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Script 4: Gesundheitsorientierte Unternehmensführung Wolfsberg

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WOLFSBERG<br />

<strong>Gesundheitsorientierte</strong><br />

Unternehmensführung<br />

Ein Plädoyer für einen Paradigmenwechsel<br />

Gunter Frank<br />

... ... ...<br />

SCR PT 4


Herausgeber: Toni Schönenberger<br />

Redaktion: Sarah Grimmelikhuijsen<br />

Gestaltung: Urs Stuber, Frauenfeld<br />

Korrektorat: Kerstin Forster, Sulgen<br />

Satz:<br />

Daniela Bieri-Mäder, Niederbüren<br />

Herstellung: Heer Druck AG, Sulgen<br />

© 2010 für den Text beim Autor.<br />

Jegliche Reproduktion der Texte ist nur mit ausdrücklicher<br />

schriftlicher Genehmigung des Herausgebers erlaubt.<br />

<strong>Wolfsberg</strong> –The Platform for Executive & Business Development<br />

CH-8272 Ermatingen<br />

Phone +41 71 663 51 51, Fax +41 71 663 55 90, www.wolfsberg.com<br />

A subsidiary of UBS AG


Der Autor<br />

Dr. Gunter Frank<br />

Geboren 1963, Vater von zwei Töchtern, lebt in Heidelberg.<br />

Ärztlicher Leiter des Heidelberger Präventions- und Gesundheitsnetzes sowie Dozent an<br />

der Business School St.Gallen. Bekannter Autor, Forscher, Referent und Berater namhafter<br />

Unternehmen und Führungskräfte; Schwerpunkt: Konzeption und Umsetzung qualitätsgesteuerter<br />

Präventions- und Gesundheitsprogramme.<br />

Studium der Humanmedizin an der Universität Heidelberg und University of Chicago;<br />

Promotion an der chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. Klinische Ausbildung zum<br />

Facharzt für Allgemeinmedizin sowie Zusatzdiplome in den Bereichen Notfallmedizin,<br />

Naturheilverfahren, Ernährung, Schmerztherapie, Präventionsmedizin.<br />

Seit 1997 selbstständig in eigener allgemeinmedizinischer Praxis in Heidelberg mit Schwerpunkt<br />

präventive Medizin, Stress- und Ernährungsberatung; seit 2002 im Vorstand des<br />

Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften e.V.; seit 2004 Leiter<br />

des Heidelberger Präventions- und Gesundheitsnetzes.<br />

Bisher erschienene Publikationen:<br />

– Gesundheitscheck für Führungskräfte. Campus 2001<br />

– Lexikon der Fitness-Irrtümer. Eichborn 2003<br />

– Lizenz zum Essen. Piper 2008<br />

– Unternehmensressource Gesundheit. Symposion 2009<br />

– Die Mañana-Kompetenz. Piper 2010<br />

www.gunterfrank.de


« ES GIBT NICHTS GUTES, E<br />

ERICH KÄSTNER


S SEI DENN, MAN TUT ES.»


<strong>Gesundheitsorientierte</strong> Unternehmensführung<br />

Ein Plädoyer für einen Paradigmenwechsel<br />

Gunter Frank<br />

In Italien sagt man «Gesundheit ist wie das Salz – man bemerkt sie erst, wenn<br />

sie fehlt». Ähnlich heisst es bei uns «der Gesunde hat viele Wünsche – der<br />

Kranke nur einen». Es scheint gerade so, als hätten die Menschen früher an -<br />

dere Sorgen gehabt als sich ständig um die Gesundheit zu kümmern. Für die<br />

meisten standen die Beschwernisse des Lebens im Vordergrund, der Kampf<br />

ums Dasein war elementarer als in Zeiten von Sozialversicherungs systemen,<br />

Krankenkassen und Arbeitslosenversorgung. In früheren Zeiten er lebten die<br />

Menschen Krankheit als unmittelbare Bedrohung der sozialen Existenz und<br />

konnten es sich dennoch nicht leisten, sich viele Gedanken um die Gesundheitssicherung<br />

zu machen. Das hat sich heute grundlegend geändert.<br />

Zum einen hat die Kenntnis über Infektionswege und deren Verhütung<br />

durch verbesserte Hygiene – von der Kanalisation bis hin zu Kühlschränken –<br />

die gesundheitliche Hauptbedrohung beherrschbar gemacht. Der Tod durch<br />

In fektionskrankheiten wie Tuberkulose, Kinderlähmung oder Typhus gehörte<br />

noch bis in die 50er Jahre hinein zum Alltag. Es war normal, dass Kinder in<br />

den Schulklassen an Diphterie starben. Nach den Hygienemassnahmen war es<br />

dann die Entwicklung von Impfungen und Antibiotika, die uns weitgehend<br />

von dieser Geissel befreit hat. Zum anderen ist es heute dank grosser medizinischer<br />

Fortschritte möglich, viele schwere Erkrankungen zu behandeln und<br />

dadurch eine teilweise gute Lebensqualität trotz Krankheit bis ins hohe Alter<br />

hinein zu ge währleisten. Als Folge davon haben wir heute eine Lebenserwartung,<br />

die in etwa doppelt so hoch ist wie vor 100 Jahren, Tendenz steigend.<br />

Da unheilbare Krankheiten im jüngeren Alter heute die Ausnahme sind,<br />

steigen dadurch die Erwartungen an unsere Gesundheit. Wer gesund sein<br />

möchte, dem reicht es nicht mehr, lediglich frei von schweren Er krankungen<br />

und körperlichen Beeinträchtigungen zu sein, er fordert von Gesundheit<br />

mehr. Nämlich Zufriedenheit bis hin zu Lebensglück. Die Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO) definiert heute Gesundheit in ihrer Präambel folgendermassen:<br />

«Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, mentalen<br />

und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit<br />

und Schwäche.» Böse Zungen behaupten nun, damit hätte sich die WHO für<br />

alle Menschen zuständig gemacht, denn nach dieser Definition könne ja nie-<br />

7


mand mehr gesund sein. Es ist auch durchaus fraglich, wie wir uns fühlen<br />

würden, wenn wir diesen Zustand, also den Zustand der 100%-igen Glückseligkeit,<br />

erreichten. Der gesunde Menschenverstand ist bei dieser Frage mit<br />

den Erkenntnissen neuerer Hirnforschung völlig einer Meinung: Immer glücklich<br />

zu sein, funktioniert so nicht. Wir brauchen regelmässig Irritation, Anstrengung<br />

und Herausforderung. Träte nun der unwahrscheinliche Fall ein,<br />

dass sich ein Mensch gemäss Definition der WHO gesund fühlte, wäre ihm mit<br />

Sicherheit nach vier Wochen schlichtweg langweilig.<br />

Es wird deutlich: Der Gesundheit kommt heute eine viel weitergehende<br />

Bedeutung zu als noch vor 100 Jahren und das hat Konsequenzen. Während<br />

man früher mit Wundinfektionen, hohem Fieber oder Knochenbrüchen zum<br />

Arzt ging, bestimmen heute Diagnosen wie Schlafstörungen, chronische Rü -<br />

ck en beschwerden oder depressive Verstimmungen die Krankheitsstatistik.<br />

Der Patient kommt in die Sprechstunde in der Erwartung, die Me di zin solle<br />

ihm eine funktionierende Therapie für jene Befindlichkeitsstörungen anbieten,<br />

die für unsere Vorfahren noch zu den normalen Beschwernissen des<br />

Lebens zählten.<br />

Obwohl wir heute viel gesünder älter werden und wir uns bei Eintreten von<br />

schweren Erkrankungen auf eine leistungsfähigere Medizin verlassen kön -<br />

nen, verlangen wir für alle Beschwerden eine medizinische Lösung. Zu sätzlich<br />

reicht die Sorge um unsere Gesundheit weit mehr in den Alltag hinein als früher.<br />

Themen rund um Gesunderhaltung und Prävention bestimmen die<br />

Schlagzeilen. Ob religiöses Gemeindeblatt oder Managermagazin: Jede Zeitschrift,<br />

die etwas auf sich hält, lässt ihre eigenen Gesundheitsexperten zu<br />

Wort kommen und verbreitet vermeintliche Gesundheitstipps. Selbstredend<br />

werden zwei Seiten weiter «unabhängig» redaktionell besprochene Zaubermittel<br />

aller Art – von A-Vitaminen bis Frischzellenkuren – kommerziell beworben.<br />

Wellness-, Ernährungs-, Bewegungs- und Stresscoaches haben Hochkonjunktur.<br />

Mittlerweile hat sich ein eigenständiger Markt durchgesetzt für<br />

Therapien aller Art gegen subjektiv bedrohliche Gesundheitsstörungen, auf<br />

die die moderne Hochleistungsmedizin keine Antwort bieten kann. Und dieser<br />

Markt will gepflegt werden.<br />

8


« UNSERE GENERATION IST<br />

DIE MIT ABSTAND GESÜNDESTE IN<br />

DER MENSCHHEITSGESCHICHTE<br />

UND MACHT SICH DENNOCH STÄNDIG<br />

SORGEN UM IHRE GESUNDHEIT.»


