AG Berlin Wedding, Urteil v. 06.03.2002, Az. 6a C 228/01 - WEG
AG Berlin Wedding, Urteil v. 06.03.2002, Az. 6a C 228/01 - WEG
AG Berlin Wedding, Urteil v. 06.03.2002, Az. 6a C 228/01 - WEG
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echerchiert von: Christian G. Heck<br />
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Gericht: <strong>AG</strong> <strong>Berlin</strong> <strong>Wedding</strong> Quelle:<br />
Entscheidungsdatum: <strong>06.03.2002</strong><br />
Aktenzeichen: <strong>6a</strong> C <strong>228</strong>/<strong>01</strong> Normen:<br />
Dokumenttyp<br />
<strong>Urteil</strong><br />
Lärm im Mehrfamilienhaus<br />
Leitsatz (amtlich)<br />
Wer eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mietet, muss damit rechnen, dass die über ihm<br />
liegende Wohnung auch von einer Familie mit kleinen Kindern angemietet werden kann und sich<br />
daraus gewisse Beeinträchtigungen ergeben können. Ebenso muss damit gerechnet werden, dass<br />
der Obermieter regelmäßig Besuch empfängt und dies zu einer erhöhten Geräuschkulisse führt.<br />
Beides gehört zum normalen Mietgebrauch und ist vom Nachbarn hinzunehmen.<br />
Fundstellen:<br />
keine<br />
Aus dem Tatbestand:<br />
... Die Kläger und die Beklagten zu 1) sind Mieter im Hause der zu 2) ... Die Kläger bewohnen die direkt<br />
unter der von den Beklagten zu 1) bewohnte Wohnung. Beide Wohnungen sind im Hinblick auf den<br />
Grundriss und die Größe identisch. Die Beklagten zu 1) haben Kinder im Alter von 4, 7 und 8 Jahren.<br />
Die Kläger behaupten, aus der Wohnung der Beklagten zu 1) dringe ruhestörender Lärm, was bereits zu<br />
einer gesundheitlichen Beeinträchtigung der Klägerin zu 2) geführt habe. Der Lärm werde insbesondere<br />
durch das Toben und Lärmen der Kinder der Beklagten zu 1), die häufig durch besuchsweise anwesende<br />
weitere Kinder unterstützt würden, hervorgerufen. Es sei Getrampel und Klopfen zu hören. Überdies<br />
werde häufig gegen die Heizung geklopft und die Türen würden laut zugeschlagen. Außerdem würden die<br />
Beklagten zu 1) häufig Besuch empfangen und die Unterhaltung der Erwachsenen sei deutlich in ihrer -<br />
der Kläger - Wohnung zu hören. Gleichzeitig würden die Kinder durch die Wohnung toben. ...<br />
Der Beklagten zu 2) sei die Beeinträchtigung bekannt. Sie habe die Verpflichtung, den vertragsgemäßen<br />
Gebrauch der Mietsache, der durch die Lärmbelästigung eingeschränkt sei, zu gewährleisten.<br />
Die Kläger beantragen,<br />
1. die Beklagten zu 1) zu verurteilen, in der von ihnen innegehaltenen Wohnung das Trampeln auf den<br />
Fußboden, das Klopfen gegen die Heizkörper, das Toben der Kinder in allen Räumen, die über die<br />
Zimmerlautstärke hinausgehenden Unterhaltungen sowie das heftige Türenzuschlagen zu unterlassen;<br />
2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die im Klageantrag zu<br />
Ziffer 1. genannten, von den Beklagten zu 1) ausgehenden Geräuschbelästigungen zu unterbinden.<br />
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.<br />
Die Beklagten zu 1) bestreiten die Belästigung der Kläger durch unzumutbaren Lärm.<br />
Die Beklagte zu 2) behauptet, den Beklagten zu 1) bereits vorprozessual durch entsprechende<br />
Die <strong>Urteil</strong>e werden mit größtmöglicher Sorgfalt übernommen. Dennoch wird keine Haftung für den Inhalt und dessen Richtigkeit übernommen.<br />
