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Winter 2011 - Christusgemeinde Freiburg

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13<br />

Und diese wohlig-bergende Gegenwelt zur<br />

kapitalistisch-kalten funktioniert tatsächlich.<br />

Das heißt: Eigentlich funktioniert<br />

sie schon längst nicht mehr. Denn die angestrebte<br />

Gegenwelt Familie ist auch ein<br />

bloßes Spiegelbild der Gesellschaft geworden:<br />

Hier wie dort gibt es Mächtige und<br />

Schwache; hier wie dort geht es um<br />

Leistung und Gegenleistung. Das bedeutet<br />

freilich ebenso: Hier wie dort gibt es solche,<br />

die „ausbrechen“ und sich nicht anpassen<br />

lassen wollen. Sie scheren sich nicht darum,<br />

was von ihnen erwartet wird. Nehmen<br />

den Schmerz einer Scheidung in Kauf.<br />

Entscheiden sich bewusst für ein Leben<br />

als Alleinerziehende. Oder erkennen in der<br />

Familie eine Möglichkeit, Solidarität im<br />

Kleinen einzuüben; hier das Zusammenleben<br />

von Geschlechtern und Generationen<br />

neu auszuprobieren; im Alltag Partnerschaft<br />

und Entfaltung des Einzelnen miteinander<br />

zu verbinden; und nicht zuletzt<br />

für das eigene Leben Wertvolle an Kinder<br />

weiterzugeben – und von ihnen fürs eigene<br />

Leben zu lernen.<br />

Gerade junge Leute suchen heute in einer<br />

eigenen Familie jene Geborgenheit, die sie<br />

in ihrer Herkunftsfamilie oft vermissten.<br />

Sie erhoffen sich jenes Selbstwertbewusstsein,<br />

das ihnen die Leistungsgesellschaft<br />

verweigert. Solche Träume sind Sprengsätze.<br />

Für die Familie: Weil das Überfrachten mit<br />

derlei Kuschel- und Selbstverwirklichungserwartungen<br />

ihr auf Dauer die Luft<br />

abschnürt, wenn sie sich nicht erfüllen. Für<br />

die bestehende Ordnung: Weil es für sie<br />

gefährlich wird, wenn sich die Träume von<br />

Entfaltung und Solidarität und Verantwortung<br />

als durchaus verwirklichbar erweisen.<br />

Mithin ist die Familie in erster Linie ein<br />

Ort von Widersprüchen. Sie ist Sonntagsfamilie<br />

unterm Weihnachtsbaum – und<br />

Ausländer-, Flüchtlingsfamilie ohne<br />

Aussicht auf Arbeit, Wohnung, Anerkennung.<br />

Sie ist die „heilige Familie“ – und die<br />

Familie der auf Hartz IV Angewiesenen.<br />

Sie ist der Ort für Kinderreichtum (der oft<br />

Armut mit sich bringt) – und der Ort<br />

der demütigenden Gewalt gegen Kinder.<br />

Oder, wie es Martin Luther ausdrückt:<br />

„Die Familie ist die Quelle des Segens und<br />

des Unsegens der Völker.“ Und deshalb<br />

ist sie so wichtig: Weil Familie lebt, was ist,<br />

und (mitunter) ahnen lässt, was sein könnte.<br />

Dass es anders sein könnte, als es ist.<br />

Gerhard M. Kirk

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