Die Perle und der Tatort<br />

Es fällt auf, dass Gesundheitsempfehlungen vor allem über Ängste vermittelt<br />

werden. Solche Empfehlungen reichen weit in unseren Alltag hinein. So sollen<br />

wir durch gesunde Bewegung und Ernährung unser Verhalten ändern,<br />

um Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs vorzubeugen. Diese sogenannten<br />

Ver meidungsziele beherrschen Präventionsprogramme, die uns bis tief in das<br />

Fernsehabendprogramm hinein verfolgen. Freut man sich nach einer harten<br />

Arbeitswoche darauf, bei einem Glas Rotwein (Herzinfarktprävention, aber<br />

leider krebsfördernd), gutem Käse (herzinfarktgefährdend: Fett!, Vorsicht bei<br />

Laktoseintoleranz) und Kartoffelchips (Acrylamid: krebsfördernd, Junkfood<br />

fördert Übergewicht) bei einem spannenden «Tatort» sonntagabends zu entspannen,<br />

um Kräfte für die kommende Woche zu sammeln, kann es passieren,<br />

dass im TV ein Fernsehclip der Felix Burda Stiftung läuft, in dem sich ein<br />

Paar im mittleren Alter auf eine Abendgesellschaft vorbereitet. Mehrmals<br />

eingeblendet wird der Perlenohrring der Frau und man fragt sich zunehmend<br />

nach dem tieferen Sinn. Am Ende erscheint in gruseliger Schrift der Hinweis:<br />

«So gross wie die Perle ist der Tumor, der im Darm der Frau wächst: Gehen<br />

Sie zur Darmkrebsvorsorge.» Gleichzeitig sieht man eine Kerze erlöschen. Die<br />

Aktion der Felix Burda Stiftung, die die Bevölkerung für Darmkrebspräven -<br />

tion sensibilisieren möchte, ist gut gemeint. Aber als Ergebnis tastet man<br />

sich dann mehrmals am Abend angstvoll ab und deutet ein Blähungsgefühl<br />

als Vorstufe einer unheilbaren Erkrankung. Die Freude am «Tatort» ist dahin.<br />

Unendlich viele Beispiele gibt es inzwischen, wie wir im normalen Leben<br />

durch derartige Horrormeldungen auf lauernde Gefahren hingewiesen werden,<br />

um danach in Sorge unser eigentliches Tagwerk weiterzubetreiben.<br />

Ohne Zweifel gehören Informationen über Vorsorgeuntersuchungen in die<br />

Arztpraxen. Doch führt über die Sprechstunde hinaus eine solche omnipräsente<br />

Gefahrenaufklärung wirklich zu mehr Gesundheit?<br />

Placebo und Nocebo<br />

Wissenschaftlich gesichert ist der sogenannte Placeboeffekt. Bin ich nur überzeugt,<br />

dass ein Medikament meine Beschwerden lindert, werden im Gehirn<br />

10


Stoffe freigesetzt, die genau diese Wirkung hervorrufen können. In wissenschaftlichen<br />

Studien wird deshalb ein Medikament immer gegen den Placeboeffekt<br />

getestet. Die Versuchsgruppe testet das eigentliche Medikament,<br />

und die andere Gruppe erhält eine Zuckerpille. Beide Gruppen wissen nicht,<br />

ob sie das Medikament oder das Placebo einnehmen. Da der Placeboeffekt<br />

immer zu einem gewissen Prozentsatz wirkt, wird ein Medikament nur dann<br />

als wirksam angesehen, wenn es über diesen Placeboeffekt hinaus Heilungserfolge<br />

erzielt. Neben dem Placeboeffekt gibt es den Noceboeffekt (lat.<br />

«Nocebo»: Ich werde schaden.). Durch die Auflistung möglicher Nebenwirkungen<br />

eines Medikamentes im Beipackzettel – selbstverständlich eine sinnvolle<br />

Massnahme zum Schutz des Verbrauchers – vervielfältigt sich die Zahl<br />

derer, die in der Sprechstunde mit dem Beipackzettel in der Hand über eine<br />

Reihe der genannten Nebenwirkungen klagten. Haben also Gesundheits-<br />

Aufklärungskampagnen Inhalte wie «fette Wurst verstopft die Gefässe» oder<br />

«Salz macht Bluthochdruck» oder «faul am Strand liegen fördert Krebsentstehung»,<br />

erreicht man vor allem, dass die Menschen sich krank fühlen und vermehrt<br />

in Sorge die Arztpraxen aufsuchen.<br />

Was man macht, macht man falsch<br />

Warnt man in den abendlichen Nachrichten vor der durch Zecken übertragenen<br />

Gehirnhautentzündung, sind am nächsten Tag die Praxen voller Menschen,<br />

die Angst vor Zecken haben und die Zeckenimpfung einfordern. Doch<br />

die Chance, an einer durch Zecken übertragenen Gehirnhautentzündung zu<br />

sterben, tendiert statistisch gegen null. Genauso führt die Warnung vor zu<br />

viel Sonne dazu, dass Eltern schon bei den ersten Frühlingsstrahlen ihre Kinder<br />

beim Besuch des Spielplatzes von Kopf bis Fuss eincremen oder vor lauter<br />

Angst die Kinder erst gar nicht in die Sonne lassen. Paradoxerweise zeigen<br />

einige Untersuchungen, dass die Menschen, die exzessiv Sonnencreme verwenden,<br />

besonders häufig unter Hautkrebs leiden. Die Sonne zu meiden, ist<br />

aber auch keine Lösung. Schon gibt es Veröffentlichungen, die vor einem<br />

Vitamin-D-Mangel warnen, weil Kinder nicht mehr in der Sonne spielen dürfen.<br />

Vitamin D wird mithilfe von Sonnenstrahlen in der Haut gebildet. Was<br />

11


« WIRD’S BESSER? WIRD’S SCHLIMMER?<br />

FRAGT MAN ALLJÄHRLICH.<br />

SEIEN WIR EHRLICH: LEBEN IST IMMER<br />

LEBENSGEFÄHRLICH.»<br />

ERICH KÄSTNER


lernen wir daraus? Was man macht, macht man falsch. Wir haben keine Chance,<br />

dem Grauen zu entrinnen! Am besten man bleibt zu Hause, isst nichts,<br />

sieht nicht fern und meidet generell jeden Kontakt zur Aussenwelt – dies ist<br />

wohl die einzige Chance, gesund zu bleiben. Das jedenfalls ist die logische<br />

Schlussfolgerung moderner Gesundheitsempfehlungen und ihrer Nebenwirkungen.<br />

Eine kleine ökonomische Anmerkung: Präventionsmassnahmen kosten<br />

Geld und sollten deshalb einen grösstmöglichen Nutzen erzielen. Es gibt in<br />

Deutschland seit Jahrzehnten schwankend jährlich circa 200 bis 500 virale<br />

Hirnhautentzündungen (FSME). Dabei ist nicht geklärt, ob diese tatsächlich<br />

durch Zecken übertragen wurden. Todesfälle sind sehr selten; sie betreffen<br />

nur Erwachsene und liegen wahrscheinlich im einstelligen Prozentbereich.<br />

Andererseits kostet der hypothetische Schutz vor ebendieser Erkrankung –<br />

die Durchimpfung von 80 Millionen Bürgern – mehrere Milliarden Euro. Dieser<br />

Betrag fehlt dann selbstverständlich in einem anderen Budget, beispielsweise<br />

in der Betreuung von Pflegebedürftigen. Solche Missverhältnisse können<br />

sich zum handfesten Skandal ausweiten: Erlebt haben wir dies bei der<br />

angeblichen Pandemiegefahr durch die Schweinegrippe und die dadurch verursachten<br />

immensen Kosten der Impfkampagne 2009. Übrigens: Hat eine<br />

medizinische Massnahme nur einen sehr schwachen statistischen Nutzen, müssen<br />

auch die seltenen Nebenwirkungen solcher Massnahmen in die Gesamtbetrachtung<br />

mit eingerechnet werden, wie beispielsweise extrem seltene<br />

Muskelerkrankungen durch die FSME-Impfung.<br />

Wie viel Gesundheitsbewusstsein ist gesund?<br />

Profitieren wir nun also von der Art und Weise, wie heute Gesundheitsför -<br />

derung praktiziert wird? Bei all dem Getöse um Gesundheit und Krankheitsgefahren<br />

ist es an der Zeit innezuhalten und nachzufragen. Dazu ein Beispiel:<br />

50 Jahre Ernährungsaufklärung konnte das Ernährungsverhalten der Bevölkerung<br />

nicht grundlegend ändern. Wir lieben weiterhin Pommes, Bratwurst<br />

und Schokolade. Und das, obwohl seit 50 Jahren die Ernährungswissenschaft<br />

vor den gesundheitlichen Risikofaktoren Fett, Fleisch, Zucker oder anderem<br />

13


warnt. Sie warnt unablässig davor, obwohl sie bis heute nicht belegen konnte,<br />

dass sich bei Menschen, die ihre Ernährung umgestellt haben (z.B. durch<br />

Verzicht auf Fett oder Fleisch), tatsächlich die Gesundheit verbessert hat. Wer<br />

nach den Vorgaben der Ernährungswissenschaft lebt, ist also weder gesünder,<br />

noch lebt er oder sie länger, noch nimmt er oder sie langfristig ab – jeweils<br />

im Verhältnis zu ansonsten gleich gelagerten Vergleichsgruppen. Dies ist die<br />

wissenschaftliche Datenlage im Jahre 2010. Nach Auftritten in den Medien<br />

oder in Buchrezensionen höre ich häufig den Vorwurf einer selektiven Quellenauswahl.<br />

Ich würde also für diese Aussage nur Studien zitieren, die einseitig<br />

diese Sichtweise bestätigten. Darauf erwidere ich stets: «Zeigen Sie mir<br />

gut gemachte Studien, die ich übersehen habe und die den Nutzen solcher<br />

Massnahmen seriös belegen. Dann ändere ich sofort meine Meinung. Ich bin<br />

praktischer Arzt. Mir kommt es nicht darauf an, recht zu haben, sondern meinen<br />

