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Stahlbau Nachrichten - Verlagsgruppe Wiederspahn

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<strong>Stahlbau</strong>-<strong>Nachrichten</strong> Editorial 5<br />

Dr.-Ing. Volker Adam<br />

© DSTV<br />

Ursache der Verzinkungsrissbildung geklärt<br />

Die Feuerverzinkung von Stahlkonstruktionen hat<br />

sich über viele Jahrzehnte als zuverlässiger und<br />

langlebiger Korrosionsschutz bewährt. In jüngster<br />

Zeit geben Schadensmeldungen über Risse in feuerverzinkten<br />

<strong>Stahlbau</strong>ten Anlass zur Besorgnis und<br />

werfen Fragen nach den Ursachen auf.<br />

Seit Anfang der 2000er-Jahre wurde in einigen<br />

Großteil-Verzinkereien eine vom Hersteller empfohlene<br />

und vertriebene Zinkschmelze eingesetzt,<br />

die auch bei Stählen mit hohem SI-Gehalt eine<br />

technisch und wirtschaftlich vertretbare Schichtdicke<br />

gewährleisten und eine glänzende Oberfl äche<br />

erzeugen sollte. Diese neue Zinkschmelze besaß<br />

höhere Legierungsanteile der Elemente Zinn und<br />

Bismut und kam häufi g bei weiterhin voller Bleisättigung<br />

zur Anwendung.<br />

Neuere Untersuchungen bestätigen die Vermutung,<br />

dass diese höher legierten Zinkschmelzen die<br />

dominierende Rolle als Schadensursache für die<br />

fl üssig metallinduzierte Spannungsrisskorrosion<br />

(engl.: Liquid Metal Embrittlement LME) spielen.<br />

Der stahlschädigende Einfl uss durch höhere Legierungsanteile<br />

in Zinkschmelzen ist seit Jahrzehnten<br />

bekannt und erstmals 1930 beschrieben worden.<br />

Seit Ende des letzten Jahrzehnts wurden vermehrt<br />

Risse in Stegen von verzinkten Deckenträgern mit<br />

halben Kopfplatten festgestellt, deren Ursache<br />

hauptsächlich dieser seitdem als nicht feuerverzinkungsgerecht<br />

entworfenen Konstruktion<br />

zugeschrieben wurde. Weil die <strong>Stahlbau</strong>fachwelt<br />

über den Einsatz hoch legierter Zinkschmelzen<br />

nicht informiert worden war und Verzinkungsrisse<br />

normalerweise optisch nicht sichtbar sind, wurde<br />

der Blick auf die gleichzeitig und zusätzlich von den<br />

geänderten Zinkbädern ausgehende LME-Gefahr<br />

verschleiert. Außerdem lenkte der Sonderfall »Halbe<br />

Kopfplatte« die Aufmerksamkeit der Fachleute vom<br />

eigentlichen LME-Phänomen ab.<br />

Erst als die Risse in der Stahlkonstruktion des Stadions<br />

Kaiserslautern Ende 2005 entdeckt wurden und<br />

der Schadensfall in der Fachwelt publik wurde, begannen<br />

umfangreiche Recherchen nach Ursachen<br />

und dem Befall anderer in dieser Zeit feuerverzinkter<br />

Bauwerke.<br />

Nach eineinhalb Jahren Untersuchung liegt nunmehr<br />

das Gutachten von Prof. Dr.-Ing. Markus<br />

Feldmann, RWTH Aachen, vor, der vom Landgericht<br />

Kaiserslautern zur Durchführung des derzeit noch<br />

nicht abgeschlossenen Selbstständigen Beweisverfahrens<br />

bestellt worden war. Ausschlaggebende<br />

Ursache der Rissbildung ist demnach die fl üssigmetallinduzierte<br />

Spannungs risskorrosion, die von<br />

der extrem hoch legierten Zinkschmelze während<br />

des Verzinkungsvorgangs ausgelöst wurde. Mit<br />

einem Anteil der Zusatzelemente von bis zu 2,5 %<br />

überschritt das verwendete Zinkbad sogar die nach<br />

heutigen Erkenntnissen viel zu hohen Grenzwerte<br />

der Norm deutlich. Die besonders schädigend wirkenden<br />

Zinnanteile lagen sogar bei bis zu 1,28 %.<br />

Das Deutsche Institut für Bautechnik DIBt empfi ehlt<br />

zurzeit eine Begrenzung auf 0,3 % Zinn, für die neuerdings<br />

ein Wert von 0,05 % im Gespräch ist.<br />

Feldmann beschreibt in seinem Bericht die Rissbildung<br />

wie folgt:<br />

»Flüssigmetallversprödung beim Feuerverzinken<br />

tritt auf, wenn fl üssig heiße Zinkschmelze die<br />

Stahloberfl äche zunächst benetzt und dann, mikroskopisch<br />

gesehen, Elemente der Zinklegierung die<br />

Korngrenzen des Stahls angreifen und durch Diffusion<br />

und Kapillarwirkung zwischen sie gelangen. Je<br />

nach Aggressivität der Zinkschmelzenlegierung, der<br />

Inkubationszeit und der Widerstandsfähigkeit des<br />

Baustahls bedarf es dabei gleichzeitig mehr oder<br />

weniger starker mechanischer Belastungen in Form<br />

von Spannungen und Dehnungen, um einen Riss<br />

initiieren zu lassen.«<br />

Die von Seiten der betroffenen Verzinkerei vermuteten<br />

Ursachen wie Materialfehler, nicht verzinkungsgerechte<br />

Konstruktion, fehlerhafte Verarbeitung<br />

oder Montage scheiden laut Gutachter als Schadensgründe<br />

unzweifelhaft aus.<br />

Nach heutigem Kenntnisstand haben die Verzinkungsbetriebe<br />

mittlerweile überwiegend ihre Bäder<br />

umgestellt, einzelne Firmen werben sogar mit zinn-<br />

und bleifreien Schmelzen. Der Deutsche Ausschuß<br />

für <strong>Stahlbau</strong> DASt erarbeitet zurzeit eine Richtlinie<br />

über das Feuerverzinken von <strong>Stahlbau</strong>teilen, der die<br />

neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde<br />

liegen werden. Sie wird voraussichtlich Anfang<br />

2008 erscheinen und den Status einer Norm haben.<br />

Unter diesen Voraussetzungen kann die Feuerverzinkung<br />

wieder als zuverlässiges Verfahren zum<br />

Korrosionsschutz von Stahlkonstruktionen eingesetzt<br />

werden. Trotzdem müssen alle in den Jahren<br />

2000 bis 2006 feuerverzinkten <strong>Stahlbau</strong>ten hinsichtlich<br />

der oben genannten Phänomene überprüft<br />

und ggf. saniert werden.<br />

Volker Adam

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