregelt ist, wie die Nachhaltigkeitsstrategie<br />

durch Regeln und Prozesse implementiert<br />

wird, wie Anreizsysteme für Mitarbeiter und<br />

die Führungsebenen gestaltet werden, wie<br />

sich der Umgang mit Arbeitnehmer- und<br />

Menschenrechten, Diversity-Anforderungen<br />

oder aber Aspekten des Gemeinwesens, des<br />

Stakeholdereinbezugs oder politischer Einflussnahmen<br />

darstellt. Offenzulegen ist darüber<br />

hinaus, welche Systeme und Prozesse zur<br />

Vermeidung von rechtswidrigem Verhalten<br />

und insbesondere von Korruption existieren<br />

sowie – unter beispielhaftem Hinweis auf<br />

den neuen IDW PS 980 –, wie diese Systeme<br />

geprüft werden.<br />

Der Druck auf EU-Ebene nimmt zu<br />

Die EU-Kommission hatte bis Anfang<br />

2011 eine Konsultation zur Offenlegung<br />

von Informationen nichtfinanzieller Art<br />

durchgeführt. Ziel war die Verbesserung<br />

der Transparenz und Vergleichbarkeit von<br />

Unternehmen hinsichtlich von Leistungsindikatoren<br />

in Bezug auf Umweltbelange,<br />

soziale Aspekte und Governance-Themen.<br />

Obgleich es im Juni 2011 ein klares Votum<br />

Seite 32 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Aus der Praxis<br />

des EU-Parlaments gegen eine EU-Richtlinie<br />

zur Regulierung von CSR gab, beabsichtigt<br />

die EU-Kommission unter Federführung<br />

von Michel Barnier weiterhin, alsbald einen<br />

Vorschlag für einen diesbezüglichen Rechtsakt<br />

vorzulegen und sodann einen Prozess<br />

einzuleiten, um einen Verhaltenskodex<br />

für Selbst- und Koregulierungsprojekte zu<br />

erarbeiten. Auch eine integrierte Berichterstattung<br />

ist mittel- oder langfristig ein<br />

erklärtes Ziel.<br />

Untermauert wird dieses Vorhaben durch<br />

die Mitteilung der EU-Kommission vom 25.<br />

Oktober 2011 (KOM [2011] 681) über „Eine<br />

neue EU-Strategie (2011–2014) für die soziale<br />

<strong>Verantwortung</strong> der Unternehmen (CSR)“,<br />

der zufolge „Regulierungsmaßnahmen“ die<br />

Unternehmen dazu bringen sollen, „freiwillig“<br />

ihrer sozialen <strong>Verantwortung</strong> nachzukommen.<br />

So geht die weitere Planung etwa<br />

dahin, „für eine Reihe relevanter Wirtschaftszweige“<br />

Plattformen einzurichten, damit<br />

CSR-Verpflichtungen bekanntgemacht und<br />

überwacht werden können.<br />

Selbstverpflichtung überprüfen<br />

Große Unternehmen – solche mit mehr<br />

als 1.000 Mitarbeitern – sollen aufgefordert<br />

werden, sich bis 2014 zu verpflichten,<br />

zumindest die OECD-Leitsätze, den Global<br />

Compact oder die ISO-Norm 26000 bei der<br />

Entwicklung ihres CSR-Konzepts zu berücksichtigen.<br />

Multinationale Unternehmen<br />

sollen darüber hinaus zur verpflichtenden<br />

Beachtung der ILO-Grundsatzerklärung aufgefordert<br />

werden. Die Einhaltung derartiger,<br />

freiwillig eingegangener Verpflichtungen<br />

soll in der Folge überprüft werden. Während<br />

die vorgenannten Beispiele sich tendenziell<br />

an Unternehmen aller Branchen richten<br />

werden, bestehen darüber hinaus spezifische<br />

Planungen der EU-Kommission für alle<br />

Investmentfonds und Finanzinstitute, eine<br />

„Auflage in Erwägung zu ziehen“, all ihre<br />

Kunden über die von ihnen angewendeten<br />

Kriterien für eine ethische und verantwortungsvolle<br />

Investitionstätigkeit oder über die<br />

von ihnen befolgten Normen und Kodizes zu<br />

informieren.<br />

Ausweislich der zuletzt vom Institut für<br />

Ökologische Wirtschaftsforschung und der<br />

Organisation future e.V. durchgeführten<br />

Erhebung zur „Praxis der Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

in deutschen Großunternehmen“<br />

oblag die <strong>Verantwortung</strong> für die<br />

Berichte 2011 zu etwa einem Drittel der<br />

Unternehmenskommunikation sowie zu<br />

einem weiteren Drittel spezifischen Nachhaltigkeitsabteilungen.<br />

Im Übrigen wurden<br />

vielfach Querschnittsteams tätig oder auch<br />

Abteilungen wie die Revision oder Investor<br />

Relations.<br />

Die Rolle der Compliance-Funktion<br />

Viele der im Rahmen der Nachhaltigkeitsthemen<br />

relevanten Aspekte weisen indes<br />

eine große Nähe zu den Aufgaben der<br />

Compliance-Funktion auf. Bisweilen bestehen<br />

gar inhaltliche Überschneidungen. Nur<br />

beispielhaft sei verwiesen auf das Individual-<br />

und Kollektivarbeitsrecht, auf Fragen<br />

von Antidiskriminierung, Diversity und<br />

Vergütungsgestaltung, auf den Daten- und<br />

Verbraucherschutz, die Umweltschutzvorgaben,<br />

das Beschwerdemanagement, auf den<br />

Bereich der Produktgestaltung und -information,<br />

auf die Gebiete der Fraud-Prevention<br />

und -Detection, auf das Rechtsmonitoring<br />

(„Systeme und Prozesse zur Vermeidung von<br />

rechtswidrigem Verhalten“) oder ganz generell<br />

auf Governance-Themen.<br />

Darüber hinaus finden sich in den Verhaltenskodizes<br />

der Unternehmen, die richtigerweise<br />

im Compliance-Bereich anzufertigen<br />

sind und deren Einhaltung dort auch zu<br />

überwachen ist, schon lange stets auch<br />

wertebezogene, ethische Grundsätze – es<br />

geht also auch hier um das Management<br />

gesellschaftlicher Erwartungen. Compliance<br />

ist ein integraler Bestandteil nachhaltiger<br />

Unternehmensführung und als klassische<br />

Querschnittsfunktion für eine – gerade<br />

auch kritische – Auseinandersetzung mit<br />

den hier behandelten Themen besonders<br />

geeignet. Das in den Compliance-Bereichen<br />

vorgehaltene juristische, aber eben auch<br />

wirtschaftliche und prozessorganisatorische<br />

// Seite 33


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Aus der Praxis<br />

Know-how bietet eine gute Grundlage für<br />

eine erfolgreiche Bearbeitung der Nachhaltigkeitsthemen.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Vor dem Hintergrund des sich verändernden<br />

gesellschaftlichen Umfelds sind stetig steigende<br />

Informationsbedürfnisse der Stakeholder<br />

nach Umwelt-, Sozial- und Governance-<br />

Themen spürbar. Erste branchenspezifische<br />

Selbstregulierungen, wie der Nachhaltigkeitskodex<br />

der Immobilienwirtschaft, tragen<br />

dem Rechnung. Über die in diesem Artikel<br />

dargestellten Entwicklungen hinaus gibt es<br />

vielerlei Anstrengungen, das Umfeld für die<br />

Übernahme gesellschaftlicher <strong>Verantwortung</strong><br />

durch die Wirtschaft im Sinne des aktuellen<br />

Verständnisses der EU-Kommission weiter zu<br />

verbessern.<br />

Diese strebt einen regulatorischen Rahmen<br />

an, der Nachhaltigkeitsmaßnahmen (noch)<br />

nicht formal vorschreibt, aber faktisch<br />

erzwingt. Ersten Anzeichen zufolge könnte<br />

zudem die Konferenz der Vereinten Nationen<br />

über nachhaltige Entwicklung im Juni<br />

2012 in Rio de Janeiro mit einer Forderung<br />

nach einer verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

für alle börsennotierten<br />

und großen, nichtbörsennotierten Unternehmen<br />

enden. Die Unternehmen werden<br />

sich all diesen Anforderungen stellen<br />

müssen. Der Compliance-Funktion kann<br />

hierbei eine maßgebliche und – mit Blick<br />

etwa auf Aspekte der Wettbewerbsfähigkeit<br />

und der Reputation – wertschöpfende Rolle<br />

zukommen.<br />

Carsten Beisheim, Leiter Konzern Recht und<br />

Compliance, Wüstenrot & Württembergische AG<br />

Nicht verbindlich<br />

Der Begriff des Soft Law wird in verschiedener Hinsicht<br />

als Gestaltungsinstrument jenseits des Rechts<br />

verwendet und bezieht sich im Grundsatz auf Regelwerke,<br />

die nicht von Parlamenten erlassen werden.<br />

Die Regeln, oftmals Formulierungen bestimmter<br />

Erwartungshaltungen, werden vielmehr vom<br />

Rechtssubjekt mit geschaffen oder im Sinne einer<br />

Selbstbindung unterstützt. Soft Law entfaltet keine<br />

unmittelbar rechtlich verbindlichen Wirkungen,<br />

weist gleichwohl eine gewisse Rechtsnähe auf und<br />

vermag unter bestimmten Voraussetzungen, etwa<br />

einer Selbstbindungserklärung, Rechtswirkungen<br />

zu erzeugen. Häufig stellen Soft-Law-Ansätze ein Übergangsstadium<br />

zur klassischen Normsetzung dar.<br />

Vielfach von Unternehmen als pragmatischer Ansatz<br />

betrachtet werden die zehn Nachhaltigkeitsprinzipien<br />

des „UN Global Compact“ (www.unglobalcompact.org).<br />

Weitere, auf eine Selbstregulierung abzielende Soft-<br />

Law-Ansätze, bestehen darüber hinaus etwa in den<br />

OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen<br />

(www.oecd.org), in der Grundsatzerklärung für multinationale<br />

Unternehmen und Sozialpolitik der Internationalen<br />

Arbeitsorganisation (ILO), im Leitfaden ISO 26.000<br />

zur gesellschaftlichen <strong>Verantwortung</strong> von Organisationen<br />

oder in den Berichterstattungsstandards der Global<br />

Reporting Initiative (GRI) sowie des Europäischen<br />

Analystenverbands EFFAS.<br />

Mit unterschiedlichen Schwerpunkten geht es bei diesen<br />

Standards beispielsweise um die Gewährleistung<br />

der Menschenrechte, der Arbeitsnormen, des Umweltschutzes,<br />

der Verbraucherinteressen, des Wettbewerbs<br />

und generell um ein Mehr an Transparenz und an „anständigen<br />

Verhaltensweisen“ sowie um die Verhinderung<br />

von Korruption und vergleichbarer Kriminalität.<br />

Weiterführende Links<br />

www.iso.org<br />

www.ilo.org<br />

www.globalreporting.org<br />

www.effas.net<br />

Seite 34 //


„ Wir brauchen Journalisten, die Hintergründe<br />

transparent machen und zugleich für jeden<br />

verständlich formulieren können.<br />

Die Zielsetzung des Journalistenpreises,<br />

den die ING-DiBa einmal im Jahr vergibt,<br />

entspricht meiner Vorstellung von einem<br />

Wirtschaftsjournalismus, der dem Bürger<br />

Urteilskraft über ökonomische Themen<br />

verschafft.“<br />

Helmut Schmidt, Bundeskanzler a. D.<br />

der helmut schmidt-journalistenpreis 2012<br />

Der Helmut Schmidt-Journalistenpreis wurde erstmals 1996 ausgeschrieben<br />

und wird seitdem jedes Jahr für besondere Leistungen auf dem Gebiet der verbraucherorientierten<br />

