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Bielefelder Philharmoniker Spielzeit 2015/16

Bielefelder Philharmoniker Spielzeitheft 2015/16

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Gedankenwelt<br />

Gedankenwelt<br />

Über<br />

Fantasien,<br />

Utopien<br />

Musik<br />

Alexander Kalajdzic,<br />

Martin Beyer, Hanns Eisler<br />

und Daniel Westen<br />

im Gespräch<br />

einer Stadt wie Bielefeld wären<br />

reine »Modern-Abende« schlecht<br />

aufgehoben – das funktioniert<br />

in den Millionenmetropolen –,<br />

doch mit dem Sand wich-Prinzip<br />

(Klassi ker/Moderne/Klassiker) ist hier ein breites<br />

Publikum zu erreichen und zu begeistern.<br />

DW Du bringst aber auch unbekannte oder<br />

ver gessene ältere Werke hinein, z. B. im 7. Sympho<br />

niekonzert offenbart sich der Strauss’sche<br />

Zarathustra mit seiner berühmten Einleitung als<br />

Magnet, die »vergessenen« Werke kommen überraschend<br />

zum einen aus dem <strong>Bielefelder</strong> Umfeld,<br />

nämlich das Requiem von Frederick Delius, und<br />

zum anderen über Nietzsches Hymnus aus der<br />

philosophischen Ecke – auch diese Musiken müssen<br />

ihr Publikum finden. Im Übrigen wirkt dieses<br />

Programm im wahrsten Sinne programmatisch.<br />

Verlässt Du hiermit Deine Idée fixe der intuitiven<br />

Konzertplanung?<br />

AK Die Antwort ist ein klares Nein. Weder in der<br />

Pop- noch in der Klassikkultur bin ich ein großer<br />

Fan der Konzeptalben/-konzerte. Grundsätzlich<br />

spricht nichts gegen überlegte Konzeptprogramme,<br />

aber das ist für mich keine Vorgabe. Die Zusam-<br />

menhänge kommen aus der Musik, bspw. Debussy<br />

und Haydn, letzterer vorzugsweise in seiner mittleren<br />

Periode: Beide denken ähnlich, in kleinen<br />

Mustern, die sich wiederholen und entwickeln. Es<br />

ist rein musikalisch gedacht, auch wenn sich hier<br />

und da ein äußerer Bogen einschleicht.<br />

DW Für das Publikum scheint es mir wichtig, sich<br />

von programmatischen Überbauten frei zu machen,<br />

um offen in der Wahrnehmung des von Dir produzierten<br />

Klanges zu sein.<br />

AK Furtwängler sagte schon: Es gibt keinen Beweis<br />

für eine falsche Programmgestaltung, lediglich<br />

über zeugendere oder eben weniger überzeugendere<br />

Deutungen. Es ist und bleibt instinktiv.<br />

DW Wie wird diese Art der Konzertgestaltung<br />

hier in Bielefeld angenommen?<br />

Martin Beyer Die Kombination der Epochen<br />

funktioniert, erstaunlich positiv ist<br />

das Feedback zu den unbekann-<br />

Daniel Westen Was ist nach fünf Jahren sinfonischer<br />

Klänge unter Deinem Dirigat, Deiner Leitung<br />

zu konstatieren?<br />

Alexander Kalajdzic Meine Vorgabe war es,<br />

sehr am Klang des Orchesters zu arbeiten – da ist<br />

uns aus meiner Sicht eine deutliche Weiterentwicklung<br />

gelungen. Ich wollte dem Publikum in Bielefeld<br />

Kontinuität anbieten – und, wenn auch nicht so<br />

stark wie erhofft, die Besucherzahlen sind gestiegen.<br />

Es ist bemerkbar, dass eine traditionellere<br />

Klanggestaltung mit namhaften Solisten bei den<br />

Leuten gut ankommt.<br />

DW Soll heißen, das Erfolgskonzept steht, ein<br />

Weiterführen der traditionelleren Werke mit hohem<br />

interpretatorischen Anspruch?<br />

AK Nicht nur. Nichtsdestotrotz wollen wir in den<br />

nächsten Jahren weitere Zielgruppen rekrutieren,<br />

z. B. das große Potenzial der Universität<br />

anbrechen und ausschöpfen.<br />

Perspektive Programmgestaltung<br />

haben wir nicht zuletzt erscheint [...] Oft sind die Hörer von den Atmo-<br />

»Die Musik ten Werken, auch den modernen.<br />

einen Kulturauftrag: Wir müssen<br />

sphären, den Klangwelten, z. B.<br />

Scheitern und<br />

als abstrakte<br />

4<br />

auch moderne Werke spielen. In Opposition einer Gubaidulina, überrascht.<br />

5<br />

zur Verödung<br />

und Monotonie<br />

des Alltags.«<br />

Im Kontext der anderen Werke<br />

sprechen viele von einem erfrischenden<br />

Erleben, das manche<br />

Menschen zu einem zweiten Besuch<br />

des Konzertes anregt.<br />

Hanns Eisler Die Musik erscheint jedenfalls als<br />

abstrakte Opposition zur Verödung und Monotonie<br />

des Alltags. Je größer die Verö dung, je härter<br />

die Monotonie, je härter die Monotonie, desto<br />

süßer wird die Musik.<br />

DW Hier steckt ein großer gesellschaftlicher Entwurf<br />

dahinter. Wie monoton ist denn der heutige<br />

Alltag und welchen Stellenwert kann die Musik<br />

als Gegenentwurf besitzen?<br />

AK Navid Kermani stellte folgende These auf:<br />

Warum ist es nötig, etwas, das nie als Realismus<br />

gedacht war, realistisch darzustellen. Diese Fragestellung<br />

sehe ich viel breiter. Was soll uns<br />

daran hindern, klassische Musik wahrzunehmen<br />

als das, was sie beinhaltet: die Emotionen, ihre<br />

Leichtigkeit, ihre Komplexität und Herausforderung<br />

... Wenn man Musik mit einem Ernst wahrnimmt<br />

und spielt, wie sie wirklich gedacht ist,<br />

dann gehen die Zuhörer auch mit. Wenn man<br />

die Menschen dort packt, wo sich die Musik von

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