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90 Jahre Bund Naturschutz - Bund Naturschutz in Bayern eV

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KOMMENTAR<br />

Foto: SZ<br />

Dicke Bretter gebohrt<br />

Christian Schneider ist Redakteur der »Süddeutschen Zeitung«. Natur- und Umweltthemen bilden<br />

e<strong>in</strong>en Schwerpunkt se<strong>in</strong>er journalistischen Tätigkeit. Für »Natur+Umwelt« wirft er e<strong>in</strong>en kritischen<br />

Blick auf <strong>90</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Bund</strong> <strong>Naturschutz</strong>.<br />

Wer <strong>in</strong> Archive steigt und <strong>in</strong> alten Unterlagen blättert,<br />

kann dort zuweilen auf überraschende Aussagen<br />

stoßen. Zum Beispiel diese: »Viele Verantwortliche<br />

halten die Natur noch immer für e<strong>in</strong>en miserablen<br />

Verhau, so dass wir uns als Gegenbewegung, als Opposition<br />

zur Begradigung, Bere<strong>in</strong>igung und Entwässerung<br />

verstehen müssen. Viele Techniker sehen <strong>in</strong> der<br />

Erschließung noch immer die Ordnung und nicht den<br />

Kahlschlag, weil ihre Seelen so monoton geworden<br />

s<strong>in</strong>d wie die Kartoffelschläge und so e<strong>in</strong>fältig wie die<br />

neuen Autostraßen.«<br />

Das liest sich wie der Kommentar zur jüngsten<br />

Regierungserklärung von Umweltm<strong>in</strong>ister Werner<br />

Schnappauf. Tatsächlich aber stammt der Text aus dem<br />

Gründungsprogramm des <strong>Bund</strong>es <strong>Naturschutz</strong> (BN),<br />

wie es Carl Freiherr von Tubeuf 1913 verkündet hat.<br />

In den vergangenen <strong>90</strong> <strong>Jahre</strong>n sche<strong>in</strong>t sich <strong>in</strong> Sachen<br />

Umwelt- und <strong>Naturschutz</strong> also nicht viel bewegt zu<br />

haben. Was damals schon beklagt wurde, liegt heute<br />

immer noch im Argen. Der Schutz der Natur und der<br />

Umwelt – so lernen wir also – ist ähnlich wie das Bohren<br />

dicker Bretter. Das ist die nüchterne Bilanz zum <strong>90</strong>jährigen<br />

Geburtstag des BN. Da haben wir nun e<strong>in</strong>en<br />

Jubilar, der wacker gekämpft, aber auf den ersten Blick<br />

nicht viel bewegt hat. Schon vor Jahrzehnten wurde <strong>in</strong><br />

<strong>Bayern</strong> – hoch offiziell – e<strong>in</strong>e Trendumkehr beim Landverbrauch<br />

gefordert. Fakt ist, dass <strong>Bayern</strong> im <strong>Jahre</strong> 2003<br />

auf diesem Gebiet trauriger Spitzenreiter unter den<br />

alten <strong>Bund</strong>esländern ist. Täglich werden im Freistaat<br />

rund 28 Hektar Land überbaut und versiegelt. Von<br />

Trendumkehr ke<strong>in</strong>e Spur.<br />

Und weiter: Die Roten Listen bedrohter Arten werden<br />

immer länger, nicht kürzer. Mehr als die Hälfte der<br />

Waldfläche <strong>Bayern</strong>s ist geschädigt. H<strong>in</strong>zu kommen Klimaveränderungen<br />

und steigende Hochwassergefahr<br />

als Folge massenhaften Verkehrs, der immer noch weiter<br />

expandiert. Nur zögerlich wird Flüssen und Bächen<br />

wieder mehr Raum gegeben. Waren <strong>90</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Bund</strong><br />

<strong>Naturschutz</strong> <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> also für die Katz?<br />

Ganz bestimmt nicht. Natürlich hat es Misserfolge<br />

gegeben. Aber Naturschützer, so hat der ehemalige<br />

BN-Chef Hubert We<strong>in</strong>zierl e<strong>in</strong>mal gesagt, s<strong>in</strong>d »Triebtäter«.<br />

