(Gemeindegebiet Vils bei Reutte) mit Reh-, Rot - Tiroler Jägerverband
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Wände räumen den Menschen kaum<br />
Spielwiesen ein.<br />
Die absolute Herrschaft des Fels wird<br />
unverfälscht sichtbar. Und dort, über<br />
der Waldzone, findet das Gamswild<br />
seinen typischen Lebensraum. Wovon<br />
lebt dieses Wild eigentlich? Ich<br />
wußte es ja seit der Jagd in Lofer.<br />
Aber das Staunen darüber überkam<br />
mich erneut. Josef K. lachte dazu und<br />
zitierte einen alten <strong>Tiroler</strong> Spruch:<br />
„Dös Floasch (Fleisch) vom Boa<br />
(Bein), dös Graserl vom Stoa (Stein)<br />
und dös Maderl vom Roa (Rain) sind<br />
die besten drei Dinge der Welt für<br />
den Jager, seinen Hund und die<br />
Gams!“<br />
„Es heißt, der Karwendel-Gams sei<br />
etwas Besonderes. Das Karwendel soll<br />
<strong>mit</strong> eines der besten Gamsreviere<br />
Österreichs sein.”<br />
„Ja, wahrscheinlich. Das Karwendel<br />
ist ein Kalkgebirge, und allgemein<br />
sagt man, die Gams dort stärker sind<br />
als jene auf Urgestein.”<br />
„Stören die Gleitschirmflieger das<br />
Gamswild bereits spürbar?” erkundigte<br />
ich mich weiter.<br />
„Gottlob gibt es sie noch nicht überall.<br />
Wo sie aber auftreten, kann man<br />
ihren Einfluß auf das Wild nicht bestreiten.<br />
Die Almweiden leeren sich.<br />
Die Gams stellen sich mehr und mehr<br />
in den Fels ein, bevorzugen allerdings<br />
dort, wo möglich, den Wald als<br />
Schutzgebiet. Mir sind Schweizer<br />
Studien am Augstmatthorn bekannt,<br />
die zeigen, daß Gams sich <strong>mit</strong> ihren<br />
Kitzen bis zu 4 Stunden in kleinen<br />
Waldparzellen vor den Gleitern versteckten.<br />
Man muß sich das einmal<br />
plastisch vorstellen. Dort, wo sich bis<br />
zu 100 Stück Wild auf wenigen Hektar<br />
Waldfläche am Berg zusammendrängen,<br />
kann man das nur als massive<br />
Störung bezeichnen. Das Wild hat<br />
Angst, und Angst kostet auch Körpergewicht.<br />
Es kann seine Äsungsgebiete<br />
nicht wie sonst nutzen. Ohne Zweifel<br />
brauchen wir mehr Ordnung. Unsere<br />
allgemeine Freizeitgestaltung muß<br />
vernünftiger als bisher auf die Natur<br />
abgestimmt werden.<br />
Bewußt neugierig fragte ich endlich<br />
auch hier: „Wie lange werden wir auf<br />
den Gamsbock jagen?”<br />
„Bei uns normalerweise einen Tag. Es<br />
müßte <strong>mit</strong> dem Teufel zugehen, wenn<br />
es <strong>bei</strong> Ihnen nicht klappen sollte.”<br />
Da wurde sie wieder genannt, die unglaublich<br />
kurze Zeitspanne, in der<br />
man <strong>bei</strong>m Gamswild Weidmannsheil<br />
haben kann, wenn die Rahmenbedingungen<br />
stimmen. Gams sind Tagwild.<br />
Man jagt von 6 bis 9 Uhr morgens<br />
und nach der Tageshitze im August ab<br />
18 Uhr. Der Landrover kann einen<br />
auf 1600 Meter bringen, und von da<br />
beginnt der Aufstieg. Im engen Karst<br />
hinter den Latschenfeldern sind <strong>mit</strong>unter<br />
Neigungswinkel von 30 bis 40<br />
Grad zu bewältigen. Dem Können<br />
der Berufsjäger darf man sich ruhig<br />
anvertrauen, sie verstehen ihre Sache.<br />
Unserer, Hubert M., gerade 26 oder<br />
27 Jahre alt, gehörte zu jenen Kraftlackeln,<br />
die gar nicht kraftstrotzend<br />
wirkten. Wenige Tage zuvor hatte er<br />
drei Gams auf einmal <strong>mit</strong> seiner Kraxen,<br />
die aus einer modernen Trekking-Ausrüstung<br />
stammte, über<br />
Stock und Stein bis zum Auto getragen.<br />
Josef K., der quietschfidele Vierundachtziger,<br />
hatte sie an einem Tag<br />
kurz hintereinander geschossen. Es<br />