Berichterstattung über Wirtschafts- und Finanzthemen<br />

verliehen. Der<br />

Preis ist insgesamt mit 30.000 Euro dotiert.<br />

Einsendeschluss ist der 30. Juni 2012.<br />

Nähere Informationen zum Preis und zur Anmeldung fi nden Sie unter<br />

www.helmutschmidtjournalistenpreis.de.<br />

gestiftet von der


Alles heiße Luft<br />

<strong>Zukunft</strong>smarkt erneuerbare Energien // Nutzung<br />

selbst generierter Energie als attraktive und<br />

prestigeträchtige Alternative für Unternehmen<br />

Von Dr. Julia Kühn und Katja Fleschütz<br />

Fotoquelle: © thinkstock


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Aus der Forschung<br />

Kaum ein Markt steht derzeit derart im Fokus<br />

der Öffentlichkeit wie die erneuerbaren<br />

Energien.<br />

Nicht nur dass ein gerade einmal seit drei<br />

Monaten wirksames Gesetz wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />

EEG 2012 (Gesetz<br />

zur Neuregelung des Rechtsrahmens für<br />

die Förderung der Stromerzeugung aus<br />

erneuerbaren Energien) bereits zum 1. April<br />

2012 rückwirkend umfangreiche Änderungen<br />

mit immenser wirtschaftlicher Tragweite<br />

für Investoren erfahren hat, deren<br />

endgültige Fassung zum jetzigen Zeitpunkt<br />

noch nicht einmal feststeht. Nein, auch die<br />

explosionsartig steigenden Energiekosten<br />

sowie der immer stärker werdende Blick der<br />

Konsumenten auf energiebewusstes Handeln<br />

bei der Produktion von Waren zwingen<br />

Unternehmen zur kritischen Überprüfung<br />

ihrer hausinternen Energiepolitik. Neben<br />

Kostenmodellen wird der Umgang mit Energie<br />

zunehmend auch zum markenbildenden<br />

Marketinginstrument.<br />

Ökologie in der Ökonomie<br />

In diesen Tagen ist vorgelebtes Energiebewusstsein<br />

ein wertvolles Mittel zur Imagepflege<br />

für jedes Unternehmen. Solange<br />

Verbraucher nach umweltverträglichen und<br />

ressourcenschonenden Alternativen fragen,<br />

ist der positive Einfluss auf das Unternehmensimage<br />

unmittelbar, wenn damit geworben<br />

werden kann, dass die vom Unternehmen<br />

benötigte Energie aus erneuerbaren<br />

Mitteln gewonnen wird. So kann mit der<br />

eigenen, auf den Hallendächern installierten<br />

Photovoltaikanlage oder der Wärmegewinnung<br />

bei der Müllverbrennung neben der<br />

Senkung der eigenen Energiekosten auch<br />

ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit<br />

von den Energieversorgungsunternehmen<br />

gegangen und zudem dokumentiert werden,<br />

dass die eigenen Produkte „sauber“ sind und<br />

sich gegenüber ihren Konkurrenten positiv<br />

abheben.<br />

Ein weiterer Anreiz zum Überdenken des<br />

eigenen Energiemanagements ist die<br />

Bedeutung einer umweltfreundlichen<br />

Unternehmensstrategie für die Vergabe<br />

öffentlicher Aufträge. So können öffentliche<br />

Auftraggeber bei der Vergabe von<br />

Aufträgen Umweltaspekte berücksichtigen,<br />

so z.B. durch die Richtlinie 2009/28/EG<br />

zur Förderung der Nutzung von Energie<br />

aus erneuerbaren Quellen und Richtlinie<br />

2006/32/EG zur Endenergieeffizienz und<br />

Energiedienstleistungen. In Zeiten, in denen<br />

der Atomausstieg nicht nur in Deutschland<br />

von der Politik diskutiert wird, rücken bei<br />

der Vergabe öffentlicher Aufträge Umweltbelange<br />

immer mehr in den Fokus.<br />

Zu berücksichtigen ist schließlich, dass das<br />

durch die Umsetzung der Energiewende<br />

gewonnene Know-how künftig international<br />

gefragt sein wird und daher die Vergabe<br />

internationaler Aufträge erwarten lässt. Das<br />

wirtschaftliche Potential, das in der nun<br />

notwendig gewordenen Forschung nach<br />

möglichst wirtschaftlichen technischen<br />

Lösungen bei der Gewinnung der erneuerbaren<br />

Energien liegt, ist unbestritten,<br />

genießt es doch im Verhältnis zu sonstiger<br />

Forschung den Vorteil, dass sich die finanzierenden<br />

Unternehmen darauf verlassen<br />

dürfen, dass sich die entsprechenden<br />

Märkte allein aufgrund der globalen ökologischen<br />

Veränderungen unweigerlich bilden<br />

werden. Auch vor diesem Hintergrund<br />

hagelte es jüngst gegen die geplanten<br />

Änderungen des EEG 2012 derart massive<br />

Kritik aus der Wirtschaft.<br />

Erneuerbare im Aufwind<br />

Ungeachtet der Debatte um das EEG 2012<br />

sollen bis 2020 mehr als 30 Prozent des<br />

Stromverbrauchs mit regenerativen Energien<br />

– nämlich Sonne, Wind, Wasser, Biomasse<br />

und Geothermie – gedeckt werden.<br />

Gerade bei Offshore-Windparks sollten in<br />

den kommenden vier Jahren an der deutschen<br />

Nord- und Ostsee mehr als<br />

1.500 Megawatt (MW) als Windenergieanlagen<br />

installiert werden. 30 Offshore-Projekte<br />

im Wert von mehr als 1 Milliarde Euro sind<br />

bereits genehmigt.<br />

Offshore-Windparks sind Großprojekte auf<br />

hoher See, die den Beteiligten nicht nur<br />

in technischer und logistischer Hinsicht<br />

Meisterleistungen abverlangen, sondern<br />

auch im rechtlichen Bereich einer äußerst<br />

detaillierten Vorbereitung bedürfen. Wie das<br />

Genehmigungsverfahren durchzuführen ist,<br />

ergibt sich aus der anzuwendenden Seeanlagenverordnung<br />

nur ansatzweise. Aus dem<br />

zudem maßgeblichen Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz<br />

hat sich in der Praxis<br />

ein Genehmigungsraster herausgebildet.<br />

Die Verfahren dauern im Regelfall mehrere<br />

Jahre, da im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie<br />

bereits eine über zwei Jahre<br />

zu führende „Basisuntersuchung“ erforderlich<br />

ist.<br />

Es bleibt abzuwarten, ob die Verfahren<br />

in Anbetracht des nunmehr durch den<br />

Atomausstieg entstandenen Zeitdrucks<br />

vereinfacht und beschleunigt werden. Anders<br />

als bei der Photovoltaik halten sich die<br />

Änderungen durch die EEG-Novelle vom<br />

1. April 2012 bei der Windenergie in Grenzen,<br />

so dass hier weiterhin mit verlässlichen<br />

Renditen zu rechnen ist.<br />

// Seite 37


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Aus der Forschung<br />

Aber nicht nur Offshore-Windparks bieten<br />

eine Chance für den Standort Deutschland,<br />

sondern auch die sogenannten Onshore-Parks.<br />

Vor der Realisierung eines Windenergieprojektes<br />

ist im Rahmen eines umfassenden<br />

schnittstellensensiblen Projektmanagements<br />

eine Vielzahl von rechtlichen Gesichtspunkten<br />

zu berücksichtigen und in die Gestaltung<br />

der entsprechenden Verträge wie Liefer- und<br />

Errichtungsverträge, Projekt- und Generalunternehmerverträge<br />

einzuarbeiten.<br />

Eine besondere Herausforderung stellen hier<br />

z.B. Wartungs- und Instandhaltungsverträge<br />

für Offshore-Anlagen im Zusammenspiel mit<br />

der notwendigen Logistik zwecks Erreichbarkeit<br />

des Windparks auf hoher See dar. Spezialschiffe,<br />

die im Rahmen der Instandhaltung<br />

benötigte große Turbinen und Rotorblätter<br />

transportieren können, stehen bisher nur in<br />

begrenztem Umfang zur Verfügung. Damit<br />

kommt der genauen Leistungsbeschreibung<br />

und den Wartungsterminen ebenso große<br />

Bedeutung zu wie dezidierten Regelungen<br />

zur Gewährleistung und Haftung. Jede<br />

Nachlässigkeit kann hier für den Anlagenerrichter<br />

ebenso das „Projektaus“ bedeuten wie<br />

Versäumnisse bezüglich der Anforderungen<br />

der Projektfinanzierung.<br />

Energieparks sind hochkomplexe technische<br />

Anlagen, deren Bau im Regelfall bereits<br />

einer qualifizierten Überwachung bedarf.<br />

Seit 2006 gilt für überwachungsbedürftige<br />

Anlagen und seit 2008 für wiederkehrende<br />

Prüfungen dieser Anlagen nicht mehr das<br />

TÜV-Monopol, so dass bereits eine Vielzahl<br />

von Unternehmen in diesem äußerst lukrativen<br />

und rasch wachsenden Bereich ihre<br />

Dienste anbietet.<br />

Das finanzielle Potential des Energiegeschäfts<br />

haben zwischenzeitlich auch US-<br />

Investoren wie Blackstone erkannt. Das Unternehmen<br />

beteiligt sich aktuell mit ca. 2,5<br />

Milliarden Euro an zwei Windkraftprojekten<br />

in der Nordsee. Aber auch in den Gemeinden<br />

ist die Windenergie im „Aufwind“. Neben<br />

zahlreichen Bürgerparks setzen die Kommunen<br />

auf eigene Energieversorgung, z.B.<br />

durch die Errichtung von selbstbetriebenen<br />

Windparkanlagen oder Solarmodulen auf<br />

größeren Dachflächen, durch Biogasanlagen<br />

oder eben Geothermie, um ihre Unabhängigkeit<br />

vom immer unberechenbarer werdenden<br />

Energiesektor zu sichern. So steigern die<br />

Kommunen ihre Attraktivität für die dort<br />

ansässigen Menschen und Unternehmen.<br />

Zudem generieren Gemeinden aus Energieparks,<br />

die in ihrem Einzugsgebiet installiert<br />

werden, weitere Gewerbesteuereinnahmen.<br />

Die Bundesregierung hat eigens mit dem<br />

Jahressteuergesetz 2009 für Windenergieanlagen<br />

geregelt, dass die sogenannten<br />

Standortgemeinden bis zu 70 Prozent der<br />

Gewerbesteuer selbst einnehmen können.<br />

In einer am 26. Juli 2011 veröffentlichten<br />

Leitsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof<br />

mit erheblicher Signalwirkung das<br />

Recht von Windenergieanlagenbetreibern<br />

zum Kauf von Ackerflächen trotz bestehender<br />

sogenannter siedlungsrechtlicher<br />

Vorkaufsrechte gestärkt. Nach Ansicht<br />

des zuständigen Senats kann der Erwerb<br />

eines landwirtschaftlichen Grundstücks zur<br />

Errichtung einer Windkraftanlage nach § 9<br />

Abs. 6 GrdstVG genehmigt werden, weil die<br />

Sicherung und der Ausbau einer die Umwelt<br />

schonenden Energieversorgung zu den zu<br />

berücksichtigenden allgemeinen volkswirtschaftlichen<br />

Belangen gehört (BGH; Beschluss<br />

vom 15. April 2011, Az. BLw 12/10).<br />

Nachwuchs fehlt<br />

Es ist davon auszugehen, dass die im Jahre<br />

2011 in Deutschland installierte Gesamtleistung<br />

an Windenergie mit 29.060 MW.<br />

(Quelle: DEWI/BWE, www.wind-energie.<br />

de/infocenter/statistiken) im Jahre 2012<br />

nochmals erheblich zunehmen wird. Laut<br />

Bundesumweltministerium arbeiten heute<br />

mehr als 300.000 Menschen im Bereich der<br />

erneuerbaren Energien. Sowohl in der Solarals<br />

auch in der Windkraftbranche fehlt es<br />

aktuell schon an qualifiziertem Personal<br />

und Nachwuchs. Gleiches wird für Biogas<br />

und Geothermie vermeldet. Neben den zu<br />

bewältigenden Herausforderungen beim<br />

Umbau des Energiemarktes bestehen auch<br />

Potentiale, daher dürften sich kurzzeitige<br />

Marktnachteile langfristig kompensieren.<br />

Zumal mit entsprechender Förderung – auch<br />

im internationalen Umfeld – zu rechnen ist.<br />

Neben nach wie vor lukrativen Investments<br />

gewinnen die Erneuerbaren zunehmend auch<br />

unter dem Aspekt des Eigenstromverbrauchs<br />

an Bedeutung. Mit der Weiterentwicklung<br />

von Speichermedien wird für immer mehr<br />

Unternehmen die Nutzung selbst generierter<br />

Energie eine attraktive und prestigeträchtige<br />

Alternative.<br />

Neuerdings macht sich dieser Trend auch in<br />

etwas größerem Rahmen auf kommunaler<br />

Ebene bemerkbar, wenn unter dem Stichwort<br />

„Rekommunalisierung“ immer mehr Gemeinden<br />

bei der Ausweisung von Gewerbeflächen<br />

auch ein modernes Energiekonzept fordern,<br />

das Strom möglichst dort gewinnt, wo er<br />

auch verbraucht wird. Vor diesem Hintergrund<br />

kann man ruhig von heißer Luft sprechen<br />

– im Rahmen der Wärmegewinnung.<br />

Dr. Julia Kühn und Katja Fleschütz,<br />

Rechtsanwältinnen bei BTUSIMON in München<br />

Seite 38 //


Handbuch Länderrisiken 2012<br />

Herausgegeben von Coface Deutschland<br />

in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut.<br />

April 2012, 448 Seiten, Paperback, 198,00<br />

ISBN 978-3-89981-631-0<br />

Auslandsmärkte auf einen Blick<br />

Die Emerging Markets gewinnen weiter an Gewicht.<br />

Mit China und den anderen großen Schwellenländern stehen Nachfragemotoren<br />

der Weltwirtschaft vor einem Wechsel von einem exportgetriebenen<br />

zu einem binnenwirtschaftlichen Wachstum. Sie investieren verstärkt<br />

auch in Nachhaltigkeitstechnologien sowie Bildung und Infrastruktur.<br />

Welche Märkte geben 2012 Wachstumsimpulse Wo lauern Forderungsausfälle<br />

von Unternehmen oder Zahlungsschwierigkeiten ganzer Staaten<br />

Wie entwickeln sich einzelne Branchen in -ausgewählten Ländern<br />

Das „Handbuch Länderrisiken 2012: Auslandsmärkte auf einen Blick“ liefert<br />

wertvolle Orientierungshilfen. Es bietet einen kompakten Überblick über<br />

die wirtschaftliche und politische Lage in fünf Regionen und 157 Ländern.<br />

Hiermit bestelle ich:<br />

____ Exemplar/e des Handbuches Länderrisiken 2012 à 1 98,00<br />

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<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Im Gespräch<br />

„Wir wollen Deutschland zum Leitmarkt für die<br />

Elektromobilität entwickeln“<br />

Interview mit Dr. Reiner Korthauer, Geschäftsführer Fachverband Transformatoren und<br />

Stromversorgungen im Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie e.V.<br />

Welche Positionen vertritt der ZVEI beim<br />

Thema Elektromobilität, und was tun sie<br />

konkret<br />

Der ZVEI befürwortet mit Blick auf den<br />

anstehenden Klimawandel und die endliche<br />

Verfügbarkeit des Rohstoffes Öl den Einstieg<br />

in die Elektromobilität. Er unterstützt<br />

das von der Bundesregierung vorgegebene,<br />

ehrgeizige Ziel, bis zum Jahr 2020 eine<br />

Million Elektrofahrzeuge auf die Straßen<br />

Deutschlands zu bringen. Wichtig ist, dass<br />

jetzt die politischen Rahmenbedingungen<br />

geschaffen werden, damit Elektromobilität<br />

„made in Germany“ ein Erfolg werden kann.<br />

Die Elektroindustrie befindet sich dabei<br />

in einer Schlüsselstellung.<br />

Da bereits aktuell ein Drittel der Wertschöpfung<br />

jedes Pkw auf elektrotechnische und<br />

elektronische Produkte zurückzuführen ist,<br />

wird sich dieser Anteil mit dem Einstieg in<br />

die Elektromobilität zukünftig weiter stark<br />

erhöhen. Die Elektroindustrie bietet schon<br />

heute eine Vielzahl von Produkten an, die für<br />

die Elektromobilität von morgen notwendig<br />

sind: Hier sind nicht nur elektrische Antriebe,<br />

Leistungselektronik und Elektrotankstellen zu<br />

nennen, auch die Herstellung von Batterien<br />

auf Zellebene hat sich die deutsche Industrie<br />

auf ihre Fahnen geschrieben.<br />

Sind Elektromobile wirklich eine Alternative<br />

zu konventionellen Fahrzeugen<br />

Der Blick zurück nach Amerika ins Jahr<br />

1912 zeigt, dass 20 Hersteller rund 34.000<br />

Elektrofahrzeuge ausgeliefert hatten.<br />

Elektromobilität war also schon zu Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts eine Alternative, die<br />