Patienten auf dem Boden der aktuellen Erkenntnislage moderner Wissenschaft<br />

zu beraten.» Ich warte bis heute auf Antwort.<br />

Die vorhergesagte Wirkung der Therapie «gesunde Ernährung» lässt sich<br />

statistisch nicht belegen. Wie sieht es aber mit den Nebenwirkungen aus?<br />

Gesichert ist inzwischen, dass Warnungen zu vielfältigen Ängsten führen.<br />

Immer mehr Menschen haben Angst, normal zu essen. Besonders deutlich<br />

wird dies anhand eines neuen Krankheitsbildes, der Orthorexia nervosa.<br />

Schon viele junge Menschen sind davon betroffen und müssen von ihrem<br />

krankhaften Bestreben, sich gesund zu ernähren, wieder therapeutisch befreit<br />

werden. In der Psychologie beobachtet man schon seit einigen Jahren<br />

einen starken Anstieg des sogenannten negativen Affektes, eine diffuse<br />

Angst und Sorge, die in der Forschung als wichtige Grundlage vieler Störungen<br />

angesehen wird und auf der sich Krankheitsbilder wie beispielsweise<br />

Essstörungen entwick eln. Mein berufliches Steckenpferd ist die Ernährung,<br />

der ich mich auch als Autor und Berater grosser Caterer widme. Oft könnte<br />

man tatsächlich sehr viel verbessern, um qualitativ hochwertiger und damit<br />

bekömmlicher zu essen. Aber dies ist vielmehr eine Frage der Lebenskultur<br />

und nicht eine Frage auf Leben und Tod. Wir sind also weit übers Ziel hinausgeschossen.<br />

14


« DIE WAHRHEIT TRIUMPHIERT NIE;<br />

IHRE GEGNER STERBEN NUR AUS.»<br />

MAX PLANCK


Der Heidelberger Philosoph Hans-Georg Gadamer beschreibt Gesundheit als<br />

etwas, das im Verborgenen liegt. Etwas Selbstvergessenes, welches es uns<br />

ermöglicht, uns kraftvoll dem Leben zuzuwenden (Gadamer, H.-G.: über die<br />

Verborgenheit der Gesundheit, Suhrkamp. Frankfurt am Main, 1993). Wenn<br />

Gesundheits- und Präventionsprogramme aber darauf zielen, uns die Freude<br />

am Essen zu nehmen, Angst vorm Herzinfarkt zu vermitteln, uns den Waldspaziergang<br />

mit Zeckenängsten zu vermiesen, dann versetzen sie uns nicht in<br />

die Lage, uns dem Leben kraftvoll zuzuwenden. Im Gegenteil: Sie verschlechtern<br />

unser Wohlbefinden und damit unsere Gesundheit. Etwas weniger an<br />

die Gesundheit zu denken wäre tatsächlich gesünder.<br />

«Betriebliches Gesundheitsmanagement» liegt im Trend<br />

Die Omnipräsenz gesundheitlicher Empfehlungen erreicht auch die Unternehmen.<br />

Der Ruf, etwas für die Gesundheit der Mitarbeiter zu tun, wird<br />

heute auf allen Ebenen an die Geschäftsführung herangetragen. Es gilt als<br />

zeitgemäss und schick im betrieblichen Umfeld Gesundheitsprogramme an -<br />

zubieten. Bei der Wahl der geeigneten Massnahmen verlässt man sich auf<br />

etablierte Experten – aus verständlichen Gründen. Dennoch liegt man mit der<br />

Zielrichtung der Anstrengungen oft ausserhalb der gewünschten Resultate.<br />

Das ist unbefriedigend, denn ein effektives betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

wird in Zukunft immer wichtiger werden.<br />

Allein schon die demografische Entwicklung stellt Unternehmen vor die Notwendigkeit,<br />

sich dieser Thematik zu öffnen. Denn ob der baldige Mangel an<br />

jungen Nachwuchskräften allein durch Produktivitätszuwachs ausgeglichen<br />

werden kann, wird zwar heiss diskutiert, sich darauf zu verlassen er scheint<br />

jedoch riskant. Moderne Zivilisationen werden wahrscheinlich in Zukunft vermehrt<br />

auf ältere Arbeitnehmer zurückgreifen müssen, um die Produk tion<br />

sicher zu stellen. Doch wenn ältere Arbeitnehmer leistungsfähig und motiviert<br />

bleiben sollen, müssen ihnen auch gesunde Arbeitsbedingungen angeboten<br />

werden.<br />

Bevor man geeignete Massnahmen trifft, muss man erst nach deren Zielrichtung<br />

fragen. Welcher Gesundheitsbedarf steht bei heutigen Erwerbstäti-<br />

16


gen im Vordergrund? Auch in den Betrieben hat sich die Gesundheitssituation<br />

in den letzten Jahren stark geändert. Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs -<br />

erkrankungen dominieren zwar unsere Sterbestatistik, betroffen sind heute<br />

aber in erster Linie Menschen im Rentenalter. Ernste organische Krankheiten<br />

sind bei Erwerbstätigen seltener als früher. Auch die klassischen Arbeitsun -<br />

fälle sind im Rückzug, dafür treten andere Beschwerdebilder in den Vordergrund:<br />

Psychosoziale Diagnosen von Schlafstörungen bis hin zu depressiven<br />

Verstimmungen steigen an, meist in Kombination mit den gravierender wahr -<br />

genommenen diffusen Schmerzsyndromen.<br />

Die meisten Menschen im erwerbsfähigen Alter empfinden die Beeinträchtigungen<br />

der Gesundheit vor allem als Beeinträchtigung des Wohlbefindens,<br />

so wie es die WHO als Teil der Gesundheit beschrieben hat. Die heutigen<br />

Grün de für Arztbesuche bestehen denn auch schätzungsweise zu 80 Prozent<br />

aus Beschwerden, bei denen der Hausarzt keine organischen Ursachen<br />

diagnostizieren kann. Die Ursachen der vielfältigen Schmerzsymptome,<br />

Immunstörungen, Befindungsstörungen oder sonstigen Beeinträchtigungen<br />

des Wohl befindens bleiben auch nach umfänglicher Ausschlussdiagnostik wie<br />

La bor, Röntgen oder Ultraschallabklärung unklar. Obwohl wir also im Vergleich<br />

zu früheren Generationen eine deutlich bessere Krankheitsbekämpfung<br />

mit viel weniger Beeinträchtigungen unserer körperlichen Unversehrtheit<br />

vorweisen, wächst das subjektive Krankheitsempfinden im Sinne einer<br />

Störung des eigenen Wohlbefindens.<br />

Vielleicht keimt beim einen oder anderen nun der Gedanke, die Menschen<br />

sol len sich nicht so anstellen und sich ein bisschen mehr zusammenreissen.<br />

Dabei wird jedoch verkannt, dass der Anspruch an das Leben allgemein<br />

ein höherer geworden ist und die Menschen dementsprechend einen wirklichen<br />

Leidensdruck aufweisen. Da es sich kaum verhindern lässt, dass dies zu<br />

Fehlzeiten führt und – viel wichtiger – diesen Fehlzeiten Leistungsbeeinträchtigungen<br />

am Arbeitsplatz vorangehen, müssen sich moderne Unternehmen<br />

dieser Tatsache stellen.<br />

Bevor man also in Gesundheitsmanagement investiert, sollte zunächst<br />

die Frage beantwortet werden, welche Gesundheitsanstrengungen dieser<br />

17


« DIE MEISTEN BETRIEBLICHEN<br />

GESUNDHEITSPROGRAMME ZIELEN<br />

AUF KRANKHEITEN JENSEITS<br />

DES ERWERBSFÄHIGEN ALTERS.»


veränderten Situation gerecht werden. Taugen die klassischen Herz-Kreislauf-<br />

Schulungen oder Seminare für eine gesündere Ernährung, um eine messbare<br />

Verbesserung der Gesundheitssituation in den Unternehmen herzustellen? Ist<br />

es wirklich der richtige Ansatz, Menschen, die sich offensichtlich nicht wohlfühlen,<br />

über Gesundheitskampagnen noch zusätzlichen Ängsten aufgrund falschen<br />

Verhaltens und möglicher Krankheitsbedrohungen auszusetzen, oder<br />

muss hier ein ganz anderer Weg gewählt werden? Dieser Frage widmete sich<br />

ein UBS Health Forum des UBS Ausbildungszentrums <strong>Wolfsberg</strong>, für das der<br />

Autor dieses Skriptes die grosse Ehre hatte, ausgewiesene Experten einzuladen,<br />

um über Lösungsansätze zu diskutieren.<br />

Gesundes Unternehmen – Erfahrungen aus der Praxis<br />

Seit 2008 treffen sich in <strong>Wolfsberg</strong> regelmässig Experten aus verschiedenen<br />

Fachgebieten mit viel Erfahrung in Wissenschaft und Praxis. Einer von ihnen<br />

ist Dr. Franz Netta, Vice-President Human Resources im zentralen Personalwesen<br />

der Bertelsmann AG und verantwortlich für das umfangreiche Mitarbeiterbefragungsprogramm<br />

innerhalb des Konzerns. Diese Befragungen werden<br />

alle vier Jahre durchgeführt. 2002 waren beispielsweise 163 Firmen aus verschiedenen<br />

