Ansichtssache Frauenhandel - An.schläge
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tet von einem aufsuchenden Modell gegen<br />
den <strong>Frauenhandel</strong>. Da bei Roma-<br />
Frauen die Risikofaktoren für den <strong>Frauenhandel</strong><br />
in gehäufter Form vorhanden<br />
sind (wie der soziale Ausschluss aus der<br />
Gesellschaft; <strong>An</strong>alfabetismus; informelle<br />
Ein-Tages-Jobs, die vermehrt im <strong>Frauenhandel</strong><br />
enden; Prostitution als Tabuthema<br />
etc.), beschloss La Strada ein Präventionsprojekt<br />
in der Roma-Gemeinde<br />
zu starten. Mit der Osterweiterung werden<br />
sich auch andere Organisationen<br />
und Länder darum bemühen müssen,<br />
Roma-Frauen in ihrer Mobilität und den<br />
Möglichkeiten für den Lebensunterhalt<br />
zu unterstützen. Auch Österreich ist gefordert!<br />
Die Sozialarbeiterin Fevzije Bahar<br />
hat ein Projekt in Vorbereitung.<br />
EU-Glaube. Besonders die Rechtsanwältinnen<br />
oder Jus-Studentinnen unter den<br />
Konferenzteilnehmerinnen glauben an<br />
die großteils positiven Folgen staatlicher<br />
Verantwortung. „Bringt einen Fall<br />
von <strong>Frauenhandel</strong> am Europäischen Gericht<br />
für Menschenrechte durch und<br />
das bringt mehr als einige NGOs, die<br />
nur jammern und sagen, wie schrecklich<br />
alles sei“, fordert die holländische<br />
Journalistin und <strong>An</strong>wältin Ruth Hopkins<br />
ziemlich arrogant und zählt einige Artikel<br />
und Paragrafen im internationalen<br />
Recht auf. Sie trat mit vier gehandelten<br />
Frauen im holländischen Fernsehen auf,<br />
was großes Aufsehen erzeugte. Dies widerspricht<br />
dem Grundsatz vieler Frauenorganisationen,<br />
wie z.B. den „Lateinamerikanische<br />
Exilierten Frauen Österreichs“,<br />
die in Wien gegen den <strong>Frauenhandel</strong><br />
kämpfen, aber die Opfer vor der<br />
Öffentlichkeit beschützen und ihre<br />
Identitäten nicht preisgeben. Ruth Hopkins<br />
schwärmt von der EU und ihren offiziellen<br />
TrägerInnen:„Sie versuchen gerade<br />
Montenegro zu überzeugen, die<br />
Menschenrechte zu akzeptieren.“ Werden<br />
ihr die von Großbritannien geplanten<br />
Abschiebegefängnisse (deportation<br />
camps), mit denen Flüchtlinge z.B.<br />
schon direkt in Albanien fest gehalten<br />
werden sollen, ebenfalls zusagen?<br />
(Österreich ist durch Minister Strasser<br />
in der vorbereitenden Arbeitsgruppe<br />
vertreten)<br />
<strong>An</strong>djelka Markovic, eine <strong>An</strong>wältin<br />
vom Belgrader Zentrum für Menschenrechte,<br />
ist von Hopkins begeistert. Sie<br />
hofft schwer auf die EU:„Wir versuchen,<br />
für uns EU-Standards zu adaptieren.“<br />
Denn in ganz Serbien ist in den letzten<br />
fünf Jahren nur ein einziger Frauenhändler<br />
verurteilt worden, während der gewählte<br />
Ministerpräsident Djindjic von einem<br />
Killer der Organisierten Kriminalität<br />
erschossen wird. Die Strafe, die die EU für<br />
Frauenhändler vorsieht, beträgt sechs bis<br />
zehn, in Serbien nur ein bis zehn Jahre.<br />
In Montenegro löste ein hoher Polizist<br />
eine gesellschaftspolitische Krise<br />
aus, als er ein moldawisches Mädchen<br />
missbrauchte. Das Mädchen selbst wurde<br />
vor Gericht als „unzuverlässige Zeugin“<br />
eingestuft. Im Kosovo gab es nur eine<br />
Verurteilung zweier Polizeibeamter,<br />
was bedeutet, dass kein einziger Soldat<br />
bestraft wurde.„Die Regierungen wollen<br />
angeblich EU-Standards erreichen“, erläutert<br />
<strong>An</strong>djelka Markovic.„Doch es landen<br />
nur so wenige Fälle bei Gericht, und<br />
dann werden die Richter mit Drohungen<br />
eingeschüchtert. Ich schäme mich sehr<br />
für mein Land, da das Geld für Milose-<br />
vics Verteidigung nach Den Haag geschickt<br />
wird, die Opfer von <strong>Frauenhandel</strong><br />
aber nichts erhalten.“ Als „einfache“<br />
Staats- und EU-Bürgerin fragt sich frau<br />
grundsätzlich schon, warum <strong>Frauenhandel</strong><br />
und die großen und kleinen Organisationen<br />
bzw. einzelnen Händler<br />
(zum Teil Verwandte der Frau) so unkontrollierbar<br />
sein sollen? Erhalten wir auf<br />
diese Weise nicht indirekt die staatliche<br />
Botschaft, dass unsere Zivilisation so<br />
verkommen wäre und wir Frauen dringend<br />
von „Vater Staat“ mit seinen Organen<br />
Polizei und Justiz beschützt<br />
werden müssten?<br />
Für die allgemeine menschliche<br />
Ebene stellte die bulgarische Psychologin<br />
Rossanka Venelinova Krasteva,<br />
die mit gehandelten Frauen Therapie<br />
macht, die Frage nach den Wünschen,<br />
Bedürfnissen und Realitäten zum Thema<br />
Liebe. Alleinerzieherinnen, Frauen<br />
mit Gewalterfahrungen in der Familie<br />
oder Partnerschaft, Arbeitslose – diese<br />
Frauen verlassen ihr Land, um anderswo<br />
ihr Glück zu suchen. „Frauen-Netzwerke<br />
stellen unsere hauptsächliche<br />
Philosophie dar, ohne die geht es<br />
nicht“, betont sie. Schwangere Frauen<br />
werden momentan aus Bulgarien nach<br />
Griechenland gehandelt und ohne Baby<br />
zurück geschickt. Es gibt noch keine<br />
gesetzliche Handhabe, um dieses Verbrechen<br />
zu bestrafen. Auch diese Frauen<br />
sind grundsätzlich „loved ones“<br />
(Krasteva), mit dem Recht und dem<br />
Wunsch in Respekt und Würde zu leben.<br />
Vermehrte Mobilität mit weniger<br />
Einschränkungen könnte ihr Überleben<br />
und ihre Lebensmöglichkeiten verbessern.<br />
❚<br />
frauenhandelthema<br />
ganz links: Irena Progni<br />
(Albanien), links: Rossanka<br />
Venelinova Krasteva (Bulgarien),<br />
rechts: <strong>An</strong>djelka Markovic<br />
(Serbien und Montenegro),<br />
ganz rechts: Ruth Hopkins<br />
(Holland)<br />
juli august 2004an.<strong>schläge</strong> 19