Seniorenzeitung WIR (14/2010) - Arbeit und Leben Bremen eV

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Bei Schlecker gibt es inzwischen mehr Betriebsräte, aber noch nicht genug – und unter diesen gibt es nicht wenige so genannte „blau-weiße“ Betriebsräte, denen das gute Verhältnis zur Geschäftsleitung vor Interessen der Beschäftigten geht. Von diesen können Beschäftigte kaum auf Unterstützung in der Vertretung ihrer berechtigten Interessen hoffen. 14 | Wir 14 - 2010 Arbeitszeitkonten gibt es auch in vielen anderen Betrieben, aber Verfahren und Bedingungen werden mit Betriebsrat bzw. der Gewerkschaft ausgehandelt und dabei Interessen der Beschäftigten berücksichtigt, z.B. Freiwilligkeit, Zeiträume, Regelungen zu Freizeitausgleich und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – nicht so bei Schlecker. Gespräche oder Vereinbarungen mit Betriebsräten oder mit ver. di gab es nicht - ein Bruch des Tarifvertrags. Inzwischen hat Schlecker zugesagt die Juni-Überstunden nachzuzahlen, sich aber nicht zum zukünftigen Vorgehen geäußert. Schlecker und Betriebsräte Bei Schlecker gibt es inzwischen mehr Betriebsräte, aber noch nicht genug – und unter diesen gibt es nicht wenige so genannte „blau-weiße“ Betriebsräte, denen das gute Verhältnis zur Geschäftsleitung vor Interessen der Beschäftigten geht. Von diesen können Beschäftigte kaum auf Unterstützung in der Vertretung ihrer berechtigten Interessen hoffen. Betriebsratskolleginnen, die konsequent auf die Einhaltung gesetzlicher und tariflicher Rechte der Beschäftigten pochen, haben dagegen einen schweren Stand. Mobbing, willkürliche Abmahnungen, Lohnabzug für ihre Betriebsratsarbeit, Verweigerung notwendiger Informationen usw. machen ihnen den Alltag schwer. Sie werden laufend mit Gerichtsprozessen beschäftigt, um Selbstverständlichkeiten einzuklagen. Und angesichts von Einschüchterung und Erpressung (z.B. durch Androhung von Stundenkürzungen gegen den Willen der Kolleginnen) ist aktive Unterstützung der Betriebsräte durch Kolleginnen immer noch selten. Nach wie vor versucht Schlecker die Gründung von Betriebräten zu verhindern – auch in Bremen. Nur in einem von zwei Bremer Betriebsratsbezirken existiert ein Betriebsrat. Der Versuch, in dem Bezirk Bremen-Mitte und Süd eine Wahl im Jahr 2010 einzuleiten, wurde vereitelt: 3 Kolleginnen, die dafür infrage kamen, wurden unter fadenscheinigen Gründen entlassen. Sie verzichteten darauf, mit ver.di Unterstützung gegen ihre Kündigung anzugehen. SeniorInnen aus den Gewerkschaften sind gefragt Wie können wir als gewerkschaftlich organisierte SeniorInnen die Bemühungen von ver.di unterstützen, die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel und den Produktionsstätten der Waren nicht immer weiter abrutschen zu lassen? Bei vielen gewerkschaftlichen Aktionen von ver.di Handel sind SeniorInnen beteiligt gewesen. Wir alle sind als KundInnen, als RentnerInnen und als ehemalige Beschäftigte betroffen von der Aushöhlung von Tarif- und Arbeitnehmerschutz-Rechten. Der Lebensstandard der Beschäftigten bei Billigketten und den Zulieferbetrieben wird dadurch bedroht, aber Niedriglohn wirkt sich auch auf die öffentlichen Kassen und das Rentenniveau aus. Viele boykottieren Schlecker schon, indem sie dort nicht mehr einkaufen. Aber dauerhafter Boykott hilft den Kolleginnen dort nicht. Im Gegenteil, sie fühlen ihre Arbeitsplätze dadurch gefährdet. Was aber jede/r Gewerkschafter/in tun kann: die Kolleginnen nach ihren Problemen fragen, sie ermutigen ihre Rechte aus den Tarifverträgen wahrzunehmen und sich bei Problemen an ver.di oder an Betriebsrätinnen ihres Vertrauens zu wenden. Erfreulicherweise ist der Organisationsgrad bei Schlecker in Bremen gestiegen, aber es gibt noch viel zu tun ... auch in vielen anderen Einzelhandelsketten, Boutiquen usw. Das öffentliche Interesse in der Bevölkerung und in den Medien im vergangenen Jahr sollte von uns allen genutzt werden. Dass so viel öffentlicher Druck ausgeübt werden konnte, lag an einer bundesweiten längerfristig angelegten Kampagne und zahlreichen ver.di-Aktionen mit Beschäftigten bei der Eröffnung von Schlecker XL-Märkten und an Aktionen in Zusammenarbeit zwischen ver.di und sozialen Initiativen.