Kontinenten beteiligt. Netta stellte die Daten von zwei Befragungen<br />

aus dem Jahre 2002 mit 50 000 Teilnehmern und aus dem Jahre 2006 mit<br />

64 000 Teilnehmern vor. Ein besonderer Fokus dieser Befragung lag in der Ermittlung<br />

der Gesundheitssituation der Mitarbeiter, ganz besonders auch im<br />

Hinblick auf den demografischen Wandel. Grosse Konzerne müssen sich<br />

Gedanken machen, wie sie ältere Mitarbeiter auch über die bisherige Altersgrenze<br />

von 65 Jahren gesund und arbeitsfähig erhalten. Dies ist ein kompletter<br />

Salto rückwärts, denn noch vor wenigen Jahren haben die Unternehmen<br />

in Europa ihre älteren Mitarbeiter reihenweise und unter tatkräftiger Mithilfe<br />

des Staates in die Frühberentung geschickt. Netta interessierte sich vor<br />

allem für die Hauptfaktoren, welche die Gesundheit insbesondere bei älteren<br />

Arbeitnehmern beeinflussen. Ältere Mitarbeiter sind zwar nicht vermehrt<br />

krank – aber sie fallen im Erkrankungsfall deutlich länger aus als ihre jüngeren<br />

Kollegen.<br />

19


Verfolgt man öffentlich geführte Debatten über die richtigen Gesundheitsmassnahmen,<br />

dann fällt auf, dass jeder seine Argumente durch Studien untermauert<br />

à la «Avocado schützt vor Prostatakrebs». Doch dies heisst leider erst<br />

einmal überhaupt nichts. Es gibt erhebliche Qualitätsunterschiede in ebendiesen<br />

Studien und die allermeisten davon erlauben bei Weitem nicht die darauf<br />

gegründeten Empfehlungen. Ein weit verbreiteter Missstand, wodurch<br />

eine seriöse Gesundheitsdiskussion fast unmöglich wird. Wenn man nun versucht,<br />

sich einem so komplexen Thema wie der Gesunderhaltung am Arbeitsplatz<br />

statistisch zu nähern, ist es deshalb von Anfang an wichtig, Befragungen<br />

methodisch auf solide Füsse zu stellen. Nur so kann sichergestellt werden,<br />

dass die abgeleiteten Erkenntnisse und Massnahmen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit<br />

die gewünschten Resultate erzielen.<br />

Dr. Netta bekam vom 2009 verstorbenen Konzernchef Reinhard Mohn<br />

die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt, wodurch eine langfristige<br />

und gründliche Erhebung und Verarbeitung der Daten möglich war. Leider<br />

ist dies an heutigen Hochschulen immer seltener der Fall. Besonders die<br />

Menge der erhobenen Daten von Netta ist aussergewöhnlich hoch und im<br />

modernen Hochschulbereich aufgrund mangelnder Ressourcen kaum mehr<br />

möglich. Es lohnt sich deshalb, ein besonderes Augenmerk auf die Ergebnisse<br />

von Netta zu richten. Standen bisher bei betrieblichen Gesundheitsprogrammen<br />

Schulungen im Bereich des gesunden Lebensstils im Vordergrund, beispielsweise<br />

gesunde Ernährung oder Rückentrainings, sollte nach der Präsentation<br />

der Bertelsmann-Ergebnisse ein Umdenken stattfinden. Der Gesundheitszustand<br />

der Mitarbeiter wurde in den Befragungen von 2002 und 2006<br />

nämlich von ganz anderen Faktoren bestimmt: So beeinflusste den Gesundheitszustand<br />

zu einem Drittel, inwieweit der Mitarbeiter selbstbestimmt handeln<br />

und Verantwortung übernehmen konnte. Dies bedeutet auch, dass er im<br />

Rahmen seiner Position an Entscheidungsprozessen mitwirken durfte und somit<br />

das Gefühl hatte, dass seine Mitarbeit wichtig ist. Diese Autonomie in der<br />

eigenen Arbeit zeigte einen direkten Einfluss auf die Gesundheitseinschätzung<br />

und darüber hinaus einen indirekten Einfluss durch den grösseren Freiraum,<br />

die eigene Arbeitszeit eigenständig zu gestalten. Dies führt zu einer<br />

20


erhöhten Zufriedenheit mit der Arbeitszeitregelung und dies wiederum beeinflusst<br />

die Gesundheitseinschätzung ebenfalls stark. Dabei ist es selbstverständlich,<br />

dass Mitsprache und Autonomie jeweils aus der entsprechenden<br />

Mitarbeiterposition verstanden werden muss. Ein Mitarbeiter eines Callcenter<br />

versteht sehr wohl, dass er nicht die gleichen Freiheiten besitzt wie der<br />

Geschäftsführer. Aber umso empfindlicher und kritischer reagiert er, wenn<br />

Autonomie oder Mitsprache nicht einmal dort gewährt wird, wo dies ohne<br />

Probleme möglich wäre, wie bei der Planung von Urlaub oder Schicht arbeit.<br />

In der Studie von Dr. Netta war ein weiterer entscheidender Faktor, der<br />

die Gesundheitseinschätzung beeinflusst, die Frage nach Klarheit, nach Transparenz<br />

und subjektiver Arbeitsplatzsicherheit. Sowohl die Fragen von selbst -<br />

bestimmtem Handeln und Autonomie als auch die Frage nach Klarheit und<br />

subjektiver Arbeitsplatzsicherheit wurden aus Sicht der Mitarbeiter sehr stark<br />

von den jeweiligen Vorgesetzten bestimmt. Betrachtet man also die statis -<br />

tisch aussagekräftigen und sorgfältig ausgearbeiteten Zusammenhänge der<br />

zwei Bertelsmann-Befragungen, dann stellt bei der Gesundheitseinschätzung<br />

der Mitarbeiter der Vorgesetzte den Haupteinflussfaktor dar. Und das mit<br />

einer Klarheit, wie es in Studien, die andere Einflüsse auf der Gesundheitseinschätzung<br />

untersuchen, nur selten gelingt. Bezüglich der klassischen Ansätze<br />

wie Ernährungs- oder Bewegungsverhalten sind mir solche eindeutigen Er -<br />

gebnisse sogar gänzlich unbekannt.<br />

Gesundheit ist Chefsache<br />

Wenn man den Vorgesetzten in seiner Verantwortung für die Gesundheit der<br />

Mitarbeiter anspricht, darf man einen Fehler nicht begehen. Es wäre ein grosses<br />

Missverständnis nun die Rolle des Vorgesetzten als klassischen Gesundheitscoach<br />

zu definieren. Es ist wissenschaftlich nicht begründbar, von Führungskräften<br />

zu fordern, mit besonders gesundem Lebensstil als Vorbild zu<br />

agieren und sogar – wie es manche Übereifrige propagieren – den Lebensstil<br />

der Mitarbeiter zu kontrollieren. Sport als Stressausgleich und eine bekömmliche<br />

Ernährung sind sicherlich eine begrüssenswerte Massnahme im Rahmen<br />

von betrieblichem Gesundheitsmanagement. Den Chef aber in seiner Verant-<br />

21


wortung für die Gesundheit der Mitarbeiter als Vorkoster oder Vorturner<br />

einzuengen, wird kaum den gewünschten positiven Einfluss auf die Gesundheitssituation<br />

erzielen. Der Zusammenhang Führung und Mitarbeitergesundheit<br />

liegt woanders. Die Rolle des Vorgesetzten als Gesundheitsfaktor ist deshalb<br />

ganz besonders aus dessen Kernkompetenz abzuleiten und diese beinhaltet<br />

die Fähigkeit partnerschaftlich und motivierend zu führen.<br />

Auch an anderer Stelle der Mitarbeiterbefragung von Dr. Netta wird der<br />

starke Einfluss von Führungsqualitäten auf die Gesundheit der Mitarbeiter<br />

bestätigt. Haben Mitarbeiter das Gefühl, schlecht geführt zu werden und<br />

arbeitsmässig überlastet zu sein, ist die Gesundheitsbeeinträchtigung am<br />

stärksten ausgeprägt. Erhöht sich nur die Zufriedenheit mit der Arbeitsbelastung,<br />

verbessert sich die Gesundheitssituation nicht massgeblich. Verstärkt<br />

sich aber die Zufriedenheit mit dem Führungsstil trotz hoher Arbeitsbelastung,<br />

wird die Gesundheit der Mitarbeiter dennoch stark überproportional<br />

verbessert. Die Zahlen der Bertelsmann-Studie werden von anerkannten Wissenschaftlern<br />

in ihrem Ergebnis unterstützt. So konstatiert der finnische Ar -<br />

beitswissenschaftler, Prof. Johanni Ilmarinen, auf der Basis seiner zehnjährigen<br />

Forschungsarbeit: «Gutes Führungsverhalten und gute Arbeit von Vorgesetzten<br />

ist der einzige hochsignifikante Faktor, für den eine Verbesserung<br />

der Arbeitsfähigkeit zwischen dem 51. und dem 62. Lebensjahr nachgewiesen<br />

wurde.» Ilmarinen weist weiter darauf hin, dass unbefriedigende Anerkennung<br />

und Wertschätzung am Arbeitsplatz das Risiko der Arbeitsunfähigkeit<br />

auf das 2,4-fache erhöhe, andererseits aber eine 3,6-fach erhöhte Chance zur<br />

Verbesserung der Arbeitsfähigkeit liege. Für ältere Mitarbeiter ist ins besondere<br />

das Mass der Arbeitsautonomie gesundheitsrelevant – womit wir präzise<br />

bei der Zielsetzung eines modern funktionierenden, betrieblichen Ge -<br />

sundheitsmanagements gerade in dieser Zielgruppe wären.<br />

Eine Anmerkung: Die eben genannten Zahlen gelten für die Mehrheit<br />

der Mitarbeitenden, aber nicht für alle. Es gibt durchaus auch solche, die<br />

unter Versagensängsten leiden und Eigenverantwortung eher als Last empfinden.<br />

