Evangelisch im Parkfeld
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Papst Franziskus. (dpa)<br />
Von einem Fenster aus ruft ein Mann, 76 Jahre<br />
alt und kurz vorher zum Papst gewählt, den<br />
Menschen auf dem römischen Petersplatz zu,<br />
sie mögen doch bitte für ihn beten. Also:<br />
«Gott, bitte gib diesem Bischof von Rom die<br />
Geistesgegenwart, seinen Stil durchzuhalten,<br />
um deiner höheren Ehre wegen, damit auch<br />
wir Menschen <strong>im</strong> Zeitalter der Verschwendung<br />
so wenig wie möglich und so viel wie<br />
nötig für die eigne Person beanspruchen, um<br />
ein Leben zu führen, das sich am Maßstab<br />
Jesu orientiert».<br />
Franziskus jedenfalls hat die ersten Schritte<br />
getan (z.B. in schwarzen orthopädischen<br />
Schuhen am Gründonnerstag inhaftierten<br />
Frauen und Männern die Füße gewaschen)<br />
und damit dem Papstamt zumindest in der<br />
öffentlichen Wahrnehmung einiges von dem<br />
genommen, was protestantische und/oder<br />
aufgeklärte Zeitgenossen eher abstößt. Natürlich<br />
kann das Staatsoberhaupt des Vatikanstaates<br />
nicht jeden Pomp vermeiden oder wie<br />
Paulus wochenlange Fußmärsche bzw. Segeltouren<br />
unternehmen, um christusgläubige<br />
Menschen aufzusuchen, sondern ist auf<br />
moderne Verkehrsmittel angewiesen (in Buenos<br />
Aires hat Jorge Mario Bergoglio die Tram<br />
benutzt). Auch bietet das offizielle Protokoll<br />
Reformen, auf diplomatischem Parkett wie in<br />
der römische Kurie, nicht allzu viel Spielraum.<br />
Gerade der Beharrungskräfte wegen<br />
sind sie nicht gering zu schätzen, diese Äußerlichkeiten,<br />
und markieren eine andere Interpretation<br />
des Papsttums. Schon Franziskus'<br />
Vorgänger Benedikt hat durch seinen altersbedingten<br />
Rückzug (vielleicht ungewollt) zur<br />
Entzauberung des Amtes als Stellvertreter<br />
Christi auf Erden beigetragen. Ein Mensch<br />
gibt seinen Auftrag zurück – eben weil er als<br />
Mensch seine Grenzen erkennt: unterscheidet<br />
der Papst sich da doch von so manchen Zeitgenossen<br />
Wie auch <strong>im</strong>mer: die Nachfolge Christi<br />
scheint Franziskus am Herzen zu liegen –<br />
persönliches Auftreten und Engagement für<br />
die sogenannten kleinen Leute treffen den Ton<br />
und auf das Bedürfnis, neu zu vernehmen und<br />
zu leben einfache, eindeutige, klare Botschaften<br />
<strong>im</strong> Geiste des Evangeliums. Als Jesuit<br />
weiß Franziskus, was er sagt, weil er denkt<br />
bevor er redet: was genügt, auch für evangelische<br />
Christen. Die Barmherzigkeit Gottes<br />
schenkt ja Freiheit und verlangt Gerechtigkeit,<br />
und diese äußert sich in Bescheidenheit<br />
und Besonnenheit <strong>im</strong> Umgang mit den Gütern<br />
dieser Welt und, laut Franziskus, darin, «Hüter<br />
des in die Natur hineingelegten Planes<br />
Gottes, des anderen, der Umwelt [zu sein];<br />
lassen wir nicht zu, dass Zeichen der Zerstörung<br />
und des Todes den Weg dieser unserer<br />
Welt begleiten». Dies angesichts der Widersprüche<br />
<strong>im</strong> Zeitalter der Verschwendung, die<br />
jeder Christ, auch der Papst, in sich herumträgt.<br />
Was ja kein Dauerzustand bleiben muss.<br />
Jost Harzer