Seniorenzeitung WIR (14/2010) - Arbeit und Leben Bremen eV
Seniorenzeitung WIR (14/2010) - Arbeit und Leben Bremen eV
Seniorenzeitung WIR (14/2010) - Arbeit und Leben Bremen eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ich sag‘ mal ganz ehrlich,<br />
mit 67 in Rente gehen,<br />
also, wenn man in der<br />
Automobilproduktion arbeitet,<br />
das schafft keiner.<br />
Ich sehe das bei unserem<br />
Meister, dem Herrn V., der<br />
liegt auf dem Osterholzer<br />
Friedhof - mit 53 Jahren.<br />
8 | Wir <strong>14</strong> - <strong>2010</strong><br />
Modell-Tischlerei tätig, bis wegen eines<br />
Brandes in der Tischlerei <strong>und</strong> Daimler die<br />
Modelltischlerei abschaffte <strong>und</strong> ich wieder<br />
in Halle 1 eingesetzt wurde. Danach zehn<br />
Jahre in Halle 8 bei der Hohlraumkonservierung<br />
<strong>und</strong> als Anlagenwart.<br />
Wie ging es dann weiter?<br />
Von 28 <strong>Arbeit</strong>splätzen sind acht geblieben.<br />
Durch die Roboter-Modernisierung<br />
kam ich wieder in die Halle 1. Ich bin immer<br />
noch in Halle 1 <strong>und</strong> habe da vielseitige<br />
Tätigkeiten. Hauptsächlich hängen<br />
wir alle Auto-Anbauteile, wie Motorhaube,<br />
Heckdeckel, Türen, Kotflügel u.a. auf<br />
Haken, damit sie im Tauchbecken hin <strong>und</strong><br />
her schwingen können, genau wie die Autokarossen<br />
auch, die fahren da durch <strong>und</strong><br />
werden mit Lack aus dem Tauchbecken beschichtet.<br />
Du bist jetzt 32 Jahre bei Daimler <strong>und</strong><br />
hättest noch 9 1/2 Jahre bis zur Rente?<br />
Ich kann mir nicht vorstellen noch 9 1/2<br />
Jahre knüppeln zu müssen. Irgendwann ist<br />
auch das Ende der Fahnenstange erreicht.<br />
Ich sag‘ mal ganz ehrlich, mit 67 in Rente<br />
gehen, also, wenn man in der Automobilproduktion<br />
arbeitet, das schafft keiner. Ich<br />
sehe das bei unserem Meister, dem Herrn<br />
V., der liegt auf dem Osterholzer Friedhof<br />
- mit 53 Jahren. Er war drei Jahre jünger<br />
als ich. Letztes Jahr ist das passiert: Spätschicht<br />
beendet, Herzinfarkt <strong>und</strong> weg.<br />
Wie soll es dann weiter gehen?<br />
Ich würde mir wünschen, dass sie jetzt<br />
eine Regelung finden, früher in Rente gehen<br />
zu können. Die <strong>Arbeit</strong>sbelastung wird<br />
immer mehr <strong>und</strong> das Geld wird weniger.<br />
Die Schichtarbeit im Alter wird auch immer<br />
schwieriger. Mit 60 werde ich 45 Jahre<br />
in die Rentenkasse eingezahlt haben.<br />
Was würdest du privat machen, wenn<br />
du früher in Rente gehen könntest?<br />
Auf keinen Fall würde ich wieder arbeiten<br />
gehen. Dann gehe ich meinen Hobbys<br />
nach. Ich bin leidenschaftlicher Angler <strong>und</strong><br />
muss endlich wieder meine Briefmarken<br />
sortieren, auf den neuesten Stand bringen.<br />
Mich mit meinem Fahrrad beschäftigen.<br />
Ich repariere für die Nachbarn die Fahrräder.<br />
Zu tun habe ich immer. Holzmässig<br />
habe ich die handwerklichen Fähigkeiten<br />
immer noch. Ab <strong>und</strong> zu restauriere ich<br />
eine Lampe aus den Vorkriegsjahren. Oder<br />
ich mache eine Puppenstube wieder fertig,<br />
die auch aus frühen Zeit stammt.<br />
Macht dir die Zeit ohne Tätigkeit im<br />
Betrieb keine Angst?<br />
Bestimmt nicht. Ich habe so viel um<br />
die Ohren. Ich spiele mit dem Gedanken<br />
wieder nach Mecklenburg zurückzugehen<br />
- da lebt mein Bruder - <strong>und</strong> dort ein<br />
kleines Häuschen zu bauen oder zu restaurieren.<br />
Dann habe ich genug zu tun, wenn<br />
ich etwas Viehzeug um mich herum habe.<br />
Das schwebt mir in meinen Gedanken vor.<br />
Meine sieben Enkelkinder sollen einen fitten<br />
Opa haben.<br />
Interview: <strong>WIR</strong>-Redaktion