durch die rasante Weiterentwicklung der<br />

Verbrennungskraftmaschine allerdings sehr<br />

schnell in den Hintergrund gedrängt wurde.<br />

Heute aber sind die Technologien verfügbar,<br />

die der Elektromobilität zum Erfolg verhelfen<br />

können. Allein die Batterietechnologie bedarf<br />

noch enormer Anstrengungen, um Leistungsund<br />

Energiedichte im Vergleich zu den heute<br />

verfügbaren Batteriesystemen deutlich zu<br />

erhöhen.<br />

Nach einem großen Hype hört man zunehmend<br />

Kritik an Elektroautos, vor allem<br />

wegen der Sicherheit und Entsorgung der<br />

Batterien. Teilen Sie diese Skepsis<br />

Jedes energiereiche Antriebsmittel eines<br />

Kraftfahrzeugs ist inhärent gefährlich, da die<br />

gezielte, kontrollierte Energiefreisetzung im<br />

Falle eines Unfalls jederzeit in eine unkontrollierte<br />

umschlagen kann. Dies gilt sowohl<br />

für flüssige Antriebsstoffe wie Benzin/Diesel,<br />

gasförmige Antriebsstoffe oder auch die<br />

Batterie. Es gilt, die Gefahren im Falle eines<br />

Unfalles zu beherrschen. Dies gelingt bei der<br />

Batterie durch die aufwendigen technischen<br />

Spezifikationen und den sorgfältigen Herstellungsprozess.<br />

Fotoquelle: © Korthauer<br />

Seite 40 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Im Gespräch<br />

Selbstverständlich wird jede Batterie, die das<br />

Ende ihres Lebenszyklus erreicht hat, zukünftig<br />

recycelt werden. Letztendlich enthält sie<br />

in Abhängigkeit von der eingesetzten Technologie<br />

wertvolle Inhaltsstoffe, die einem<br />

erneuten Einsatz zugeführt werden können.<br />

Viele Journalisten bezweifeln, dass die<br />

Reichweiten ausreichend sind für einen größeren<br />

Markt. Sehen Sie hier Fortschritte<br />

Die Reichweite der aktuell geplanten Elektrofahrzeuge<br />

ist seit Anbeginn des Hypes in<br />

der Elektromobilität ein Diskussionsthema,<br />

an dem sich die Geister scheiden. Elekttromobilität<br />

in Form des allein mit einer<br />

Batterie betriebenen Elektrofahrzeugs wird<br />

sicherlich nicht auf kurze und mittlere Sicht<br />

für den Langstreckeneinsatz geeignet sein.<br />

Schaut man aber auf die durchschnittlichen<br />

Fahrstrecken, die die Mehrzahl der Pendler<br />

zwischen Wohnung und Arbeitsplatz<br />

zurücklegt, so ist das Elektrofahrzeug eine<br />

echte Alternative zu allen anderen Antriebsarten.<br />

Auch wird sich die Einstellung potentieller<br />

Käufer im Zuge der weiteren Entwicklung<br />

und des Markteintritts von Elektrofahrzeugen<br />

sicherlich verändern. Dies ist bei allen neu<br />

eingeführten Technologien bisher so gewesen.<br />

Als die LED erstmals in der Lichttechnik<br />

eingesetzt wurde, stand man ihr auch noch<br />

sehr skeptisch gegenüber. Heute sind selbst<br />

Autoscheinwerfer – in der Mittel- und<br />

Oberklasse – mit LED-Lampen ausgestattet.<br />

Außerdem spielt der Umweltschutzgedanke<br />

heute eine große Rolle. Elektrofahrzeuge, die<br />

mit Strom aus erneuerbarer Energie geladen<br />

werden, sind emissionsfrei. Es gibt eine<br />

Vielzahl von Menschen, die bereit sind, für<br />

solche Fahrzeuge mehr Geld auszugeben. Das<br />

Umdenken hat also bereits begonnen, und<br />

nicht allein die Reichweite wird das zukünftige<br />

Kriterium für die Kaufentscheidung sein.<br />

Was antworten die Energieversorger, wenn<br />

man ihnen vorwirft, dass die Bilanz der<br />

E-Autos so lange schlecht ist, solange der<br />

Strom nicht umweltfreundlich produziert<br />

wird<br />

Diese Frage sollten die Energieversorger<br />

selbst beantworten, denn Deutschland ist<br />

nach dem begonnenen Ausstieg aus der<br />

Kernenergie auf dem Weg zu neuen Energieformen.<br />

In diesem Umfeld kann und wird<br />

die Elektromobilität eine entsprechende Rolle<br />

spielen. Der Energiekonsument von heute<br />

ist der Energieproduzent von morgen – oder<br />

neudeutsch ein „Prosumer“.<br />

Wer wird die erforderliche Infrastruktur<br />

bereitstellen, und wann wird diese flächendeckend<br />

sein<br />

Die erforderliche Infrastruktur im öffentlichen<br />

Raum wird momentan von den Kommunen,<br />

den Stadtwerken, den Netzbetreibern oder<br />

auch den Energieversorgungsunternehmen<br />

(EVU) errichtet. Aber auch Unternehmen, die<br />

öffentlich Parkplätze zur Verfügung stellen,<br />

wie Flughafenbetreiber oder Supermärkte,<br />

bieten inzwischen Parkplätze für Elektrofahrzeuge<br />

an. Flächendeckend muss die<br />

Infrastruktur erst dann sein, wenn auch ein<br />

entsprechender Anteil an Elektrofahrzeugen<br />

auf den Straßen zu finden ist. Abgesehen<br />

davon wird der Schwerpunkt der Lade- und<br />

Infrastruktur am privaten Wohnort und am<br />

täglich aufgesuchten Dienstort liegen, da<br />

die Mehrzahl der Fahrten von Pendlern zur<br />

Arbeitsstätte und zurück durchgeführt wird.<br />

Wie bewerten Sie die Aktivitäten der Automobilhersteller<br />

und der Stromkonzerne.<br />

Gehen sie die Herausforderungen mit angemessenen<br />

Investitionen überzeugend an<br />

Alle deutschen Markenproduzenten haben<br />

inzwischen im Portfolio ihres Typspektrums<br />

Hybridfahrzeuge. Elektromobile sind für die<br />

nächsten Monate angekündigt oder bereits<br />

verfügbar. Den zukünftigen Markt hier<br />

richtig einzuschätzen ist auch für die großen<br />

deutschen, erfahrenen Autohersteller keine<br />

einfache Sache. Insofern sind die bisherigen<br />

Aktivitäten, die bereits einen hohen Investitionsaufwand<br />

beinhalten, zu Unrecht kritisiert<br />

worden. Die Automobilhersteller und die EVU<br />

werden ihren Anteil für einen erfolgreichen<br />

Weg in die Elektromobilität zu leisten wissen.<br />

// Seite 41


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Im Gespräch<br />

Wo sehen Sie Deutschland im internationalen<br />

Wettbewerb um das Elektroauto<br />

Die deutsche Elektroindustrie ist eine der<br />

stärksten der Welt. Der Anteil Deutschlands<br />

am Weltelektrohandel liegt bei 7 Prozent, der<br />

deutsche Markt ist mit 110 Milliarden Euro<br />

der viertgrößte Einzelmarkt weltweit. Für die<br />

deutsche Automobilindustrie gilt Ähnliches.<br />

Autos aus deutschen Landen sind führend in<br />

der Welt. Mit 12,7 Millionen Fahrzeugen im<br />

Jahr 2010 trägt jedes sechste Auto weltweit<br />

ein deutsches Konzernlogo. Insofern<br />

ist Deutschland auch für die <strong>Zukunft</strong> in der<br />

Elektromobilität sicherlich gut aufgestellt,<br />

auch wenn Automobilhersteller in einzelnen<br />

Ländern bereits weiter vorgeprescht sind.<br />

Welche Länder sind unsere schärfsten<br />

Wettbewerber<br />

Schauen wir uns in Europa um, dann fällt<br />

sofort Frankreich ins Auge. So hat die französische<br />

Regierung gleich zwei Programme<br />

mit der Entwicklung von Elektrofahrzeugen<br />

als Schwerpunkt aufgelegt: den „Pacte<br />

automobile“ und den „Plan national pour les<br />

véhicules électriques“. Es ist in Frankreich offensichtlich<br />

deutlich einfacher, in eine neue<br />

Technologie einzusteigen, als in Deutschland.<br />

Das gilt sowohl für die öffentlichen Ladestellen<br />

als auch für das Beschaffungswesen<br />

staatlicher Organisationen.<br />

Aber auch Asien schläft natürlich nicht. Japan<br />

verfügt im Vergleich zu den meisten anderen<br />

Ländern über reichhaltige Erfahrung bei Hybrid-<br />

und Elektrofahrzeugen. Dort sind bereits<br />

über 1 Million Hybridfahrzeuge zugelassen.<br />

In Korea gelten seit 2009 Steuervergünstigungen<br />

für Hybridfahrzeuge, dennoch kommt<br />

dort der Markt noch nicht so recht in Fahrt.<br />

Was konkret muss die Politik tun, um diese<br />

Form der Mobilität voranzubringen<br />

Die Politik hat schon positive Zeichen gesetzt.<br />

So hat die Etablierung der Nationalen<br />

Plattform Elektromobilität eine branchenübergreifende<br />

Zusammenarbeit aller Stakeholder<br />

in Gang gebracht. Es geht nicht nur<br />

um die Entwicklung eines neuen Produktes,<br />

sondern um den Einstieg in ein völlig neues<br />

Mobilitätssystem. Dieses können einzelne<br />

Unternehmen nicht stemmen, hier ist die<br />

Zusammenarbeit aller gefragt.<br />

Wir wollen – dies sollte noch einmal betont<br />

werden – Deutschland zum Leitmarkt für die<br />

Elektromobilität entwickeln und die deutsche<br />

Industrie zum Leitanbieter. Die Voraussetzungen<br />

hierfür sind gegeben. Wichtig ist,<br />

dass die Technologien für diese neue Form<br />

der Elektromobilität vorangetrieben werden.<br />

Also müssen Mittel in Forschung und<br />

Entwicklung gesteckt werden, ein Beispiel<br />

ist die Einrichtung von Lehrstühlen der<br />

Elektrochemie, um die Batterietechnologie<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Wann wird Elektromobilität ein<br />

Massenmarkt sein<br />

Die Elektromobilität wird sich in den nächsten<br />

Jahren evolutionär weiterentwickeln.<br />

Wir werden eine steigende Hybridisierung<br />

von Fahrzeugen bei allen großen Autoherstellern<br />

sehen. Diese Hybridisierung wird<br />

zu deutlichen Verbrauchsminderungen<br />

führen. Gleichzeitig wird man sich auch<br />

dem Nutzfahrzeugsektor verstärkt widmen<br />

müssen. Gerade die großen Lastkraftwagen<br />

werden durch die Hybridisierung zu hohen<br />

Verbrauchsreduktionen kommen können.<br />

Kommunale Fahrzeuge werden hiervon<br />

deutlich profitieren. Bei den Pkw wird der<br />

vom Pendler genutzte Kleinwagen, der<br />

zwischen Wohn- und Arbeitsstätte genutzt<br />

wird, sicherlich zuerst zu größeren Anteilen<br />

kommen.<br />

Ein Massenmarkt an Elektrofahrzeugen<br />

wird sich sicherlich nicht vor dem nächsten<br />

Jahrzehnt entwickeln.<br />

Die Fragen stellte Gabriele Kalt<br />

Seite 42 //


Wie der intelligente Kunde<br />

die Wirtschaft verändert<br />

Michael Freytag Hg.<br />

Verbraucherintelligenz<br />

Kunden in der Welt von morgen<br />

Hardcover mit Schutzumschlag<br />

Innenteil vierfarbig, mit Illustrationen<br />

2012; 288 Seiten<br />

29,90 € (D), 30,50 € (A), 49,90 CHF<br />

ISBN 978-3-89981-262-6<br />

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Lesen Sie, wie hochkarätige Autoren verschiedener Disziplinen<br />

(z. B. Neuromarketing, Behavioural Economics) über die kommenden<br />

Verbrauchertrends diskutieren und Fragen beant worten,<br />

wie etwa:<br />

■<br />

■<br />

Welche Entwicklung wird das Verbraucherverhalten bis<br />

2020 nehmen<br />

Wie werden die Unternehmen darauf reagieren<br />

Für den „normalen“ Verbraucher als auch für den kundigen<br />

Fachexperten.<br />

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<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Aus der Forschung<br />

Das Auto der <strong>Zukunft</strong> entsteht am Webstuhl<br />

Carbon macht Autos leichter und reduziert den Energieverbrauch // 2013 bringt BMW seine neue, umweltfreundliche<br />

Fahrzeuggeneration BMW i auf den Markt<br />

Leichte Autos sind schnell, dynamisch und<br />

verbrauchen weniger Energie. Diese Erkenntnis<br />

ist Allgemeingut. Daher wundert es nicht,<br />

dass alle Automobilhersteller ständig daran<br />

arbeiten, das Gewicht ihrer Fahrzeuge zu<br />

reduzieren.<br />

Dennoch war die Verwunderung groß, als<br />

sich BMW im Jahr 2011 entschloss, seine<br />

neue Fahrzeuggeneration unter der Marke<br />

BMW i mit einer Karosserie aus Carbon<br />

auszustatten. Das Material ist zwar extrem<br />

belastbar, ultraleicht und besonders temperaturbeständig;<br />

weder Hitze noch Feuchtigkeit<br />

machen ihm etwas aus, und es ist besonders<br />

zug- und biegfest. Aber: Die Kosten sind<br />

hoch, die Verarbeitung schwierig, und eine<br />

industrielle Massenproduktion wäre Neuland.<br />

Doch BMW-Chef Norbert Reithofer ist<br />

zuversichtlich und begründet die Entscheidung<br />

für Carbon mit seiner konsequenten<br />

Nachhaltigkeitsstrategie: „Ich bin überzeugt,<br />

dass Unternehmen nur durch nachhaltiges<br />

Handeln langfristig Erfolg haben werden.<br />

Seite 44 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Aus der Forschung<br />

