a) Man wählt zufällig eine Teilgesamtheit Ω j aus <strong>und</strong> bezieht alle ihreMitglieder in die Stichprobe ein. Eine solche Vorgehensweise istoffenbar formal identisch mit einer systematischen Zufallsauswahl.b) Man wählt zufällig mehrere Teilgesamtheiten aus <strong>und</strong> verwendet alleMitglieder der ausgewählten Teilgesamtheiten für die Stichprobe.Dies ist der formale Rahmen für sog. Clusterstichproben.c) Man wählt zufällig mehrere Teilgesamtheiten aus <strong>und</strong> bildet dann ausjeder Teilgesamtheit erneut eine Stichprobe. Dies ist eine Varianteeiner mehrstufigen Stichprobenbildung.d) Man wählt aus jeder Teilgesamtheit eine Stichprobe aus. Dies ist dieStandardform einer geschichteten Stichprobenziehung.Auch bei dieser Standardform gibt es noch unterschiedliche Varianten,da man für die Stichprobenbildung innerhalb der Teilgesamtheiten unterschiedlicheAuswahlverfahren verwenden kann. Wenn innerhalb jederTeilgesamtheit eine einfache Zufallsstichprobe gezogen wird, spricht manvon einer einfachen geschichteten Zufallsauswahl. 1715. Mehrstufige Auswahlverfahren. Auch bei mehrstufigen Auswahlverfahrenwird von einer Partition der Gr<strong>und</strong>gesamtheit in Teilgesamtheiten ausgegangen:Ω = Ω 1 ∪ · · · ∪ Ω M . Wenn die Umfänge der TeilgesamtheitenN j := |Ω j | groß sind, dagegen die Anzahl M nur vergleichsweise klein,erscheint ein geschichtetes Auswahlverfahren sinnvoll, bei dem aus allenTeilgesamtheiten Stichproben gebildet werden. Ist jedoch die Anzahl derTeilgesamtheiten groß, ist es oft sinnvoller, nur einen Teil von ihnen zufälligauszuwählen <strong>und</strong> für die Stichprobenbildung zu verwenden. Dann gibt eszwei Möglichkeiten. Man kann alle Mitglieder der ausgewählten Teilgesamtheitenin die Stichprobe einbeziehen; in diesem Fall spricht man vonClusterstichproben. Man kann aber auch aus den ausgewählten Teilgesamtheitenwiederum Teilstichproben bilden. Dies ist der einfachste Fall einesmehrstufigen Auswahlverfahrens.Genauer gesagt handelt es sich dann um ein zweistufiges Auswahlverfahren.In der ersten Stufe wird eine Stichprobe aus den primären AuswahleinheitenΩ 1 , . . . , Ω M gebildet; dann wird in einer zweiten Stufe aus17 An dieser Stelle kann auch auf sog. Quotenstichproben hingewiesen werden, denn dieGr<strong>und</strong>idee ist formal mit einer geschichteten Stichprobenziehung vergleichbar. Als Ausgangspunktdient also eine Partition Ω = Ω 1 ∪ · · · ∪ Ω M , durch die die intendierteGr<strong>und</strong>gesamtheit in Teilgesamtheiten (Schichten) zerlegt wird. Der Unterschied beziehtsich darauf, wie aus den Teilgesamtheiten jeweils Teilstichproben ausgewählt werden.Bei einer gewöhnlichen geschichteten Stichprobenziehung bemüht man sich, für jedeTeilgesamtheit einen Auswahlgenerator zu konzipieren, so dass für die Auswahl von TeilstichprobenS j ⊂ Ω j Wahrscheinlichkeiten berechenbar werden. Bei Quotenstichprobenwird dagegen zugelassen, dass die Teilstichproben mehr oder weniger ”willkürlich“ durchdie jeweils eingesetzten Interviewer zustande kommen können.70jeder in der ersten Stufe ausgewählten Teilgesamtheit erneut eine Teilstichprobegebildet. Man kann sich natürlich Auswahlverfahren vorstellen,bei denen es mehr als zwei Stufen gibt. Als Beispiel kann man an eineUmfrage unter Schülern denken: In der ersten Stufe werden B<strong>und</strong>esländerausgewählt, dann Schulbezirke, dann Schulen, dann Klassen <strong>und</strong> schließlichSchüler. Varianten mehrstufiger Auswahlverfahren entstehen jedochnicht nur durch die Anzahl der Stufen, sondern auch durch die in jederStufe verwendeten Auswahlgeneratoren.16. Auswahlverfahren bei Umfragen. Bisher sind wir davon ausgegangen,dass <strong>zur</strong> Konzeption von Auswahlverfahren eine effektive Repräsentationder Gr<strong>und</strong>gesamtheit (also eine Liste mit Namen <strong>und</strong> Adressen) <strong>zur</strong>Verfügung steht. Bei vielen, vielleicht sogar den meisten praktischen