Leben in Saus & Braus
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Luxus 13<br />
E<strong>in</strong> Kostbares Gut <strong>in</strong> Deutschland?<br />
Zeitungs-Journalismus und auch der private<br />
Rundfunk werden nach wie vor <strong>in</strong> großen Teilen<br />
bzw. ausschließlich durch Werbung f<strong>in</strong>anziert,<br />
und da überlegt sich mancher Journalist<br />
besonders <strong>in</strong> lokalen oder regionalen Medien<br />
schon, ob er wirklich den Artikel oder Radiobeitrag<br />
schreibt, der e<strong>in</strong>en großen Anzeigenkunden<br />
verärgern könnte. Auch die Nähe zu lokalen<br />
Behörden kann e<strong>in</strong> Problem se<strong>in</strong> – wenn<br />
der Bürgermeister e<strong>in</strong> Freund des Chefredakteurs<br />
ist oder man mit dem Baudezernenten im<br />
gleichen Vere<strong>in</strong> ist.<br />
So manches Thema stirbt auch deshalb, weil<br />
Behörden ke<strong>in</strong>e Auskünfte geben, obwohl sie<br />
dazu eigentlich verpflichtet s<strong>in</strong>d. Jeder Lokalredakteur<br />
hat schon mal erlebt, dass e<strong>in</strong>e städtische Behörde<br />
e<strong>in</strong>e Anfrage nicht beantworten wollte, weil der Aufwand,<br />
die Informationen zusammen zu suchen, zu groß<br />
sei; oder weil e<strong>in</strong>e städtische Tochterfirma (z.B. Stadtwerke)<br />
glaubt, dass sie nicht auskunftspflichtig sei – sie sei<br />
ja e<strong>in</strong> Wirtschaftsunternehmen. Da müssen Redakteure<br />
manchmal ganz schön hartnäckig se<strong>in</strong> – der Zeitaufwand<br />
ist aber e<strong>in</strong> Luxus, angesichts der immer dünner<br />
werdenden Personaldecke <strong>in</strong> den Redaktionen.<br />
Aber auch, wenn Journalisten sich aufwendige Recherchen<br />
leisten können: Die Informationsfreiheitsgesetze<br />
der e<strong>in</strong>zelnen Bundesländer, die für alle Behörden im<br />
jeweiligen Land gelten, lassen H<strong>in</strong>tertüren offen. So können<br />
Behörden sowohl vom normalen Bürger als auch<br />
vom Journalisten Gebühren verlangen, wenn e<strong>in</strong>e Anfrage<br />
aufwendig bearbeitet werden muss, oder sie berufen<br />
sich auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse und<br />
schwärzen Textpassagen.<br />
Im Fall zweier WAZ-Redakteure kamen für<br />
e<strong>in</strong>e Anfrage fast 15.000 Euro zusammen, weil<br />
das Bundes<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>isterium Fragen zur<br />
Verwendung von Steuergeldern im Sport <strong>in</strong><br />
66 Anfragen aufsplittete. Wobei das Thema<br />
Auskunftspflicht von Bundesbehörden<br />
Aus der Jahresbilanz der Pressefreiheit 2013:<br />
71 Journalisten getötet<br />
178 Journalisten <strong>in</strong> Haft<br />
826 Journalisten festgenommen<br />
2.160 Journalisten angegriffen oder bedroht<br />
87 Journalisten entführt<br />
77 Journalisten aus ihrem Heimatland geflohen<br />
6 Medienmitarbeiter getötet<br />
39 Blogger und Bürgerjournalisten getötet<br />
127 Blogger und Internetaktivisten festgenommen<br />
(Quelle: Reporter ohne Grenzen)<br />
noch mal e<strong>in</strong> eigenes ist: Das Bundesverwaltungsgericht<br />
hat zwar entschieden, dass auch sie Auskünfte geben<br />
müssen, aber nur e<strong>in</strong>en M<strong>in</strong>imalstandard genannt – es<br />
fehlt e<strong>in</strong> entsprechendes Presseauskunftsgesetz. Das bedeutet,<br />
dass Bundesbehörden unliebsame Fragen nicht<br />
beantworten müssen, was die Pressefreiheit aushebelt.<br />
E<strong>in</strong>e Onl<strong>in</strong>e-Petition, die e<strong>in</strong> solches Gesetz erzwungen<br />
hätte, hat im Mai dieses Jahres nur knapp 2.500 Unterschriften<br />
bekommen, 50.000 hätten es werden müssen –<br />
und das bei mehr als 70.000 Journalisten, die <strong>in</strong> Deutschland<br />
arbeiten.<br />
Fazit: Wir haben den Luxus, über alles berichten zu können,<br />
tun es aber nicht immer – aus wirtschaftlichen<br />
Zwängen, weil wir die Informationen nicht bekommen,<br />
oder auch weil uns e<strong>in</strong> Thema nicht <strong>in</strong>teressiert.<br />
All das führt dazu, dass wir unsere Wächterfunktion, die<br />
wir <strong>in</strong> der Demokratie zu erfüllen haben, nicht <strong>in</strong> vollem<br />
Umfang erfüllen. Pressefreiheit ist e<strong>in</strong> Luxus, aber<br />
e<strong>in</strong>er, den wir oft nicht genug wert schätzen.<br />
E<strong>in</strong> Gastbeitrag von Sascha Fobbe, Redakteur<strong>in</strong> bei<br />
Radio RST und Stellvertretende Landesvorsitzende<br />
des Deutschen Journalistenverbands <strong>in</strong> NRW<br />
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