ProjekteSicherheitTextChristian SchneiderFotoPhotos.comEine österreichische LösungDer neue biometrische Sicherheitsreisepass ist da – und erfreutsich größter Beliebtheit. Dahinter steht eine erfolgreiche Kooperationzwischen den Verwaltungsebenen.Am 10. September 2009, also fast aufden Tag genau acht Jahre nach den Ereignissendes 11. September 2001, übergabInnenministerin Fekter persönlich denfünfhunderttausendsten biometrischenSicherheitspass in Dornbirn. Die vonden USA ausgehenden drastisch erhöhtenSicherheitsanforderungen wurden inFolge von 9/11 fast kompromisslos an dieEU-Mitgliedsstaaten kommuniziert. JeneStaaten, die daran interessiert waren, ihreBürger weiterhin in den Genuss einerunkomplizierten Einreise in die USA kommenzu lassen, drängten auf eine einheitlicheEU-weite Regelung. Die europäischenReisedokumente der Zukunft sollten deninternational erhöhten Sicherheitsstandardsentsprechen.Konkretes Ziel war, die Fälschungssicherheitder Reisepässe durch die Integrationbiometrischer Merkmale und elektronischerLesbarkeit zu gewährleisten.Eine bereits im Jahr 2000 geschaffeneEU-Richtlinie, die Mindeststandards fürEU-Pässe festschrieb, diente hierfür alsBasis. Am 18. Januar 2005 wurden dieseVorgaben durch eine weitere EU-Richtliniepräzisiert. Den Mitgliedsstaaten wurdendabei Fristen gesetzt, um sich auf dieneuen Rahmenbedingungen einzustellen.Der elektronisch lesbare Reisepass, der inÖsterreich erstmals im Juni 2006 ausgestelltwurde, war bereits mit einem Chipausgerüstet. Darauf konnte das Passfoto,das speziellen, strengeren Vorgaben alsbisher entsprach, elektronisch gespeichertwerden. Mit dem neuen, am 30. März2009 eingeführten Sicherheitsreisepasswerden nun auch die Fingerabdrücke derbeiden Zeigefinger gespeichert. Der aktuelleSicherheitsstandard ist nun state-ofthe-art.Ein gemeinschaftliches ProjektBei einem so umfassenden, praktischalle EU-Bürger betreffenden Projekt warbereits zu Anfang klar, dass nicht alleBeteiligten mit den neuen Pässen glücklichwerden. Gerechtfertigte Kritik kamnaturgemäß zuerst von den Datenschützern.Die zentrale Speicherung von biometrischenDaten praktisch aller EU-Bür-38 Dezember 09
ProjekteSicherheitger war ein Schreckensgespenst, das nichtnur eingefleischten Datenschützern eineGänsehaut bereitete. Um diese Ängste zuzerstreuen, musste legistisch und praktischsichergestellt werden, dass ein Missbrauchnicht stattfinden könne. HöchsteSicherheitsvorkehrungen wurden vorgeschrieben,die Umsetzung allerdingsobliegt den zuständigen Behörden derMitgliedsstaaten.Auf Nachfrage von REPUBLIK bestätigenalle beteiligten Partner – von denmit der Antragstellung teilweise betrautenGemeinden über die Bezirkshauptmannschaftenund das Innenministeriumbis zur Österreichischen Staatsdruckerei,dass der Schutz der sensiblen Daten derAntragsteller durch strengste Sicherheitsvorkehrungengewahrt bleibe. Sobilanzieren alle Partner weiters, dass dieZusammenarbeit insgesamt hervorragendsei. Verhaltene Kritik kommt allein vomGemeindebund, der bereits im Vorfeld derGesetzesfassung kritisch anmerkte, dassauf kleinere Gemeinden ein beträchtlicherMehraufwand zukomme, der diesen nichtabgegolten werde, da sie nicht verpflichtetseien, diesen Service anzubieten. Von denGebühren für einen neuen Sicherheitsreisepassbleibt nichts in der Gemeinde hängen,obwohl dort zusätzliche Kosten fürFingerabdruckscanner, moderne IT undArbeitszeit anfallen.In manchen Bundesländern wie inSalzburg wurden inzwischen Vereinbarungenmit dem Gemeindebund getroffen,die eine Abgeltung vorsehen. Allerdingssind dies begrüßenswerte Ausnahmen.Christoph Stark, Bürgermeister derGemeinde Gleisdorf, bietet etwa den Passserviceaus Überzeugung an, obwohl seineGemeinde dafür keine Abgeltung erhält.