PDF-Ausgabe - Verantwortung Zukunft
PDF-Ausgabe - Verantwortung Zukunft
PDF-Ausgabe - Verantwortung Zukunft
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Ausgabe</strong> 2-2012 // Megatrends<br />
Rohstoffkrise – Überfluss war gestern<br />
Das globale Ernährungssystem ist an einem Wendepunkt angekommen // Für die Unternehmen der Branche ist<br />
„Business as usual“ keine Option mehr<br />
Von Andreas Knoch<br />
Die Märkte für Agrarrohstoffe haben sich in<br />
den vergangenen beiden Dekaden dramatisch<br />
verändert. Im Rückblick gelten insbesondere<br />
die Jahre 2007/08 als markanter<br />
Wendepunkt: Nach Jahrzehnten unbegrenzt<br />
und billigst verfügbarer Nahrungsmittel mit<br />
sehr stabilen Strukturen entstand plötzlich –<br />
und eigentlich nicht ganz unerwartet – eine<br />
gefährliche Verknappung. Damit einher ging<br />
eine dramatische und in diesem Ausmaß<br />
bei vielen Agrarrohstoffen nicht gekannte<br />
Verteuerung. Selbst multinationalen Brauern<br />
gingen damals Hopfen und Malz aus, und<br />
die Beschaffung von vermeintlichen Standardprodukten<br />
wie Butter oder Mehl wurde<br />
plötzlich zu einer ernsthaften Herausforderung.<br />
Nur ein Jahr später war dieser Preisschub<br />
komplett ausradiert.<br />
Inzwischen blicken wir bereits auf den zweiten<br />
Preisschock binnen fünf Jahren zurück.<br />
Die Gründe dafür liegen in fundamentalen<br />
Verschiebungen in der Angebots- und Nachfragestruktur<br />
auf den Märkten für Agrarrohstoffe.<br />
Einer stetig anziehenden Nachfrage<br />
steht eine unflexible Angebotsseite gegenüber.<br />
Die über Jahrhunderte zu beobachtenden<br />
Ausgleichsmechanismen bei Nachfrageüberhöhungen<br />
sind außer Kraft. Die Fähigkeit<br />
des Systems, die Produktion anzupassen,<br />
um einer wachsenden Nachfrage gerecht zu<br />
werden, ist nicht mehr gegeben. Das globale<br />
Ernährungssystem ist an einem Wendepunkt<br />
angekommen. Eine Ära des Überflusses wird<br />
von einer Ära der Knappheit abgelöst.<br />
Neue Herausforderungen<br />
Die Auswirkungen sind für Unternehmen,<br />
Politik und Verbraucher dramatisch. Die<br />
beiden Preisschocks der vergangenen Jahre<br />
haben heftige Turbulenzen ausgelöst – angefangen<br />
bei Störungen in den Lieferketten der<br />
globalen Nahrungsmittelindustrie bis hin zu<br />
politischen Unruhen in zahlreichen Ländern.<br />
Die Ereignisse sind ein Vorgeschmack auf<br />
das, was kommt: Agrarrohstoffe – und darüber<br />
herrscht inzwischen Konsens – werden<br />
teurer und die Preisbewegungen immer<br />
volatiler. Neben den veränderten Fundamentaldaten<br />
sorgt dafür auch der Zufluss spekulativer<br />
Gelder in die relativ engen Märkte für<br />
Agrarrohstoffe. Aufgrund des überwiegend<br />
kurzfristigen Anlagehorizonts verstärken<br />
Investoren Trends und Volatilität, so dass sich<br />
die Preise zumindest kurzfristig von ihren<br />
Fundamentaldaten abkoppeln können. Die<br />
Wahrscheinlichkeit ernsthafter Krisen ist<br />
deutlich gestiegen. „Früher oder später erlebt<br />
die Agrarbranche ihr Lehman“, prophezeit<br />
Stefan Riphaus, Senior Risk Manager<br />
Ernährung und Konsum bei der UniCredit in<br />
München.<br />
Vor dem Hintergrund der neuen Rahmenbedingungen<br />
in der Agrar- und Nahrungsmittelbranche<br />
wird die Unsicherheit über<br />
die mittelfristige Entwicklung künftig eher<br />
Normalität als Ausnahme. Worauf sich<br />
die Unternehmen einstellen müssen, sind<br />
schnelle Wechsel von heftigen Einbrüchen<br />
und steilen Wachstumsraten. Das stellt neue<br />
Herausforderungen an die Unternehmen<br />
aus der Agrar- und Nahrungsgüterbranche.<br />
Künftig geht es vor allem darum, eine qualitativ<br />
und quantitativ ausreichende Versorgung<br />
zu garantieren, Preisrisiken effizient<br />
zu managen und den finanziellen Spielraum<br />
sicherzustellen.<br />
Nach den Erfahrungen der vergangenen<br />
Jahre sind inzwischen immer mehr Unternehmen<br />
bereit, für Qualitäts- und Liefersicherheit<br />
strategische Prämien zu zahlen.<br />
„Wir arbeiten ausschließlich mit Vertragsbauern<br />
zusammen, mit denen wir eine<br />
bestimmte Anbaufläche über Saisonkontrakte<br />
vereinbaren. In der vergangenen Dekade<br />
haben wir zwar nur in zwei Jahren unter<br />
Marktpreis gezahlt, hatten aber Versorgungssicherheit.<br />
Unsere Wettbewerber waren nicht<br />
bereit, diese strategische Prämie zu zahlen“,<br />
sagt der Finanzchef eines großen Kartoffelchipproduzenten.<br />
Andere, wie der Duft- und Aromenhersteller<br />
Symrise, gehen in Sachen Versorgungssicherheit<br />
noch weiter und integrieren vorgelagerte<br />
Stufen der Wertschöpfungskette.<br />
Diese „Rückwärtsintegration“ praktiziert<br />
Seite 12 //