24.11.2012 Aufrufe

Max Dauthendey Himalajafinsternis und andere asiatische Novellen

Max Dauthendey Himalajafinsternis und andere asiatische Novellen

Max Dauthendey Himalajafinsternis und andere asiatische Novellen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Gehüpf der Morgenwellen. Viele Köpfe von Reisenden biegen<br />

sich über die weißgestrichenen Eisengeländer der Schiffsstockwerke.<br />

Drunten reiten nackte, arme braune Singhalesen<br />

auf langen gelben Holzbalken in der Flut um das Schiff – Statt<br />

eines Ruders hat jeder Wasserreiter einen Kistendeckel oder<br />

ein Brett in der Hand. Manchmal wirft ein Passagier eine kleine<br />

Silbermünze über Bord. Dann schlüpfen alle die nackten<br />

jungen Kerle wie glatte Seeh<strong>und</strong>e von ihren schwimmenden<br />

Balken <strong>und</strong> fahren in das durchsichtige, gläserne Meer hinunter,<br />

wie auf einer grün angestrichenen Rutschbahn in die Tiefe.<br />

Drunten werden ihre Gliedmaßen gespenstisch wie Froschglieder,<br />

scheinen sich aufzulösen <strong>und</strong> verschwinden. Nach<br />

einer Weile erscheinen sie im Flaschengrün der Tiefe wieder,<br />

zappelnd <strong>und</strong> wie braunrote Schatten. Schwarzglänzende,<br />

triefende Köpfe tauchen aus dem Wasser, <strong>und</strong> einer zeigt das<br />

silberne Geldstück lachend zwischen seinen Zähnen.<br />

Dann schwingt sich jeder auf seinen Baumstamm, <strong>und</strong> alle<br />

reiten wieder um die Schiffswand. Mit viel Geschrei winken<br />

sie hinauf <strong>und</strong> ermuntern die Passagiere des abfahrenden Orientdampfers;<br />

<strong>und</strong> sobald ein Geldstück aufs Wasser klatscht,<br />

verschwinden wieder alle Balkenreiter lautlos im Meer. Bis<br />

zur Abfahrt des Dampfers vertreiben sich so die Reisenden die<br />

Zeit mit Geldwerfen.<br />

Bulram ist seit Monaten hier jeden Morgen auf einem Balkenstamm<br />

um die ausländischen Dampfer geschwommen. Er holt<br />

sich durch gewandtes Tauchen sein Geld aus dem Meer, das<br />

eilig verdiente Geld, das er nachts ebenso eilig in Spielhöllen<br />

bei braunen Dirnen <strong>und</strong> Reisbranntwein wieder ausgibt. Seitdem<br />

Bulram die Zimmetluft von Colombo riecht, ist in ihm<br />

der Gedanke an seine Berge, an Talora <strong>und</strong> an den Edengarten<br />

auf den Bergen tiefer versunken als je ein Geldstück im Meer.<br />

Er lebt in Colombo wie eine Fliege, die sich auf dem Zucker

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!