Flashmob-Aktionen Mayday- und Anti-Krisenbündnis mit ver.di Handel Die bundesweit bekannt gewordenen zwei Flashmob-Aktionen bei Schlecker XL-Märkten waren nicht denkbar ohne die monatelang aufgebaute Kampagne rund um die Verhältnisse bei Schlecker, im Einzelhandel sowie im Niedriglohnbereich. Sie gelang nur mit einer breiten Mobilisierung in sehr unterschiedlichen politischen Kreisen und in der Bevölkerung. Emmely- und Schlecker-Solidarität Angefangen hatte es im Sommer 2009 mit einer Solidaritätskampagne für die Gewerkschafterin „Emmely“, die als Kassiererin wegen angeblicher Pfandbon- Unterschlagung von 1,30 Euro entlassen worden war und die mit Unterstützung eines Komitees „Solidarität mit Emmely“ den Kampf gegen die Praxis von „Verdachtskündigungen“ aufgenommen hatte. Nach zwei gerichtlichen Niederlagen hat das Bundesarbeitsgericht am 10. Juni 2010 ihre Wiedereinstellung bei Kaiser’s verfügt. Mit vier Pfand-Sammelaktionen vor Supermärkten in verschiedenen Bremer Stadtteilen hat das Mayday-Bündnis die Initiative ergriffen. Von Anfang an war das Medienecho groß: Auf den Info-Stand in Gröpelingen hatte das Radio schon morgens hingewiesen, Zeitungen und buten & binnen berichteten. Spenden und Unterschriften unter die Petition zur Abschaffung von Bagatellkündigungen wurden gesammelt. Es war aber besonders wichtig, dass sich rund um den Stand viele Gespräche mit PassantInnen entwickelten, die eigene Erfahrungen im Einzelhandel und mit vergleichbaren Arbeitsbedingungen gesammelt hatten. Das Bedürfnis, über Erfahrungen und Probleme ihrer Arbeitswelt zu sprechen, war spürbar. Zwar sagte auch mal einer: „Man kann ja doch nichts machen.“, aber das war die Ausnahme. Diese Erfahrungen wiederholten sich bei den anderen Info-Ständen. Viele Menschen waren schon informiert und hatten sich schon mit der Frage von Verdachtskündigungen und dem Umgang von Unternehmen mit den KollegInnen beschäftigt. Höhepunkt der „Emmely“-Kampagne war die Veranstaltung am 5. August 2009, auf der der Film „Ende der Vertretung – Emmely und der Streik im Einzelhandel“ gezeigt wurde. Dass am Ende nicht alle einfach so auseinander gingen, lag aber daran, dass zwei Schlecker-Betriebsrätinnen und Richard Schmid von ver.di Handel gekommen waren. In der Diskussion wurde den TeilnehmerInnen erstmals das Schlecker-XL-Konzept und seine Folgen für die Beschäftigten in den alten und neuen Filialen bekannt. Daraus hat sich eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Schlecker-Kolleginnen und ver.di rund um Schlecker XL entwickelt. Schlecker und Einzelhandel ist seitdem fester Bestandteil der Arbeit im Mayday- und seit Herbst 2009 auch im Bremer Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise“ von Traudel Kassel Höhepunkt der „Emmely“- Kampagne war die Veranstaltung am 5. August 2009, auf der der Film „Ende der Vertretung – Emmely und der Streik im Einzelhandel“ gezeigt wurde. Dass am Ende nicht alle einfach so auseinander gingen, lag aber daran, dass zwei Schlecker-Betriebsrätinnen und Richard Schmid von ver.di Handel gekommen waren. Wir 14 - 2010 | 15
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