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Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 04/2013

Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC
Ausgabe 04/2013

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Foto: © Rotes Kreuz<br />

Ein großer Raum mit vielen Monitoren, Pinwänden, Telefonen und dicht<br />

aneinander gestellten Schreibtischen, damit Informationen schnell dort<br />

hinkommen, wo sie gebraucht werden: Die Katastropheneinsatzzentrale<br />

ist Gerry Foitiks Arbeitsplatz. Er ist Bundesrettungskommandant des Österreichischen<br />

Roten Kreuzes und verantwortlich für das länderübergreifende<br />

strategische Katastrophenmanagement, das er mit einem bis zu<br />

20 Personen umfassenden Führungsstab koordiniert. Zu den letzten großen<br />

Einsätzen, die der 43-jährige Betriebswirt leitete, zählen das Schneechaos<br />

in Ungarn im März 2013 und das Hochwasser im vergangenen Sommer,<br />

bei denen mehrere Hundert Hilfskräfte unter seiner Verantwortung agierten.<br />

nicht gut kennen, klare Rollen- und<br />

Kompetenz verteilungen zu treffen. Und<br />

transparent zu machen, damit jeder weiß,<br />

was seine Aufgabe ist und was er sich<br />

von anderen erwarten kann. In der Praxis<br />

haben wir Rahmengesetze, welche die<br />

Kompetenz an Fachdienste wie Feuerwehr,<br />

Rotes Kreuz und Polizei übertragen.<br />

Dabei ist nicht exakt definiert, wie<br />

eine Menschenrettung oder eine Bergung<br />

durchzuführen sind. Im Vergleich<br />

zu Deutschland ist in Österreich extrem<br />

wenig formal geregelt. Das ist ein großer<br />

Vorteil.<br />

Wenig <strong>Regeln</strong> und<br />

starker Föderalismus<br />

führen zu<br />

Schlagkraft<br />

Warum?<br />

Es ist ein Vorteil, weil die Experten damit<br />

vor Ort angepasst auf die Situation reagieren<br />

können. Die Kombination aus geringem<br />

Regelungsgrad und stark ausgeprägtem<br />

Föderalismus führt zu einem sehr<br />

schlagkräftigen System, weil Feuerwehrund<br />

Bezirksrettungskommandanten nicht<br />

lange in irgendeiner Zentrale fragen müssen,<br />

ob sie etwas machen dürfen. In<br />

Österreich werden Entscheidungen rasch<br />

und schadensnah getroffen. Formale<br />

<strong>Regeln</strong> werden ersetzt durch gute persönliche<br />

Bekanntschaft der Experten,<br />

die während der vielen Übungen und<br />

Trainings entstehen. Wir wissen, dass wir<br />

uns blind aufeinander verlassen können.<br />

Sie sagen, in Deutschland sei die Katastrophenhilfe<br />

formal viel strenger geregelt.<br />

Welches System funktioniert besser?<br />

Beide Länder sind gut vorbereitet. Die<br />

Deutschen produzieren viel Papier, auf<br />

dem viele Abläufe genau geregelt sind,<br />

man kann gut nachschauen und nach diesem<br />

Schema trainieren. In Österreich hat<br />

man wenig Papier, man entscheidet mehr<br />

in der Situation. Dafür gibt es viel an gemeinsamer<br />

Tradition, Anerkennung des<br />

Expertenwissens des anderen und die persönliche<br />

Bekanntschaft. Zwischen Feuerwehr<br />

und Rotem Kreuz bedarf es keiner<br />

Formalitäten, es genügt ein Anruf. Die<br />

Schwäche unseres Systems ist, dass fehlende<br />

formale Abläufe einzelne Schritte<br />

nicht mehr genau nachvollziehbar machen.<br />

Wir machen das aber durch gute<br />

Dokumentation wett.<br />

Gehen wir von einem Massenunfall<br />

in einem Tunnel aus. Wie werden<br />

Rettungssysteme in einer unvorhergesehenen<br />

Situation zum Laufen<br />

gebracht?<br />

Mit dem Eingehen eines Notrufes bei<br />

einer Leitstelle werden automatisch alle<br />

Einsatzorganisationen informiert. Die<br />

Menschenrettung aus dem Tunnel ist<br />

Sache der Feuerwehr. Sache der Rettung<br />

ist es, die Verunglückten an einem Übergabepunkt<br />

außerhalb des Gefahrenbereiches<br />

entgegenzunehmen und zu<br />

versorgen. Aufgabe der Polizei ist es, den<br />

Gefahrenbereich abzusichern und Schaulustige<br />

fernzuhalten.<br />

Wichtig ist, die Chaosphase<br />

möglichst kurz<br />

zu halten<br />

… damit in einer Phase großer<br />

Unsicherheit alles seinen geregelten<br />

Lauf nehmen kann.<br />

Ja, denn jedes Ereignis hat eine unterschiedlich<br />

lange Chaosphase mit großer<br />

Unsicherheit. Diese besteht hauptsächlich<br />

aufgrund mangelnder Information.<br />

Ziel ist es, sich in sehr kurzer Zeit einen<br />

Überblick über die Situation zu verschaffen.<br />

Und natürlich werden bei jedem Massenunfall<br />

auch Prozesse abgearbeitet, die<br />

in den Organisationen standardisiert sind.<br />

Diese Einsatzpläne sind zwischen den<br />

Hilfsorganisationen abgestimmt. Man<br />

kann sich das vorstellen, wie gemeinsames<br />

Kochen. Beim ersten Mal wird man<br />

viel miteinander reden müssen, damit bei<br />

einem Vier-Gänge-Menü kein Chaos ausbricht.<br />

Beim fünften Mal kennt jeder seine<br />

Aufgaben. Aber das Rezept muss sitzen,<br />

nach dem jeder sein Gericht kocht.<br />

Gibt es Unterschiede zwischen längeren<br />

Einsätzen und kürzeren Noteinsätzen?<br />

Bei längeren zum Beispiel auch grenz-<br />

<strong>Regeln</strong><br />

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