Nachhaltigkeit ist deshalb in sozialer, ökologischer<br />

und ökonomischer Hinsicht fest in<br />

unserer Unternehmensstrategie verankert.“<br />

Es könnte also sein, dass die Revolution im<br />

Automobilbau am Webstuhl und im Backofen<br />

stattfindet: Denn Carbon wird nicht im<br />

Stahlwerk gewalzt, sondern von Textilfachleuten<br />

aus kleinen Fasern zu dicken Fäden<br />

versponnen und im Ofen gebacken. Einige<br />

Fakten zu ihrem Material haben die Münchner<br />

kürzlich bekanntgegeben:<br />

Das Material ist also keine grundsätzlich<br />

neue Erfindung. Es ist punktuell im Rennsport<br />

und im Flugzeugbau bereits seit<br />

Anfang der achtziger Jahre im Einsatz.<br />

Doch die Massenfertigung als vollständige<br />

Karosserie im Automobil schien bislang<br />

als zu aufwendig und teuer. Kaum jemand<br />

traute es dem Münchner Premiumhersteller<br />

daher zu, diese Probleme in den Griff zu bekommen.<br />

Aber: Gemeinsam mit SGL Carbon<br />

ist BMW die Großfertigung angegangen<br />

und hat erste Erfolg erzielt.<br />

Im bayerischen Wackersdorf werden die<br />

Fäden dann zu dickeren Strängen versponnen<br />

und zu breiteren Gelegen verwirkt. „Im<br />

letzten Schritt der Vorproduktion“, so ein<br />

BMW-Sprecher, „werden die Carbonfasergelege<br />

wie Stoffe zugeschnitten. Aus zweidimensionalen<br />

Lagen können so dreidimensionale<br />

Bauteile entstehen – bevor sie in<br />

dickflüssigem Harz getränkt werden. Zuletzt<br />

werden die fertigen Carbonteile dann noch<br />

einmal im Ofen gebacken. BMW gelang es<br />

nun, diesen bislang manuellen Prozess im<br />

Werk in Landshut zu automatisieren.“ Die<br />

Endmontage erfolgt dann im Werk in Leipzig,<br />

wo täglich 150 i-Modelle gebaut werden<br />

sollen, also rund 45.000 im Jahr.<br />

BMW wird zunächst seine beiden neuen<br />

Modelle i3 und i8 damit ausstatten. Das<br />

Megacity-Vehikel i3 kommt mit Fahrgastzelle<br />

aus Carbon und Elektroantrieb bereits<br />

2013 auf den Markt. Der Sportwagen i8 folgt<br />

ein Jahr später mit einem Hybridantrieb,<br />

also mit Elektro- plus Verbrennungsmotor.<br />

➤➤<br />

Das Gewicht der Carbonfasern liegt bei nur<br />

1,8 Gramm pro Kubikmeter, während Aluminium<br />

2,7 Gramm und Stahl 7,8 Gramm<br />

wiegt. Fertig in Harz getränkte Carbonteile<br />

sind immer noch um ein Drittel leichter<br />

als Aluminium und halb so schwer wie<br />

Stahlteile.<br />

➤➤<br />

Bis zu 500.000 Fasern werden auf wenigen<br />

Quadratzentimetern miteinander verwirkt.<br />

➤➤<br />

Formel-1-Rennwagen mit aus Carbonfaser<br />

verstärktem Kunststoff überstehen selbst<br />

Crashs mit mehr als 300 Stundenkilometern.<br />

➤➤<br />

60 Meter lange Flügel von modernen Windanlagen<br />

halten Windgeschwindigkeiten<br />

von bis zu 300 Kilometern pro Stunde aus,<br />

wobei ihre Spitzen extrem biegsam sind.<br />

➤➤<br />

Produktverschnitt ist bei der Carbonfaser<br />

niemals Abfall. Der Verschnitt wird zu 100<br />

Prozent aufbereitet und an anderen Stellen<br />

verwendet.<br />

Carbonfasern entstehen durch starke Erhitzung.<br />

BMW und SGL Group produzieren<br />

diese seit dem Sommer 2011 in riesigen<br />

Öfen in Moses Lake im Nordwesten der<br />

USA. Hier werden weiße Acrylfäden in<br />

mehreren Schritten mit Temperaturen<br />

zwischen 250 und 1.300 Grad gebacken,<br />

um am Ende reine, schwarze Kohlefasern<br />

zu erhalten. Die beiden Gesellschaften<br />

investierten hier insgesamt rund 100<br />

Millionen US-Dollar. Weil dieser Prozess<br />

sehr energieaufwendig ist, das Ziel der<br />

CO 2 -Neutralität aber nicht gefährdet werden<br />

soll, arbeitet das Werk in Moses Lake<br />

ausschließlich mit regenerativ erzeugtem<br />

Strom aus einem Wasserwerk am Columbia<br />

River. BMW betonte zur Eröffnung<br />

des Werkes im Sommer 2011, entlang der<br />

gesamten Wertschöpfungskette würden<br />

ökologische, soziale und wirtschaftliche<br />

Aspekte miteinander in Einklang gebracht.<br />

// Seite 45


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Aus der Forschung<br />

Norbert Reithofer über den i8: „Er verbindet<br />

die Leistung eines Sportwagens mit dem<br />

Verbrauch eines Kleinwagens. Er bietet eine<br />

Beschleunigung von 0 auf 100 von unter<br />

5 Sekunden mit einem Verbrauch von 2,7<br />

Litern beziehungsweise einem CO 2 -Wert von<br />

66 Gramm je Kilometer. Diese Werte bietet<br />

bislang kein anderes Fahrzeug auf diesem<br />

Leistungsniveau.“ Reithofer weiter: „Die<br />

beiden Fahrzeuge sind von Anfang an für<br />

den elektrischen Antrieb entwickelt worden.<br />

Mit ihrem speziellen Design werden die<br />

Fahrzeuge neue Standards für die umweltfreundliche,<br />

individuelle Mobilität der<br />

<strong>Zukunft</strong> setzen.“<br />

Bei aller Bewunderung, die Automobil-Experten<br />

der BMW Group für ihren Mut und ihren<br />

innovativen Geist zollen, kommen aber auch<br />

skeptische Töne auf. So schrieb die „Welt“<br />

unter der Überschrift „Keine leichte Sache für<br />

BMW“: „Der Konzern pumpt Milliarden in die<br />

Produktion von Karbon-Autos – ein großes<br />

Risiko für den Autobauer.“<br />

Immerhin respektieren die Journalisten die<br />

konsequente Strategie: „Um den Erfolgskurs<br />

dauerhaft halten zu können, muss sich<br />

BMW neu erfinden. Denn die Münchner<br />

stecken in einer Zwickmühle. Ein Einstieg<br />

ins Massengeschäft komme nicht in Frage.<br />

„Premium ist und bleibt unser Geschäftsmodell“,<br />

sagt BMW-Chef Reithofer. Er will<br />

dort bleiben, wo man richtig Geld verdienen<br />

kann. Also müssen noch effizientere Verbrennungsmotoren<br />

her, weitere technische<br />

Lösungen wie die Start-Stop-Automatik<br />

oder Hybridmodelle – und vor allem völlig<br />

saubere Autos, Elektrofahrzeuge.<br />

Nur: Damit ein Stromer das typische BMW-<br />

Gefühl beim Fahren erzeugen kann, braucht<br />

er eine starke Batterie. Die aber sind wahre<br />

Schwergewichte. Und so räumt Ulrich<br />

Kranz, Projektleiter von project i ein, dass<br />

genau hier der Vorteil von Carbon liegt:<br />

„Elektroautos haben durch die schweren<br />

Batterien einen Gewichtsnachteil. Diesen<br />

wollen wir kompensieren.“<br />

Dass ein grundlegender Wandel im Automobilbau<br />

erforderlich ist, daran lässt auch<br />

die Politik keinen Zweifel mehr. Gerade<br />

werden in der EU neue Grenzwerte für den<br />

CO 2 -Ausstoß diskutiert, und BMW geht<br />

davon aus, dass er 2020 bei 95 Gramm<br />

pro Kilometer liegen wird. Derzeit liegt der<br />

durchschnittliche Ausstoß der BMW-Flotte<br />

bei 148 Gramm.<br />

Neben den produktionstechnischen Problemen<br />

müssen BMW und SGL jetzt noch<br />

das Kostenproblem lösen, das viele andere<br />

Hersteller bislang davon abgehalten hat,<br />

mit Carbon zu planen. Im Auto verarbeiteter<br />

Stahl kostet derzeit bis zu 5 Euro pro Kilo,<br />

bei einem Kilo Aluminium kalkuliert man<br />

mit 20 Euro. Carbon liegt bei 80 Euro. In den<br />

Werken in Wackersdorf und Landshut macht<br />

BMW derweil große Fortschritte und ist sich<br />

sicher, deutliche Kostenreduzierungen zu<br />

erreichen. Man werde sich noch wundern,<br />

zu welchen Preisen man die neuen Modelle<br />

anbieten könne.<br />

Wie ernst es BMW mit der Carbonproduktion<br />

nimmt, zeigt sich auch in der<br />

Investitionspolitik. Die BMW AG hat sich<br />

im November 15,1 Prozent der Anteile an<br />

der SGL Carbon SE gesichert. Bereits im<br />

Frühjahr 2011 hatte die BMW-Großaktionärin<br />

Susanne Klatten ihren Anteil an dem<br />

Kohlefaserspezialisten auf 26,98 Prozent<br />

ausgebaut und sich damit eine Sperrminorität<br />

im Unternehmen gesichert. „Das Thema<br />

Leichtbau spielt in der Automobilindustrie<br />

zukünftig eine immer größere Rolle“, sagte<br />

Finanzvorstand Friedrich Eichiner im Herbst.<br />

„Die Beteiligung an der SGL Group ist ein<br />

konsequenter Schritt.“ gk<br />

Fotoquelle (Seiten 44 – 46): © BMW Group<br />

Seite 46 //


Perspektiven des Automobilstandortes Deutschland<br />

Interviewreihe mit führenden Persönlichkeiten der deutschen Automobilbranche<br />