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Schreiben deutlich gemacht zu haben, dass sie eventuelle Lärmbelästigungen nicht dulde. Mangels<br />
eigener Kenntnis könne sie etwaige Lärmbelästigungen nur mit Nichtwissen bestreiten.<br />
Das Gericht hat die Wohnung der Kläger und der Beklagten zu 1) in Augenschein genommen. ...<br />
Aus den Entscheidungsgründen:<br />
Die Klage ist unbegründet.<br />
Den Klägern steht gegen die Beklagten zu 1) der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1004<br />
BGB (entsprechend) nicht zu.<br />
Soweit die Kläger beantragen, die Beklagten zu verurteilen es zu unterlassen, an die Heizkörper zu<br />
schlagen, sind sie bereits deshalb unterlegen, weil nicht feststeht, dass tatsächlich von den Beklagten zu<br />
1), deren Kindern oder deren Besuchern gegen die Heizung geschlagen wird. Die Heizkörper in den<br />
Wohnungen des Hauses G.-Straße sind über alle Etagen mit Heizungsrohren miteinander verbunden. Es<br />
ist gerichtsbekannt, dass in solchen Fällen jedenfalls allein anhand der wahrzunehmenden Geräusche in<br />
einer Wohnung nicht festzustellen ist, wo gegen die Heizung oder die Rohre geschlagen wird. Die Kläger<br />
haben auch nicht dargetan, wie sie zu der Überzeugung gelangt sind, dass die in der über ihnen<br />
gelegenen Wohnung befindlichen Personen gegen die Heizung schlagen.<br />
Im Übrigen ist das Gericht auf Grund der von den Klägern eingereichten Protokolle und dem eigenen<br />
Eindruck, den es sich von der Geräuschkulisse in der Wohnung der Kläger verschafft hat, der Ansicht,<br />
dass die von den Klägern vorgetragenen Beeinträchtigungen nicht so geartet sind, dass sie zu einer<br />
Unterlassensverpflichtung führen.<br />
Aus den Aufstellungen der Kläger und ihrem Vortrag ergibt sich, dass die behaupteten Lärmbelästigungen<br />
zu einem großen Teil durch die Kinder der Beklagten zu 1) und teilweise durch besuchsweise anwesende<br />
befreundete oder verwandte Kinder verursacht werden sollen. Es werden Kindergeschrei, dumpfe<br />
Schläge, Trampeln, Rennen und Türenschlagen beschrieben.<br />
Diese Geräusche kann das Gericht nicht als unzumutbar und rechtswidrig betrachten. In diesem<br />
Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Kläger in ein Haus mit 22 Mietparteien eingezogen sind.<br />
Schon aus diesem Grunde ist von ihnen beim Einzug eine gewisse Geräuschkulisse in Kauf genommen<br />
worden. Überdies haben Mieter eines Mehrfamilienhauses die Geräusche, die dem Bewegungs- und<br />
Spieldrang von kleineren Kindern des Wohnungsnachbarn entsprechen, hinzunehmen. Anders als<br />
Geräusche von technischen Tonwiedergabe- oder Haushaltsgeräten lassen sich Geräusche, die von<br />
kleinen Kindern ausgehen, nicht abstellen oder auf bestimmte Zeiten verlegen. Bei Kindern besteht ein<br />
starkes Bewegungs- und Spielbedürfnis. Dies ist ein kleinen Kindern immanentes Verhalten mit der Folge,<br />
dass ihnen nicht verwehrt werden kann, zu rennen, zu spielen oder zu toben. Auch bei entsprechenden<br />
Bemühungen der Eltern können bestimmte Verhaltensweisen von Kindern - wie beispielsweise das<br />
Rennen, Toben oder Schlagen von Türen - nicht in jedem Falle auf ein bestimmtes Maß reglementiert<br />
oder reduziert werden.<br />
