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Ornamente der Fassade

ISBN 978-3-86859-233-7

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220 Zeitgenössische <strong>Ornamente</strong> 221<br />

Inspiration Natur<br />

Tradition und Aktualität – Natur, Kunst und Technik<br />

»Alle Kunst und somit auch die dekorative steht in unauflöslichem<br />

Zusammenhange mit <strong>der</strong> Natur.« 838<br />

Alois Riegl: Stilfragen. Grundlegungen zu einer Geschichte <strong>der</strong> Ornamentik (1893)<br />

96<br />

96, 97 William Alsop: Bürogebäude Colorium<br />

in Düsseldorf (D), 2002<br />

dreidimensionale optische Wirkung mit Hilfe von Farbe ausgeschöpft, kann <strong>der</strong><br />

Raum zu einem begehbaren Gemälde werden. Im Sinne von Theo van Doesburg,<br />

<strong>der</strong> in seinem Aufsatz Farben in Raum und Zeit (1928) eine »gestaltende Raum-<br />

Zeitmalerei« for<strong>der</strong>te, verwirklicht sich so »<strong>der</strong> große Traum« des Künstlers, »den<br />

Menschen statt vor, in die Malerei hineinzustellen«. 837<br />

97<br />

Auch ohne die komplexe Bedingtheit von »Natur« als Komplementärbegriff zu<br />

»Kultur« begriffshistorisch und kulturphilosophisch zu erörtern, scheint die Architektur<br />

seit jeher von <strong>der</strong> vergänglichen Materie und dem Formenreichtum<br />

<strong>der</strong> Natur inspiriert, welche sie in dauerhaften Stein zu übertragen suchte. Vor<br />

allem im islamischen Kulturraum entfaltete sich aufgrund des Darstellungsverbotes<br />

von Lebewesen in <strong>der</strong> Kunst und Architektur eine Vielzahl von Ornamentformen,<br />

die zumeist von Pflanzenformen abgeleitet, jedoch stark abstrahiert<br />

sind. In <strong>der</strong> abendländischen Architekturgeschichte war das Interesse an<br />

<strong>der</strong> Verbindung zwischen Architektur und Natur in einigen Epochen beson<strong>der</strong>s<br />

ausgeprägt. Das korinthische Kapitell <strong>der</strong> Antike wird – unter Verweis auf Vitruv<br />

839 – mit dem Akanthusblatt assoziiert, die Blattkapitelle <strong>der</strong> Romanik waren<br />

realistische Nachbildungen von Blattformen <strong>der</strong> Natur 840 , während das überbordende<br />

Rankwerk <strong>der</strong> Rokoko-Zeit 841 eine stärkere Verfremdung mit sich<br />

brachte, die <strong>der</strong> Jugendstil in seinen zusehends abstrahierenden Experimenten<br />

mit floralen, vegetabilen Formen noch verfeinerte. 842 Bis zur Mo<strong>der</strong>ne waren<br />

Blattkapitelle, Palmetten und Kranzgebinde, Rankenformen, Girlanden und<br />

Fruchtgehänge, Festons, Kreuzblumen, Pinienzapfen, Rosetten und Füllhörner<br />

wesentlicher Bestandteil des Bauschmuck-Repertoires. Das Naturverständnis in<br />

<strong>der</strong> Architektur verän<strong>der</strong>te sich im Laufe <strong>der</strong> Geschichte meist im Zuge neuer<br />

technologischer, naturwissenschaftlicher und künstlerischer Errungenschaften.<br />

Dem Ornament kommt in <strong>der</strong> Architekturgeschichte eine Vermittlungsposition<br />

zwischen <strong>der</strong> dem Menschen zugeordneten Technik, dem Handwerk bzw.<br />

<strong>der</strong> Kunst und <strong>der</strong> Natur zu. Letztere weist ein unerschöpfliches Spektrum ornamentaler<br />

Formen auf, von Mineralien und Fossilien über Blatt- und Blütenstrukturen<br />

bis hin zu gemusterten Häuten, Fell- und Fe<strong>der</strong>klei<strong>der</strong>n. Diese<br />

»Bioornamentik« 843 kann als Modell für das Ineinan<strong>der</strong>greifen von Funktion<br />

und Form bei <strong>der</strong> gegenwärtigen Ornamentbildung dienen – insbeson<strong>der</strong>e in<br />

ihrer technomedialen Ausprägung.<br />

Die enge Verbindung von Kunst, Ornament/Dekor und Natur wurde im 19. und<br />

frühen 20. Jahrhun<strong>der</strong>t bereits vielfach thematisiert, wobei das jeweils zugrunde<br />

liegende Verständnis von »Natur« sehr unterschiedlich ausfallen kann. So verwies<br />

das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm aus dem Jahre

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