Dr. Jürgen M. Geißinger<br />

Vorstandsvorsitzender,<br />

Schaeffler AG<br />

Rupert Stadler<br />

Vorstandsvorsitzender,<br />

AUDI AG<br />

Prof. Dr. Burkhard Göschel<br />

Chief Technology Officer,<br />

Magna International Inc.<br />

Prof. Dr. Thomas Weber<br />

Forschungs- und Entwicklungsvorstand,<br />

Daimler AG<br />

Hans-Georg Härter<br />

Vorstandvorsitzender,<br />

ZF Friedrichshafen AG<br />

Ruth Werhahn<br />

Leiterin Konzerninitiative<br />

Elektromobilität, E.ON AG<br />

Prof. Dr. Henning Kagermann<br />

Nationale<br />

Plattform Elektromobilität<br />

Matthias Wissmann<br />

Präsident des Verbands der<br />

Automobilindustrie e.V. (VDA)<br />

Luz G. Mauch<br />

Senior Vice President<br />

Global Automotive,<br />

T-Systems International GmbH<br />

Dr. Stefan Wolf<br />

Vorstandsvorsitzender,<br />

ElringKlinger AG<br />

Die Automobilbranche zählt zu den maßgeblichen<br />

Industrien, wenn es in Deutschland um die Standortfrage<br />

geht. Doch die erfolgsverwöhnte Branche steht<br />

vor einem Umbruch: Nicht zuletzt aufgrund der politischen<br />

Forderung nach markt- und massentauglichen<br />

Elektrofahrzeugen stellen sich ganz neue Herausforderungen.<br />

Die Herausgeber Ernst & Young und F.A.Z.-Institut<br />

haben in einer Interviewreihe mit den Protagonisten<br />

der deutschen Automobilindustrie gesprochen und sie<br />

nach ihrer <strong>Zukunft</strong>s einschätzung befragt. Dabei wurden<br />

bemerkenswerte Einblicke gewährt und richtungsweisende<br />

Ideen vorgestellt, die der Automobilbranche<br />

am Standort Deutschland trotz – vielleicht auch<br />

gerade wegen – der Herausforderungen eine hervor -<br />

ragende Perspektive bescheinigen.<br />

Herausgegeben von Ernst & Young<br />

und dem F.A.Z.-Institut.<br />

Dezember 2011, 80 Seiten,<br />

DIN A4 broschiert.<br />

1 48,00 inkl. Versand und MwSt.<br />

ISBN 978-3-89981-698-3<br />

Widerrufsrecht: Die Bestellung kann innerhalb von zwei Wochen ab Erhalt der Ware ohne Begründung in Textform oder durch Rücksendung der Ware widerrufen werden; rechtzeitige Absendung an F.A.Z.-Institut,<br />

Mainzer Landstr. 199, 60326 Frankfurt, genügt.<br />

Hiermit bestelle ich:<br />

_____ Exemplar/e der Studie<br />

„Perspektiven des Automobilstandortes Deutschland“ à 1 48,00<br />

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durch Rücksendung der Ware widerrufen werden; rechtzeitige Absendung an F.A.Z.-Institut, vertreten durch Herrn Volker Sach,<br />

eingetragen beim Handelsregister Frankfurt am Main, HRB-Nr. 28290, Mainzer Landstr. 199, 60326 Frankfurt, genügt.<br />

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Straße<br />

Abteilung<br />

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Perspektiven des<br />

Automobilstandortes Deutschland<br />

Eine Interviewreihe mit führenden Persönlichkeiten<br />

der deutschen Automobilbranche<br />

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<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Im Gespräch<br />

„Nachhaltigkeit über die gesamte Wertschöpfungskette“<br />

Interview mit Ulrich Kranz, Leiter project i der BMW AG<br />

Herr Kranz, Sie verantworten das Projekt<br />

BMW i. Was ist das Ziel<br />

Das Ziel ist es, nach dem Start des project i<br />

im Jahr 2007 und den daraus resultierenden<br />

Modellen MINI E und Active E 2013 mit dem<br />

BMW i3 ein serienreifes Elektromobil für das<br />

urbane Umfeld auf den Markt zu bringen.<br />

Kurze Zeit später folgt dann bereits der BMW<br />

i8, ein Plug-in-Hybrid-Sportwagen, mit den<br />

Leistungswerten eines Supersportcars und<br />

dem Verbrauch eines Kleinwagens.<br />

Was hat BMW i mit nachhaltiger und<br />

verantwortungsbewusster Unternehmensführung<br />

zu tun<br />

Bei BMW i stehen nachhaltige Technologien<br />

für ein verantwortungsvolles Handeln im<br />

Vordergrund. Die Fahrzeuge und Dienstleistungen<br />

von BMW i verfolgen einen revolutionären<br />

Ansatz, denn sie sind maßgeschneidert<br />

für nachhaltige Mobilität, gepaart mit<br />

dem BMW-typischen Premiumanspruch. Der<br />

Anspruch von BMW i ist die Gestaltung von<br />

Nachhaltigkeit über die gesamte Wertschöpfungskette,<br />

das bedeutet, BMW i geht über<br />

das Auto hinaus, und die BMW Group stärkt<br />

so ihre Position als innovativster und nachhaltigster<br />

Automobilhersteller.<br />

Welchen Stellenwert nimmt die Elektromobilität<br />

bei der BMW Group ein<br />

Die Elektromobilität ist eine der vier Säulen<br />

unserer Produktstrategie. Dabei beschreiten<br />

wir einen konsequenten Weg, indem wir die<br />

BMW-i-Fahrzeuge mit einer auf den Elektroantrieb<br />

ausgerichteten Architektur (Purpose-<br />

Build-Architecture) auf den Markt bringen.<br />

Die weitere Optimierung der Verbrennungsmotoren<br />

zur Senkung des CO 2 -Ausstoßes im<br />

Rahmen unseres EfficientDynamics-Angebots<br />

ist eine weitere zentrale Säule in unserer<br />

Antriebsstrategie. Darüber hinaus haben wir<br />

auch unser Angebot an Hybridantrieben sukzessive<br />

erweitert und werden das auch künftig<br />

tun. Mittel- bis langfristig ist Wasserstoff<br />

als alternativer Energieträger die vierte Säule<br />

im Rahmen der BMW-Antriebsstrategie.<br />

Wo sehen Sie noch die größten Herausforderungen<br />

für einen „Massenmarkt Elektroauto“<br />

Eine der größten Herausforderungen bei<br />

einem Elektrofahrzeug besteht in der Entwicklung<br />

von Leichtbaukonzepten. Leichtbau<br />

hilft, den Einsatz vor allem schwerer<br />

Komponenten (z.B. Batterie) zu reduzieren.<br />

Darüber hinaus ist es sehr wichtig, parallel<br />

die Infrastruktur weiter voranzutreiben. Der<br />

Kunde erwartet hier zukünftig Lösungen aus<br />

einer Hand – insofern besteht auch bei BMW<br />

ein klares Selbstverständnis zur Befähigung<br />

in diesem Bereich. Dies betrifft nicht nur<br />

die technische Entwicklung von Ladesäulen,<br />

sondern erstreckt sich auf die komplette<br />

Wertschöpfungskette bis hin zum Vertrieb.<br />

Hier tritt BMW mit neuen Partnern z.B. aus<br />

der Energiewirtschaft in Kontakt.<br />

Sie setzen sehr stark auf Carbon als Werkstoff.<br />

Welche Vorteile bietet dieses Material<br />

Ein großer Vorteil von CFK ist das geringe<br />

Gewicht. Es ist 30 Prozent leichter als Aluminium,<br />

im Vergleich zu Stahl sind es sogar<br />

50 Prozent. Dazu kommt die extreme Steifigkeit,<br />

die eine hervorragende Energieabsorption<br />

bei einem Crash ermöglicht. CFK zeigt<br />

außerdem keine Ermüdungserscheinungen<br />

im Vergleich zu herkömmlichen Werkstoffen<br />

und ist dazu noch resistent gegen Korrosion.<br />

BMW hat das Ziel, Carbon auch in großem<br />

Maßstab industriell zu verarbeiten. Ist das<br />

unter Kostengesichtspunkten überhaupt<br />

darstellbar<br />

Absolut, das haben wir ja bereits mit dem<br />

Einsatz von Carbon-Dächern im BMW M3<br />

und M6 bewiesen. Durch die Kombination<br />

aus einer weiterentwickelten CFK-Faser, die<br />

SGL beisteuert, sowie dem einzigartigen<br />

BMW-Know-how zur Fertigung von CFK-<br />

Komponenten in großem Volumen können<br />

wir im Rahmen der Industrialisierung<br />

erstmals CFK-Komponenten zu wettbewerbsfähigen<br />

Kosten im Vergleich zu alternativen<br />

Werkstoffen herstellen. Beim neuen BMW i3<br />

sprechen wir über eine Großserienproduk-<br />

Seite 48 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Im Gespräch<br />

tion, und gehen Sie davon aus, dass dieser<br />

Werkstoff zukünftig auch in weiteren BMW-<br />

Fahrzeugen verstärkt zum Einsatz kommen<br />

wird. Das sind alles wichtige Faktoren, die<br />

dazu führen werden, CFK deutlich kostengünstiger<br />

zu produzieren.<br />

Wo liegen zurzeit noch die schwierigsten<br />

technischen Herausforderungen beim<br />

Werkstoff Carbon<br />

Wenn man sich mit dem Einsatz von Carbon<br />

in dieser Größenordnung beschäftigt, muss<br />

man sich bestimmten Herausforderungen<br />

stellen: Eine qualitativ hochwertige Großserienfertigung,<br />

günstigste Fertigungskosten und<br />

die Bildung von geschlossenen Wertstoffkreisläufen<br />

im Sinne einer nachhaltigen Carbonherstellung<br />

– für all diese Herausforderungen<br />

haben wir die richtigen Antworten gefunden.<br />

Wir sind in diesem Ranking zum siebten Mal<br />

in Folge zum nachhaltigsten Unternehmen<br />

gewählt worden. Dieser Index zeigt also,<br />

dass wir innerhalb der BMW Group immer<br />

den gesamthaften Ansatz im Blick haben<br />

und nicht nur allein an der Reduzierung der<br />

CO 2 -Emissionen unserer Fahrzeuge arbeiten.<br />

Kurz gesagt: wir nehmen das Thema Nachhaltigkeit<br />

sehr ernst, und Glaubwürdigkeit<br />

wird sicher auch von den Kunden honoriert<br />

werden.<br />

Die Fragen stellte Gabriele Kalt<br />

Ist der Faktor „Nachhaltigkeit“ nur ein erfreuliches<br />

Kommunikationsthema, oder ist<br />

Ihr Top-Ranking im Dow Jones Sustainability<br />

Index auch gut fürs Geschäft<br />

// Seite 49<br />

Fotoquelle: © BMW Group


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Gut zu wissen<br />

GUT<br />

ZU<br />

WISSEN<br />

Erneuerbare Energien auf dem Vormarsch. Das<br />

Bundesumweltministerium hat detaillierte Zahlen<br />

zum Ausbau der erneuerbaren Energien im vergangenen<br />

Jahr vorgelegt. Bei der Stromerzeugung<br />

konnten die erneuerbaren Energien zulegen und<br />

kommen 2011 auf einen Anteil von 20,1 Prozent<br />

(2010: 17,1 Prozent). Dazu haben vor allem die<br />

stärkere Nutzung von Windenergie und Biogas sowie<br />

der gestiegene Solarstromanteil beigetragen.<br />

Die erneuerbaren Energien haben im Jahr 2011<br />

rund 129 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen<br />

vermieden, davon allein rund 70 Millionen<br />

Tonnen durch EEG-vergütete Stromerzeugung.<br />

Seite 50 //<br />

Ressourceneffizienzprogramm beschlossen. Das Bundeskabinett<br />

hat das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) beschlossen.<br />

Ziel des Programms ist es, die Rohstoffproduktivität der<br />

deutschen Wirtschaft, das heißt die immer stärkere Entkopplung<br />

des Wachstums vom Ressourcenverbrauch, zu steigern. Bereits<br />

2002 hat die Bundesregierung in ihrer Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie<br />

