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Ansichtssache Frauenhandel - An.schläge

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Furien in Ferien<br />

Karin Ricks Lesbos-Roman ist die ideale Urlaubslektüre –<br />

an jedem Strand, aber besonders in Skala Eressos.<br />

Eine Empfehlung von Helga Pankratz<br />

Der Plot ist gut. Das Buch ist<br />

spannend. Und das konkrete Ergebnis<br />

der kriminalistischen Aufklärung<br />

der blutigen <strong>An</strong><strong>schläge</strong><br />

in Mitilini und Skala Eressos, die<br />

griechische Behörden und Lesbos-UrlauberInnen<br />

einige Sommerwochen lang<br />

beschäftigen, soll hier tunlichst nicht<br />

verraten werden. So viel vorab.<br />

Ein Sprengstoffanschlag beunruhigt<br />

die Tourismusbranche und ihre Kundschaft<br />

in Skala Eressos. Genau an der<br />

Grenze zwischen Nacktbade- und Textilstrand<br />

(mit anderen Worten: Lesbian-<br />

Beach und Kleinfamilien-Tummelplatz)<br />

hat ein nicht besonders großer, jedoch<br />

keineswegs harmloser Sprengkörper einen<br />

nicht zu übersehenden Krater gerissen.<br />

Aus Athen reist ein Ermittler der<br />

Bundesbehörden an, um den <strong>An</strong>schlag<br />

mit ähnlichen Vorkommnissen in früheren<br />

Jahren zu vergleichen und die Täter<br />

zu überführen. Seine Recherchen in Sachen<br />

Bombenanschlag werden allerdings<br />

von anderen – blutigen – Attacken<br />

in den Hintergrund gedrängt. Denn seit<br />

seiner <strong>An</strong>kunft am Airport von Mitilini<br />

werden fast täglich, anscheinend ausnahmslos,<br />

einheimische Männer brutal<br />

niedergestreckt. Der Ermittler vermutet<br />

Grundstücksspekulationen und wirtschaftlich<br />

motivierte Fehden zwischen<br />

den <strong>An</strong>sässigen hinter den Attacken, Motive,<br />

die von der Aktenlage immer mehr<br />

erhärtet werden. Natürlich rätseln auch<br />

einige der lesbischen Touristinnen über<br />

die Ursachen der beunruhigenden Überfälle,<br />

deren Zeuginnen sie gelegentlich<br />

werden. Vor allem ein dektektivisch inter-<br />

essiertes – und binnen kurzem miteinander<br />

kreuz und quer auch amourös verbandeltes<br />

– Fünferteam aus drei Wienerinnen<br />

und zwei Britinnen sammelt eifrig<br />

Fakten und stellt sich Fragen wie: Gibt<br />

es in Griechenland so etwas wie Vendetta?<br />

Und: Könnte der Attentäter vielleicht<br />

doch eine Frau sein?<br />

Jüngste Sprengstoffan<strong>schläge</strong> in<br />

Athen, die Bauskandale und Verunsicherungen<br />

im Vorfeld der Olympischen<br />

Spiele 2004, ein EU-Europa, dessen viel<br />

beschworene Sicherheit und Stabilität<br />

auf eben so tönernen Beinen stehen<br />

wie seine von Wirtschaftsinteressen<br />

ganz in den Hintergrund gedrängten<br />

Werte Friede, Freiheit, Menschenrechte<br />

und Demokratie: Mit Sicherheit hatte<br />

die Autorin solche Dimensionen nicht<br />

vor Augen, als sie das ausgeklügelte<br />

und vielschichtige kleine Universum ihrer<br />

aus sonnigen Urlaubserinnerungen<br />

mit viel authentischem Lokalkolorit angereicherten<br />

Krimihandlung erfand. Sie<br />

wollte einfach ein gutes, intelligentes<br />

und mit Genuss zu lesendes Buch<br />

schreiben. Das hat sie auch getan. Und<br />

dennoch – der ganz reale zeitgeschichtliche<br />

Kontext, mit dem sich die – erfundene<br />

– literarische Handlung überschneidet,<br />

ist erschreckend stimmig: etwa<br />

wenn es dem Schengen-Abkommen<br />

spottende Sicherheitskontrollen auf<br />

dem Flughafen gibt und die Polizei in<br />

der Eskalation der Ereignisse auf dem<br />

Lesbenstrand eine Absperrung mit Nato-Draht<br />

errichtet, an dem sich prompt<br />

die Kinder deutscher UrlauberInnen<br />

vom „Familienstrand“ verletzen!<br />

Karin Rick hat ihre bekannte Gabe,<br />

unangenehme Wahrheiten in einem<br />

leicht umgangssprachlich eingefärbten<br />

Plauderton mit sehr viel Witz und<br />

Ironie zu Papier zu bringen, wieder<br />

einmal voll entfaltet. So kommt es,<br />

dass ausgesprochen kritische <strong>An</strong>alysen<br />

vergnüglich zu lesen sind: Etwa<br />

die ökonomische Verortung von Skala<br />

Eressos als eine mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

schlecht erreichbare „Urlaubs-Pampa“,<br />

die zum Lesbenreservat<br />

wird, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis<br />

keiner anderen touristischen Zielgruppe<br />

genügt: weder Familien, noch<br />

SeniorInnen, und schon gar nicht den<br />

<strong>An</strong>sprüchen der männlichen Gays.<br />

Oder in der Schilderung des Dorftyrannen<br />

Theofilos Valiakos, seines Zeichens<br />

Bürgermeister und zugleich Hotelbesitzer,<br />

ein leicht zwanzgsneurotischer,<br />

kleingeistiger, intriganter – und<br />

sowieso patriachaler – Armleuchter,<br />

der täglich den unmöglichen Spagat<br />

vollführt, die lesbischen Touristinnen<br />

kurzfristig finanziell zu melken und einen<br />

an kleinen und großen Schikanen<br />

reichen Kleinkrieg gegen sie zu führen,<br />

um mittelfristig die Insel von ihnen<br />

zu „säubern“.<br />

Ich möchte wetten, dass „Furien in<br />

Ferien“ mehr als einen Sommer lang<br />

auf der Bestsellerliste deutschsprachiger<br />

Lesbenliteratur zu finden sein wird.<br />

Mehr noch: Genau dieses Buch scheint<br />

prädestiniert dafür, bald auch in englischer<br />

und griechischer Übersetzung am<br />

Strand von Skala Eressos gelesen zu<br />

werden. ❚<br />

lese.zeichen<br />

Karin Rick: Furien in Ferien. Ein<br />

Lesbos-Abenteuer. Kriminalroman<br />

Querverlag 2004, e 15,40 (Ö)<br />

juli august 2004an.<strong>schläge</strong> 39

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