Alder (1930) - Swiss Embroidery
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heutigen Tages. Von einer Induflrie konnte man aber erfl<br />
zirka ab 1820 fprechen. Es wurde bis etwa 1860 ausfchlielilich<br />
auf ganz feine Moulfeline geflickt, anHinglich fogar nur auf echt<br />
ollindifche Feinmoulfeline, bis dann auch unfere oflfchweizerifche<br />
fortfchrittliche Moulfeline-Weberei dazu gelangte, die<br />
Moulfeline in der nötigen Feinheit herzullelIen.<br />
Die in jener Zeit produzierten Artikel waren mannigfaltige:<br />
Taufkleider, Mouchoirs, Kragen, Manrchetten, Schärpen, Barben,<br />
Schleier, Kappen, Fichus, Ärmet Hauben, Schürzen, Pelerinen,<br />
Allovers, Einlä~e und Bandes etc., fafl alles in Weili.<br />
Wer flch dafur interelllert, flndet einige gute Beifpiele von<br />
Erzeugnilfen jener Zeiten im Induflrie- und Gewerbe-Mufeum<br />
in SI. Gallen.<br />
Die damalige Kettenflichllickerei war gänzlich Handarbeit<br />
der feinflen Art, wie fle heute gar nicht mehr in Quantitäten<br />
erllellt werden könnte; denn diefe Kunllfertigkeit ill feit der Erfindung<br />
der Kettenflichmafchine fall gänzlich verloren gegangen.<br />
Einzig im Rheintal foll noch etwa ein Du~end Heimarbeiterinnen<br />
darin tätig fein. Sie flnd naturgemäli von der alten Garde.<br />
Diejenige, die ich befuchte und an der Arbeit fah, ill 85 Jahre alt.<br />
Der Fabrikationsprozeli war folgender: Die Zeichnungen<br />
talentierter Fachentwerfer wurden mit Kohle auf Papier entworfen,<br />
wobei befonders darauf zu achten war, dali fle möglichfl<br />
fortlaufend geflickt werden konnten. Nachdem fle gelliipfelt<br />
waren, wie dies heute noch gefchieht, kam das, was<br />
man heutzutage in der Kettenflichllickerei nicht mehr kennt:<br />
das Modelftechen. Auf glatte, zirka 4 cm dicke Ahornholzfcheiben<br />
bis zur Grölie von 60 cm' wurde die geflüpfelte Zeichnung<br />
mit Staubdruck durchgepaufl und eingebrannt, d. h. fixiert.<br />
Mit etwa zwanzig verfchiedenen feinen Eifenwerkzeugen verfehen<br />
, machte nun der ModeHlecher, der Zeichnung folgend,<br />
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ein zirka >1 mm tiefes Gräbchen. In dasfelbe fchlug er mit<br />
einem Hämmerchen ein etwa 5 mm breites und 1 mrn dickes<br />
Metallbändchen fenkrecht mäglichfl gleich tief hinein, wobei er<br />
flch einer kleinen Zange mit abgerundeten Schnäbeln bediente,<br />
mit welcher er dem MetaJlbändchen die Formung gab, ehe er<br />
es einfchlug. Diefes belland lange Jahre aus Melllng, fpäter<br />
ging man aber, der Billigkeit wegen, auf Zinkbändchen über.<br />
Weil es unmäglich war, die MetaJlbändchen gleichmäliig llark<br />
vorllehend einzufchlagen, mulite der fonfl fertige" Model" noch<br />
auf einem glatten. harten Stein einge[chliffen werden, was eine<br />
fehr anllrengende Arbeit bedeutete. Endlich wurde auf der<br />
Rückfeite noch ein Handgriff für das Drucken eingekerbt, bei<br />
ganz grolien Modellen auch deren zwei, da wegen der Schwere<br />
des Models in diefern FaJle zwei Drucker zufammen arbeiten<br />
muliten. Die Tätigkeit des Modelflechers war keineswegs eine<br />
mechanifche, fondern fle erheifchte Gefühl für die oft fehr komplizierte<br />
Zeichnung, und da gab es recht unterfchiedlich qualifizierte<br />
ModelRecher, nicht wahr, meine verehrte Frau KettenRich!<br />
Zu den Meillern in feinem Fach gehärte nun unfer Freund, der<br />
87jährige Herr Schläpfer-Tobler. Noch bis gegen 1900 war er<br />
darin tätig; mit dem neuen Jahrhundert aber wurden Sie, Frau<br />
Kettenllich, ihm untreu, und er ill nun heute wahrfcheinlich der<br />
einzige noch lebende ehemalige Modelflecher!<br />
Wenn ich mich bei diefen technifchen Details falange aufgehalten<br />
habe, fo ill es, weil ich etwas festhalten mächte, delfen<br />
man fleh allgemein gar nicht mehr erinnert, und das man auch<br />
in keiner Chronik findet. Im Indullrie- und Gewerbemufeum<br />
St. GaUen flnd noch einige kleinere" Mödel" aufbewahrt.<br />
Obige Befchreibung zeigt, dali man es hier mit einem fehr<br />
kollfpieligen und dazu noch äulieril fchwerfäUigen Syilem zu<br />
tun hat, welches nur folange Zeit Belland haben konnte, weil<br />
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