das Ziel verankert, die Rohstoffproduktivität bis 2020 gegenüber<br />

1994 zu verdoppeln. Mit diesem Ziel ist Deutschland international<br />

Vorreiter. ProgRess gibt einen Überblick über zahlreiche<br />

Aktivitäten und identifiziert den Handlungsbedarf. Beispiele hierfür<br />

sind: Ausbau der Effizienzberatung für kleine und mittlere Unternehmen,<br />

Unterstützung von Umweltmanagementsystemen sowie<br />

Verstärkung von Technologie- und Wissenstransfer in Entwicklungs-<br />

und Schwellenländern. Auch nachhaltiges Planen, Bauen und<br />

Nutzen von Gebäuden sowie eine effiziente Nutzung von <strong>Zukunft</strong>stechniken<br />

wie Elektromobilität und Photovoltaik gehören dazu.<br />

Energiekosten bieten Potential. Energiekosten sind<br />

für Unternehmen in Deutschland deutlich gestiegen.<br />

Deshalb planen immer mehr Betriebe, in energiesparende<br />

Maßnahmen zu investieren. Das ist das Ergebnis<br />

einer Umfrage im Auftrag der Initiative Energie-<br />

Effizienz der Deutschen Energie-Agentur GmbH<br />

(dena). „Der Bedarf an Energiespardienstleistungen<br />

nimmt zu. Damit eröffnet sich ein großes Geschäftsfeld<br />

für deutsche Anbieter. Wer sich jetzt in diesem<br />

Segment engagiert, sichert sich Wettbewerbsvorteile<br />

auf einem <strong>Zukunft</strong>smarkt, der sich auch international<br />

dynamisch entwickelt“, erklärt Stephan Kohler, Vorsitzender<br />

der dena-Geschäftsführung.


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Gut zu wissen<br />

UNEP-Bericht zur Nachhaltigkeit bei Konsum und Produktion.<br />

Weltweit entsteht eine Vielzahl von Initiativen zur Förderung der<br />

Nachhaltigkeit bei Verbrauch und Produktion, aber es sind weitere<br />

Anstrengungen erforderlich, um diese Verfahren in bestehende Rahmenregelungen<br />

einzubetten. Dies ist das Fazit des neuen Berichts über die<br />

welt weiten Perspektiven („Global Outlook Report“), den das UNEP in<br />

Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission herausgegeben hat.<br />