Diese zu erkennen und anders zu führen als ihre Kollegen, die selbstbestimmtes<br />

Handeln und Autonomie schätzen, ist sicher eine der schwierigs-<br />

22


ten Aufgaben von Vorgesetzten. Ein weiterer Zusammenhang im Rahmen der<br />

Autonomie muss ebenfalls beachtet werden. Er betrifft die vorhandene Fehlerkultur<br />

im Unternehmen. Möchte man Mitarbeitende zu selbstverantwortlichem<br />

Handeln motivieren, muss man erdulden, dass anfangs auch Fehler<br />

gemacht werden. Wird von vornherein bei Fehlern eine Nulltoleranz signalisiert,<br />

darf man sich nicht wundern, wenn aus der gewünschten Autonomie<br />

schnell ein Monkey-Business entsteht. Der Vorgesetzte bekommt vom Mitarbeiter<br />

die Aufgabe schlichtweg wieder auf seinen Schreibtisch oder in sein<br />

E-Mail-Konto zurückdelegiert.<br />

Was sagt die Medizin?<br />

Die Frage stellt sich nun nach dem medizinischen Erklärungsmodell. Weshalb<br />

beeinflussen Faktoren, die eigentlich nur die Psyche betreffen, wie Arbeitsplatzsicherheit<br />

oder Gestaltungsspielraum, so stark den gesamten Gesundheitszustand?<br />

Ein Erklärungsmodell hierfür präsentierte Prof. Joachim Fischer,<br />

Leiter des Mannheimer Instituts für Public Health der Universität Heidelberg:<br />

Der Schlüssel liegt in einem zeitgemässen Verständnis stressphysiologischer<br />

Zusammenhänge. Zum Beispiel besagt das sogenannte Allostase-Stressmodell<br />

stark vereinfacht, dass psychosoziale Belastungen eine primär gesunde biologische<br />

Anspassungsreaktion hervorrufen. Wir reagieren hier ähnlich wie der<br />

Steinzeitmensch: Sieht er einen Löwen, passt sich der Körper an durch An -<br />

spannung der Muskulatur, höheren Herzschlag oder auch Erhöhung der Blutgerinnung<br />

als Vorbereitung für eine mögliche Flucht oder einen Kampf.<br />

Ständige psychosoziale Belastungen können diese Anpassungsmechanismen<br />

ungünstig und medizinisch messbar verstellen. Sie führen auf Dauer auch zu<br />

biologischem Verschleiss. Fischer erläuterte aktuelle Modelle, wie dies zu erhöhtem<br />

Blutdruck, zu einer beschleunigten Arterienverkalkung und zu erhöhtem<br />

Blutzucker führen kann. Gerade hinsichtlich der Entwicklung chronischer<br />

Alterserkrankungen fokussiert die Forschung deshalb zunehmend auf die<br />

erhöhte Entzündungsbereitschaft durch chronisch anhaltenden Stress. Ein<br />

gestörter Schlafrhythmus ist ein wichtiges Frühwarnsignal für eine derart<br />

ungünstige Entwicklung.<br />

23


Die aktuelle Stressforschung konzentriert sich immer mehr auf den unter<br />

Dauerstress vernachlässigten Anteil unseres vegetativen Nervensystems, den<br />

sogenannten Parasympathikus. Das vegetative Nervensystem kann man als<br />

Be triebssystem unseres Körpers bezeichnen. Es funktioniert unbewusst und<br />

ist durch den Willen nicht steuerbar. Gleichzeitig bildet es aber das Fundament<br />

für alle bewussten Funktionen des zentralen Nervensystems, die wir<br />

dann mit unserem Willen ausführen – ähnlich dem Betriebssystem im Computer,<br />

welches erst alle Programme und Spiele ermöglicht. Man kennt zwei<br />

Anteile des vegetativen Nervensystems: den Stressbereich (Nervus Sympathikus)<br />

und den Ruhebereich (Nervus Parasympathikus). Erhöhter Dauerstress<br />

überführt nun den Sympathikus in eine Art Dauermobilmachung. Erschwerend<br />

kommt hinzu, dass Ruhereservate, wie sie noch vor wenigen Jahren von<br />

der Gesellschaft eingefordert wurden, heute komplett wegfallen. Dazu zählen<br />

arbeitsfreie Sonntage, der wöchentliche Gottesdienst, bis hin zu der früheren<br />

Übereinkunft, dass Störungen in der Mittagspause oder nach 18 Uhr als<br />

ungehörig galten. Der daueraktivierte Sympathikus kann dann selbst in Ru hephasen<br />

den Parasympathikus unterdrücken. So entsteht ein Zustand ständiger<br />

Aktivierung, selbst im Urlaub.<br />

24


« MUSSERESERVATE WIE FEIERABEND,<br />

SONNTAGSRUHE ODER GOTTESDIENST<br />

GELTEN ALS UNEFFEKTIV UND DAS<br />

HAT FOLGEN. IMMER MEHR MENSCHEN<br />

LEIDEN UNTER DEM GEFÜHL, DAS<br />

LEBEN RAUSCHE AN IHNEN VORBEI.»


Das Leben rauscht vorbei<br />

Die psychologische Folge ständiger Aktivierung ist eine fehlende emotionale<br />

Bindung zu den eigenen Tätigkeiten, die das allgemein verbreitete Lebens -<br />

gefühl verursacht: Das Leben rauscht vorbei und die Zeit vergeht immer<br />

schneller. Ein Leben voller Aktivitäten – aber dennoch fühlt es sich leer an.<br />

Eine Aussage, die ich sehr oft im Rahmen der Abschlussgespräche meiner Führungskräfte-Check-ups<br />

von den Teilnehmern höre. Kommt dazu eine Situa -<br />

tion ständiger unangenehmer Belastungen oder fehlender Wertschätzung<br />

am Arbeitsplatz, lassen sich sowohl die ungünstigen gesundheitlichen Daten<br />

der anwesenden Mitarbeiter als auch die Fehlzeiten mit ihren psychosozialen<br />

Diagnosen und Befindlichkeitsstörungen erklären. Somit lassen sich die Er -<br />

gebnisse der Studie von Dr. Netta naturwissenschaftlich über ein modernes<br />

Verständnis stressphysiologischer Zusammenhänge erklären.<br />

Proof of concept<br />

Im Umkehrschluss sollte es nun möglich sein, durch verbesserte Führungskompetenz<br />

Fehlzeiten zu senken und das Gesundheitsbefinden der Anwesenden<br />

zu steigern. Genau dies konnten zwei Referenten des im Jahre 2008 in<br />

<strong>Wolfsberg</strong> stattfindenden Forums anhand ihrer Arbeit belegen. Dr. Dorothea<br />

Benz, Diplom-Psychologin und Sozialpädagogin, zeigte in beeindruckender<br />

Weise, wie in einem Daimler-Werk mit 6000 Mitarbeitern ein so verstandenes<br />

betriebliches Gesundheitsmanagement ebendiese Wirkung hervorrufen<br />

konnte. Benz betonte, dass dabei ausdrücklich eine Personalentwicklung im<br />

Sinne einer verbesserten Führungskompetenz integriert und zentral fokussiert<br />

wurde. Ein solches Gesundheitsmanagement führt allerdings nicht<br />

sofort, wohl aber nach einem Jahr zu niedrigeren Fehlraten im Branchenvergleich<br />

und zu einer verbesserten Leistung der Anwesenden. Man kann gar<br />

nicht genug betonen, wie wichtig hierbei der Perspektivenwechsel ist. Es<br />

kommt auf Gesundheits- statt auf Fehlzeitenmanagement an. Eine gängige<br />

Strategie der Unternehmen ist es, mit kranken Mitarbeitenden nach der<br />

Genesung sogenannte Rückführgespräche abzuhalten, bei denen der Abteilungsleiter<br />

die Gründe der Erkrankung erfragt. Den Fehlzeiten mit Rückführ-<br />

26


« WENN MENSCHEN IN IHRER<br />

ARBEIT KEINEN SINN ERKENNEN,<br />

WERDEN SIE KRANK.»


gesprächen zu begegnen, die oft sogar Drohcharakter besitzen, ist nachweisbar<br />

nutzlos und zeugt nur von der Unkenntnis der Verantwortlichen. Fokussiert<br />

werden muss die Verbesserung der Arbeitsplatzsituation der anwesenden<br />

Mitarbeiter. Die Reduktion der Fehlzeiten ist dann ein Nebenprodukt eines<br />

verbesserten betrieblichen Miteinanders.<br />

Auch Dr. Martin Thul, stellvertretender wissenschaftlicher Leiter des Instituts<br />

für Technologie und Arbeit an der TU Kaiserslautern, stellte seine Erfahrungen<br />

bei der Durchführung betrieblichen Gesundheitsmanagements vor.<br />

Wie Benz unterstreicht auch er die Bedeutung der Führungsspitze, die voll<br />

und ganz integriert sein muss. Nur dann kann eine Verbesserung der Unternehmenskultur<br />

auch auf anderen Ebenen erreicht werden. Als Folge davon<br />

auch hier: weniger Fehlzeiten im Branchenvergleich und eine gesundheitliche<br />

Verbesserung der Anwesenden. Nach Thuls Erfahrung ist die Verbesserung<br />

der betrieblichen Gesundheit nur dann möglich, wenn Nachhaltigkeit<br />

als zentrales Handlungsprinzip der Unternehmensführung verstanden wird;<br />

in Zeiten sehr kurzfristiger Unternehmensziele und Bewertungen eine problematische<br />