Anwendungenist das jedoch nicht der Fall. Dann muss man den jeweiligenGegebenheiten entsprechend versuchen, zufällige Auswahlverfahren zu simulieren.Wie man das machen kann, hängt in erster Linie davon ab, wasman bereits über die Elemente der Gr<strong>und</strong>gesamtheit weiß: wieviele es sind,wo sie sich aufhalten, ob <strong>und</strong> in welcher Weise sie sich im Raum bewegen,ob sie sich in leicht identifizierbare Schichten einteilen lassen, usw. Infolgedessensind die praktisch verwendeten Verfahren <strong>zur</strong> Stichprobenbildungjeweils spezifisch abhängig von der Art der Elemente der Gr<strong>und</strong>gesamtheit<strong>und</strong> der Art der jeweils angestrebten Informationen. 18In der empirischen Sozialforschung geht es überwiegend darum, Informationenüber <strong>und</strong> von Menschen zu gewinnen. Gr<strong>und</strong>gesamtheiten bestehendann aus Menschen, <strong>und</strong> die Datengewinnung ist darauf angewiesen,dass man mit den für eine Stichprobe ausgewählten Personen in Kontakttreten kann. Oft wird dann von Umfragen gesprochen, gelegentlich auchvon ”Umfrageforschung“.Das Wort ‘Umfragen’ kann in einem weiteren oder engeren Sinn verstandenwerden. In einem weiteren Sinn gehören dazu auch viele Erhebungsverfahrenfür sog. prozessproduzierte Daten. Als Beispiel kann manan die Beschäftigtenstatistik denken, die durch Meldungen der Unternehmenan die Träger der Sozialversicherung zustande kommt. Meistens wirddas Wort jedoch in einem engeren Sinn verwendet, <strong>und</strong> man versteht dannunter einer Umfrage, dass einzelne Personen nach Sachverhalten, die ihreLebenssituation betreffen, oder auch nach Meinungen, die sie vielleichthaben, befragt werden. Einer Umfrage in diesem engeren Sinn des Wortesliegt also zunächst immer eine konzeptionelle Gesamtheit Ω zugr<strong>und</strong>e,deren Mitglieder einzelne Menschen sind.Wie eine solche Gesamtheit sinnvoll abgegrenzt werden kann, hängtvon der jeweils verfolgten Fragestellung ab. Wichtig ist in jedem Fall eineUnterscheidung zwischen Personen, über die man Informationen gewinnenwill, <strong>und</strong> Personen, von denen man Informationen gewinnen will. Es ist18 Eine gute Darstellung zahlreicher in der Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialstatistik verwendeterVerfahren findet sich bei Krug, Nourney <strong>und</strong> Schmidt (1999).71
7273üblich, Gesamtheiten bei Umfragen von vornherein auf Personen einzuschränken,die z.B. mindestens 16 oder 18 Jahre alt sind. Zum Beispielkommen beim SOEP Personen nur dann als Befragungspersonen in Betracht,wenn sie mindestens 16 Jahre alt sind. Gerade das SOEP ist jedochein gutes Beispiel dafür, dass eine intendierte Personengesamtheit nichtnur aus Befragungspersonen bestehen muss. Denn einige Teile des SOEPbeschäftigen sich auch mit Kindern, über die Informationen aus einer Befragungihrer Eltern (oder anderer Bezugspersonen) gewonnen werden. Fürdie Konzeption von Auswahlverfahren für Stichproben bedeutet dies, dasssie sich auf die Gesamtheit derer beziehen muss, über die man Informationengewinnen will.Sei jetzt angenommen, dass man sich in einer einigermaßen geklärtenWeise auf eine konzeptionelle Personengesamtheit Ω beziehen kann. Zuüberlegen ist, wie Zufallsstichproben gebildet werden können. Bei dieserFormulierung sollte man allerdings einen Moment zögern. Denn Zufallsstichprobenmüssen durch Auswahlverfahren definiert werden, da sich alleBegriffsbildungen über Ziehungs- <strong>und</strong> Inklusionswahrscheinlichkeiten andie Idee eines Auswahlverfahrens, nicht jedoch an die Vorstellung einerjeweils spezifischen realisierten Stichprobe anschließen. Die Frage mussdeshalb folgendermaßen gestellt werden: Wie kann im Hinblick auf dieGesamtheit Ω ein Auswahlverfahren konzipiert werden, mit dem sich –zumindest als theoretische Fiktion – Stichproben so erzeugen lassen, dassihre Wahrscheinlichkeiten durch das Verfahren explizierbar werden? Durchdiese