23.11.2012 Aufrufe

MF_Titel_BO_25 (3) - Mieterverein

MF_Titel_BO_25 (3) - Mieterverein

MF_Titel_BO_25 (3) - Mieterverein

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Bochum<br />

Skandale wirken teilweise lange nach. Einer der nachhaltigsten ist die<br />

Buderus-Affäre aus den späten 80er Jahren. Der damalige SPD-Ratsherr<br />

hatte allzu einträgliche Geschäfte mit städtischen Grundstücken<br />

gemacht. Damals setzte die Opposition im Rat den sogenannten<br />

„Transparenzbeschluss“ durch – Geschäfte mit städtischen Grundstücken<br />

durften nicht mehr unter der Hand laufen. Die Grundstücksrichtlinien<br />

gibt es immer noch, auch wenn sie zwischenzeitlich mehrfach geändert<br />

wurden. Jetzt geht erneut eine Änderung durch die Gremien des<br />

Stadtrates – und die birgt Nachteiliges für Mieter in sich.<br />

Kein Kündigungsschutz<br />

mehr für Mieter?<br />

20<br />

Herta und Peter Grau sind verzweifelt.<br />

Vor neun Jahre wurde ihre Wohnung<br />

verkauft. Natürlich hat man sie zuerst<br />

ihnen selbst angeboten. Wenn sie nicht<br />

zugriffen, so sagte die Wohnungsgesellschaft,<br />

würde sie andere Käufer suchen.<br />

Die Grau’s hatten viel Geld in ihre<br />

Wohnung gesteckt – Heizung, Fliesen,<br />

Fußböden, Deckenvertäfelung – die<br />

Gesellschaft hatte ja nie etwas gemacht.<br />

Über die Jahre waren da gut 50.000 DM<br />

zusammengekommen.<br />

Aus Angst, diese Investitionen zu verlieren,<br />

wenn ein anderer Käufer vielleicht<br />

Eigenbedarf hat, taten sie, was sie sich<br />

eigentlich gar nicht leisten konnten:<br />

Sie kauften. Damals gab es ja die Eigenheimzulage<br />

noch, und irgendwie<br />

bekamen sie’s gerechnet. Doch nach<br />

acht Jahren lief die Zulage aus, und<br />

nun reicht die Rente vorne und hinten<br />

nicht, Zinsen und Tilgung zu bezahlen.<br />

Ihre letzte Hoffnung ist, dass 2012,<br />

wenn ihr Hypotheken-Darlehen neu<br />

verzins wird, die Zinsen etwas niedriger<br />

sind als damals vor neun Jahren.<br />

Mieter wie die Grau’s in diesem fiktiven<br />

Beispiel gibt es viele. Helfen würde ihnen<br />

eine Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen.<br />

So etwas gibt es auch – aber<br />

nur nach Umwandlung von Miet- in<br />

Eigentumswohnungen, und auch nur<br />

noch für drei Jahre. Die längere, achtjährige<br />

Frist, die in NRW galt, hat die<br />

schwarzgelbe Regierung abgeschafft,<br />

und die neue rotgrüne, die fest versprochen<br />

hat, sie wieder einzuführen, ist<br />

noch nicht so weit. Lange Sperrfristen<br />

sorgen dafür, dass Selbstnutzungswillige<br />

als Kaufinteressenten für vermietete<br />

Wohnungen gar nicht erst auftreten.<br />

Besser geschützt sind – bisher – die<br />

Mieter der Stadt. Wenn die Häuser ver-<br />

kauft, müssen sie zuerst den Mietern<br />

angeboten werden. Will (oder kann)<br />

jemand nicht, werden Verwandte und<br />

Nachbarn gefragt. Wichtig dabei: Kauft<br />

ein Dritter, bekommen die Mieter zehn<br />

Jahre Schutz vor Eigenbedarfskündigungen.<br />

Sozialklausel<br />

Genau diese „Sozialklausel“ will die<br />

Stadtverwaltung jetzt ersatzlos streichen.<br />

Das geht aus der Verwaltungsvorlage<br />

Nummer 20111327 hervor, die ab<br />

dem 8. September beraten wird. Zuerst<br />

werden die Bezirksvertretungen gehört,<br />

danach der Ausschuss für Wirtschaft,<br />

Infrastruktur- und Stadtentwicklung,<br />

am 10. November dann der Haupt- und<br />