Aussage. Doch spüren Mitarbeiter sehr wohl, wenn aufgrund kurzer<br />

Strohfeuer das Tafelsilber verschleudert wird. Bei fehlender Transparenz<br />

wird dies als umso schlimmer empfunden. Dies deckt sich mit dem aktuellen<br />

Forschungsstand zum Thema Mitarbeiterorientierung. Die Menschen wollen<br />

durch ihre Arbeit drei Grundbedürfnisse erfüllt sehen: erstens ausreichende<br />

Vergütung und Sicherheit, zweitens sinnstiftende Arbeit, die persönliche<br />

Weiterentwicklung ermöglicht, und drittens eine Umgebung, die unterstützende<br />

soziale Beziehungen bietet. Mitarbeiter wollen also im Team durch<br />

solide Arbeit sinnvolle Ziele erreichen können und genau das macht gesund.<br />

Auch hier zeigt sich, dass Gesundheitsdaten ganz allgemeinen Grundsätzen<br />

kompetenter Führung folgen und diese sind immer auf Nachhaltigkeit ausgelegt.<br />

Dass in der Not auch kurzfristig gedacht werden muss, widerspricht dem<br />

keineswegs. Denn gerade in der Not zeigt sich die Belastbarkeit solider Vorarbeit.<br />

28


Soft issues – hard benefits<br />

Wenn also eine Führungskultur, die sowohl Transparenz und Sicherheit ausstrahlt<br />

als auch zu selbstständigem Handeln motiviert, zu niedrigeren Fehlzeiten<br />

führt und gleichzeitig die Gesundheitssituation der Anwesenden verbessert,<br />

stellt sich die Frage, ob es sich hier tatsächlich um ein weiches Thema<br />

handelt. Es wäre doch nicht verwunderlich, wenn dadurch auch das Betriebsergebnis<br />

positiv beeinflusst würde. Genau dies bestätigen die Bertelsmann-<br />

Zahlen. Wenn in einer Firma ein partnerschaftlicher Führungsstil besteht,<br />

steigt die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen deutlich und<br />

damit sind zwei Effekte verbunden: Eine Verbesserung der Gesundheitssituation<br />

und die Verbesserung des Betriebsergebnisses. Wir betrachten demnach<br />

die zwei Seiten der gleichen Medaille. Genau die gleichen Faktoren, die im<br />

Rahmen der Führung zu leistungsfähigeren, motivierteren Mitarbeitern und<br />

deshalb zu besseren Betriebsergebnissen führen, haben auch eine verbesserte<br />

Gesundheit der Anwesenden und niedrigere Fehlraten zur Folge. Glaubwürdige<br />

Ansätze zur gesundheitlichen Verbesserung der Mitarbeiter können<br />

deshalb nur dann funktionieren, wenn sie die Messung, Erfassung und Schulung<br />

dieser Führungskompetenz integriert. Gesundheit ist somit als eine strategische<br />

Aufgabe der Unternehmensführung zu betrachten. Wird sie lediglich<br />

an den Betriebsarzt delegiert, um eine Rückenschule ins Leben zu rufen,<br />

wird man nur sehr wenig erreichen.<br />

Zu den selben Erkenntnissen kommt Bernhard Badura, Professor für<br />

Soziologie an der Universität Essen, anhand seiner langjährigen Forschungsarbeiten.<br />

Badura, einer der renommiertesten Gesundheitswissenschaftler<br />

Europas, postuliert, dass neben den Arbeitsbedingungen und dem Humanvermögen<br />

das Sozialkapital als wichtiger Treiber von Gesundheit und Unternehmenserfolg<br />

agiert. Menschengerechte Kooperation, basierend auf Vertrauen,<br />

Wertschätzung, gemeinsamer Überzeugung, Werten und Regeln hängen<br />

in erheblichem Masse ab – und das belegen die Forschungsergebnisse von<br />

Badura eindeutig – von der Qualität der Mitarbeiterbeziehungen. Die zentralen<br />

Hebel identifiziert Badura als Förderung der sozialen Kompetenz auf<br />

Seiten der Mitarbeiter sowie die Förderung mitarbeiterorientierten Führungs-<br />

29


verhaltens. In der Praxis bestehen auf beiden Feldern oft gravierende Defizite<br />

mit hohen Risiken für den Unternehmenserfolg. Man kann Menschen wohl<br />

zur Zusammenarbeit zwingen. Wenn soziale Inkompetenz und Misstrauen<br />

vorherrschen, wird die Zusammenarbeit wohl auf Dauer funktionieren – doch<br />

begleitet von suboptimalen Erkenntnissen, hohen Kontroll- und Entscheidungs<br />

kosten und auf Kosten von Wohlbefinden und Gesundheit der Mitarbeiter.<br />

Unternehmen, die diese Erkenntnisse missachten und auf die Pflege<br />

einer mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur verzichten, riskieren langfristig<br />

dramatische Imageeinbussen, den Verlust der inneren Bindung sowie<br />

den Verlust der Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Ein Unternehmensstil, der dies<br />

verhindert und ein gutes Sozialkapital aufbaut, hat hingegen langfristige<br />

Vor teile im Wettbewerb. Badura fordert deshalb folgerichtig die Integration<br />

gesundheitlicher Kennziffern in die Unternehmensberichterstattung.<br />

If you can’t measure it …<br />

Objektive Messwerte, die dazu dienen, gesundheitsorientierte Unternehmensführung<br />

handhabbar zu machen, stehen ganz oben auf der Wunschliste<br />

derjenigen, die positive Veränderungen wünschen. Schliesslich gilt noch<br />

immer: «If you can’t measure it, you can’t manage it.» Kennziffern sind je -<br />

doch stets von Natur aus eine problematische Sache.<br />

So können statistisch ermittelte Daten von sich aus zwar wichtige Hinweise<br />

geben, aber nie einen Beweis für eine Annahme erbringen. Auf diese heute<br />

oft verkannte mathematische Tatsache haben schon die Gründer der statistischen<br />

Wahrscheinlichkeitsrechnung in den 30er Jahren hingewiesen. Wenn<br />

man seine Entscheidungen ganz alleine auf Zahlen begründet, läuft man<br />

Gefahr, an der Wirklichkeit vorbei zu handeln. Deshalb muss immer die Erfahrung<br />

in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden. So kann es im<br />

besonders begründeten Fall sogar besser sein, dass die Erfahrung eine Entscheidung<br />

trifft entgegen statistischer Erkenntnisse. Man sollte also ab und<br />

zu auf alte Hasen hören.<br />

Kennziffern bedeuten auch immer Macht, und wird diese falsch eingesetzt,<br />

können sie sogar kontraproduktiv wirken. Denn sie wecken Begehrlich-<br />

30


keiten. Es ist im Gesundheitsmarkt gang und gäbe, dass Interessengruppen<br />

mit aller Macht darauf drängen, Kennziffern zu implementieren, die den Verkauf<br />

eigener Produkte fördern. Manchmal leider entgegen medizinischer<br />

Sinn haftigkeit. So ist es zum Beispiel gelungen, den Cholesterinwert oder das<br />

Körpergewicht anhand des sogenannten Body-Mass-Index als wesentliche<br />

Gesundheitskennziffer zu platzieren. Liegt man über den entsprechenden<br />

Normwerten, werden Medikamente verordnet oder bei Lebensversicherungen<br />

höhere Prämien verlangt. Eine fachgerechte Auswertung der Daten lässt<br />

diesen veralteten Schluss jedoch schon lange nicht mehr zu. Weder sind ein<br />

hoher Cholesterinspiegel noch Übergewicht grundsätzlich für alle Menschen<br />

wichtige Gesundheitsprädiktoren. Seltene extreme Ausschläge in die eine<br />

oder andere Richtung sind davon natürlich nicht betroffen. Rein statis tisch<br />

betrachtet leben Menschen mit Übergewicht sogar länger als schlanke. Das<br />

bedeutet nun nicht, dass Schlanke versuchen sollen, dick zu werden. Es zeigt<br />

vielmehr, wie individuell man die Thematik betrachten muss und wie wenig<br />

hilfreich pauschale Einstufungen sind, die sich bei genauerem Hinsehen als<br />

geschickte Marktstrategien zum Verkauf von Diätartikeln & Co. entpuppen.<br />

Man schätzt den Umsatz auf dem Diätmarkt inzwischen höher ein als den mit<br />

Rüstungsgütern, und allein dies erklärt Heftigkeit und Druck der Einflussnahme.<br />

Nach meiner 20-jährigen Erfahrung im deutschen Gesundheitswesen<br />

kann ich mir vorstellen, dass Interessengruppen das betriebliche Gesundheitsmanagement<br />

als neuen Vertriebsweg entdecken und versuchen werden massiv<br />

Einfluss auszuüben. Leider geschieht dies nicht selten sogar vom universitären<br />

Umfeld ausgehend. Hier müssen Unternehmen aufpassen, um nicht<br />

in diesen Sog zu geraten. Leider tun sich Krankenkassen und Politik noch sehr<br />

schwer damit, auf klare Nachweise vieler Kennziffern zu bestehen. Unternehmen<br />

können sich diesen Luxus nicht leisten: Sie müssen wesentlich ergebnisorientierter<br />

sein und deshalb einen eigenen, höheren Qualitäts anspruch anmelden.<br />

Im Fall von modernen Stressmessungen liegen Nutzennachweise vor und<br />

hier könnte ein erster Ansatz zum Aufbau eines Kennziffernsystems liegen.<br />

Zu fordern wäre eine seriöse, interdisziplinäre Institution, die eine Kernkom-<br />