Weil das so ist, haben sie sich <strong>in</strong> all den <strong>90</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />

nicht entmutigen lassen. Sie haben hartnäckig immer<br />

wieder Sand <strong>in</strong>s Getriebe der Verwaltung geworfen und<br />

damit schlimme Planungen verh<strong>in</strong>dert.<br />

Ohne den BN und ohne den langen Atem der<br />

Umweltbewegung gäbe es heute vermutlich weder den<br />

Alpen-Nationalpark Königssee, mit dem vor rund 100<br />

<strong>Jahre</strong>n eigentlich alles angefangen hat, noch den<br />

28 Natur + Umwelt BN-Magaz<strong>in</strong> [2-03]<br />

Nationalpark Bayerischer Wald. Auch der weltberühmte<br />

– und mit e<strong>in</strong>em Europa-Diplom geadelte – Donaudurchbruch<br />

an der Weltenburger Enge wäre ohne die<br />

vehementen Proteste des BN <strong>in</strong> den fünfziger <strong>Jahre</strong>n<br />

e<strong>in</strong>em Wasserwerk zum Opfer gefallen.<br />

Schließlich wäre der Freistaat kaum das erste <strong>Bund</strong>esland<br />

gewesen, das 1970 e<strong>in</strong> Umweltm<strong>in</strong>isterium<br />

e<strong>in</strong>gerichtet hat, wenn nicht der <strong>Bund</strong> <strong>Naturschutz</strong><br />

immer wieder nachgebohrt hätte. Dass die Donau zwischen<br />

Straub<strong>in</strong>g und Vilshofen noch immer e<strong>in</strong> frei<br />

fließender Fluss ist, kann sich der BN ebenfalls auf<br />

se<strong>in</strong>e Fahnen schreiben, auch wenn e<strong>in</strong> letzter Rest an<br />

Angst geblieben ist.<br />

Heute kl<strong>in</strong>gt es nur noch wie e<strong>in</strong> schlechter Traum,<br />

dass der BN noch <strong>in</strong> den sechziger <strong>Jahre</strong>n zu se<strong>in</strong>en Sitzungen<br />

im bayerischen Innenm<strong>in</strong>isterium zusammenkam.<br />

20 <strong>Jahre</strong> später kaufte er Sperrgrundstücke, um<br />

besonders gefährdete Landschaftsteile dem Zugriff der<br />

Planer und Straßenbauer zu entziehen. Und dann profilierte<br />

sich der e<strong>in</strong>st ziemlich brave Honoratioren-Vere<strong>in</strong><br />

als Gegner von Atomstrom und atomarer Wiederaufarbeitungsanlage.<br />

Das alles ist am <strong>Bund</strong> <strong>Naturschutz</strong>, der heute aus<br />

guten Gründen darauf beharrt, überparteilich zu se<strong>in</strong>,<br />

nicht spurlos vorüber gegangen. Da hat es heiße Diskussionen<br />

im Vorstand gegeben, und so mancher BN-<br />

Veteran hat verärgert se<strong>in</strong> Mitgliedsbuch zurückgegeben,<br />

weil die Loyalität zur CSU größer war als die zur<br />

Natur. Und es hat auch so manche verbands<strong>in</strong>terne<br />

Kritik gegeben, weil der Kurs nicht immer geradl<strong>in</strong>ig<br />

war. Positionen zu überdenken und sie, wenn nötig,<br />

auch zu korrigieren, ist nicht das Schlechteste. Jedenfalls<br />

hat sich der BN engagiert <strong>in</strong> die öffentliche Diskussion<br />

e<strong>in</strong>gebracht. Das Entstehen e<strong>in</strong>es Umweltbewusstse<strong>in</strong>s<br />

ist vermutlich der größte gesellschaftspolitische<br />

Erfolg des BN.<br />

Mit der Weisheit und der Erfahrung e<strong>in</strong>es <strong>90</strong>-Jährigen<br />

kann der <strong>Bund</strong> <strong>Naturschutz</strong> heute festhalten, es<br />

gibt das »Sowohl« und das »Als auch«. Viel wurde<br />

erreicht, vieles aber ist auch noch unerledigt. Es geht<br />

nicht nur um die kle<strong>in</strong>e überschaubare Welt vor der<br />

Haustür, es geht auch um das Handeln des E<strong>in</strong>zelnen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er globalen, schwer überschaubar gewordenen<br />

Welt. Da kommt es nicht nur auf e<strong>in</strong>en langen Atem an,<br />

sondern auch, Verbündete zu f<strong>in</strong>den. Dies wird es se<strong>in</strong>,<br />

was die Naturschützer jetzt noch lernen und <strong>in</strong>tensivieren<br />

müssen: Das Gespräch mit anderen gesellschaftlichen<br />

Gruppen, mit der Wirtschaft, mit den<br />

Gewerkschaften, mit den Bauern. Nur wer Mehrheiten<br />

schafft, wird etwas bewegen können.

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