24.11.2012 Aufrufe

Max Dauthendey Himalajafinsternis und andere asiatische Novellen

Max Dauthendey Himalajafinsternis und andere asiatische Novellen

Max Dauthendey Himalajafinsternis und andere asiatische Novellen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

warm wie der Dunst einer Garküche entgegen. Te-Po verstand,<br />

daß wahrscheinlich sein Fre<strong>und</strong>, der Mandarin, diese üppigen<br />

Opferspeisen in der unbewußten Vorahnung des Todes gestiftet<br />

hatte. Der Gartenraum glitzerte maigrün im blauen Nachmittag.<br />

Nicht höher als mannshoch über den Teichen stehen<br />

die roten Balustraden der hölzernen Lusthäuser. Durch das<br />

Gewirr der künstlich ausgesägten <strong>und</strong> ausgehöhlten Felsen<br />

führen winzige Steinstufen hinauf. Der ganze Hof aus Steingebirgen<br />

hat kaum einige fünfzig Schritte im Umfang. Aber<br />

die Lusthäuser auf den Anhöhen verstellen mit ihren Giebeln<br />

die hohe Umrahmungsmauer des Hofes so geschickt, daß<br />

man sich in einem meilenweiten Felsenchaos glaubt. Manchmal<br />

schiebt sich eine Mauer mit gipsernem <strong>und</strong> rotbemaltem<br />

Drachenkopf herein in die Wirrnis, <strong>und</strong> die Teiche liegen wie<br />

schwarze Abgründe eng gezwängt vor den kulissenartigen<br />

Gebirgen; im pechschwarzen Wasser glänzen die goldenen<br />

Dachrinnen, die roten Balustraden, grüne Maiblätter <strong>und</strong><br />

hohe Schilfstände. Der Mandarin Lei-Futsche empfing seinen<br />

Fre<strong>und</strong> im Pavillon gegenüber der Halle des Hausaltars. Obgleich<br />

beide langjährige Fre<strong>und</strong>e waren, verbeugten sie sich<br />

eine lange Weile nach chinesischer Sitte, als ob sie sich eben<br />

erst kennengelernt hätten. Sie lächelten fortwährend, ohne<br />

daß der eine dem andern seine Sorgen verriet, <strong>und</strong> sagten<br />

einander schöne Sätze, Anfänge von Gedichten <strong>und</strong> wohlwollende<br />

Sprüche.<br />

»Ist die blaue Luft nicht die Wohltat des Himmels an die<br />

Erde!« wisperte der Mandarin <strong>und</strong> zog die vielen Ö-Laute<br />

der chinesischen Sprache singend hinaus. Sein Fre<strong>und</strong> Te-Po<br />

antwortete ihm ebenso: »Und ist die Luft nicht das Reich der<br />

Singvögel, der Drachen <strong>und</strong> Gedanken! Mögen die Singvögel<br />

heute alle Drachen aus der Luft verbannen <strong>und</strong> mit deinen<br />

Gedanken um die Wette singen!« Der Mandarin komplimen-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!