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Bielefelder Philharmoniker Spielzeit 2015/16

Bielefelder Philharmoniker Spielzeitheft 2015/16

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Gedankenwelt<br />

Gedankenwelt<br />

Hört!<br />

Träumt!<br />

Fantasiert!<br />

E<br />

in Ort der Fantastik: Die <strong>Bielefelder</strong> Rudolf-Oetker-<br />

Halle lädt ein zum Träumen, entfesselt Fantasie<br />

und entführt die Menschen in verklärende, supranaturalistische<br />

Sphären. Nun sind es nicht das visuelle<br />

Ausufern der neoklassizistischen Elemente<br />

oder die den einfachen Bürger einschüchternde<br />

expressionistische Einladung der prächtigen Fassade,<br />

die uns das Hier und Jetzt vergessen machen,<br />

sondern vielmehr generieren sich diese willkommenen<br />

Zustände aus den Klängen und Tönen, welche<br />

im Innern dieses Ortes bisweilen die Ohren ihrer<br />

Besucher verführen und versuchen. Im Kontrast zu<br />

diesem ehrfurchtgebietenden Monolithen eröffnen<br />

die Philharmonischen Konzerte mit ihren zeitenübergreifenden<br />

Werken – geprägt von den Träumen,<br />

Wünschen, Philosophien und Fantasien ihrer<br />

Schöpfer – eine zweite, nein eine ganz ferne,<br />

andere Welt, die sich der in Stein gemeißelten<br />

Realität versagt.<br />

12 13<br />

Gedanken zur Fantastik<br />

des Wahrnehmens<br />

von Daniel Westen<br />

Wie fantastisch<br />

ist der Kosmos<br />

der Musik!<br />

Die äußere Gestalt aufgebend, transportiert die<br />

Musik das Magische: Der Ort wird zum Unort. Mit<br />

den ersten Klängen, die vom Konzertpodium ertönen,<br />

löst sich der Saal aus seiner Objektivität, die<br />

Materialität schwindet aus Perspektive des Hörers<br />

und der Raum füllt sich mit dessen Fantasien. Genau<br />

jene Fantastik bestimmt das Wesen der Musik,<br />

die ohne ihre Interpreten und Hörer nichts weiter<br />

wäre als schwarze Punkte und Striche auf weißem<br />

Papier. Die Fantasien, ausgelöst durch das Wahrnehmen<br />

des Klanges, besitzen die hohe Qualität,<br />

nicht gleich zu sein. Erblühende Träume, Vorstel-<br />

lungswelten, Gedanken und Gefühle offenbaren<br />

sich individuell, konstatieren kein richtig oder<br />

falsch – und damit auch keine Expertise des Hörens<br />

–, vielmehr darf und muss jeder Mensch in<br />

seinem eigenen Kosmos Platz nehmen, gleichwohl<br />

das Erlebnis einem gemeinsamen Zelebrieren unterliegt.<br />

Bildungsgrad, sozialer Stand oder andere<br />

Unzulänglichkeiten des Lebens lösen sich in der<br />

unfassbaren Gewalt der Musik, eine uns umgebene<br />

Gleichförmigkeit des Alltags modifiziert sich in<br />

individuelle Erfüllung von Sehnsüchten, die genauso<br />

Fantasie wie schön ist. Der sich durch Klang<br />

etablierende Kosmos verdrängt eine Leere, der wir<br />

uns zuweilen nicht gewahr werden; er verändert<br />

uns für den Moment, für jeden Moment des Erlebens,<br />

Ton für Ton, Takt für Takt – und manchmal<br />

auch darüber hinaus.<br />

Wie fantastisch<br />

ist die Macht<br />

der Musik!<br />

In uns eindringend klopft die Musik an unser Ich<br />

und somit an unser Sein, befragt uns bzw. die Seele<br />

nach dem Zustand, jedoch ohne Konkretheit<br />

oder definitive Antwort zu erwarten. Fragen, Fantasien<br />

und kleine Utopien reißen nur am Selbst,<br />

liegen im supraorbitalen Bereich des Sitznachbarn,<br />

kommen, verflüchtigen, entschwinden – um<br />

sofort neuen, sich überlagernden und wiederum<br />

schwindenden Platz für kleine Momente zu gewähren.<br />

So sind es also Augenblicke der inneren Befreiung<br />

vom Ist-Zustand, von den Sorgen und Lasten<br />

des Alltags, die das Konzert zum Erlebnis<br />

erheben, ermöglicht durch das Fehlen des direkten<br />

Kontextes, der z. B. die Oper vom Konzert trennt.<br />

Melodien schlängeln sich durch unsere Seele, Harmonien<br />

kreuzen sich mit den verlorenen Träumen<br />

des Gestern und führen sie zu sekundärer Blüte,<br />

diverse Tempi werfen Blitze auf die eine Fantasie,<br />

erzwingen neue, andere Visionen, nur um sie sogleich<br />

mit der nächsten Wendung ad absurdum zu<br />

führen. Zurück bleibt ein Hall, ein Echo, ein kleiner<br />

Abdruck auf der Seele – ein tönender Tapfen, der<br />

durch die scheinbar immerwährende Flut neuer<br />

Töne gleichermaßen fortgespült wie erneut ausgetreten<br />

wird.

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