Formulierung wird auch deutlich, dass man ein zufälliges Auswahlverfahrennur dann konzipieren kann, wenn bzw. insoweit in irgendeiner Formbereits eine symbolische Repräsentation der Gesamtheit verfügbar ist oderbeschafft werden kann. Um die Bedeutung dieser Voraussetzung einzusehen,kann man z.B. an die Aufgabe denken, die Häufigkeit des Vorkommenseiner bestimmten Sorte von Fischen in einem Fischteich zu schätzen. Esist schwer vorstellbar, wie in diesem Fall ein zufälliges Auswahlverfahrenkonzipiert werden könnte.Somit richten sich die in erster Linie wichtigen Überlegungen darauf,wie man sich eine Repräsentation der Gesamtheit Ω verschaffen kann, ander die Konzeption eines Auswahlverfahrens anknüpfen kann. Für allgemeineBevölkerungsumfragen kommen hauptsächlich drei Möglichkeiten inBetracht.a) Verwendung von Registern der Einwohnermeldeämter.b) Verwendung von Adress- <strong>und</strong> Telefonbüchern.c) Verwendung von Informationen über die räumliche Lokalisation vonregelmäßigen Aufenthaltsorten.Alle drei Möglichkeiten haben Vor- <strong>und</strong> Nachteile, die einerseits die Durchführungskosten<strong>und</strong> andererseits die Frage betreffen, inwieweit die jeweilsverfügbare Repräsentation die intendierte Gesamtheit Ω abdeckt. Das Repräsentationsproblemist insbesondere bei der Verwendung von Telefonbüchern(oder via Computer verfügbaren Listen mit Telefonnummern)offenk<strong>und</strong>ig. Dabei geht es natürlich nicht um die Frage, ob <strong>und</strong> unterwelchen Umständen es sinnvoll sein kann, Interviews telefonisch durchzuführen,sondern darum, inwieweit sich Listen mit Telefonnummern <strong>zur</strong>Konzeption von Auswahlgeneratoren für Stichproben eignen. Register vonEinwohnermeldeämtern werden bei sozialwissenschaftlichen Umfragen seltenverwendet (noch weniger in der Markt- <strong>und</strong> Meinungsforschung), weilihre Verwendung vergleichsweise kostspielig <strong>und</strong> zeitintensiv ist. Am meistenverbreitet ist die dritte Möglichkeit, mit der wir uns im Folgendenbeschäftigen.17. Flächenstichproben. Folgt man der dritten der eben unterschiedenenMöglichkeiten, wird von Flächenstichproben gesprochen. Der Ansatz beruhtauf der Voraussetzung, dass es für die Mitglieder von Ω innerhalbvon Raumgebieten fixierbare Aufenthaltsorte (Wohnungen) gibt, so dassman versuchen kann, sie dort zu finden. Die Konzeption eines Auswahlverfahrenskann dann bei den Raumgebieten bzw. den in ihnen lokalisierbarenAufenthaltsorten (Wohnungen) ansetzen.Wie das im einzelnen gemacht werden kann, hängt davon ab, in welcherWeise eine symbolische Repräsentation <strong>zur</strong> Verfügung steht. Bei Bevölkerungsumfragenin Gesellschaften, in denen staatliche Verwaltung <strong>und</strong> Statistikschon längere Zeit erfolgreich zusammengearbeitet haben, kann davonausgegangen werden, dass es zumindest für Teilmengen der Aufenthaltsorte(Wohnungen) bereits eine effektive Repräsentation gibt, die mansymbolisch durch eine PartitionF = F 1 ∪ · · · ∪ F Mvergegenwärtigen kann. Hierbei bezieht sich das Symbol F entweder aufein Raumgebiet oder auf eine Menge von Aufenthaltsorten (Wohnungen)innerhalb eines Raumgebiets. Die Einteilung in Teilgebiete F j (bzw. Teilmengender Aufenthaltsorte) orientiert sich meistens an verwaltungstechnischenEinteilungen, z.B. werden Gemeinden oder Wahlbezirke oder nochtiefer untergliederte Einheiten verwendet; wir sprechen im folgenden vonAuswahlbezirken. Wichtig ist, dass es parallel <strong>zur</strong> Partitionierung von Fin Auswahlbezirke eine entsprechende PartitionierungΩ = Ω 1 ∪ · · · ∪ Ω Mgibt <strong>und</strong> dass man annehmen kann, dass sich die Mitglieder von Ω j oftoder regelmäßig in den innerhalb von F j lokalisierbaren Aufenthaltsortenbefinden <strong>und</strong> dort für Befragungen angetroffen werden können.Auswahlverfahren für Flächenstichproben beziehen sich also nicht unmittelbarauf Ω, sondern zunächst auf eine symbolische Repräsentation für