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Coverstory<br />
Handicap?<br />
Na und!<br />
Blind, taub, dreibeinig: Auch <strong>Tier</strong>e können gehandicapt sein. Doch<br />
zwei gelähmte Beine bedeuten <strong>für</strong> Vierbeiner heutzutage noch lange<br />
nicht das Aus.<br />
Eben noch rannte der Hund Jacky fröhlich<br />
über die Wiesen, sauste dem Ball hinterher<br />
und freute sich seines Lebens. Dann kam der<br />
schlimme Unfall. Ein Auto erwischte das arme<br />
Kerlchen. Der Hund überlebte, doch die Diagnose<br />
des <strong>Tier</strong>arztes bestürzte Herrchen und<br />
Frauchen: „Jacky wird nie wieder laufen können.“<br />
Denn Lähmungen, die gibt es freilich<br />
nicht nur bei Menschen. Auch <strong>Tier</strong>e können<br />
betroffen sein.<br />
„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte sich die<br />
Familie, die Jacky längst als vollwertiges Mitglied<br />
aufgenommen hatte. Seit 2011 gibt es <strong>für</strong><br />
genau diese Frage einen eigenen Verein: „Behinderter<br />
Hund – Na und?“. Obfrau Katharina<br />
Hengl-Schmidl gründete ihn aus einer eigenen<br />
Not heraus. In ihrer Stelle als <strong>Tier</strong>arzthelferin<br />
machte sie im selben Jahr Bekanntschaft mit<br />
dem Hund „Krummbein“. Krumme Vorderpfoten,<br />
halb blind. Sie adoptierte den Racker und<br />
recherchierte zum Thema Pflege eines behinderten<br />
Hundes – mit dürftigem Ergebnis.<br />
„Ich hatte irgendwann echt das Gefühl, ich<br />
bin die Einzige mit einem behinderten Hund.<br />
Es war quasi unmöglich, da handfeste Infos<br />
zu bekommen“, berichtet die junge Frau. Zusammen<br />
mit einer Freundin, die einen alterstauben<br />
Hund hegt und pflegt, gründete sie<br />
kurzerhand besagten Verein. Was als reine Informationsplattform<br />
begann, entwickelte sich<br />
rasch zur Vermittlungs- und Beratungsstelle<br />
mit Adressen guter <strong>Tier</strong>physiopraktiker, <strong>Tier</strong>ärzte,<br />
Neurologen, Ausstatter und mehr.<br />
Soll ein Hund, nachdem er einen so schlimmen<br />
Unfall erlebt hat, überhaupt weiterleben<br />
oder wäre es nicht besser <strong>für</strong> ihn, seinen<br />
Frieden zu finden? Das ist die Frage, die manche<br />
Kritiker stellen. Eine klare Antwort hat<br />
Hengl-Schmidl darauf nicht. „Man darf auf<br />
keinen Fall verallge<strong>mein</strong>ern. Der eine Hund<br />
kann mit Rollstuhl noch ein wirklich glückliches<br />
Leben führen und fühlt sich in seine<br />
Familie so herrlich integriert, dass es ihm an<br />
nichts fehlt. Der andere wird wirklich depressiv,<br />
weil er nicht mehr laufen kann“, so die<br />
Fachfrau.<br />
Gehhilfen <strong>für</strong> gehandicapte <strong>Tier</strong>e<br />
Moment – Rollstuhl <strong>für</strong> Hunde? Sie haben<br />
richtig gelesen! Tag <strong>für</strong> Tag arbeitet Mirjam<br />
Mader Ullrich in ihrer Praxis im beschaulichen<br />
Absdorf und schustert an den Gehhilfen<br />
<strong>für</strong> gehandicapte <strong>Tier</strong>e. Auch Katzen können<br />
die Gehhilfe verwenden. Mit ihrem Geschäftsmodell<br />
ist Mader Ullrich in Österreich bislang<br />
die Einzige. Eine echte Pionierin!<br />
Doch wie kam es dazu, dass die gelernte<br />
Orthopädiemechanikerin und Bandagistin<br />
nicht mehr nur <strong>für</strong> Menschen, sondern auch<br />
<strong>für</strong> <strong>Tier</strong>e die passende Gehhilfe anfertigt?<br />
„Eines Tages stand ein Frauchen mit ihrem<br />
Hund vor mir, der sich sein Bein gebrochen<br />
hatte, und bat mich um Hilfe“, erinnert sich<br />
die Wahl- Niederösterreicherin. Als sie nichts<br />
Entsprechendes auf dem Markt fand, war die<br />
Aufgabe klar: Einen Rollstuhl <strong>für</strong> Vierbeiner<br />
designen. Auch Prothesen und Bandagen zählen<br />
mittlerweile zum Sortiment.<br />
Die Frage, ob <strong>Tier</strong>e tatsächlich die Gerätschaften<br />
und Hilfestellungen akzeptieren, kann<br />
Mader Ullrich schnell beantworten: „Ja. 95<br />
Prozent <strong>mein</strong>er bisherigen tierischen Patienten<br />
haben das durchwegs positiv aufgenommen.“<br />
Nur sogenannte „Alpha-Männchen“<br />
zögen nicht mit. „Die verlieren ihre Unabhängigkeit<br />
und sind nicht mehr der ‚Potenzhund‘<br />
– das ist <strong>für</strong> sie schwer zu ertragen.“<br />
Pro Jahr fertigt Mader Ullrich an die 30 Rollstühle<br />
an. „Es ist jedes Mal so ein unglaublich<br />
rührendes Bild, wenn ein Hund das erste Mal<br />
an seinen Rolli angeschlossen wird und sich<br />
so freut, dass er endlich wieder durch die Gegend<br />
flitzen kann“, erzählt sie. Eine ganz neue<br />
Lebensqualität <strong>für</strong> ein <strong>Tier</strong>, das vielleicht gar<br />
nicht damit gerechnet hat, jemals wieder laufen<br />
zu können.<br />
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