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OE 4 2007 van Dijk - Plansprachen.ch

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150 Ziko <strong>van</strong> <strong>Dijk</strong><br />

bahnhof erfahren, daß er mittlerweile ein feindli<strong>ch</strong>er Ausländer war. In zwei mühsamen<br />

Wo<strong>ch</strong>en gelang es ihm, über das neutrale Skandinavien wieder na<strong>ch</strong> Hause zu<br />

kommen. Bestürzt über die Barbarei des Krieges, die für ihn persönli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ein<br />

S<strong>ch</strong>eitern seines Friedensprojekts bedeutete, zog er si<strong>ch</strong> zurück und widmete si<strong>ch</strong> der<br />

Übersetzung des Alten Testaments ins Esperanto. 1915 ers<strong>ch</strong>ien sein letzter größerer<br />

„politis<strong>ch</strong>er“ Text, ein Aufruf an die Diplomaten, na<strong>ch</strong> dem Kriege an die Re<strong>ch</strong>te der<br />

nationalen Minderheiten zu denken, und glei<strong>ch</strong>zeitig ein Plädoyer für die Vereinigten<br />

Staaten von Europa. 22 Am 14. April 1917 verstarb Zamenhof, der <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>e Herz-<br />

und Atembes<strong>ch</strong>werden hatte, 56jährig an einem Herzinfarkt. 23<br />

Die „Mens<strong>ch</strong>heitslehre“<br />

Zamenhof s<strong>ch</strong>loß si<strong>ch</strong> nie einer politis<strong>ch</strong>en Partei an, denno<strong>ch</strong> da<strong>ch</strong>te er dur<strong>ch</strong>aus<br />

politis<strong>ch</strong>. Aufs<strong>ch</strong>lußrei<strong>ch</strong> ist das Memorandum „Völker und Internationale Spra<strong>ch</strong>e“,<br />

das er für den First Universal Races Congress in London 1911 verfaßte 24 und in dem<br />

er na<strong>ch</strong> der hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en oder gar einzigen Ursa<strong>ch</strong>e des Hasses zwis<strong>ch</strong>en den Völkern<br />

su<strong>ch</strong>t.<br />

An eine politis<strong>ch</strong>e Ursa<strong>ch</strong>e, genauer einen Wettlauf zwis<strong>ch</strong>en den Staaten, glaubte er<br />

ni<strong>ch</strong>t, denn die Deuts<strong>ch</strong>en in vers<strong>ch</strong>iedenen Rei<strong>ch</strong>en hätten Sympathie füreinander,<br />

während beispielsweise Deuts<strong>ch</strong>e und Slawen in ein und demselben Rei<strong>ch</strong> einander<br />

do<strong>ch</strong> als Fremde betra<strong>ch</strong>teten. Au<strong>ch</strong> die Wirts<strong>ch</strong>aft s<strong>ch</strong>loß er aus, da dann au<strong>ch</strong> die<br />

Provinzen eines Staates einander hassen müßten. Bei den körperli<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>ieden<br />

kommt er auf die Rassenfrage zu spre<strong>ch</strong>en. Ginge es tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> um körperli<strong>ch</strong>e Unters<strong>ch</strong>iede,<br />

dann müßten, so Zamenhof, do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> große oder kleine Mens<strong>ch</strong>en diskriminiert<br />

werden. Allein gegen die s<strong>ch</strong>warze Rasse gebe es eine s<strong>ch</strong>einbar natürli<strong>ch</strong>e<br />

Abneigung. Aber die Antipathie habe ni<strong>ch</strong>ts mit körperli<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>ieden zu tun.<br />

Vielmehr seien die S<strong>ch</strong>warzen vor kurzem no<strong>ch</strong> Wilde und später Sklaven gewesen<br />

und wiesen entspre<strong>ch</strong>ende Züge no<strong>ch</strong> immer auf. Das stoße „uns, freie und seit langem<br />

zivilisierte Mens<strong>ch</strong>en instinktiv ab“; das aber werde in Zukunft vers<strong>ch</strong>winden,<br />

und wenn die S<strong>ch</strong>warzen erst einmal kultiviert seien, kämen aus ihrer Mitte viele hervorragende<br />

Mens<strong>ch</strong>en. 25<br />

An anderer Stelle nennt Zamenhof au<strong>ch</strong> die Abstammung als mögli<strong>ch</strong>en Grund für<br />

den Völkerhaß. Dieser Grund leu<strong>ch</strong>te zunä<strong>ch</strong>st ein, denn man liebe „sein Blut“. Do<strong>ch</strong><br />

wegen der langen Vermis<strong>ch</strong>ung der Völker wisse man gar ni<strong>ch</strong>t genau, wel<strong>ch</strong>e Vorfahren<br />

man hat; eine Ausnahme bildeten seiner Meinung na<strong>ch</strong> viellei<strong>ch</strong>t indis<strong>ch</strong>e Kasten<br />

oder man<strong>ch</strong>e Hebräer wie die Leviten und Kohanim. Alles Gerede über Abstammung<br />

und Bluterbe sei jedo<strong>ch</strong> nur ein Vorwand, Völkerhaß werde ni<strong>ch</strong>t empfunden<br />

wegen vermuteter Vorfahren, sondern aufgrund der Fremdheit dur<strong>ch</strong> Spra<strong>ch</strong>e und<br />

Religion. 26<br />

——————<br />

22 L.L. Zamenhof: Post la Granda Milito, in: The British Esperantist, 3/1915, S. 51–55.<br />

23 Zur Biographie: Marjorie Boulton: Zamenhof. Creator of Esperanto. London 1960.<br />

24 Zitiert na<strong>ch</strong> Dietterle, Zamenhof [Fn. 11], S. 345–353.<br />

25 Dietterle, Zamenhof [Fn. 11], S. 346–348.<br />

26 Ebd., S. 348–349.

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