galt, den Abschuß zu erfüllen, denn<br />
da<strong>mit</strong> lag man im Rückstand.<br />
Die Berufsjäger der Alpen sind Bergkönige,<br />
ob fünfzig oder dreißigjährig,<br />
und sind es sichtlich gewöhnt, <strong>mit</strong><br />
schweren Lasten auf dem Buckel<br />
mehrere hundert Meter Höhenunterschied<br />
abwärts zu bewältigen. Unsereins<br />
kann da nur staunen.<br />
Der Abend in der Hagelhütte hatte<br />
uns einen Streich gespielt. Der munter<br />
fließende, kalte Blaubach, direkt<br />
am Gartenzaun, tat dem Pfälzer Wein<br />
so gut, daß er schmeckte wie kaum<br />
einmal zu Hause. Gemütlichkeit<br />
stellte sich sehr bald ein und gebar<br />
bald eine locker-lustige Unterhaltung<br />
vom Hundertsten zum Tausendsten.<br />
Kurzum: Die jagdlichen Probleme lösten<br />
wir augenblicklich, manche politischen<br />
Fragen dauerten etwas länger,<br />
und es blieb ein ungeklärter Rest.<br />
Weinschwer sanken wir schließlich<br />
aufs Lager, verschliefen unsere biologischen<br />
Uhren samt den Weckern. Es<br />
pumperte: „Hubert, aufstehen!” Unser<br />
Jäger rüttelte an den Fensterläden.<br />
In überstürzter Eile verließen wir die<br />
Hütte, und ein verständnisvoll lachender<br />
Jäger empfing uns. „Spät<br />
sind die Herren. Ein guter Wein ist<br />
halt auch nicht zu verachten.” Indes,<br />
als die Sonne über den Kamm lugte,<br />
fand sie uns alle vier etwa 100 Meter<br />
unter dem Plumsjochsattel am Hang.<br />
Hubert M. hatte seinen Bergl, einen<br />
passionierten Bayerischen Gebirgsschweißhund,<br />
gleich <strong>mit</strong>gebracht.<br />
Der letzte Aufstieg zum Satteljoch im<br />
Karst, zwischen den Latschen, brachte<br />
den Kreislauf in Schwung und mir<br />
zudem <strong>bei</strong>, daß man auf Grasflächen<br />
<strong>mit</strong> stärkerem Neigungswinkel<br />
schlechter steigt als auf Steinen. Nun<br />
saßen wir am Hang vor einem Latschenfeld<br />
<strong>mit</strong> guter Aussicht nach allen<br />
Seiten. Die Sonne, in dieser Frühstunde<br />
ohne volle Kraft, tat wohl,<br />
wirkte wie ein Schuhlöffel zum Faulsein.<br />
Unmerklich belebte sich die<br />
Bühne der Natur. Da und dort schob<br />
sich Scharwild aus den Latschen.<br />
Schwache Rudel, und die einzelgängerischen<br />
Böcke hielten Abstand voneinander.<br />
Von den Gesprächen <strong>mit</strong><br />
den Gamsjägern blieb inzwischen einiges<br />
<strong>bei</strong> mir hängen. So wußte ich,<br />
daß das Geschlechterverhältnis im<br />
Naturschutzgebiet des Karwendels<br />
1:1,5 beträgt, hatte gehört, daß für<br />
die Höhe der Krucke die ersten 4 Jahre<br />
entscheiden, im fünften Jahr der<br />
Zuwachs maximal einen Zentimeter<br />
beträgt und die jährlichen Schübe<br />
nachher nur noch als „Millimeterringe”<br />
folgen. Neben diesen Jahresringen<br />
finden sich bisweilen sogenannte<br />
Schmuckringe an den Schläuchen,<br />
die verwirren können und <strong>mit</strong> Perioden<br />
guter Ernährung im Zusammenhang<br />
stehen. Ich hatte gehört,<br />
daß manchen Bergjägern das gelegentlich<br />
frühere, schwärzlichere Winterkleid<br />
älterer Gams als Unterscheidungsmerkmal<br />
zwischen säugenden<br />
Geißen und Geltgeißen dient, als<br />
Hilfs<strong>mit</strong>tel <strong>bei</strong> der Erfüllung des Abschußsolls.<br />
Erfahrene Jäger lehnen<br />
das ab. Manche halten es, wahrscheinlich<br />
nicht zu Unrecht, gar für<br />
ein Märchen. Die Natur ist von Haus<br />
aus viel zu nuancenreich. Farbschattierungen<br />
auf der Decke können ein-<br />
9/98 JAGD IN TIROL 24<br />
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