Seniorenzeitung WIR (14/2010) - Arbeit und Leben Bremen eV
Seniorenzeitung WIR (14/2010) - Arbeit und Leben Bremen eV
Seniorenzeitung WIR (14/2010) - Arbeit und Leben Bremen eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ein kleiner Rückblick<br />
auf die Rücklage<br />
Das Bismarcksche Reichsgesetz über<br />
die Invaliditäts- <strong>und</strong> Alterssicherung von<br />
1889 war zwar von Anfang an als Vorsorge<br />
konzipiert. Was aber heraus kam, war lediglich<br />
eine Beihilfe für Notlagen, die im<br />
Wesentlichen auf Invalidität abgestellt war<br />
<strong>und</strong> die Frage der Alterssicherung kaum<br />
berücksichtigte, denn in den Genuss einer<br />
Rente, welche knapp einem Sechstel<br />
des damaligen Einkommens entsprach,<br />
kamen die unselbstständig Beschäftigten<br />
erst ab dem 70 <strong>Leben</strong>sjahr, wenn sie es<br />
denn erreichten. Erst 1916 wurde die Rentenaltersgrenze<br />
von 70 auf 65 Jahre herabgesetzt.<br />
Die gesetzliche Rentenversicherung<br />
war zwar weit davon entfernt, den vorherigen<br />
<strong>Leben</strong>sstandard im Alter zu garantieren,<br />
sie war mehr als ein kleines Zubrot,<br />
doch bewirkte sie deutlich einen Rückgang<br />
der Erwerbstätigkeit im Alter. Waren zur<br />
Jahrh<strong>und</strong>ertwende noch 70% der unselbstständig<br />
Beschäftigten erwerbstätig, so waren<br />
es 1925 schon weniger als die Hälfte,<br />
die nach dem 65 <strong>Leben</strong>sjahr noch arbeiteten.<br />
Neben den Alterseinkünften waren<br />
aber dennoch die meisten lohnabhängig<br />
Beschäftigten auf die Leistungen der eigenen<br />
Kinder <strong>und</strong> im Notfall auf staatliche<br />
<strong>und</strong> andere Fürsorge angewiesen.<br />
Die Unterstützungsfunktion der Rente<br />
basierte im Wesentlichen auf Ansparen.<br />
Dieses Prinzip der Rentenfinanzierung<br />
über Rücklagen aber hat kaum jemals<br />
richtig funktioniert. Bereits nach der ersten<br />
Hyperinflation (1921) begann der<br />
Staat die Rentenkassen mit Steuermitteln<br />
aufzufüllen. Dieses System wurde bis in<br />
die 50er Jahre des zurückliegenden Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
beibehalten. Mangels Rücklagen,<br />
bzw. durch Zweckentfremdung der Rentenkassen<br />
in der NS-Zeit wurden die Renten<br />
zeitweise bis zu 50% aus Steuermitteln<br />
finanziert. Die politischen Rechenspiele<br />
aus eingehenden Beiträgen <strong>und</strong> Steuermitteln,<br />
wie wir es von heute kennen, begleitet<br />
die Frage Finanzierung der Sozialsysteme<br />
mehr oder weniger von Anbeginn an.<br />
Mit der Rentenreform 1957 erfolgte<br />
der Übergang zum System der noch heute<br />
bestehenden Umlagefinanzierung. Statt<br />
Rücklagen zu bilden, wurden die Einnahmen<br />
(<strong>Arbeit</strong>geber- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>nehmerbeiträge)<br />
direkt für Rentenzahlungen verwendet.<br />
Dieser Schritt ermöglichte eine<br />
sofortige, deutliche Rentenerhöhung <strong>und</strong><br />
fortan eine dynamische Anpassung der<br />
Rentenhöhe an die Bruttolohnentwicklung.<br />
Die damals wesentlichen Argumente<br />
für das neue System waren, dass kein Kapitalvermögen<br />
existiert, das durch Kriege<br />
oder Weltwirtschaftskrisen vernichtet<br />
werden kann. Voraussetzung war, dass<br />
genügend neue, d.h. junge Beitragszahler<br />
vorhanden waren.<br />
Mit der Dynamisierung der Renten<br />
durch die Anpassung an die Lohnentwicklung<br />
(„Die Renten folgen den Bruttolöhnen“)<br />
reichten die Renten bzw. Pensionen<br />
für die Mehrzahl der Versicherten<br />
nun erstmals aus, um daraus den <strong>Leben</strong>sunterhalt<br />
bestreiten zu können. Zur Gesetzlichen<br />
Rentenversicherung hinzu kam<br />
eine Vielzahl von Zusatzversicherungsmöglichkeiten,<br />
die zusätzliche Einkünfte<br />
im Alter garantierten. Das lohn -<strong>und</strong><br />
beitragsbezogene Versicherungssystem<br />
hat zwar für alle Menschen eine finanzielle<br />
Absicherung gebracht, hat aber auch<br />
die Schere zwischen den einzelnen Einkommens-<br />
<strong>und</strong> Vermögensklassen weiter<br />
geöffnet. Denn es setzt nicht nur ein gutes<br />
Einkommen voraus, sondern auch die<br />
Existenz nachfolgender Generationen,<br />
deren Angehörige versicherungspflichtig<br />
tätig sind <strong>und</strong> vor allem ausreichend Beiträge<br />
zahlen.<br />
<strong>WIR</strong>/ Redaktion<br />
Rente seit Bismarck<br />
Mit der Rentenreform 1957<br />
erfolgte der Übergang zum<br />
System der noch heute bestehendenUmlagefinanzierung.<br />
Statt Rücklagen<br />
zu bilden, wurden die Einnahmen<br />
(<strong>Arbeit</strong>geber- <strong>und</strong><br />
<strong>Arbeit</strong>nehmerbeiträge) direkt<br />
für Rentenzahlungen<br />
verwendet. Dieser Schritt<br />
ermöglichte eine sofortige,<br />
deutliche Rentenerhöhung<br />
<strong>und</strong> fortan eine dynamische<br />
Anpassung der<br />
Rentenhöhe an die Bruttolohnentwicklung.<br />
Wir <strong>14</strong> - <strong>2010</strong> | 11