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10 - Das Magazin für Kunst, Architektur und Design

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SCHWERPUNKT SAMMLER UND SAMMLUNGEN<br />

20<br />

LESEN!<br />

Der Sammler<br />

als Souverän<br />

Über die Macht zeitgenössicher Sammlungen<br />

VON WALTER GRASSKAMP<br />

(...)<br />

<strong>und</strong> was nennt sich heute<br />

nicht alles <strong>Kunst</strong>sammler!<br />

Hergelaufene Messetouristen; gut verkleidete<br />

Speku- lanten mittelfristiger Gewinne; kultivierte<br />

Schwarzgeldjongleure; kuratorisch<br />

ferngesteuerte Krisengewinnler; gesellschaftlich<br />

ambitionierte Fabrikanten weniger ambitionierter<br />

Produkte; forsche Verschwender dubioser<br />

Vermögen; gut betuchte Zaungäste, die<br />

auch mal was sagen wollen, oder Unternehmer,<br />

die sich die Gesellschaft von Künstlern erkaufen<br />

<strong>und</strong> <strong>für</strong> Fre<strong>und</strong>schaft halten. In der Hektik des<br />

Messegeschäfts wird der <strong>Kunst</strong>kauf, der einmal<br />

als leidenschaftliche Option geistiger Innendekoration<br />

gelten durfte, zur Konsumanekdote,<br />

mit dem man in seiner Peergroup umso mehr<br />

renommieren kann, als da<strong>für</strong> eine Medienaufmerksamkeit<br />

sicher ist, die hier nach neuen<br />

Formen der Prominenz stochert. Sammlereinkäufe<br />

nehmen sich inzwischen wie Wetten<br />

aus, die aufdie weitere Marktentwicklung ihrer<br />

Favoriten abgeschlossen werden, womit ihnen<br />

auch die Dynamik der self-fulfi lling prophecy<br />

anhaftet. <strong>Kunst</strong>sammeln kann daher geradezu<br />

als Inbegriff des Insidergeschäfts gelten, aber<br />

paradoxerweise als eines, das Öffentlichkeit<br />

sucht, dort jedoch keine Sanktionen zu erwar-<br />

ten hat, denn der Markt profi tiert immer noch<br />

vom unverdient hohen moralischen Ansehen<br />

der <strong>Kunst</strong>. Anders als im Bankengewerbe <strong>und</strong><br />

der Industrie, wo Insiderkenntnisse, wenn es<br />

strafl os bleiben soll, bei eigenen <strong>und</strong> fremden<br />

Aktien nur sehr diskret verwertet werden können,<br />

wäre der Markt <strong>für</strong> zeitgenössische <strong>Kunst</strong><br />

ohne seine offenen Spielräume des Insiderhandels<br />

wohl längst zusammengebrochen. Auch<br />

nach über dreißig Jahren der Beschäftigung mit<br />

diesem Thema fi nde ich es immer noch diffi zil,<br />

diese Tätigkeit zu charakterisieren. Schon eine<br />

Defi nition ist im Deutschen ja schwierig, ohne<br />

tautologisch zu klingen, weswegen mir die Bestimmung<br />

dieser Tätigkeit als ein zeremonieller<br />

Umgang mit Dingen brauchbar scheint. Nun<br />

gehören <strong>Kunst</strong>werke freilich zu den Objekten,<br />

die von vornherein <strong>für</strong> diese Zeremonie hergestellt<br />

werden – auch hier müsste ein Defi nitionsversuch<br />

in eine Tautologie führen. Also,<br />

was macht ein <strong>Kunst</strong>sammler eigentlich? Ein<br />

<strong>Kunst</strong>sammler kauft sich Bedeutung, <strong>und</strong> das<br />

in einem vierfachen Sinn. Zum Ersten kauft er<br />

Werke, die etwas bedeuten, <strong>und</strong> zwar im Sinne<br />

der Semantik, weil sie nämlich Zeichen <strong>und</strong><br />

Lebensspuren aufweisen, die auf Deutung hin<br />

angelegt sind, aber meist nicht in einem end-<br />

gültigen Sinne interpretiert werden können.<br />

Dadurch gewinnen sie – zweitens – eine besondere<br />

kulturelle Bedeutung, weil sie genau durch<br />

diese Offenheit als <strong>Kunst</strong>werke gelten <strong>und</strong> sich<br />

allein damit schon in ihrem Zugriffspotenzial<br />

von allen anderen Konsumgütern unterscheiden.<br />

Diese zweifache kulturelle Bedeutung der<br />

<strong>Kunst</strong>werke strahlt auch auf ihre Besitzer ab<br />

<strong>und</strong> gibt ihnen – drittens – eine hohe soziale<br />

Bedeutung. Die kann sehr schmeichelhaft sein<br />

<strong>und</strong> manchen Sammler in eine spezielle Falle<br />

der Eitelkeit locken, die <strong>Kunst</strong>händler <strong>und</strong><br />

Künstler schon lange <strong>für</strong> ihn aufgestellt haben,<br />

bevor er es überhaupt ahnt. Diese aparte Lebendfalle<br />

– <strong>und</strong> manchmal auch Lebensfalle<br />

– schnappt schmerzlos zu, ja, man spürt es<br />

kaum, aber sie funktioniert prächtig, wenn ein<br />

Sammler anschließend fast alles kauft, das ihn<br />

glauben macht, es würde seine Bedeutung erhöhen.<br />

Entgeht ein Sammler dieser Falle <strong>und</strong><br />

kann mit der persönlichen Kompetenz, Unkonventionalität<br />

<strong>und</strong> Leidenschaft aufwarten, die<br />

den großen <strong>Kunst</strong>sammler auszeichnen, dann<br />

hat er die Chance eine vierte, nämlich eine kulturhistorische<br />

Bedeutung zu gewinnen. Man<br />

muss hier von »gewinnen« sprechen, denn<br />

diese Bedeutung hat den Vorzug, dass man

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