Ziel ist es, vielversprechende Beispiele für wirksame Maßnahmen zu<br />

erkennen und weiterzugeben sowie Vorschläge zu formulieren, die zur<br />

Weiterentwicklung der nachhaltigen Konsum- und Produktionsmuster<br />

beitragen. EU-Umweltkommissar Janez Potocnik sagte: „Die UN-Konferenz<br />

Rio+20 wird auf die Nachhaltigkeit bei Konsum und Verbrauch und<br />

auf die Grüne Wirtschaft als entscheidende Prioritäten für das weltweite<br />

nachhaltige Wachstum aufmerksam machen. Die Art und Weise, wie wir<br />

konsumieren und produzieren, wird darüber entscheiden, ob wir erfolgreich<br />

sind oder scheitern.“ Der vollständige Bericht steht unter folgendem<br />

Link zum Download bereit: www.unep.fr/scp/go/publications.htm<br />

Transparenz – Treiber für mehr Nachhaltigkeit.<br />

Hersteller von Konsumgütern, die nachhaltige<br />

Kaufentscheidungen fördern wollen, sollten ihre<br />

Kunden über die sozialen und ökologischen Auswirkungen<br />

ihrer Produkte informieren. Dies ist das<br />

Ergebnis der neuen Studie des Dienstleisters GS1<br />

Germany GmbH, Köln, für die Nachhaltigkeitsexperten<br />

befragt wurden. Zum einen stelle Produkttransparenz<br />

einen wesentlichen Baustein für faire<br />

Handelspartnerschaften und Kooperationen sowie<br />

die Förderung nachhaltiger Konsummuster dar.<br />

Zum anderen wirke mehr Transparenz als übergeordneter<br />

Hebel für die nachhaltige Ausrichtung<br />

von Produktionsketten und Lebensstilen.<br />

Fotoquelle: © itestro/fotolia.com<br />

Mehr Energieeffizienz. Die entscheidende<br />

Frage für den dauerhaften Erfolg von Energieeffizienzmaßnahmen:<br />

Rechnen sich die Investitionen<br />

in energieeffiziente Technologien betriebswirtschaftlich<br />

Diese Frage lässt sich nur<br />

dann korrekt beantworten, wenn Investitionsvorhaben<br />

anhand der Lebenszykluskosten beurteilt<br />

werden. Der ZVEI hat in Kooperation mit<br />

Deloitte ein herstellerneutrales, betriebswirtschaftliches<br />

Lebenszykluskosten-Berechnungstool<br />

(LCE Lifecycle Cost Evaluation) entwickelt.<br />

Nachhaltigkeitsbewertung von Staaten.<br />

Um die Nachhaltigkeit ist es in vielen reichen<br />

Industrieländern nicht gut bestellt, wie ein<br />

Nachhaltigkeitsrating von Staaten der Agentur<br />

Inrate, Zürich, zeigt. Die auf Nachhaltigkeitsbewertungen<br />

spezialisierte Ratingagentur hat<br />

190 Staaten bewertet, darunter 34 OECD-Länder.<br />

Von den OECD-Ländern erhielten 26 Prozent<br />

die Note A, je 15 Prozent die Noten B und<br />

C und 44 Prozent die Note D. Deutschland kam<br />

bei der Bewertung in die Spitzengruppe und<br />

verschafft sich damit einen Wettbewerbsvorteil<br />

bei Großinvestoren.<br />

// Seite 51


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Facts & Figures<br />

//<br />

Nachhaltige Unternehmensführung.<br />

Lage und aktuelle Entwicklungen im<br />

Mittelstand<br />

2012 Studie (Ernst & Young)<br />

Nachhaltigkeit wird heute zunehmend als<br />

Teil der Unternehmensführung und Bestandssicherung<br />

angesehen. Diese Aussage<br />

ist vor allem bei der Gruppe der familiengeführten<br />

Unternehmen stark ausgeprägt.<br />

Hinzu kommen Aktivitäten, die <strong>Verantwortung</strong><br />

für das Nachhaltigkeitsmanagement<br />

neben der Aufsicht durch die Unternehmensführung<br />

zusätzlich auf Arbeitsebene<br />

zu verankern und damit weiter zu institutionalisieren.<br />

Mitarbeiter sind neben Kunden die wichtigste<br />

Anspruchsgruppe, wenn es um nachhaltige<br />

Unternehmensführung geht. Um sie<br />

zu gewinnen und im Unternehmen zu halten,<br />

legen die befragten Unternehmen besonderen<br />

Wert auf die Qualität ihrer Unternehmensführung.<br />

Diese ist wichtiger als einzelne Personalmaßnahmen,<br />

was auf eine stärkere Bedeutung<br />

der Identifikations- bzw. Vorbildwirkung hinweist,<br />

die man guter Unternehmens- und<br />

Geschäftsführung beimisst.<br />

In der Beschaffung sind Kenntnis und Umsetzung<br />

von Nachhaltigkeit deutlich weniger<br />

ausgeprägt als in Absatz und Vertrieb. Die<br />

Gruppe der Zulieferer hat im Vergleich zu<br />

einer Vorgängerstudie aus dem Jahr 2007 an<br />

Bedeutung im Nachhaltigkeitskontext der<br />

Unternehmen verloren. Dies ist kritisch, da<br />

erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement<br />

wesentlich von der Art der Beschaffung, vor<br />

allem von der systematischen Auswahl der<br />

Lieferanten, geprägt ist. Immer mehr Kunden<br />

erwarten von ihren Zulieferern nicht nur den<br />

Nachweis der Einhaltung von maßgeblichen<br />

Nachhaltigkeitsaspekten, sondern auch die<br />

Weitergabe dieser Nachhaltigkeitsverpflichtung<br />

an die eigenen Lieferanten. Je mehr<br />

sich der Blick auf ganze Produktlebenszyklen<br />

konzentriert, desto mehr wird auch die<br />

gesamte Wertschöpfungskette Gegenstand<br />

der Aufmerksamkeit.<br />

Ein systematisches Energie- und Umweltmanagement<br />

mit einem Bewusstsein für Kosten,<br />

Einsparpotentiale und Gewinnsteigerung<br />

ist bei den befragten Unternehmen noch nicht<br />

in großem Umfang erkennbar. Zwar sind Umweltrichtlinien<br />

in weiten Teilen verfügbar,<br />

doch verharrt die Konzentration – wie bei der<br />

Vorgängerstudie – auf Recycling als Spitzenreiter<br />

des betrieblichen Umweltschutzes.<br />

Besonders bemerkenswert ist die verhältnismäßig<br />

geringe Gewichtung, die der Reduktion<br />

von CO 2 -Emissionen beigemessen wird. Der<br />

Einsatz von erneuerbaren Energien nimmt den<br />

letzten Platz ein und ist damit keine relevante<br />

Größe.<br />

Die Studie basiert auf einer telefonischen<br />

Befragung von 500 mittelständischen Unternehmen<br />

in Deutschland, die per Zufallsstichprobe<br />

ausgewählt wurden. Auskunft gaben<br />

geschäftsführende Gesellschafter, Geschäftsführer,<br />

Unternehmenssprecher sowie Bereichsleiter<br />

(Personal, Controlling, Finanzen).<br />

30 Prozent der Interviewpartner kamen dabei<br />

aus der Bereichsleitung Personal.<br />

www.ey.com/Publication/vwLUAssets/Mittelstandsbarometer_-_Nachhaltige_<br />

Unternehmensfuehrung/$FILE/Nachhaltige%20Unternehmensfuehrung%20im%20<br />

Mittelstand%202012.pdf //<br />

//<br />

Rahmenbedingungen bedrohen<br />

Versorgungssicherheit<br />

2011 Studie (PricewaterhouseCoopers)<br />

Der weltweit steigende „Energiehunger“<br />

wird auch in den nächsten Jahren eine gewaltige<br />

Herausforderung für die Branche der<br />

Energieversorger darstellen. Denn es müssen<br />

sowohl bedrohliche Engpässe als auch Investitionshürden<br />

überwunden werden, damit dieser<br />

Hunger gestillt werden kann. Welche Ansätze<br />

die Branche sieht, zeigt der „PwC Annual<br />

Global Power & Utilities Survey“.<br />

Für die Studie hat PwC 72 Energieversorger<br />

aus 43 Ländern befragt. Dabei kam heraus:<br />

Will man die weltweite Stromversorgung<br />

trotz der rasant steigenden Nachfrage<br />

gewährleisten, dürften fossile Energieträger<br />

auch noch im Jahr 2030 die wichtigste<br />

Stromquelle sein.<br />

Die Wirtschaftskrise- und Finanzkrise<br />

hat insofern Einfluss auf dieses Szenario, als<br />

78 Prozent der Befragten sagten, dass der<br />

öko nomische Abschwung ihre Investitionen in<br />

Infrastrukturprojekte mittelmäßig bis stark<br />

beeinträchtigt. Dennoch plant die Mehrheit<br />

(68 Prozent) umfangreichere <strong>Ausgabe</strong>n für<br />

Modernisierungen oder gar Erneuerungen<br />

von Anlagen. 55 Prozent davon wollen ihre<br />