Soweit die Kläger das Schlagen von Türen als störend empfinden, kann auf Grund der vorgetragenen<br />
geringen Anzahl der Vorkommnisse bereits nicht von einer unzumutbaren Beeinträchtigung ausgegangen<br />
werden. Die Kläger tragen über einen Zeitraum von etwa 2 ½ Jahren nur in zwei Fällen vor, dass Türen in<br />
der Wohnung der Beklagten zu 1) geschlagen worden sein sollen.<br />
Überdies hat sich das Gericht von der Intensität der in die Wohnung der Kläger dringenden Geräusche<br />
einen eigenen Eindruck verschafft. Sowohl das Rennen, Toben, Schreien der drei Kinder der Beklagten<br />
zu 1) als auch die Benutzung des Rollers durch den jüngsten Sohn der Beklagten zu 1) waren in der<br />
Wohnung der Kläger zu hören. Allerdings handelte es sich insoweit um geringfügige und das normale<br />
Maß nicht überschreitende Geräusche. Sie waren nicht von einer derartigen Intensität, dass sie im<br />
Verhältnis zu einem normalen Familienablauf über das normale und hinzunehmende Maß hinaus<br />
gegangen sind und von einer unzumutbaren Beeinträchtigung auszugehen wäre. Die aus der Wohnung<br />
der Beklagten zu 1) trotz des Rennens, Springens, Rufens und Tobens der drei Kinder der Beklagten zu<br />
1) einerseits zwar durchaus zu vernehmenden Geräusche waren jedoch andererseits so geringfügig, dass<br />
die anwesenden Personen in der Wohnung der Kläger möglichst andere Geräuschkulissen vermeiden<br />
mussten, um die Geräusche aus der darüber liegenden Wohnung zu vernehmen.<br />
Die <strong>Urteil</strong>e werden mit größtmöglicher Sorgfalt übernommen. Dennoch wird keine Haftung für den Inhalt und dessen Richtigkeit übernommen.<br />
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Nachdem die drei Kinder auf die Aufforderung des Gerichts anlässlich des Ortstermins regelrecht durch<br />
die Wohnung getobt sind und dies in der Wohnung der Kläger kaum zu vernehmen war, ist nicht<br />
nachvollziehbar, wie sie ansonsten einen für die Kläger unerträglichen Lärm verursachen können sollen.<br />
Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass die Kläger die aus der über ihnen liegenden Wohnung<br />
dringenden Geräusche auch deshalb als besonders störend empfinden, weil sie derartigen Geräuschen<br />
bis zum Einzug der Beklagten zu 1) nicht ausgesetzt waren. Denn nach ihren Angaben wohnte in der<br />
derzeit von den Beklagten zu 1) innegehaltenen Wohnung zuvor ein altes Ehepaar. Nachdem der<br />
Ehemann verstorben war, zog der erwachsene Sohn dieses Paares zu seiner Mutter.<br />
Inzwischen sind die Kläger im Hinblick auf die Geräusche aus der Wohnung der Beklagten zu 1) derart<br />
sensibilisiert, dass sie offenkundig auch als normal hinzunehmende Wohngeräusche als störend<br />
empfinden. Das zeigen der Inhalt und Umfang ihrer Aufzeichnungen. So wird die Geräuschkulisse<br />
beispielsweise einzelnen Personen zugeordnet (z.B. der Beklagten zu 1)), obwohl die Kläger nicht wissen<br />
können, wer in der über ihnen liegenden Wohnung welche Geräusche verursacht. Auch gehen die Kläger<br />
inzwischen so weit zu behaupten, die Beklagte zu 1) fordere ihre Kinder regelrecht zum Toben auf. Nicht<br />
erklärbar ist, woher die Kläger ihre Erkenntnis haben.<br />
Nachdem die Kläger eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus gemietet haben, mussten sie damit<br />
