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OE 4 2007 van Dijk - Plansprachen.ch

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154 Ziko <strong>van</strong> <strong>Dijk</strong><br />

wie s<strong>ch</strong>arf die Esperantisten als Feind des Nationalsozialismus gesehen wurden.<br />

Na<strong>ch</strong>dem s<strong>ch</strong>on Hitler in „Mein Kampf“ das Esperanto als Instrument des herrs<strong>ch</strong>sü<strong>ch</strong>tigen<br />

Judentums identifiziert hatte, wurde dem „polnis<strong>ch</strong>en Juden“ und Zionisten<br />

Zamenhof vorgeworfen, ein Friedensrei<strong>ch</strong> unter jüdis<strong>ch</strong>er Führung na<strong>ch</strong> Jesaja 2, 2–4<br />

angestrebt zu haben. Dur<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong>e Lektüre für alle Völker und internationale Freizügigkeit<br />

habe ein allgemeiner Völkerbrei entstehen sollen. Die Leitung fast aller Esperanto-Organisationen<br />

habe in den Händen von Juden und Freimaurern gelegen. 40<br />

Die Verbände der Arbeiter-Esperantisten waren s<strong>ch</strong>on 1933 verboten worden, und<br />

na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>ikanen wurde der Deuts<strong>ch</strong>e Esperanto-Bund 1936 aufgelöst, obwohl dieser<br />

si<strong>ch</strong> um Anpassung bemüht und sogar den „Arierparagraphen“ eingeführt hatte. 41 Eine<br />

gezielt gegen Esperantisten geri<strong>ch</strong>tete Verhaftungswelle gab es jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Wie in<br />

der Sowjetunion war die Esperanto-Aktivität hö<strong>ch</strong>stens ein zusätzli<strong>ch</strong>er Faktor, der<br />

zur Verfolgung führte.<br />

Na<strong>ch</strong> 1945 erwa<strong>ch</strong>te die Esperanto-Bewegung na<strong>ch</strong> der nationalsozialistis<strong>ch</strong>en Besatzung.<br />

In Ostmitteleuropa dauerte der Frühling nur kurz: Trotz Anpassung an die<br />

kommunistis<strong>ch</strong>en Regime wurden die Esperanto-Verbände in Polen, Ungarn, Bulgarien<br />

und in der Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>oslowakei bereits seit 1949 unterdrückt. In dieser Zeit des<br />

„Großen S<strong>ch</strong>weigens“ war das <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Propagandaorgan El Popola Ĉinio kurzfristig<br />

die einzige Esperanto-Zeits<strong>ch</strong>rift, die in Osteuropa bezogen werden konnte. 42<br />

Erst na<strong>ch</strong> Stalins Tod 1953 änderte si<strong>ch</strong> die Situation. In den einzelnen Ländern dauerte<br />

es no<strong>ch</strong> lange, ehe die Verbände ihre alte Position und Stärke wiedererlangten.<br />

Am liberalsten zeigte si<strong>ch</strong> die Volksrepublik Polen, in der 1959 der erste Esperanto-<br />

Weltkongreß in einem sozialistis<strong>ch</strong>en Land stattfand. In der Sowjetunion dauerte es<br />

bis 1979, ehe ein Verband gegründet wurde.<br />

Es ist mitunter s<strong>ch</strong>wierig, Wiederzulassungen und S<strong>ch</strong>ikanen an die große Politik zu<br />

koppeln. In der ČSSR wurden 1969 ein ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er und ein slowakis<strong>ch</strong>er Verband<br />

wiedergegründet. Der Zusammenhang mit dem Prager Frühling könnte allenfalls darin<br />

gesehen werden, daß das Regime si<strong>ch</strong> um ein positives E<strong>ch</strong>o im In- und Ausland<br />

bemühte. In der Sowjetunion bedurfte es der Glasnost’ unter Gorbačev, ehe die sowjetis<strong>ch</strong>en<br />

Esperantisten 1989 die Erlaubnis erhielten, dem Weltbund beizutreten.<br />

Allerdings war bereits 1984, also no<strong>ch</strong> vor Gorbačev, der Beitritt geplant gewesen.<br />

Der entspre<strong>ch</strong>ende Aufpasser im Verband der Sowjetis<strong>ch</strong>en Esperantisten nahm eine<br />

Rezension in der Weltbund-Zeits<strong>ch</strong>rift zum Vorwand, den Beitritt zu verhindern; Ulri<strong>ch</strong><br />

Lins hatte darin die Erinnerungen des kroatis<strong>ch</strong>en Kommunisten und Gulag-<br />

Häftlings Karlo Štajner positiv bespro<strong>ch</strong>en. Der litauis<strong>ch</strong>e Esperantist Povilas Jegorovas<br />

vermutet, den sowjetis<strong>ch</strong>en Esperantisten habe ein Fürspre<strong>ch</strong>er in der Parteispitze<br />

gefehlt, Stereotypen aus der Stalinzeit hätten na<strong>ch</strong>gewirkt. Überhaupt sei eine „von<br />

unten“ entstandene Bewegung an si<strong>ch</strong> verdä<strong>ch</strong>tig gewesen. 43<br />

Bulgarien, Ungarn, Polen und mit Abstand die Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>oslowakei galten in der Folge<br />

als die klassis<strong>ch</strong>en Esperanto-Länder Ostmitteleuropas, deren Esperanto-Verbände<br />

staatli<strong>ch</strong> besoldete Angestellte hatten und die beeindruckende Mitgliederzahlen vor-<br />

——————<br />

40 Lins, Spra<strong>ch</strong>e [Fn. 16], S. 114–116.<br />

41 Sikosek, Spra<strong>ch</strong>e [Fn. 17], S. 204–206.<br />

42 Lins, Spra<strong>ch</strong>e [Fn. 16], S. 239.<br />

43 Do<strong>ch</strong> all dies müßte dur<strong>ch</strong> Ar<strong>ch</strong>ivstudien vor Ort verifiziert werden; Sikosek, Spra<strong>ch</strong>e<br />

[Fn. 17], S. 369–371.

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