Erdgasanlagen erneuern, hingegen nur<br />

21 Prozent im Bereich Kohle oder Kernenergie<br />

modernisieren. 24 Prozent planen Mittel für<br />

Offshore-Windprojekte ein, 37 Prozent für<br />

Onshore.<br />

Weitere zentrale Erkenntnisse der Untersuchung:<br />

➤➤<br />

Ausfallsichere, bezahlbare und klimafreundliche<br />

Stromversorgung kann nur<br />

dann gelingen, wenn sich die finanziellen<br />

und gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

für Investitionen in Kraftwerke und Stromnetze<br />

schnell verbessern.<br />

➤➤<br />

Europaweit prognostizieren 53 Prozent<br />

der Branchenvertreter ein erhöhtes Risiko<br />

von Stromausfällen („Blackouts“) in der<br />

Zeit periode bis 2030.<br />

➤➤<br />

Mehr als 80 Prozent nehmen an, dass<br />

sowohl Onshore-Windkraft und Biomasse-<br />

Stromerzeugung als auch sämtliche Formen<br />

der Solarenergie im Jahr 2030 ohne Subventionen<br />

wettbewerbsfähig sein können.<br />

www.pwc.de/de/energiewirtschaft/energieversorger-rahmenbedingungen-bedrohenversorgungssicherheit.jhtml<br />

//<br />

Seite 52 //


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Facts & Figures<br />

//<br />

Zehn Megatrends hemmen<br />

Unternehmenserfolg / Massiver<br />

Anstieg umweltbedingter Kosten<br />

2012 Studie (KPMG)<br />

Zehn Megatrends werden das Unternehmenswachstum<br />

der nächsten 20 Jahre beeinflussen,<br />

das zeigt die aktuelle KPMG-Analyse<br />

„Expect the unexpected: Building Business<br />

Value in a changing World“ von KPMG International.<br />

Hierzu zählen Klimawandel, Schwankungen<br />

der Energie- und Kraftstoffpreise, Verfügbarkeit<br />

und Kosten der Ressource Wasser sowie<br />

Rohstoffverfügbarkeit. Die Analyse zeigt auf,<br />

dass externe umweltbedingte Kosten, die im<br />

Allgemeinen nicht in Geschäftsberichten aufgeführt<br />

werden, in elf untersuchten Schlüsselindustriesektoren<br />

von 2002 bis 2010 um<br />

50 Prozent von 566 Milliarden US-Dollar auf<br />

846 Milliarden US-Dollar angestiegen sind.<br />

Wenn Unternehmen die kompletten Umweltkosten<br />

ihrer Produktionen zahlen müssten,<br />

würden sie 41 US-Cent pro 1 US-Dollar Gewinn<br />

im Durchschnitt verlieren, so das Ergebnis.<br />

Die Konsequenzen, die sich aus dem Zusammenwirken<br />

der Megatrends ergeben, üben immer<br />

stärkeren Druck sowohl auf Unternehmen<br />

als auch die Gesellschaft als Ganzes aus. Die<br />

Herausforderungen erhöhen die Komplexität<br />

der Unternehmensumwelt deutlich, eröffnen<br />

jedoch auch Chancen.<br />

Professor Dr. Jochen R. Pampel, Head of<br />

Sustainability Services von KPMG in Deutschland:<br />

„Unternehmen, die die äußeren Einflüsse<br />

erkennen und ihnen aktiv begegnen, erzielen<br />

einen Wettbewerbsvorteil. Strategisches Sustainability-Management<br />

unter Berücksichtigung<br />

der analysierten Trends, die Messung<br />

von Nachhaltigkeitskriterien und eine adäquate<br />

Berichterstattung auf Basis valider Daten<br />

werden daher immer bedeutender.“<br />

www.kpmg.de/Presse/28860.htm //<br />

//<br />

Biodiversitätsmanagement: Ein<br />

Leitfaden für die betriebliche Praxis<br />

2010 Handbuch (Bundesministerium für<br />

Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit)<br />

Mit dem zunehmenden Verlust an biologischer<br />

Vielfalt steigen neben den Risiken für<br />

die Gesellschaft auch jene für Unternehmen.<br />

Das Risikospektrum ist breit und reicht von<br />

höheren Beschaffungskosten über Einschränkungen<br />

durch staatliche Regulierungen bis<br />

zum Verlust von Kunden. Wer Biodiversität auf<br />

Risikofragen reduziert, übersieht jedoch die<br />

beachtlichen Chancen für Unternehmen: Das<br />

Thema biologische Vielfalt weckt Emotionen,<br />

es birgt große Innovationspotentiale und kann<br />

so die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen<br />

entscheidend stärken.<br />

Die Aufgabe der vom Bundesumweltministerium<br />

(BMU) ins Leben gerufenen Initiative<br />

„Biodiversity in Good Company“ ist es, Unternehmen<br />

für das Thema Biodiversität zu sensibilisieren<br />

und bei der Integration von Biodiversitätsaspekten<br />

in das unternehmerische<br />

Handeln zu unterstützen.<br />

Mit dem Handbuch möchte das BMU<br />

Gründe und mögliche Handlungsfelder für ein<br />

unternehmerisches Biodiversitätsmanagement<br />

aufzeigen. Dabei wird bewusst eine übergreifende<br />

Managementsichtweise eingenommen,<br />

die unterschiedlichen Branchen und Unternehmen<br />

verschiedener Größen konkrete<br />

Ansatzpunkte bietet. Best-Practice-Beispiele<br />

demonstrieren, wie bedeutend das Thema biologische<br />

Vielfalt bereits heute für die Aktivitäten<br />

von Unternehmen ist. Das Handbuch<br />

enthält zusätzlich eine CD mit digitalen<br />

Checklisten, die den Unternehmen helfen, die<br />

konkreten Vorschläge direkt umzusetzen.<br />

www.bmu.de/naturschutz_biologische_<br />

vielfalt/downloads/doc/46143.php //<br />

//<br />

Fortschritt im Nachhaltigkeitsmanagement<br />

2011 Studie (KPMG)<br />

Entscheidend ist heutzutage nicht mehr nur<br />

der finanzielle Erfolg, sondern auch die ökologische<br />

und soziale Performance, also der langfristige<br />

Unternehmenserfolg. Die Bedeutung<br />

eines Nachhaltigkeitsmanagements für die<br />

Unternehmensführung wird seit mehreren<br />

Jahren zunehmend wichtiger. So verwundert<br />

es nicht, dass Nachhaltigkeit an die Spitze der<br />

Agenda vieler Unternehmen gerückt ist. Das<br />

zeigt auch die Studie „Corporate Sustainability:<br />

A Progress Report“, die KPMG Global in Zusammenarbeit<br />

mit der Economist Intelligence<br />

Unit erstellte.<br />

Die Studie verdeutlicht, wie sich die Haltung<br />

von Unternehmen zum Nachhaltigkeitsmanagement<br />

in den vergangenen Jahren verändert<br />

hat. Hierzu wurden die Meinungen und<br />

Einstellungen von Führungskräften 378 großer<br />

und mittelständischer Unternehmen weltweit<br />

analysiert. Die Publikation untersucht<br />

nicht nur die Auswirkungen des Nachhaltigkeitsmanagements<br />

auf die Geschäftsprozesse<br />

und die Berichterstattung, sondern auch,<br />

welche Erwartungen Unternehmen an die<br />

Politik haben.<br />

Auch stieg die Zahl derer, die Nachhaltigkeitsberichte<br />

veröffentlichen, beziehungsweise<br />

dies für die <strong>Zukunft</strong> planen. Jedoch zieht eine<br />

beachtliche Minderheit von 38 Prozent noch<br />

nicht in Betracht, in nächster Zeit einen Nachhaltigkeitsbericht<br />

herauszugeben.<br />

Die Studie identifizierte die effiziente Kostenreduktion<br />

neben dem Reputations- und<br />

Risikomanagement als einen neuen wesentlichen<br />

Treiber des Nachhaltigkeitsmanagements.<br />

Das Hauptaugenmerk liegt auf Umweltaspekten,<br />

insbesondere im Hinblick auf<br />

Ressourcen- und Energieeffizienz. Case-<br />

Studys befragter Unternehmen zeigen, wie<br />

Unternehmen vom Nachhaltigkeitsmanagement<br />

profitieren.<br />

www.kpmg.de/Themen/25501.htm //<br />

// Seite 53


<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Impressum<br />

Die Initiatoren<br />

Die Strategischen Partner<br />

BMW Group<br />

Die Medienpartner<br />

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In Kooperation mit<br />

Impressum<br />

Verantwortliche Redakteurin<br />

Gabriele Kalt (gk)<br />

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Redaktion<br />

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