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Cb Stadtmagazin Mai 2015

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Vietnam ist heute ein Traumreiseziel für<br />

Touristen. Das Land präsentiert sich im<br />

Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne<br />

gastfreundlich und flexibel.<br />

Wie in Urzeiten ziehen die Bauern mit ihren<br />

Wasserbüffeln durch die Reisfelder, und die<br />

Frauen stecken, tiefgebückt, mit langer Geduld die<br />

Pflänzchen. Unter den Reis-Exporteuren der Welt<br />

wetteifern die USA und Vietnam stets um Platz eins<br />

und wechseln sich hier regelmäßig ab.<br />

Wer die Spuren der Heroen des unsäglichen<br />

Krieges sucht, bekommt die unterirdischen<br />

Labyrinthe der Kämpfer gezeigt, aber das<br />

Verhältnis der einstigen Gegner ist heute<br />

entspannt, und es liegt im Wesen der<br />

Vietnamesen, nach vorn zu schauen. Dabei haben<br />

sie längst die schönen Seiten der kaiserlichen<br />

Traditionen und die Faszination der Tempel und<br />

Pagoden entdeckt. Buddha passt vorzüglich in<br />

das sozialistische Land der gelassenen<br />

Lebenskultur. Erstaunlich viel ist geblieben aus der<br />

französischen Zeit vor 1954 - neben schönen<br />

Bauten auch das krosse, luftig-köstliche Baguette<br />

ter Fiedermann, für Monate nach Vietnam,<br />

um dort Werkstätten aufzubauen<br />

und Fachkräfte vor Ort anzulernen.<br />

Hung arbeitete von 1987 bis zur Wende<br />

im Tagebau Cottbus-Nord als Gerätefahrer.<br />

Oanh stand in einer Tuchfabrik<br />

in Forst am Webautomanten. Beide<br />

lebten in einem Wohnheim in Sachsendorf.<br />

Dort haben sie sich kennengelernt.<br />

„Anfangs konnten wir kein einziges<br />

Wort Deutsch sprechen“, erinnert<br />

sich Hung. Er hatte es nach dem dreimonatigen<br />

Sprachkurs leichter als andere,<br />

denn er arbeitete in seiner Schicht<br />

mit Deutschen, mit denen er teils bis<br />

heute befreundet ist. Wenn Vertragsarbeiter<br />

unter sich blieben, hatten sie es<br />

schwer mit der Fremdsprache.<br />

Der Untergang der DDR verlief dramatisch<br />

für die vietnamesischen Arbeitskräfte.<br />

Alle, auch Hung Nguyenthe<br />

und sein Frau Oanh Phamthikiem,<br />

verloren ihre Arbeit. Am 3. <strong>Mai</strong>1990,<br />

also genau vor 25 Jahren, begannen<br />

Verhandlungen mit dem vietnamesischen<br />

Abkommenspartner. Jetzt konnten<br />

die Betroffenen sich entscheiden, hierzubleiben<br />

oder mit 3 000 D-Mark Abfindung<br />

zuzüglich Rückflugkosten in die<br />

Heimat zu gehen. Mehr als die Hälfte<br />

der Gastarbeiter gingen zurück. Die blieben,<br />

standen vor Problemen. Ihre Wohnheime<br />

wurden aufgelöst. Sie brauchten<br />

eine Wohnung, hatten aber keine Arbeit.<br />

Fast allen blieb nur die Selbstständigkeit.<br />

Hung Nguyenthe und seine Frau arbeiteten<br />

zunächst im ersten asiatischen<br />

Restaurant in Madlow, der ehemaligen<br />

„Post“. Ab 1993 gingen sie selbständig<br />

mit Textilen auf Märkte der Region.<br />

Später öffneten sie ihren ersten Lebensmittelladen<br />

in der Friedrich-Ebert-<br />

Straße. Seit 2000 sind sie am Oberkirchplatz<br />

präsent - heute als einziger<br />

Supermarkt für asiatische Produkte in<br />

Cottbus.<br />

Fast 100 Prozent ihrer Kunden sind Deutsche,<br />

vereinzelt auch asiatische Studenten.<br />

„Die Deutschen haben Spaß am<br />

Kochen. Sie probieren gerne etwas Neues<br />

aus“, weiß Hung Nguyenthe. Lange<br />

vor Wikipedia hat er die asiatischen<br />

Rezepte auf kleine Zettel gedruckt und<br />

im Laden verteilt. Sie stecken noch heute<br />

griffbereit an einer Pinnwand*.<br />

Er und seine Frau sind glücklich in Cottbus.<br />

Sie haben zwei Töchter. Die große<br />

macht gerade ihr Abitur und möchte<br />

Tourismusmanagement studieren, die<br />

jüngere ist elf Jahre alt und besucht die<br />

vierte Klasse. In der Schule bringen beide<br />

sehr gute Leistungen. Das ist typisch<br />

für asiatische Kinder. Im Elternhaus steht<br />

die schulische Ausbildung unter strenger<br />

Beobachtung. „Ein starker Wille<br />

und Disziplin sind die Schlüssel zum Erfolg“,<br />

findet Hung Nguyenthe.<br />

Wenn das Unternehmerpaar nicht im Laden<br />

steht, pflegen sie vietnamesische Traditionen.<br />

Ende Januar feiern sie das Neujahrsfest,<br />

Mitte September das<br />

Mondfest. Dabei treffen sie viele ihrer<br />

Landsleute. Für 2017 plant Hung Nguyenthe<br />

ein großes Treffen zum 30-jährigen<br />

Jubiläum aller Vertragsarbeiter, die<br />

1987 nach Cottbus kamen.<br />

John Senn<br />

*Rezepte nachkochen<br />

Sie haben Appetit auf WAN-TAN-<br />

SUPPE, TOFU-STEAK, CHOP-<br />

SUEY oder GE-<br />

BRATENEN<br />

TOFU MIT BOH-<br />

NENSPROS-<br />

SEN...? Dann laden<br />

Sie HIER die<br />

Rezepte von Hung<br />

& Oanh herunter<br />

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