„Die Antragstellung ist mit einem nichtunerheblichen Mehraufwand verbunden.Ich betrachte das aber als Bürgerserviceersten Ranges“, sagt Stark.In Gesprächen betonen Vertreter vonGemeinden gerne, dass es sich um eine„typisch österreichische Lösung“ handle.Selbst sie wünschen sich aber eine für alleBeteiligten komfortablere Lösung. Die Mitarbeitervon kleinen Gemeinden beschäftigensich nur selten mit der Antragstellungfür Pässe, was es ihnen unmöglich macht,Erfahrung zu sammeln und Routine zubekommen.Alles ist gutEin weiterer Kritikpunkt, der vonSeiten der Biometrie-Experten kam, war,dass die Verarbeitung der so genanntenPapillarlinienabdrücke gerade der beidenZeigefinger aus fachlicher Sicht nichtunbedingt die beste Wahl sei. Dem standjedoch die in den USA bereits eingeführtePraxis entgegen. Es ist daher nicht auszuschließen,dass die nächste Passgenerationzusätzlich den unter Fachleutenals besonders sicher eingestuften Irisscanbeinhalten könnte.Die neue Vorschrift, dass Kinder vonnun an nicht mehr in den Reisepass ihrerEltern eingetragen werden können, wurdewegen der Mehrkosten für Familien kritisiert,erfüllt aber einen wichtigen Zweck.Kindesentführung und Kinderhandel sollensomit schwieriger werden. Eine imvergangenen Jahr publizierte Umfrage vonGfK fand allerdings heraus, dass 73 Prozentder Befragten damit einverstandensind, dass biometrische Daten im Passgespeichert werden, wenn es der Sicherheitdiene.Selbst die Kosten von rund 70 Eurosind trotz des höheren Aufwands gleichgeblieben. Der Bürger scheint also mitdem neuen Sicherheitsreisepass kein Problemzu haben. Um auch die Gemeindenvollends zufriedenzustellen, bedarf eswohl einer generellen Neuordnung derZuständigkeiten, die Teil einer umfassendenVerwaltungsreform sein sollte. Selbstdie Bürgermeister, die Details am Procederebemängeln, sind ingesamt nichtunzufrieden mit der guten Zusammenarbeitaller Beteiligten. Im Vergleich miteuropäischen Nachbarländern, wo zwischenAntragstellung und Übergabe desneuen Sicherheitsreisepasses auch malein paar Wochen vergehen, erhalten ihnösterreichische Staatsbürger recht rasch.Für 40 Euro extra gibt es den Expresspassinnerhalb von drei Werktagen. Ein Spitzenwert.Christoph Stark,Bürgermeister Gleisdorf„Das ist einBürgerserviceersten Ranges.“H i n t e r g r u n dSo läuft´s konkretFrau Österreicher lebt in Gleisdorf in der Steiermarkund benötigt einen neuen Reisepass, daihrer abgelaufen ist. Sie könnte sich mit ihremAnliegen an jede Bezirkshauptmannschaftwenden. Der Weg zur für sie zuständigen BHin Weiz dauert jedoch ca. 20 Minuten. Daherentscheidet sie sich für den Bürgerservice ihrerHeimatgemeinde. Hierher bringt Frau Österreicherihren abgelaufenen Pass, ein aktuelles,den neuen Bestimmungen entsprechendesPassfoto sowie den Nachweis für ihren kürzlicherworbenen akademischen Grad. Dennnur die von den bisherigen Angaben abweichendenInformationen müssen nachgewiesenwerden.Des Weiteren bestätigt sie mit ihrer Unterschrift,dass sie damit einverstanden ist, derGemeinde ihre Fingerabdrücke ausschließlichzum Zwecke der Antragstellung zu überlassen.Mit dem von der Gemeinde eigens angeschafftenScanner werden Frau Österreicher nun dieFingerabdrücke abgenommen. Der abgelaufenePass wird derweil entsorgt. Nun gilt esrasch zu arbeiten, denn das BMI versprichtden Bürgern ihren neuen Pass innerhalb vonfünf Werktagen. Dokumente und Angabenwerden geprüft und teilweise elektronischteilweise physisch an die eigentlich zuständigeBezirkshauptmannschaft in Weiz weitergeleitet.Diese prüft ein zweites Mal und leitetwieder alle notwendigen Informationen übereine sichere Datenleitung an das Innenministerium(BMI) und an die Staatsdruckerei weiter.Im BMI landen die sensiblen Daten in einemHochsicherheitsraum, wo sie für acht Wochengespeichert werden, um in der Lage zu sein,den Pass erneut auszustellen, falls dieser etwaauf dem Postweg verloren geht. Danach werdensie vernichtet. Die Staatsdruckerei schicktden fertigen Pass dann direkt per RSb-Schreibenan die von Frau Österreicher angegebeneBüroadresse, wo sie ihren neuen Pass fünf Tagenach Antragstellung in Empfang nehmen kann.Astrid BartlDezember 09 39