31


petenz in diesem Gebiet aufbaut. Eine Kompetenz, die bestehende Verfahren<br />

und Studien sichtet, evaluiert und in ihrem wirklichen Nutzen für ein betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement wertet. Eine solche Institution sollte so ausgestattet<br />

sein, dass sie nicht auf finanzielle Zuwendungen von Hersteller seite<br />

angewiesen ist. Eine Situation, wie sie im gesundheitlichen Bereich nur noch<br />

selten zu finden ist – ein weiterer Grund, sich nur bedingt auf deren Empfehlungen<br />

zu verlassen. Wie ein modernes Instrument mit aussagekräftigen Kennziffern<br />

aussehen könnte, zeigte Prof. Fischer mit dem Gesundheitsmo nitor.<br />

Moderne stressphysiologische Instrumente, so beispielsweise sorgfältig ausgesuchte<br />

Laborparameter und technische Messungen wie die Herzfrequenzvariabilität,<br />

im Zusammenspiel mit seriös evaluierten Fragebögen sind richtungsweisend.<br />

Allein Kennziffern garantieren noch keine Glaubwürdigkeit. Sie sind<br />

zwar zur Steuerung moderner Unternehmen unabdingbar. Es liegt aber auch<br />

im Wesen von Sozialkapital, dass man eine Verbesserung der Führungskultur<br />

nicht nachhaltig umsetzen kann, wenn man nur auf dem Papier besser ab -<br />

schneiden möchte. Eine grundsätzliche Affinität und Überzeugung sollte deshalb<br />

im Vorfeld geschaffen werden. Ich habe oft erlebt, was passiert, wenn<br />

hinter betrieblichen Gesundheitsangeboten keine ehrliche Haltung der Führung<br />

steht. Sport-, Entspannungs- oder Ernährungsveranstaltungen werden<br />

dann von den Mitarbeitern als Feigenblatt eingestuft oder sogar als zynisch<br />

empfunden. Gerade beim Thema Gesundheit spüren die Menschen sehr<br />

schnell, ob es sich um Fassade oder echtes Interesse handelt.<br />

Der Fisch stinkt …<br />

… vom Kopf her. Eine zugegebenermassen etwas saloppe Beschreibung einer<br />

häufig gemachten Erfahrung. Und tatsächlich eine weitere Beobachtung, die<br />

Dr. Netta aufgrund der Bertelsmann-Zahlen vorstellen konnte. Das Führungsverhalten<br />

eines Vorgesetzten wirkte doppelt, sowohl direkt auf die eigenen<br />

Mitarbeiter und indirekt durch Prägung des Verhaltens des nachgeordneten<br />

Vorgesetzten. Die Auswertung der Mitarbeiterbefragung von Tausenden von<br />

Führungskräften zeigte: A-Vorgesetzte haben A-Untervorgesetzte, B-Vor ge-<br />

32


setzte haben B-Untervorgesetzte und C-Vorgesetzte haben C-Untervor gesetzte.<br />

Deshalb lohnt es sich aus mehreren Gründen die Kultur des Mit einanders<br />

und die entsprechende Gesundheitssituation der Leistungsträger in<br />

Führungspositionen näher anzuschauen. Dies geschah an anderer Stelle durch<br />

die sogenannte «Shape-Studie», einer umfangreichen Befragung von mehr<br />

als 500 Führungskräften, wobei verschiedenste Parameter zu Führung und<br />

Gesundheit ermittelt wurden.<br />

Zusammen mit Dr. Walter Kromm, Allgemeinarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

des Mannheimer Instituts für Public Health, konnten wir erste Ergebnisse<br />

dieser Untersuchung präsentieren. Die Erhebung war nicht repräsentativ,<br />

sodass die statistische Aussagekraft nicht mit der Bertelsmann- Studie vergleichbar<br />

ist. Erhebungen dieser Art können jedoch wichtige Hinweise für<br />

Thesen und Weiterentwicklung der Thematik liefern. So zeigen zum Beispiel<br />

unsere Daten, dass sich der klassische Mythos des frühzeitigen Herzinfarkts<br />

als typische Managererkrankung nicht bestätigt. Im Gegenteil: Führungskräfte<br />

sind organisch gesünder als Vergleichspopulationen. Man könnte als eine<br />

Erklärungsoption einwerfen, dass Führungskräfte per se gesünder sind und<br />

die Karriereleiter nur dann erklimmen können, wenn sie körperlich fit sind.<br />

Wir glauben aber, dass unsere Daten auf etwas anderes hinweisen. Hoher<br />

Arbeitsdruck und Belastung sind für sich allein gesehen keine Gefahr für die<br />

Gesundheit.<br />

«Nix gschwätzt isch gnuag globt.»*<br />

Es gibt jedoch Ausnahmen, die dann mit einer besonders schlechten orga -<br />

nischen wie auch psychosozialen Gesundheit auffallen. Erstaunlicherweise<br />

liessen sich fast alle Studienteilnehmer mit schlechten gesundheitlichen Daten<br />

mit der Antwort auf eine einzige Frage identifizieren: «Obwohl ich mein<br />

Bestes gebe, wird meine Arbeit nicht gewürdigt.» Teilnehmer, die diese Frage<br />

mit «nie» bis «selten» beantworteten, unterschieden sich nicht gravierend in<br />

Schlafqualität, Befindlichkeitsstörungen und gesundheitlicher Einschätzung.<br />

Wurde die Frage jedoch mit «sehr selten» beantwortet, fielen Schlafqualität<br />

sowie körperliche und mentale Gesundheit rapide ab. Auch bestätigten die<br />

33<br />

* Aus dem Schwäbischen und bedeutet: «Nix gesagt ist Lob genug.»


Daten ein bereits bestehendes Modell, in dem postuliert wird, dass hohe<br />

Arbeitsanforderungen keine hohe Gesundheitsbelastung bedeuten, wenn<br />

gleichzeitig eine gute soziale Unterstützung und Kontrolle über die eigene<br />

Arbeitssituation besteht. Auch unsere Daten zeigten, dass sich erst bei fehlender<br />

sozialer Unterstützung und Kontrolle eine hohe Arbeitsbelastung negativ<br />

auf die Gesundheit auswirkt. Die Einschätzung, inwieweit Führungskräfte<br />

gesund sind, definiert sich also vor allen Dingen über die vorhandenen Ressourcen,<br />

die Führungskräfte vorab für die Bewältigung ihrer Aufgabe dann<br />

auch zur Verfügung gestellt werden. Eine dieser Ressourcen ist Anerkennung<br />

und Wertschätzung. Eine zweite Ressource stellt die Möglichkeit dar, die<br />

eigene Arbeitsplatzsituation einigermassen zu überschauen und einschätzen<br />

zu können. Fehlen diese zwei Parameter, leidet zuerst der Schlaf, dann die<br />

körperliche Befindlichkeit bis hin zur Ausprägung von späteren körperlichen<br />

Erkrankungen.<br />

Die Gruppe der weiblichen Führungskräfte schnitt in unserer Studie<br />

gesundheitlich erstaunlich schlecht ab. Deshalb konsultierten wir Dr. Gudrun<br />

Sander, Vizedirektorin an der Executive School of Management Technology<br />

and Law an der Universität St.Gallen, eine erfahrene Forscherin auf dem<br />

Gebiet des Gender and Diversity Managements. Nach Einschätzung von Sander<br />

besteht ein Haupteinflussfaktor bezüglich der gesundheitlichen Situation<br />

von weiblichen Führungskräften darin, dass diese meist in der Minderheit<br />

sind; im Fachjargon als Token-Phänomen bezeichnet. In Unternehmen, in denen<br />

der Anteil an weiblichen Führungskräften über 30 Prozent liegt, treten<br />

die Unterschiede in der gesundheitlichen Gesamtbeurteilung zwischen Männern<br />

und Frauen nicht mehr zutage. Eine mögliche medizinische Erklärung<br />

liegt auch hier wieder im stressphysiologischen Bereich. In der Minderheit<br />

fühlt man sich stets mehr unter Beobachtung und dem Drang ausgesetzt, besonders<br />

viel leisten zu müssen. Man kann schlechter abschalten und setzt so<br />

sein Stress system einer höheren Belastung aus.<br />

Eine wichtige Schlussfolgerung dieser Erkenntnisse ist, dass das Miteinander<br />

von Führungskräften gegenseitige Unterstützung und Anerkennung ausdrücklich<br />

integrieren sollte. Dies schafft die Ressourcen, mit denen man eine<br />

34


« DIE QUALITÄT DES MITEINANDERS<br />

INNERHALB DES FÜHRUNGSKADERS<br />

IST DER LACKMUSTEST FÜR DIE<br />

GESAMTE UNTERNEHMENSKULTUR.»


hohe Arbeitsbelastung am besten gesundheitlich verkraftet. Wird der Kampf<br />

um Positionen und Einfluss in einem Klima ausgetragen, welches Anerkennung<br />

und Wertschätzung ausschliesst, wird die hohe Arbeitsbelastung von<br />

Führungskräften auch zur gesundheitlichen Belastung. Auch hier schliesst sich<br />

ein weiterer Kreis: Wir reden erneut über dieselben Führungsqualitäten und<br />

Qualitäten des beruflichen Miteinanders, welche wiederum bei den Mitarbeitern<br />

