Stars am Werk - wirtschaftsblatt.at
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KOLUMNE<br />
WIE MAN WOHNEN SOLL<br />
Wer verfasst schon Weltliter<strong>at</strong>ur in einer Garconniere Unser Autor<br />
Thomas Glavinic über die Wechselwirkung von Architektur und Schreiben.<br />
keiner taugte etwas. Es dauerte eine Weile, bis ich verstand,<br />
dass das keinesfalls an mir liegen konnte, sondern<br />
an den Bruchbuden, in die es mich verschlagen h<strong>at</strong>te.<br />
Wer verfasst denn schon in einer Acht-Quadr<strong>at</strong>meter-<br />
Garconniere Weltliter<strong>at</strong>ur Vor allem, wenn diese Behausung<br />
im Grunde nichts anderes ist als eine Wabe in<br />
einem seelenlosen Klotz, den ein geschäftstüchtiger Unmensch<br />
in einen besonders hässlichen Stadtteil betoniert<br />
h<strong>at</strong> Arme Leute leiden auf vielfache Weise, aber ich finde,<br />
gleich nach Hunger und vielleicht sogar Durst werden<br />
sie von der Hässlichkeit heimgesucht. Ihre Häuser sind<br />
hässlich, ihre Wohnungen sind hässlich, ihre Möbel sind<br />
hässlich, ihre Autos sind hässlich, ihr Urlaub ist hässlich,<br />
ihre Jobs sind hässlich, sie sind umgeben von Hässlichkeit,<br />
und das ist ein sehr ernster Grund, noch entschiedener<br />
gegen Armut zu kämpfen. Hässlichkeit macht traurig<br />
und krank. Trauer macht im Übrigen böse, und böse<br />
Menschen werden wiederum immer hässlicher, woran<br />
wir erkennen, mit welch monumentalen Kreisläufen wir<br />
es zu tun haben.<br />
„Arme Leute leiden auf vielfache<br />
Weise, aber ich finde,<br />
gleich nach Hunger und<br />
Durst werden sie von der<br />
Hässlichkeit heimgesucht“<br />
Ich bin ohne Hinweise auf die Schönheit von Gebäuden<br />
aufgewachsen. T<strong>at</strong>sächlich erinnere ich mich an<br />
kein Schulfach, in dem solches Wissen vermittelt<br />
worden wäre, ich nehme an, das hätte <strong>am</strong> ehesten<br />
noch in die Bildnerische Erziehung gepasst, aber da<br />
k<strong>am</strong>en Gebäude und Architektur nicht vor. So recht die<br />
Leute haben, die die Schulfächer Politische Bildung und<br />
Ethik fordern, so sehr scheint auch die Notwendigkeit<br />
von Ästhetikunterricht zu bestehen. Ästhetik, das gab es<br />
ja schon einmal als Unterrichtsfach, doch das ist schon<br />
eine ganze Weile her.<br />
Ich hätte so etwas jedenfalls brauchen können, dann<br />
wäre mir eine Reihe abscheulicher Erfahrungen erspart<br />
geblieben. Bekanntlich prägt die unmittelbare Umgebung<br />
den Menschen in hohem Maße. Wo ich überall versucht<br />
habe, Romane zu schreiben! Speziell in jungen, gar fernen<br />
Jahren, mit 20, schrieb ich Roman um Roman, und<br />
In der winzigen Garconniere blieb ich nicht lange.<br />
Später übersiedelte ich in einen wunderschönen<br />
Altbau, in dem ein Erotikmuseum untergebracht war.<br />
Was ich da alles geschrieben habe, sage ich lieber<br />
nicht. Das hätte etwas werden können, da hätte ich<br />
mich vielleicht zu einem österreichischen Henry Miller<br />
entwickelt, aber ich konnte die Miete nicht bezahlen und<br />
fand mich plötzlich auf einem Bauernhof wieder. Bitte, es<br />
gibt wunderschöne alte Bauernhöfe. Meiner gehörte leider<br />
nicht dazu, es h<strong>at</strong> mich dort nicht lange gehalten,<br />
und geschrieben habe ich dort auch nur Kleinviehprosa.<br />
Ich bin noch oft umgezogen. Von Kleinwohnungen in<br />
WGs, von WGs in Häuser. Ein wirklich schönes Haus war<br />
ebenso wenig dabei wie eine schöne Wohnung, vielleicht<br />
wären meine Bücher dann ja auch besser geworden.<br />
Muss nicht sein, ist aber nicht unbedingt auszuschließen.<br />
Man kann nicht alles auf die Wohnungen schieben,<br />
es gibt da den einen oder anderen Schlagerstar, dessen<br />
Domizil keine Wünsche offen lässt, und dennoch h<strong>at</strong> der<br />
Kerl noch nie etwas anderes produziert als Schunkelstuss<br />
und Skihüttengejodel. Von Rechts wegen sollte so<br />
jemand unter Brücken übernachten, und zwar unter abartig<br />
hässlichen Brücken, aber da schlafen leider die,<br />
denen man Geld und Gesundheit und Erfolg wünschen<br />
würde. Zumindest ein wenig mehr davon.<br />
Gr<strong>at</strong>ul<strong>at</strong>ion:<br />
Unser Kolumnist Thomas Glavinic h<strong>at</strong> vor Kurzem seinen zehnten<br />
Roman „Das größere Wunder“ (Hanser-Verlag) herausgebracht und<br />
steht d<strong>am</strong>it bereits auf Pl<strong>at</strong>z 3 von Österreichs Bestsellerliste.<br />
Foto: Mayrπ<br />
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