Teruko Yokoi Mond · Sonne · Jahreszeiten · - Wolfsberg
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Anfänge<br />
<strong>Teruko</strong> <strong>Yokoi</strong> wurde am 2. April 1924 in Tsushima in der Provinz Nagoya ge -<br />
boren und wuchs in einem Dorf auf, in dem sie von klein auf von Reis- und<br />
Rapsfeldern umgeben war, deren unermessliche Farbnuancen sie erlebte. Von<br />
den Geschwistern – einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder –<br />
unterschied sie sich insofern, als sie stets eine grosse Träumerin war. Sie war<br />
zu früh zur Welt gekommen, sodass man ihren Geburtstag erst später festlegte,<br />
als Gewissheit bestand, dass sie überleben würde. Der Jahrgang ist richtig,<br />
der 2. April aber ist der Tag, an dem sie in der Schule registriert wurde. Schon<br />
früh verschanzte sie sich hinter Büchern, verschlang Märchen ebenso wie die<br />
Mythologie – sie träumte von Griechenland und vom Olymp und hat te den<br />
Drang, Aphrodite und Narziss zu besuchen. Sie war aber keine Eigenbrötlerin.<br />
Sie besuchte eine Mädchenschule und liebte den Unterricht, auch wenn<br />
sie zu ihrem Verdruss immer als Letzte an die Reihe kam, da <strong>Yokoi</strong> auch in der<br />
japanischen Sprache am Schluss des Alphabets angesiedelt ist.<br />
Auf der Suche nach Haiku-Eingebungen nahm sie der Vater oft mit auf<br />
seine Streifzüge in die Natur. 3 Hier entdeckte die aufmerksame Begleiterin<br />
Lotusteiche, Kornfelder und Chrysanthemenbeete im Wechsel der <strong>Jahreszeiten</strong><br />
sowie den <strong>Mond</strong> und die untergehende <strong>Sonne</strong>, deren Licht die Vegetation<br />
so un terschiedlich zum Ausdruck brachte. Ihre Sensibilität machte sie empfänglich<br />
für alle visuellen Eindrücke, die auf sie einwirkten. Die Mutter<br />
erkannte ihr künstlerisches Potenzial sehr früh: Als <strong>Teruko</strong> sechs Jahre alt war,<br />
sang und hüpfte sie im Garten hin und her und begrüsste freudvoll den Frühling,<br />
da sie die Farbveränderungen an den Bäumen konstatiert hatte. In der<br />
Folge erhielt sie künstlerischen Privatunterricht; Malen und Zeichnen waren<br />
von Anfang an ihre Lieblingsbeschäftigungen, auch wenn sie gerne Dichterin<br />
ge worden wäre. Immer drängte sie nach dem Aussergewöhnlichen: So hat sie<br />
während des Krieges, als dunkle Kleidung angebracht war, stets eine rote<br />
Schleife am rechten Ärmel getragen, um einen farbigen Akzent zu setzen.<br />
Und in einem ihrer persönlichen Texte 4 erzählt sie über ihr jugendliches Projekt<br />
zugunsten leidender Kriegssoldaten: Zusammen mit ihrer Schulfreundin<br />
erstellte sie kleine, von Hand gebundene Hefte und liess sie zur Schmerzlinderung<br />
und Aufheiterung der Verwundeten in Spitälern verteilen. Die Freundin<br />
trug die Gedichte bei, sie selbst lieferte die Illustrationen. Der poetischen<br />
Kooperation war grosser Erfolg beschieden, und es dauerte lange, bis die<br />
Presse den beiden anonymen Absenderinnen, die die Hefte nur mit ihren<br />
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