Finanzausschuss und am 24. November<br />

ist der Rat dran. Zur Begründung heißt<br />

es lapidar: „Für den Verkauf von städtischen<br />

Immobilien ist der gesetzliche<br />

Mieterschutz ausreichend.“<br />

Und wie sieht der aus? Für Mieter<br />

umgewandelter Wohnungen gibt es<br />

die erwähnte dreijährige Sperrfrist, die<br />

zur gesetzlichen Kündigungsfrist dazu<br />

kommt. Für alle anderen gibt es nur<br />

diese gesetzliche Kündigungsfrist: drei,<br />

sechs oder neun Monate, je nachdem,<br />

ob das Mietverhältnis unter fünf, unter<br />

acht oder über acht Jahre andauert. Und<br />

natürlich die Regelung, dass kein Vermieter<br />

einfach ohne Grund kündigen<br />

kann. Eigenbedarf muss also tatsächlich<br />

vorliegen.<br />

Allerdings ist noch offen, ob der Vorschlag<br />

der Verwaltung eine Mehrheit im<br />

Rat finden wird. Die Grünen waren die<br />

ersten, die Zweifel angemeldet haben.<br />

Und auch der <strong>Mieterverein</strong> wird energischen<br />

Widerstand leisten.<br />

Kommentar:<br />

Ein Unding<br />

Die Stadt Bochum hat immer noch eigene<br />

Wohnhäuser, auch wenn es nach Jahren<br />

der Verkaufsbemühungen nicht mehr viele<br />

sind. Den Rest will sie los werden, lieber<br />

heute als morgen. Doch das scheint nicht<br />

immer einfach zu sein. Der Verkauf läuft<br />

schleppend.<br />

Kein Wunder: Viele städtische Immobilien<br />

sind alt und in schlechtem Zustand. Für<br />

eine Sanierung fehlt der hochverschuldeten<br />

Stadt das Geld. Das lässt sich nicht ändern.<br />

Also weg damit, zur Not für kleine<br />

Münze.<br />

Doch es gibt noch andere Verkaufshemmnisse,<br />

die die Stadtverwaltung jetzt aufheben<br />

will. So will sie die „Wertgrenze“,<br />

unterhalb derer Verkäufe als „laufendes<br />

Geschäft der Verwaltung“ behandelt<br />

werden können, von 30.000 auf 100.000<br />

Euro anheben. Die Grenze war nach den<br />

Erfahrungen mit dem Buderus-Skandal<br />

bewusst niedrig gezogen worden.<br />

Künftig will die Verwaltung auch die „Lex<br />

Buderus“ streichen, dass immer dann,<br />

wenn ein Mitglied des Rates als Kaufinteressent<br />

in Erscheinung tritt, alle mit diesem<br />

in den letzten zehn Jahren geschlossenen<br />

Verträge offen gelegt werden müssen.<br />

Vielleicht kann man – 20 Jahre nach dem<br />

Buderus-Skandal – solche alten Zöpfe ja<br />

wirklich wieder abschneiden. Mietern kann<br />

das eh egal sein. Nicht egal ist für sie die<br />

Streichung der zehnjährigen Kündigungssperrfrist.<br />

Bisher gilt sie immer dann, wenn<br />

ein „von mehreren Mietparteien bewohntes<br />

Objekt gegen Höchstgebot an Dritte oder an<br />

einen der Mieter“ verkauft werden soll.<br />

Nicht immer wohnen Nachbarn friedlich<br />

unter einem Dach zusammen. Und wenn<br />

ausgerechnet der, mit dem man noch nie so<br />

gut konnte oder sogar offenen Streit hatte,<br />

plötzlich der neue Vermieter ist, war es<br />

immer gut zu wissen, dass der wenigstens<br />

nicht sofort für seine Tochter Eigenbedarf<br />

anmelden kann. Aber auch Käufer von<br />

außen wollen oft selbst in die Wohnung<br />

– für Mieter immer eine Angst auslösende<br />

Situation.<br />

In Zeiten, wo selbst Heuschrecken<br />

sich auf Sozialklauseln einlassen,<br />

wenn sie Wohnungen kaufen<br />

oder verkaufen, will ausgerechnet<br />

die Stadt Bochum ihre Mieter<br />

im Regen stehen lassen? Ein Unding!<br />

aha

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!