rechnen, dass die über ihnen liegende Wohnung auch von einer Familie mit kleinen Kindern angemietet<br />
werden würde und sich daraus gewisse Beeinträchtigungen ergeben könnten.<br />
Das Gericht verkennt auch nicht, dass der aus der Wohnung der Beklagten zu 1) dringende Geräuschpegel<br />
höher sein wird, wenn sich zusätzlich zu den Familienmitgliedern der Beklagten zu 1) weitere Kinder<br />
und erwachsene Personen in der Wohnung aufhalten. Es gehört jedoch zum normalen Mietgebrauch,<br />
Besuch in der Wohnung zu empfangen. Auch damit muss ein Mieter, der in ein Mehrfamilienhaus einzieht,<br />
rechnen.<br />
Auch soweit die Kläger vortragen, es werde Lärm durch Unterhaltungen aus der Wohnung der Beklagten<br />
zu 1) verursacht, dringen sie nicht durch. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten zu 1) ihre<br />
Wohnung in unzumutbarer Weise und/oder vertragswidrig nutzen.<br />
Anlässlich des Ortstermins in der Wohnung - hier im Wohnzimmer der Kläger – war Stimmengemurmel zu<br />
vernehmen, als sich in der Wohnung der Beklagten zu 1) etwa 6 Erwachsene befanden und in Zimmerlautstärke<br />
unterhielten. Insoweit ist nachvollziehbar, dass Geräusche infolge der Unterhaltung von<br />
mehreren Personen durchaus in die Wohnung der Kläger dringen. Die Kläger fühlen sich insbesondere<br />
dann gestört, wenn die Beklagten zu 1) Besuch empfangen, weil dann die Unterhaltungen der<br />
Erwachsenen deutlich in ihrer - der Kläger - Wohnung zu hören ist. Wie bereits ausgeführt gehört der<br />
Empfang von Besuch zum Gebrauch einer Wohnung. Ebenfalls üblich und normal ist es, sich zu<br />
unterhalten. Auch wird der Geräuschpegel höher sein, je mehr Personen sich in der Wohnung aufhalten.<br />
Die Kläger tragen jedoch lediglich vor, dass sie sich durch die auf Grund der Unterhaltung erzeugten<br />
Geräusche gestört fühlen. Es ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Beklagten zu 1) oder deren<br />
erwachsene Gäste laute Musik spielen oder herumschreien. Vielmehr tragen die Kläger selbst vor, dass<br />
sie die Unterhaltungen als störend empfinden.<br />
Auch ergibt sich aus dem Vortrag der Kläger, dass, von einigen Ausnahmen abgesehen, weder früh am<br />
Morgen noch spät am Abend oder in der Zeit der Mittagsruhe Lärm in ihre Wohnung dringt. Dass während<br />
des Tages eine größere Zahl von Geräuschen in die Wohnung der Kläger dringt, ist in einem<br />
Mehrfamilienhaus üblich und muss, wie beispielsweise etwa eindringender Straßenlärm, hingenommen<br />
werden.<br />
Insgesamt verkennt das Gericht nicht, dass auf Grund der festgestellten Umstände eine für die Kläger als<br />
Beeinträchtigung empfundene Geräuschkulisse vorhanden ist. Das Gericht geht ebenfalls davon aus,<br />
dass die Geräuschkulisse größer ist, wenn die Beklagten zu 1) Besuch empfangen. Das sollte für die<br />
Beklagten zu 1) Anlass zu größerer Rücksichtnahme sein. Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass<br />
die Beklagten zu 1) die Wohnung in unzumutbarer Weise und vertragswidrig nutzen.<br />
Da bereits der Anspruch gegen die Beklagten zu 1) nicht besteht, scheitert auch die Klage gegen die<br />
Beklagte zu 2). ...<br />
Die <strong>Urteil</strong>e werden mit größtmöglicher Sorgfalt übernommen. Dennoch wird keine Haftung für den Inhalt und dessen Richtigkeit übernommen.<br />
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