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Max Dauthendey Himalajafinsternis und andere asiatische Novellen

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Acht Sänftenträger, Soldaten, Trommler, Ausrufer rannten<br />

mit ihm in langem Zug durch die winkeligen Shanghaistraßen.<br />

Sie kamen zuletzt durch die Budenreihe der Bilderstraße,<br />

wo die Straßenmaler hinter den weißen Reisbildern saßen;<br />

Bilder füllten, wie weiße lange Fahnen, von der Decke bis zur<br />

Erde, jede der Buden. Und Te-Po dachte bei sich: Das Leben<br />

auf dieser Welt ist wie eine Bilderbude. Jeder hängt in sein<br />

Herz eine Reihe Erinnerungsbilder auf, wie die Straßenmaler<br />

tun, <strong>und</strong> die Bilder baumeln vor den Augen wie die Reispapierblätter<br />

im Wind, bis wir die Augen für immer schließen. Nicht<br />

einmal ein paar Bilder kann man in den Tod mitnehmen, auch<br />

die Bilder bleiben zurück, wenn der Maler stirbt.<br />

Vor dem schmalen Gasseneingang an der Mauer des Mandarinenklubs<br />

in einem der engsten Shanghaiwinkel hielt die<br />

Sänfte. Im Mandarinenklub geben sich die Aristokraten der<br />

Stadt ihre gegenseitigen Einladungen. Der Klub besteht aus<br />

einem Gartenhof voll künstlicher Felsen; offene <strong>und</strong> geschlossene<br />

Lusthäuser aus rotem lackierten Holz stehen auf den<br />

kleinen künstlichen Gebirgen, zwischen Pflanzen <strong>und</strong> künstlichen<br />

Teichspiegeln. Die geschweiften, grauen Ziegeldächer<br />

der Häuser füllen in der sorgsam ausstudierten Wirrnis des<br />

engen Gartenraumes wie Riesenkähne den Himmel. Te-Po,<br />

geleitet von den sich bückenden Dienern, trat durch die unscheinbare<br />

Straßentüre ein. Zur linken Hand befindet sich die<br />

offene Halle des Hausaltars; vergoldete Holzwände umschließen<br />

von drei Seiten ein mächtiges goldenes Buddhabild. Die<br />

vierte Seite ist nach dem Hofraum offen. Ein langer Tisch voll<br />

Opferspeisen, wie ein Bahnhofbüfett, steht dort immer zur<br />

Schau, umgeben von einer Reihe brennender Kerzen. Te-Po<br />

bemerkte, daß der Opfertisch heute besonders reich mit gebratenen<br />

Ferkeln, gebräunten <strong>und</strong> dampfenden Gänsen <strong>und</strong><br />

Hühnern angefüllt war. Der Fettgeruch vom Altar schlug ihm

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