Motivation, Leistungsbereitschaft und damit Gesundheit beeinflussen.<br />

Die Qualität des Miteinanders innerhalb der Führungsmannschaft ist somit<br />

ein Lackmustest für die gesamte Unternehmenskultur und sollte deshalb<br />

nicht am Ende, sondern am Anfang eines gesundheitlichen Veränderungsprozesses<br />

stehen.<br />

Bedeutung für die Gesellschaft<br />

Fassen wir an dieser Stelle zusammen. Welche Führungsqualitäten fördern<br />

konsequent Güte und Qualität des vorhandenen Sozialkapitals und damit<br />

einen der wesentlichen Faktoren für den gesamten Unternehmenserfolg? Es<br />

sind dies:<br />

• Ein Führungsverhalten, welches den Mitarbeiter als Individuum begreift<br />

und ihm genau das Mass an Autonomie zugesteht, welches für ihn motivierend<br />

und leistungsfördernd ist.<br />

• Eine Führung, die Unternehmensziele transparent darstellt und Erfolg<br />

nicht als kurzes Strohfeuer, sondern als nachhaltiges Unternehmensziel den<br />

Mitarbeitern vermittelt.<br />

• Eine Führung, die gute Leistung auch thematisiert und an geeigneter<br />

Stelle wertschätzt und die ausdrücklich die soziale Unterstützung der Mitarbeiter<br />

aber auch des sozialen Umfelds fördert.<br />

Quasi als Nebenprodukt verbessern sich alle Daten, die im Bereich der<br />

Gesundheit erfasst werden können. Dies betrifft sowohl die Fehlzeiten als<br />

auch die gesundheitliche Qualität der anwesenden Mitarbeiter. Naturwissenschaftlich<br />

erklärbar ist dies über die Gesetzmässigkeiten unseres vegetativen<br />

Nervensystems, welches in einem ausgewogenen Verhältnis von Spannung<br />

und Entspannung, «fordern und fördern», am besten funktioniert – sowohl<br />

36


körperlich in Form von gesundheitlicher Stabilität als auch mental in Form<br />

von Kreativität und Motivation. Die Beeinträchtigung der Lebensqualität<br />

durch Befindlichkeitsstörungen wie Schlafstörungen, Schmerzsyndrome, In -<br />

fektanfälligkeit bis hin zu depressiven Verstimmungen wird messbar ge senkt<br />

und genau dies hat bedeutende Folgen weit über das Unternehmen hinaus.<br />

So dürften sich Arztbesuche deutlich vermindern. Nach Schätzungen erfolgen<br />

über 80 Prozent der Termine in einer allgemeinmedizinischen Praxis aufgrund<br />

von ebensolchen Befindlichkeitsstörungen. Da ein Arzt in seiner Verantwortung<br />

bei Beschwerden wie zum Beispiel Herzrhythmusstörungen<br />

immer ernste Erkrankungen ausschliessen muss, geht bei obgenannten Beschwerdebildern<br />

häufig eine teure Ausschlussdiagnostik einher: Labor, Computertomografie<br />

und weitere Facharztuntersuchungen. Fallen diese Arzt -<br />

besuche weg, hätte dies eine bedeutende Entlastung des Gesundheitssystems<br />

zur Folge.<br />

Ein weiterer Punkt ist von erhöhtem gesellschaftlichem Interesse: Die beschriebenen<br />

Befindlichkeitsstörungen und psychischen Belastungen ma chen<br />

nicht halt vor der Wohnungstür. Unnötiger Ärger am Arbeitsplatz belas tet<br />

das Klima in Familie und Beziehung.<br />

Eine Verbesserung der Führungsqualität hat somit nicht nur eine leistungs<br />

fähigere und gesündere Unternehmung zur Folge, sondern auch eine<br />

spürbarere Entlastung des Gesundheitssystems, welches sich dann wieder<br />

vermehrt seinen eigentlichen Kernkompetenzen, nämlich der Erkennung und<br />

Heilung von organischen Krankheiten, widmen kann. Darüber hinaus stellt<br />

eine so verstandene gesundheitsfördernde Unternehmensführung einen bedeutenden<br />

stabilisierenden Faktor für Familie und Gesellschaft dar.<br />

Der Paradigmenwechsel<br />

So wie sich der Gesundheitsanspruch in den Jahrhunderten gewandelt hat, so<br />

wandelt sich auch die Bedeutung von Gesundheit für die Unternehmen.<br />

Gesundheit beschränkt sich nicht nur auf Krankheitsfehlraten, sondern fokussiert<br />

ganz zentral auf die gesundheitliche Qualität der Anwesenden. Ein<br />

modernes Gesundheitsmanagement macht Befindlichkeit und Motivations-<br />

37


« MITARBEITERGESUNDHEIT UND<br />

BETRIEBSERGEBNIS SIND DIE<br />

ZWEI SEITEN DERSELBEN MEDAILLE<br />

UND DIESE HEISST<br />

FÜHRUNGSKOMPETENZ.»


lage messbar und identifiziert Stellschrauben zur Verbesserung. Damit unmittelbar<br />

im Zusammenhang steht die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter. Aus<br />

diesem Grund ist ein modernes Gesundheitsmanagement ein wichtiger Be -<br />

standteil für den zukünftigen Betriebserfolg. Der Ansatz moderner Gesundheitsförderung<br />

muss sich jedoch drastisch än dern, wenn die Gesundheitsförderung<br />

denn zum Unternehmenserfolg bei tragen soll. Seit 50 Jahren versucht<br />

man zu einem Verhalten zu erziehen, welches auf Vermeidung gesundheitlicher<br />

Risiken zielt. Dies würde zu einer Verringerung der massiv ansteigenden<br />

Zivilisationserkrankungen führen. Damit richten sich diese Anstrengungen<br />

gegen Krankheiten, die erst im hohen Alter vermehrt auftreten, und nicht<br />

gegen die gesundheitlichen Probleme der Erwerbstätigen. Darüber hinaus<br />

sind die Ergebnisse von Gesundheitsprogrammen, die auf die Vermeidung<br />

gesundheitlicher Risiken zielen, extrem spekulativ. Hohe Raten von Herzkrankheiten<br />

oder Altersdiabetes sind in erster Linie der steigenden Lebenserwartung<br />

zuzuschreiben und nicht einem angeblich ungesunden Lebensstil.<br />

Neue Daten belegen zudem, dass häufig zu beobachtende Auswüchse dieser<br />

Panikmache selbst zur Gesundheitsgefahr werden.<br />

Nach der heutigen Erkenntnislage darf wirksame Gesundheitsförderung<br />

nicht mehr risikozentriert, sondern ressourcenorientiert verstanden werden.<br />

Viel Erfolg versprechender sind Ansätze, die auf einer Verbesserung gesundheitsfördernder<br />

Ressourcen aufbauen. Dazu gehören: Freiräume zu selbstbestimmtem<br />

Handeln, angemessene Wertschätzung und Unterstützung, Klarheit<br />

und Transparenz. Solche Ressourcen betreffen für die meisten Menschen<br />

das Arbeitsleben. Und dort entscheidet ganz massgeblich die Führungskultur,<br />

ob man auf ebendiese Faktoren trifft oder nicht. Gesundheit ist Chefsache.<br />

Die Gefahr besteht, dass bei selektiver Leseart eine gesundheitsfördernde<br />

Unternehmensführung als eine zu laxe, zu gefällige Mitarbeiterführung<br />

missverstanden wird. Im Sinne von nicht ernstzunehmenden Soft Skills, eines<br />

«nice-to-have», während die Musik auf anderen Gebieten spielte wie Wettbewerb,<br />

Druck, Härte und 100%-ige Leistungsbereitschaft rund um die Uhr.<br />

Der eine oder andere findet es vielleicht übertrieben, dass Führung nun auch<br />

noch für die diversen Zipperlein der Mitarbeiter Verantwortung übernehmen<br />

39


muss. Doch gerade ein Führungsverständnis, welches sich auf harte Zahlen<br />

beruft, sollte sich um so mehr dieser Thematik zuwenden. Denn wir reden<br />

über Zusammenhänge, die vor allem ein besseres Betriebsergebnis nach sich<br />

ziehen und quasi nebenbei die Gesundheit verbessern. Doch gehen solche<br />

Begrifflichkeiten letztlich am Kern vorbei. Es geht in Zeiten von Quartalszahlen,<br />

Ratings und rasanten Zyklen viel mehr um eine Renaissance klassischer,<br />

traditioneller Führungstugenden. Und diese beruhen in erster Linie auf einer<br />

inneren Haltung und nicht auf Berechnung.<br />

Im Falle wirksamer Gesundheitsförderung kommen dennoch alle auf ihre<br />

Kosten. Ökonomie und Ethik gehen Hand in Hand. Eine gesundheitsorien -<br />

tierte Unternehmensführung verbessert beides. Auf Neudeutsch nennt man<br />

so etwas eine Win-win-Situation. Was spricht dagegen?<br />

Literatur<br />

– Walter Kromm, Gunter Frank:<br />

Unternehmensressource Gesundheit: Weshalb die Folgen schlechter Führung<br />

kein Arzt heilen kann. Symposion 2009<br />

– Gunter Frank, Maja Storch:<br />

Die Mañana-Kompetenz: Entspannung als Schlüssel zum Erfolg. Piper 2010<br />

– Gunter Frank:<br />

Gesundheitscheck für Führungskräfte: Ihr persönlicher Weg zu mehr<br />

Leistungsfähigkeit jenseits aller Moden. Campus 2001<br />

– Gunter Frank:<br />

Lizenz zum Essen: Stressfrei essen, Gewichtssorgen vergessen. Piper 2008<br />

– Udo Pollmer, Susanne Warmuth, Gunter Frank:<br />

Lexikon der Fitness-Irrtümer. Eichborn 2003<br />

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