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FINE Das Weinmagazin - 01/2014

INE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: RHEINHESSEN

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Wenn er gelingt,<br />

ist er<br />

grossartig<br />

Silvaner aus Rheinhessen<br />

Von Till Ehrlich<br />

Foto Guido Bittner<br />

Zwei Drittel der verkosteten Silvaner erreichten 90 Punkte und<br />

mehr. Spitzenreiter mit 94 Punkten ist der 2002er Siefersheimer<br />

Silvaner vom Weingut Wagner-Stempel – dicht gefolgt von<br />

Mitstreitern wie Wittmann, Winter, Gutzler und Dreissigacker.<br />

Rheinhessen und Silvaner, das gleicht einer langen Ehe: Liebe und Hass, Höhen und Tiefen, Leidenschaft und Gewohnheit, Missverständnis<br />

und Versöhnung. <strong>Das</strong> feste Band hält selbst dann, wenn der Wein in der Gunst des Publikums sinkt. Rheinhessens Winzer<br />

halten zum Silvaner. Auch wenn es im größten Silvaner-Anbaugebiet Deutschlands lange an zündenden Ideen mangelte, wie das Potential<br />

dieser unterschätzten Rebsorte im Wein zur Geltung gebracht und damit Wertschätzung im Markt erzielt werden konnte.<br />

Mittlerweile hat sich viel zum Positiven hin<br />

entwickelt. Heute liefert der Silvaner in<br />

Rheinhessen ein lebendiges Beispiel für die Kreativität,<br />

das Talent und das immense Potential der<br />

Winzer in dieser Region.<br />

Zum einen gibt es seit einigen Jahren faszinierende<br />

Silvaner, die in Barriques ausgebaut<br />

werden und auf Fülle, Intensität und Länge setzen.<br />

<strong>Das</strong> Holz gibt dem Wein Spiel, Grip und Langlebig<br />

keit. Dieser Stil, wie ihn etwa ein Winzer<br />

wie Jochen Dreissigacker pflegt, hat auch viele<br />

andere junge Winzer und Winzerinnen inspiriert<br />

und angespornt.<br />

Daneben gibt es Winzer wie Daniel Wagner,<br />

Stefan Winter oder Johannes Geil, die eine andere<br />

Philosophie verfolgen. Bei ihnen steht die Finesse<br />

im Vordergrund – unabhängig davon, ob der<br />

Silvaner in Stahltanks oder in großen Holz fässern<br />

ausgebaut wird. Dieser als klassisch bezeichnete<br />

Stil ist subtiler, weniger laut. Er arbeitet die Mineralität,<br />

die Saftigkeit und die herbe Fruchtigkeit<br />

der Sorte heraus. Finesse, Spannung und Haltbarkeit<br />

entstehen durch das Spiel mit der Säure.<br />

Dieser Stil ist, wenn er gelingt, großartig, aber<br />

aufgrund der Eigenschaften des Silvaners nur in<br />

Jahrgängen zu erreichen, die ihm günstig sind.<br />

Gerade weil der Silvaner in Rheinhessen<br />

nicht in der ersten Reihe steht, haben die Winzer<br />

größere Freiheiten: So gibt es mehr stilistische<br />

Vielfalt als beim Riesling. Anders als in Franken<br />

ist der Silvaner bei den rheinhessischen VDP-<br />

Weingütern nicht als Großes Gewächs klassifiziert.<br />

<strong>Das</strong> ist Riesling und Spätburgunder vorbehalten.<br />

Dennoch: <strong>Das</strong> große Fine Tasting hat gezeigt,<br />

dass es in Rheinhessen grandiose Silvaner gibt.<br />

Und das seit mehr als einer Dekade. Diese Silvaner<br />

können reifen.<br />

Experimentieren und Ausprobieren sind schon<br />

immer ein wesentlicher Kern des Weinbaus<br />

gewesen – sie bedeuten Weiterentwicklung statt<br />

Stillstand. Doch viele Winzer tun dies im Stillen,<br />

lassen ihre Erfahrungen und Erkenntnisse mit<br />

Rebsorten, Gärung und Fassausbau erst dann in<br />

die Weinerzeugung einfließen, wenn sie ausgereift<br />

sind. Weine, die beim Ausbau – ganz bewusst –<br />

weitgehend ihrem natürlichen Schicksal überlassen<br />

wurden, entwickeln atypischen Geruch<br />

und Geschmack. Dieses Konzept setzt darauf,<br />

Spannungen und disproportionale Zuspitzungen<br />

im Wein zuzulassen. Es geht um das Spiel mit<br />

aromatischen Ambivalenzen, das Ausloten neuer<br />

Geschmacksnoten.<br />

Diese Weißweine, die oft auch als Naturweine<br />

oder Orange Wines bezeichnet werden,<br />

sind Weine mit jung gemachter Firne. Sie werden<br />

gern spontan auf der Maische vergoren und mit<br />

der Maische monatelang ausgebaut, auf Filtrieren,<br />

Schönen und Schwefeln wird häufig verzichtet.<br />

Oft haben sie eine vollkommen andere farb liche<br />

und geschmackliche Präsenz und Struktur als<br />

gewohnt. Es gibt jedoch Sommeliers, die diese<br />

Extreme im Wein suchen und entschieden zu<br />

speziellen Gerichten empfehlen, wie etwa von<br />

Juan Amador perfektionierte geräucherte Speisen,<br />

die unter einer gläsernen Rauch-Cloche serviert<br />

werden. Gag oder Teil eines Marketings, das auf<br />

Moden, Auffälligkeiten und Tabubrüche setzt<br />

Immerhin haben diese Weine eine gewisse Relevanz,<br />

weshalb sie in der großen Fine-Silvanerprobe<br />

vertreten waren – beispielsweise durch das<br />

Weingut Schätzel in Nierstein, das sich in jüngster<br />

Zeit einen Namen mit solchen Weinen gemacht<br />

hat. In diesem Kontext entziehen sie sich allerdings<br />

einer Bewertung.<br />

Kein Wein kann isoliert von anderen Weinen<br />

beurteilt werden. Ebenso wie sie in einem<br />

weinbaulichen, wirtschaftlichen und kulturellen<br />

Kontext stehen, beruht ihre Wahrnehmung auch<br />

immer auf dem Verhältnis zu anderen Weinen.<br />

Um solche Experimentalweine zu den Spitzenweinen<br />

zählen zu können, müssten die Tücken<br />

der unterschiedlichen Weinbaumodi noch besser<br />

erforscht werden. Zwischen dem Besonderen und<br />

dem Sonderbaren gibt es eine wesentliche ästhetische<br />

Differenz.<br />

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