LEHRPLAN EVANGELISCHE RELIGION - Kirchliches Schulamt Mainz
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nahme bleibt (vgl. Shell 2000, S. 174 f). So können sich Jugendliche auf der Suche nach Sinnentwürfen<br />
auch auf diffuse Antworten auf transzendente Fragen einlassen.<br />
1.2. Begründung des Themas<br />
Jugendliche befinden sich in einer Lebensphase, die von Abgrenzung und Aufbruch gekennzeichnet<br />
ist. Aufbruchssituationen finden biblisch-theologisch in dem Symbol „Weg“ ihren Ausdruck. Dem<br />
entspricht, dass Gott sich im AT als ein „Weg-Gott“ offenbart; allein im AT kommt der Begriff<br />
über 700 mal vor. Er veranlasst Menschen immer wieder, aus Lebenssituationen aufzubrechen (vgl.<br />
z.B. Gen 12, 1-3). In diesen Weg-Situationen wird deutlich, dass Gott Menschen auf schwierigen<br />
Wegen begleitet. So ist bis heute die Aufbruchs- und Weggeschichte des „Exodus“ ein leitendes<br />
Motiv in der theologischen Reflexion über Gottes Handeln an den Menschen. Dabei wird Gott die<br />
Fähigkeit zuerkannt, befreiend und wegweisend für das menschliche Leben zu sein (vgl. Ex 20, 2 ff;<br />
Ps 25, 4; Ps 37, 5; Ps 143, 8). Das Motiv des „Auf dem Weg seins“ setzt sich im NT fort. In der<br />
Vision vom „Reich Gottes“ spiegelt sich die Suche des Menschen nach einer von Gerechtigkeit und<br />
Liebe geprägten Welt wieder.<br />
Die Sehnsucht nach einer Welt, die geprägt ist durch Menschlichkeit, Toleranz und Hilfsbereitschaft,<br />
ist bei Jugendlichen besonders zu spüren (vgl. Shell 2000, S. 107 ff). In der Zeit der Pubertät<br />
empfinden sie die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Liebe sehr intensiv. Dies drückt sich z.B. in<br />
dem Ideal einer Gemeinschaft aus, die „dem Individuum Rückhalt und Schutz bietet vor den Unbilden<br />
der gesellschaftlichen Umbrüche und der allgemeinen biographischen Verunsicherung, weil aus<br />
ihr soziale Geborgenheit erwächst und man aus ihr Kraft schöpfen kann“ (Shell 2000, S. 104). Jugendliche<br />
suchen sich Lebensentwürfe und Beziehungen, denen Erwachsene häufig mit Misstrauen<br />
und Unverständnis begegnen. Besonders „Jugendkulturen“ sind Formen, durch die Sehnsüchte und<br />
Hoffnungen von Jugendlichen zum Ausdruck kommen.<br />
Ob und wie man diesen „Kulturen“ im Unterricht begegnen soll, ist umstritten. Gerne werden die<br />
Kurzlebigkeit und die Offenheit dieser Formen als Alibi genommen, sich nicht mit diesen beschäftigen<br />
zu müssen. Ein zweites Problem ist die Verortung jugendkultureller Entwürfe in den Bereich<br />
„Subkulturen“. Nur wenige Jugendkulturen (z.B. Punks oder Autonome) aber verstehen sich als<br />
Untergrundbewegungen bzw. als Gegenentwürfe zur Gesellschaft.<br />
Ansatz der Begegnung kann eine „Kontextuelle Theologie“ sein, wie sie seit den 60er Jahren in der<br />
Auseinandersetzung mit Kulturen in Afrika, Lateinamerika und Asien im Umfeld des Ökumenischen<br />
Rates der Kirchen entwickelt wurde. Hier wird das Gegenüber in seiner kulturellen Eigenart<br />
und Eigenständigkeit anerkannt und so ein echter Dialog möglich gemacht. Bedeutsam für den Religionsunterricht<br />
ist dieser Dialog, wenn man, wie P. Tillich, von einer Beziehung zwischen Kultur<br />
und Religion ausgeht: „Religion ist Substanz der Kultur und Kultur ist die Form von Religion“<br />
(P. Tillich: Systematische Theologie III, S.285). Übertragen bedeutet dies, dass Jugendkulturen und<br />
deren Botschaft als ernst zu nehmende Ausdrucksformen wahrgenommen werden müssen. Hilfreich<br />
kann dabei die Analyse von aktuellen Musikstücken sein. Hier sind Hoffnungen und Sehnsüchte<br />
von Jugendlichen aufweisbar, die auch die religiöse Dimension berühren.<br />
Ein weiterer Aspekt ergibt sich aus nicht erfüllten Sehnsüchten von Jugendlichen, die in einer verstärkten<br />
Suchhaltung münden können. Diese Suchhaltung kann in Süchten oder in der Faszination<br />
für die Welt des Aberglaubens Ausdruck finden.<br />
Besonders der Aberglaube wird biblisch unter dem Aspekt der irrationalen Furcht vor undurchschaubaren<br />
Mächten und dem Wunsch, diese Mächte beherrschen zu können, eingeordnet. In Auseinandersetzung<br />
mit seiner Umwelt wehrt sich das AT besonders gegen Götzendienst, Wahrsagerei<br />
und Magie (Lev 19, 26. 31; Dtn 18, 9-12). Das NT setzt diese Kritik fort. 1. Joh 4, 1 f mahnt:<br />
„...glaubt nicht allen, die vorgeben, den Geist zu besitzen. Prüft, ob ihr Geist von Gott kommt...“<br />
und schließt: „Die Liebe kennt keine Angst. Wahre Liebe vertreibt Angst“ (V. 18). Hieraus ergeben<br />
sich wichtige Ansätze in der Auseinandersetzung mit Süchten und dem Okkultismus: Nicht erfüllte<br />
Sehnsüchte haben als Hintergrund Ängste, Unsicherheiten und die Erfahrung von Lieblosigkeit.<br />
Suchtmittel oder okkulte Praktiken können, biblisch gesprochen, echte Zuneigung und Liebe nicht<br />
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